Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.09.2001

OVG NRW: gleichbehandlung im unrecht, verwirkung, prüfer, klausur, gewohnheitsrecht, wiederholung, bekanntgabe, veröffentlichung, rechtsmittelbelehrung, betrug

Oberverwaltungsgericht NRW, 14 A 3334/01
Datum:
20.09.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 A 3334/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 4 K 3397/00
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 8.000,-- DM
festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Es kann dahinstehen, ob der Zulassungsantrag des Klägers dem
Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO genügt. Jedenfalls ergeben sich
aus seinem Vortrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des
Verwaltungsgerichts im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, auf den er sich allein
beruft.
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a) Das Verwaltungsgericht hat bezüglich der im Jahre 1998 abgelegten, wegen
Täuschungsversuchs als nicht bestanden gewerteten Fachprüfung für den Fall, daß
deren Ergebnis durch Bescheid bekanntgegeben und damit bestandskräftig geworden
sei, angenommen, daß der Kläger sein Anfechtungsrecht jedenfalls dadurch verwirkt
habe, daß er sich widerspruchslos der Wiederholungsprüfung gestellt habe. Dieser
Annahme einer Verwirkung tritt der Kläger im Zulassungsantrag entgegen.
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Es spricht einiges dafür, daß die rechtlichen Zweifel, die der Kläger bezüglich der im
angefochtenen Urteil für die Verwirkung gegebenen Begründung geltend macht,
berechtigt sind. Der Senat hat nämlich bereits wiederholt entschieden, daß die rügelose
Einlassung auf eine Wiederholungsprüfung nicht zur Verwirkung des Rechtes führt, die
noch nicht bestandskräftige Prüfungsentscheidung der vorausgegangenen Prüfung
anzufechten.
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Vgl. OVG NRW, Urteile vom 14. Dezember 1999 - 14 A 2252/99 -, NWVBl. 2000, 316 =
VR 2001, 175 und - 14 A 2251/99 -, WissR 33 (2000), 343; Urteil vom 27. August 2001 -
14 A 4813/96 -, zur Veröffentlichung vorgesehen.
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Trotz dieser Einwände bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der
Annahme des Verwaltungsgerichts, daß die Fachprüfung aus 1998 nicht mehr
angefochten werden könne. Denn diese Prüfungsentscheidung ist bestandskräftig
geworden. Prüfungsentscheidungen über abgeschichtete Fachprüfungen, von deren
Bestehen der Prüfungserfolg abhängig ist, wie es hier § 18 Abs. 1 Nr. 1 der
Diplomprüfungsordnung für den Studiengang Bauingenieurswesen (DPO) für die
Diplomvorprüfung bestimmt, sind nämlich als Verwaltungsakte zu qualifizieren. Dies gilt
selbst dann, wenn - anders als hier - noch eine Wiederholungsprüfung abgelegt werden
kann.
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Vgl. OVG NRW, Beschluß vom 4. November 1998 - 22 A 5021/98 -; Beschluß vom 3.
Juli 1985 - 15 A 975/84 -, beide n.v.
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Ist das Nichtbestehen der Fachprüfung im Jahre 1998 dem Kläger nicht mit förmlichen
Bescheid, sondern nur formlos mitgeteilt worden, so ändert dies nichts an der
Verwaltungsaktqualität dieser Entscheidung. Mangels ordnungsgemäßer
Rechtsmittelbelehrung betrug die Rechtsmittelfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO dann zwar
ein Jahr. Auch diese Frist ist jedoch vom Kläger, bezogen auf die Bekanntgabe der
Prüfungsentscheidung über die Fachprüfung 1998, nicht eingehalten worden, so daß
Bestandskraft eingetreten ist. Auf die mit der Verwirkung zusammenhängenden Fragen
kommt es somit nicht an.
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b) Zutreffend führt der Kläger ferner aus, daß das Verwaltungsgericht in den
Entscheidungsgründen auf seinen Vortrag aus der Klagebegründung nicht eingegangen
ist, daß es der Praxis des Beklagten entspreche, Studenten bei Klausurversagen in der
zweiten Wiederholung zu einer mündlichen Prüfung zuzulassen. Es mag dahinstehen,
ob das Verwaltungsgericht angesichts des Fehlens jedweder Substantiierung für diese
Behauptung des Klägers und angesichts des vom Beklagten gegebenen, zutreffenden
Hinweises, daß die DPO eine mündliche Ergänzungsprüfung nicht vorsehe, überhaupt
Anlaß hatte, auf diesen Vortrag des Klägers einzugehen, zumal der Kläger diesem
rechtlichen Hinweis nicht entgegengetreten ist. Wie dem auch sei: Die DPO sieht eine
Ergänzungsprüfung nicht vor. Sollte eine solche Prüfung dennoch bei anderen
Studenten durchgeführt worden sein, so wären dieses Prüfungsverfahren und die darauf
beruhenden Prüfungsentscheidungen rechtswidrig, weil gegen die DPO verstoßend.
Ein Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht ist der Rechtsordnung jedoch
fremd. Insbesondere würde durch eine solche Praxis, wenn sie denn bestünde - wozu
der Kläger auch im Zulassungsverfahren nichts Substantiiertes vorgetragen hat - kein
Gewohnheitsrecht begründet, das die Regelungen der DPO verdrängen könnte.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. August 1993 - 22 A 2085/91 -, NWVBl. 1994, 59.
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2. Es dürften im übrigen allerdings Bedenken gegen die Richtigkeit der Entscheidung
des Verwaltungsgerichts bestehen, nämlich insoweit, als dieses den Verstoß gegen das
Zwei- Prüfer-Prinzip des § 15 Abs. 1 Satz 3 DPO durch die während des gerichtlichen
Verfahrens herbeigeführte Korrektur der Klausur des Klägers durch einen zweiten Prüfer
geheilt ansah. Nicht anders als in dem vom 22. Senat des erkennenden Gerichts zur
gleichen Problematik entschiedenen Fall - vgl. OVG Münster, Urteil vom 6. Juli 1998 -
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22 A 194/98 -, NJW 1999, 305 = WissR 32 (1999), 82 -
geht auch hier die DPO davon aus, daß die Prüfer vorab für die Prüfung vom
Prüfungsausschuß bestellt werden (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 DPO). Hier ist
jedoch dem Verwaltunsggericht nicht mitgeteilt worden, wer der Zweitkorrektor war und
wann und von wem er bestellt worden ist. Dementsprechend sind diese Fragen von
Verwaltungsgericht auch nicht geprüft worden.
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Diese Bedenken brauchen jedoch nicht vertieft zu werden, denn sie können nicht zur
Zulassung der Berufung führen, weil sie vom Kläger nicht dargelegt sind und das
Gericht für seine Zulassungsentscheidung sich nur auf das stützen darf, was vom
Rechtsmittelführer entsprechend den Regeln der §§ 124, 124a VwGO in das Verfahren
eingebracht ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Wertfestsetzung auf § 13
Abs. 1 Satz 2 GKG.
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG). Das
Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 2 Satz 3 VwGO).
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