Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.07.2004

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Oberverwaltungsgericht NRW, 10 B 925/04
Datum:
22.07.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 B 925/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 9 L 305/04
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen als
Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
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Aus dem Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4
Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass die streitige Baugenehmigung vom
5. Februar 2004 zum Neubau einer Sporthalle gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften
verstößt, die auch dem Schutz der Antragsteller als Nachbarn zu dienen bestimmt sind.
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Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss im Ergebnis zu Recht
festgestellt, dass sich die vom fraglichen Vorhaben des Beigeladenen auf das
Wohnhaus der Antragsteller einwirkenden Lärmimmissionen aller Voraussicht nach
innerhalb des Rahmens bewegen, der diesen durch § 15 BauNVO und das dort
verankerte planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot gezogen wird. Entgegen dem
Beschwerdevorbringen hat das Verwaltungsgericht dabei zutreffend die Regelungen
der 18. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes
(Sportanlagenlärmschutzverordnung) - 18. BImSchV - zugrunde gelegt. Nach § 1 Abs. 1
Satz 1 der 18. BImSchV gilt diese Verordnung für die Errichtung, die Beschaffenheit und
den Betrieb von Sportanlagen, soweit sie zum Zwecke der Sportausübung betrieben
werden und einer Genehmigung nach § 4 des Bundesimmissionsschutzgesetzes nicht
bedürfen. Ausweislich des Bauscheins vom 5. Februar 2004 ist dem Beigeladenen eine
Baugenehmigung für den Neubau einer Sporthalle erteilt worden. Die zugehörigen grün
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gestempelten Bauvorlagen stellen eine Sporthalle mit einer Spielfläche von gut 1.094
qm mit zugehörigen Nebenräumen (Umkleidekabinen, Wasch- und WC-Räume,
Geräteräume etc.) sowie einen ca. 95 qm großen "Mehrzweckraum" dar, dem eine
"Küche" mit knapp 10 qm räumlich zugeordnet ist. Danach können keine Zweifel am
Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen der 18. BImSchV bestehen. Der
beschriebene Mehrzweckraum mit Küche dient als untergeordnete Nebeneinrichtung
dem Hauptzweck "Sporthalle" und vermag an der Anwendbarkeit der 18. BImSchV
nichts zu ändern. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 dieser Verordnung gehören zur Sportanlage
nämlich auch Einrichtungen, die - wie hier der beschriebene Mehrzweckraum - mit der
Sportanlage in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Die
streitige Baugenehmigung lässt, anders als die Antragsteller meinen, gerade nicht eine
Nutzung für andere als Sportzwecke zu. Insbesondere wären die von ihnen befürchteten
Veranstaltungen wie etwa Advents- oder Weihnachtsfeiern mit mehr als 250 Besuchern
von der hier allein zu prüfenden Baugenehmigung vom 5. Februar 2004 nicht gedeckt.
Diese begrenzt in ihrer Nebenbestimmung "MA 7" die Zahl der Nutzer auf maximal 250
Personen und schließt ausdrücklich "Großveranstaltungen, z.B.
Karnevalsveranstaltungen" aus. Auch andere nicht der Sportausübung dienende
Veranstaltungen insbesondere auf der Sportfläche sind danach nicht Gegenstand der
angefochtenen Baugenehmigung, so dass das in der Beschwerdeschrift angesprochene
Aufstellen von Tischen und Stühlen auf der Spielfläche durch die Baugenehmigung vom
5. Februar 2004 nicht gedeckt wäre. Nichts anderes würde für eine verselbstständigte
Nutzung des Mehrzweckraumes als allgemeiner Veranstaltungsraum ohne zeitlichen
und betrieblichen Zusammenhang mit der Nutzung der Sporthalle für Zwecke der
Sportausübung gelten. Die strittige Baugenehmigung sieht einen "Mehrzweckraum"
innerhalb eines als "Sporthalle" genehmigten Gebäudes vor und deckt damit keine
Nutzung ohne inneren Zusammenhang mit dem zugelassenen Sportbetrieb.
Feierlichkeiten ohne sportlichen Bezug mit "mehreren hundert Personen" sind damit
nach der angefochtenen Baugenehmigung rechtlich und in dem nur etwa 95 qm großen
Raum auch tatsächlich ausgeschlossen.
Geht man von dem soeben dargestellten Genehmigungsumfang aus, ist nach dem
gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht zu erwarten, dass die damit zugelassene Nutzung
und die Nutzung der ebenfalls genehmigten 43 Stellplätze Lärmimmissionen verursacht,
die die Antragsteller unzumutbar im Sinne des Rücksichtnahmegebotes
beeinträchtigen. Nach dem Gutachten zum "Schall-Immissionsschutz" des Dipl.-Ing. C.
vom 28. November 2003, ergänzt durch dessen Gutachten vom 14. Februar 2004, ist am
Haus der Antragsteller während der Ruhezeit am Tag mit einem Beurteilungspegel von
41 dB(A) und während der Nachtzeit (in der lautesten Stunde) mit einem
Beurteilungspegel von 32 dB(A) zu rechnen. Damit werden die maßgeblichen
Richtwerte der 18. BImSchV, die für ein - hier im Bebauungsplan B 1 der Stadt M1. u.a.
für das Grundstück der Antragsteller festgesetztes - allgemeines Wohngebiet einen
Richtwert von 55 dB(A) außerhalb und 50 dB(A) innerhalb der täglichen Ruhezeiten
bzw. 40 dB(A) nachts vorsieht, deutlich eingehalten. Zwar hat der Gutachter seinen
Berechnungen eine Zahl von 199 Zuschauerplätzen zugrunde gelegt und weiter
vorausgesetzt, dass bei einer Veranstaltung während der Nachtzeit Lichtkuppeln und
Fenster der Sporthalle geschlossen sind, während die Baugenehmigung die Zahl der
Besucher auf 250 festlegt und ein entsprechendes Schließen von Kuppeln bzw.
Fenstern nicht vorschreibt. Dies hat das Verwaltungsgericht mit zutreffender
Begründung, auf die Bezug genommen wird, für unschädlich gehalten. Selbst wenn
man mit dem Beschwerdevorbringen einen vom Verwaltungsgericht u.a.
herangezogenen Abschirmungseffekt durch das Sporthallengebäude verneint, spricht
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alles dafür, dass eine Erhöhung des Beurteilungspegels um mehr als 8 dB(A) (für die
Nachtzeit) nicht befürchtet werden muss.
Die Beschwerde vermisst eine gutachterliche Untersuchung der Verkehrsgeräusche des
Zu- und Abgangsverkehrs auf den öffentlichen Verkehrsflächen. Das Gutachten des
Dipl.-Ing. C. vom 28. November 2003 enthält insoweit lediglich den lapidaren Satz, dass
"in Folge der für eine öffentliche Straße geringen Anzahl von durch den Betrieb der
Sporthalle verursachten Fahrzeugbewegungen (...) auch ohne detaillierte Berechnung
vorausgesetzt werden [kann], dass die in der Verkehrslärmschutzverordnung
festgelegten, für den Fahrverkehr auf öffentlichen Straßen in allgemeinen Wohngebieten
geltenden Immissionsgrenzwerte vor den nächstgelegenen schutzbedürftigen
Gebäuden eingehalten werden." (vgl. S. 10 des Gutachtens). Der Gutachter verkennt
damit zwar den Regelungsgehalt der Nr. 1.1 letzter Absatz des Anhangs zur 18.
BImSchV. Danach sind nämlich Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen
außerhalb der Sportanlage durch das der Anlage zuzuordnende Verkehrsaufkommen
bei der Beurteilung gesondert von den anderen Anlagengeräuschen zu betrachten und
nur zu berücksichtigen, sofern sie nicht selten auftreten (Nr. 1.5) und im Zusammenhang
mit der Nutzung der Sportanlage den vorhandenen Pegel der Verkehrsgeräusche
rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen, wobei allein das Berechnungsverfahren
der 16. BImSchV sinngemäß anzuwenden ist. Die vom Gutachter in den Blick
genommenen (höheren) Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV finden daher hier
keine Anwendung. Gleichwohl sieht der Senat derzeit keinen Anlass für die Annahme,
dass die mit der streitigen Nutzung verbundenen Verkehrsgeräusche auf öffentlichen
Verkehrsflächen, jedenfalls auf dem L.-----weg bzw. der B.-----straße im Bereich des
Grundstücks der Antragsteller, die einschlägigen Richtwerte der 18. BImSchV
überschreiten. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand ist im Rahmen des
vorliegenden Eilverfahrens zum einen davon auszugehen, dass Pkw die Sporthalle
ganz überwiegend über die weiterführende C1. Straße - K 8 - an- bzw. abfahren. In der
Begründung (unter 6.2) zur 3. Änderung des Bebauungsplans B 1 der Stadt M1. , der die
planungsrechtliche Grundlage für die Errichtung der fraglichen Sporthalle bildet, ist
zudem ausgeführt, dass "Schleichwege durch Wohngebiete" nicht möglich sind.
Gegenteiliges wird auch mit der Beschwerdeschrift nicht dargelegt. Weiter ist bei einer
maximal zulässigen Auslastung der Sporthalle mit 250 Nutzern aller Voraussicht nach
jedenfalls im Bereich des Grundstücks der Antragsteller nicht mit einem
Parkplatzbesuchverkehr in nennenswertem Umfang zu rechnen. Ausschlaggebend für
diese Beurteilung ist zum einen der Umstand, dass, wie bereits das Verwaltungsgericht
im angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, die Zahl der genehmigten Stellplätze mit
43 den Maßgaben der Stellplatzrichtlinien entspricht und nicht etwa zu gering bemessen
ist. Sollte im Einzelfall die Zahl der Stellplätze nicht ausreichen, spricht alles dafür, dass
Fahrzeuge möglichst nahe an der Zufahrt zur Sporthalle entlang des L1.-----wegs bzw.
an der davon abzweigenden F.-------straße , möglicherweise auch noch in der C2.-----
straße , jedoch nicht entlang des etwa 130 m entfernt gelegenen Grundstücks der
Antragsteller abgestellt werden. Dabei dürfte die Zahl der Fahrzeuge, die keine
Parkmöglichkeit mehr auf der genehmigten Stellplatzfläche finden, angesichts einer auf
250 Personen begrenzten Zahl von Sporthallennutzern von vornherein überschaubar
bleiben. Im Übrigen ist auch der Rat der Stadt M. ausweislich der Begründung (unter
6.3) zur 3. Änderung des Bebauungsplans B 1 davon ausgegangen, dass nach
"Auswertung vorliegender Daten über Sportarten, Mitgliederanzahl, Mannschaftsstärken
und Spielklassen" die Zahl der Stellplätze ausreichend bemessen ist und auch die
"Hallennutzung im regulären Spielbetrieb durch einen Verein mit keiner höheren Anzahl
von Fahrzeugen durch Spieler und Zuschauer zu rechnen" ist. Der Antragsgegner wird
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im Übrigen bei gegebenem Anlass zur Vermeidung ordnungswidriger
Verkehrsverhältnisse zu prüfen haben, ob die in der zitierten Planbegründung weiter
erwähnte "zusätzliche Stellplatzfläche auf dem benachbarten Sportplatz" bei Bedarf
"provisorisch nachgewiesen" werden kann. Schließlich kommt hinzu, dass vor diesem
Hintergrund nichts dafür spricht, dass die gesondert zu betrachtenden
Verkehrsgeräusche entsprechend der zitierten Nr. 1.1 des Anhangs zur 18. BImSchV
jedenfalls im Bereich des Grundstücks der Antragsteller zu einer Pegelerhöhung um 3
dB(A) führen werden. Darauf, ob die Verkehrsgeräusche seltene Ereignisse im Sinne
der Nr. 1.5 des Anhangs zur 18. BImSchV darstellen und auch deshalb unberücksichtigt
bleiben können, kommt es nicht einmal an.
Die weitere in der Beschwerdeschrift geäußerte Kritik an dem Schallgutachten des
Dipl.-Ing. C. greift nicht durch. So hat der Gutachter, wie sich aus den Ausführungen auf
S. 6 seines Gutachtens vom 28. November 2003 ergibt, entsprechend der Regelung der
Nr. 1.2 , Buchst. a) der Anlage zur 18. BImSchV durchaus den maßgeblichen
Immissionsort bei seiner Berechnung zutreffend bestimmt. Ein von den Antragstellern
geforderter Zuschlag für Impulshaftigkeit von Geräuschen durch - technisch nicht
verstärkte - menschliche Stimmen ist gemäß Nr. 1.3.3 zweiter Absatz des Anhangs zur
18. BImSchV nicht vorzunehmen. Soweit die Antragsteller weitergehend einen Zuschlag
für Impulshaftigkeit durch z.B. Aufprallgeräusche von Bällen oder Trillerpfeifen
entsprechend 1.3.3 erster Absatz des Anhangs zur 18. BImSchV vermissen, ergibt sich
daraus kein anderslautendes Ergebnis. Angesichts dessen, dass diese Geräusche im
Halleninnern entstehen und allenfalls durch eventuell zeitweise geöffnete Kuppeln bzw.
Fenster nach außen dringen können, erscheint ein derartiger regelmäßig bei
Sportveranstaltungen unter freiem Himmel vorgesehener Pegelzuschlag weder
erforderlich noch sachgerecht. Dies gilt um so mehr, als sich in der zum Grundstück der
Antragsteller gerichteten Außenwand des Hallengebäudes mit Ausnahme des Fensters
im Besprechungsraum keine Öffnungen befinden und das Wohnhaus der Antragsteller
überdies 70 m vom Hallengebäude entfernt gelegen ist.
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Weshalb sich aus der in der Baugenehmigung vom 5. Februar 2004 enthaltenen
Zulassung von drei Stellplätzen auf einer Fläche, die im Bebauungsplan Nr. B 1 der
Stadt M. in der Fassung der 3. Änderung als öffentliche Grünfläche und Fläche für
Vorkehrungen zum Schutz von schädlichen Umwelteinwirkungen (Lärmschutz)
festgesetzt ist, nachbarliche Abwehrrechte zu Gunsten der Antragsteller ergeben, wird in
der Beschwerdeschrift nicht dargelegt. Mit der lapidaren Berufung auf einen
"Plangewährleistungsanspruch" wird ein nachbarschützender Charakter dieser
Festsetzung nicht aufgezeigt. Auch für eine nach Ansicht der Antragsteller dadurch
bewirkte Verletzung des Rücksichtnahmegebotes spricht nach dem oben Dargestellten
nichts.
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Schließlich führt die von den Antragstellern behauptete Unwirksamkeit der 3. Änderung
des Bebauungsplans B 1 der Stadt M. nicht weiter. Mit der Beschwerde wird nicht
dargelegt, weshalb sich bei Unwirksamkeit dieses Plans ein Abwehrrecht der
Antragsteller gegen das mit der angefochtenen Baugenehmigung zugelassene
Vorhaben ergibt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in der bis
zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Gesetzes zur
11
Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004, BGBl. I S. 718).
Diesel Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
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