Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.10.2004

OVG NRW: unterricht, rechtskraft, besuch, sonderschule, lehrer, beiladung, rechtsschutz, verfügung, behinderung, vorrang

Oberverwaltungsgericht NRW, 16 B 926/04
Datum:
15.10.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 B 926/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 14 L 422/04
Tenor:
Die Anträge auf Beiladung des Landes Nordrhein-Westfalen und des
Kreises T2. werden abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers
gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 20. April
2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien
Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
1
Der Antrag des Antragstellers, sowohl das Land Nordrhein-Westfalen als auch den
Kreis T1. als Schulträger der E. -C. -T. beizuladen, ist abzulehnen.
2
Der für das Schulrecht zuständige 19. Senat des angerufenen Oberverwaltungsgerichts
hat zwar in seinem zwischenzeitlich rechtskräftig gewordenen, den Beteiligten im
vorliegenden Verfahren vorab zur Kenntnis gegebenen Urteil vom 9. Juni 2004 - 19 A
1757/02 - entschieden, dass die zur Gewährleistung des Schulbetriebes
aufzuwendenden Kosten der individuellen Betreuung eines behinderten Schülers
während des Unterrichts durch einen "Integrationshelfer" Schulkosten im Sinne des § 1
Abs. 1 SchFG NRW sind, die entweder nach § 3 Abs. 1 SchFG NRW durch das Land
Nordrhein-Westfalen - wenn es sich bei dem Integrationshelfer um einen Lehrer handelt
- oder nach § 10 SchVG NRW durch den Schulträger - wenn es sich um einen sonstigen
Bediensteten der T. handelt - zu tragen sind. Dass unter diesem Gesichtspunkt das
Land Nordrhein-Westfalen durch die hier zu treffende Entscheidung im Sinne des § 65
Abs. 1 VwGO in seinen rechtlichen Interessen berührt würde, kann aber
ausgeschlossen werden, weil der Antragsteller nicht die Betreuung durch einen ihm
beizustellenden Lehrer, sondern durch eine sonstige Hilfskraft erstrebt. Eine Beiladung
des Kreises T1. ist nicht möglich und auch nicht erforderlich, weil der Landrat des
Kreises als Antragsgegner am Verfahren beteiligt ist. Die gegenüber einer beteiligten
Behörde ergehende Entscheidung erwächst auch gegenüber deren Rechtsträger in
Rechtskraft und bindet diesen und alle seine Behörden. Diese für das Klageverfahren
nach Maßgabe des § 121 VwGO geltende Wirkung gilt in gleicher Weise für das
3
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, auch wenn die hierbei ergehenden
gerichtlichen Entscheidungen nur in eingeschränkte Rechtskraft erwachsen. Vgl.
BVerwG, Beschluss vom 28. August 2002 - 9 VR 11.02 -, Buchholz 310 § 65 VwGO Nr.
142 = DVBl 2003, 67, m.w.N.
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
4
Der Antrag, den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Antragsgegner im Wege
der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für den Besuch des Antragstellers in der E.
-C. -T. "im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten für einen Integrationshelfer
vorläufig zu übernehmen",
5
hat keinen Erfolg. Die dargelegten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung im
Beschwerdeverfahren beschränkt (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine
Änderung des angefochtenen Beschlusses.
6
Die begehrte Verpflichtung des Antragsgegners, "im Rahmen der Eingliederungshilfe
die Kosten für einen Integrationshelfer vorläufig zu übernehmen", kommt im
vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil unter den vom Antragsteller behaupteten
Umständen ein schulrechtlicher Anspruch besteht, der nach § 2 Abs. 1 BSHG vorrangig
geltend zu machen gewesen wäre und - wenn auch notfalls mit Hilfe eines Antrags auf
Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes - bereite Mittel geboten hätte.
Der 19. Senat hat in der angeführten Entscheidung gerade im Hinblick auf den Einsatz
von Integrationshelfern klargestellt, dass der Zuordnung der Personalausgaben zu den
Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW nicht entgegensteht, dass "die
Kosten für eine Einzelbetreuung eines Schülers über das gewöhnliche Maß der
pädagogisch-pflegerischen Betreuung erheblich hinausgehen". Sein in diesem
Zusammenhang gegebener Hinweis auf § 7 Abs. 1 Satz 1 SchpflG NRW, wonach
Schulpflichtige, die wegen körperlicher, seelischer oder geistiger Behinderung oder
wegen erheblicher Beeinträchtigung des Lernvermögens im Unterricht einer
Grundschule oder einer weiterführenden allgemeinen T. nicht hinreichend gefördert
werden können, ihrem individuellen Förderbedarf entsprechend sonderpädagogisch
gefördert werden, zeigt jedenfalls für den hier in Rede stehenden Besuch einer
Sonderschule für Geistigbehinderte, dass in dem vom Antragsteller für seine Situation
behaupteten und deshalb hier unterstellten Fall der Erforderlichkeit der Einzelbetreuung
ein schulrechtlicher Anspruch auf Übernahme der Kosten der Betreuung durch einen
eigens abgestellten Integrationshelfer bestehen kann. Dem beschriebenen
schulrechtlichen Anspruch kommt nach § 2 Abs. 1 BSHG Vorrang gegenüber
eventuellen sozialhilferechtlichen Leistungsansprüchen zu. Anders als in den den
Urteilen des Senats vom 15. Juni 2000 - 16 A 3108/99 -, FEVS 52, 513, und 12. Juni
2002 - 16 A 5013/00 - zugrunde liegenden Fällen - sie betrafen nicht die Beschulung in
einer Sonderschule, sondern integrativen Unterricht in allgemeinen Schulen - lässt sich
nicht die Auffassung vertreten, unter dem Gesichtspunkt eines eventuellen
schulrechtlichen Anspruchs stünden keine bereiten Mittel zur Verfügung, weil sich ein
eventueller schulrechtlicher Anspruch angesichts der ungeklärten Rechtslage jedenfalls
nicht rechtzeitig werde durchsetzen lassen. Darauf war der Prozessbevollmächtigte des
Antragstellers bereits durch das Schreiben des Berichterstatters vom 26. August 2004
hingewiesen worden. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die im angesprochenen
Urteil des 19. Senats vertretene Rechtsauffassung in einem eventuellen
schulrechtlichen Verfahren zugrunde gelegt werden und unter den Prämissen der
Beschulbarkeit des Antragstellers und der Erforderlichkeit seiner Betreuung durch einen
7
Integrationshelfer auch zeitnaher einstweiliger Rechtsschutz zu erlangen sein würde.
Wegen des nach alledem gegebenen vorrangigen schulrechtlichen Anspruchs des
Antragstellers kommt auch die Anwendung von § 44 Abs. 1 BSHG nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
8
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 2 VwGO unanfechtbar.
9