Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.10.2010

OVG NRW (treu und glauben, kläger, aufgaben, arbeitszeit, bereitschaftsdienst, unabhängigkeit, mehrarbeit, begründung, wochenende, rechtsfrage)

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 3306/08
Datum:
05.10.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 A 3306/08
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird auch für das Berufungszulassungsverfahren auf
270,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Denn die geltend gemachten
Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO liegen auf der
maßgeblichen Grundlage der Darlegungen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) in der
fristgerecht eingereichten Antragsbegründung des Klägers nicht vor.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen auf dieser Grundlage nicht.
Sie sind im Sinne des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (nur) dann
begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen
Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen
Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa
aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der
Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Daran fehlt es hier.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Ziel, eine Mehrarbeitsvergütung,
hilfsweise die Feststellung der Verpflichtung zu einem finanziellen Ausgleich und
äußerst hilfsweise die Feststellung der sonstigen Ausgleichspflicht für den durch den
Kläger geleisteten richterlichen Bereitschaftsdienst an zwei Tagen am Wochenende zu
erlangen, als unbegründet abgewiesen.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Gewährung einer
Mehrarbeitsvergütung bei Richtern – anders als bei Beamten – keine Rechtsgrundlage
bestehe. Insbesondere aus der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 BBesG
beruhenden Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte
(MVergV) ergebe sich, dass die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung messbare
Arbeitszeit voraussetze. Das sei bei Richtern aber gerade nicht der Fall, weil Richter
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keiner festen Arbeitszeitregelung unterlägen. Wegen dieses grundlegenden
Unterschieds komme auch eine entsprechende Anwendung der Vorschriften nicht in
Betracht. Hierin liege kein Verstoß gegen die hergebrachten Grundsätze des
Berufsbeamtentums oder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Es nütze auch nichts,
dass die angeordnete Anwesenheitszeit während des Bereitschaftsdienstes messbar
sei. Eine Mehrarbeitsvergütung könne nur bei Überschreitung der Gesamtarbeitszeit
geleistet werden. Diese sei aber gerade nicht messbar. Im Übrigen gehöre der
Bereitschaftsdienst zu den richterlichen Kernaufgaben. Es handele sich nicht um eine
zusätzliche Tätigkeit neben den eigentlichen Amtsaufgaben. Aus der Verpflichtung, zur
Gewährung effektiven Rechtsschutzes ggf. sehr kurzfristig zu entscheiden, folge die
Erforderlichkeit von Bereitschafts- und Eildiensten.
Auch für einen Anspruch auf Freizeitausgleich gebe es keine Rechtsgrundlage.
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Ein Anspruch lasse sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn oder aus
dem Grundsatz von Treu und Glauben ableiten.
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Auf der letztgenannten Grundlage könnten Ansprüche allenfalls dann entstehen, wenn
eine schlechthin unzumutbare Belastung vorliege. Der Kläger werde aber nur in zeitlich
größeren Abständen zur Ableistung eines Bereitschaftsdienstes herangezogen. Es sei
auch nicht vorgetragen worden, dass seine Arbeitszeit in extremem Umfang von
derjenigen eines Beamten abweiche. Im Übrigen sei es hinzunehmen, dass besondere
dienstliche Erfordernisse eine zeitweise stärkere Belastung zur Folge hätten.
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Der Kläger hat es nicht vermocht, diese Entscheidung mit der Begründung seines
Zulassungsantrags ernsthaften Zweifeln zu unterziehen. Inbesondere verkennt er, dass
es sich bei den im Streit stehenden Bereitschaftsdiensten nicht um Mehrarbeit handelt,
sodass hierfür auch kein Ausgleich in Geld oder auf sonstige Weise zu gewähren ist. Zu
Recht weist er selbst darauf hin, dass sich die Frage eines Ausgleichs für die
richterlichen Bereitschaftsdienste erst dann stellt, wenn feststeht, dass Mehrarbeit
vorliegt. Genau in diesem Punkt irrt der Kläger aber. Er versucht in seiner Argumentation
einen Unterschied zu konstruieren zwischen der von Montag bis Freitag zu
erbringenden Dienstleistung des Richters, welche keiner Dienstzeitregelung unterliege,
und der am Wochenende zu erbringenden, durch konkrete Dienstzeiten der
Anwesenheit im Polizeipräsidium näher definierten Dienstleistung, welche er allein
aufgrund dieser Anwesenheitspflicht am Wochenende als Mehrarbeit empfindet.
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Diese Unterscheidung ist verfehlt. Zutreffend führt der Kläger allerdings aus, dass die
richterliche Dienstleistung dem Grundsatz nach keinerlei Dienstzeitregelung unterliegt.
Die Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten im Lande Nordrhein-
Westfalen, welche Vorgaben über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit macht und
die damit eine Grundlage zur Beurteilung dessen, was als Mehrarbeit einzustufen ist,
sein kann, gilt nur für Beamte, nicht aber für Richter.
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Vgl. insoweit auch BVerwG, Beschluss vom 21. September 1982 – 2 B 12.82
–, juris Rn. 3.
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Die grundsätzliche Dienstzeitbefreiung für Richter wird allgemein aus der durch Art. 97
Abs. 1 GG und 3 Abs. 3 LV garantierten Unabhängigkeit der Richter hergeleitet. Die
richterliche Unabhängigkeit ist danach nicht persönliches Privileg der Richter, sondern
sie ist sachorientiert. Sie dient der nur an Gesetz und Recht ausgerichteten und von
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äußeren Einflüssen möglichst freien Entscheidungsfindung. Der Richter soll seine
Tätigkeit ohne Bindung durch die Dienstgewalt wahrnehmen können.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1987 – 2 C 57.86 –, BVerwGE 78, 211 =
juris Rn. 15; BGH Dienstgericht des Bundes, Urteile vom 25. September 2002
– RiZ (R) 2/01 –, NJW 2003, 282 = juris Rn. 15, und vom 16. November 1990
– RiZ 2/90 –, NJW 1991, 1103 = juris Rn. 9; Urteil des Senats vom 6. Oktober
2004 – 1 A 650/02 –, RPfleger 2005, 415 = juris Rn. 64.
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Da sich die grundsätzliche Dienstzeitbefreiung der Richter aus dem Ziel der optimalen,
eben möglichst unabhängigen Aufgabenerledigung herleitet, unterliegt dieser Grundsatz
dort Einschränkungen, wo hierfür ein sachlicher, ebenfalls an der optimalen
Aufgabenerfüllung orientierter Grund vorhanden ist. So können bestimmte richterliche
Aufgaben gerade nicht ohne eine zeitliche Festlegung erfüllt werden. Deshalb erfährt
die Dienstzeitbefreiung Einschränkungen etwa durch die Verpflichtung zur Teilnahme
an Sitzungen und Beratungen sowie durch Bereitschafts- und Eildienste.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1987 – 2 C 57.86 –, a. a. O., Rn. 16;
Beschluss vom 21. September 1982 – 2 B 12.82 –, a. a. O.; BGH Dienstgericht
des Bundes, Urteil vom 16. November 1990 – RiZ 2/09 –, a. a. O.
15
Gerade letztere finden ihre unmittelbare Grundlage zum Teil im Grundgesetz selbst,
namentlich in Art. 13 Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 2 sowie 104 Abs. 2 Satz 2 und Abs.
3 GG
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Dies zeigt, dass die Ansicht des Klägers, wonach werktags dienstzeitbefreite richterliche
Geschäfte und nur am Wochenende dienstzeitgebundene richterliche Geschäfte zu
erledigen sind, nicht zutrifft und die richterlichen Aufgaben willkürlich in zwei Gruppen
einteilt. Mit derselben Argumentation könnte ein anderer Richter für die Teilnahme an
Sitzungen, Beratungen oder Präsidiumssitzungen eine Mehrarbeitsvergütung
beanspruchen, wenn er nur seine übrigen Aufgaben als die regulären ansieht und die
jeweilige Aufgabe, für die er die Mehrarbeitsvergütung begehrt, als außerordentlich
erklärt. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die vom Kläger vorgenommene Einteilung
dem Wesen des richterlichen Dienstes widerspricht.
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Zu den richterlichen Aufgaben, zu deren Wahrnehmung Art. 97 Abs. 1 GG und 3 Abs. 3
LV die richterliche Unabhängigkeit garantiert, gehören jedenfalls all diejenigen
Aufgaben, die Rechtsprechung im Sinne des Art. 92 GG bzw. 3 Abs. 3 LV sind. Im
traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung gehört jede Tätigkeit hierzu, in der
festgestellt und ausgesprochen wird, was Recht ist.
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Vgl. VerfGH NRW, Entscheidung vom 19. November 1960 – VGH 1/60 –,
OVGE 16, 315 (318).
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Ebenso dem Begriff der Rechtsprechung im oben genannten Sinne unterliegen all
diejenigen Aufgaben, die den Richtern von Verfassungs wegen übertragen werden.
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Vgl. Heusch, in: Heusch/Schönenbroicher, Landesverfassung Nordrhein-
Westfalen, 2010, Art. 3 Rn. 15; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, 3. Bd.
2. Aufl. 2008, Art. 92 Rn. 30.
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Zu denken ist im Hinblick auf den streitgegenständlichen Bereitschaftsdienst vor allem
an die durch Art. 13 Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 2 sowie 104 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3
GG übertragenen Aufgaben, die den Gegenstand des Bereitschaftsdienstes am
Wochenende bilden.
22
Die Verteilung der so beschriebenen richterlichen Aufgaben erfolgt nicht durch den
Dienstherrn, sondern durch das jeweilige Präsidium, das bei dieser Aufgabe ebenso in
richterlicher Unabhängigkeit handelt und dessen Entscheidung allenfalls einer
gerichtlichen Willkürkontrolle unterliegt.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1987 – 2 C 57.86 –, a. a. O., Rn. 14; OVG
Niedersachsen, Urteil vom 28. Februar 2007 – 13 A 3683/05 –, juris Rn. 26.
24
Zu verteilen sind nach § 21e GVG nicht nur die richterlichen Geschäfte an sich, sondern
es ist – soweit erforderlich – auch die Einteilung von Bereitschaftsdiensten zu regeln,
wenn die Pflicht zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes oder aber – wie
vorliegend – eine konkrete verfassungsrechtliche Eilvorgabe eine besonders zeitnahe
Bearbeitung verlangen.
25
Vgl. Albers, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung,
57. Aufl. 1999, § 21e GVG Rn. 11; Zimmermann, in: Münchener Kommentar
zur Zivilprozessordnung, Bd. 3, 3. Aufl. 2008, § 21e GVG Rn. 4.
26
Diese Aufgaben bilden das richterliche Pensum, das Maßstab für die von einem voll
beschäftigen Richter aufzubringende Arbeitszeit sein kann.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1987 – 2 C 57.86 –, a. a. O., Rn. 14.
28
Es handelt sich hierbei um den Kernbereich des richterlichen Geschäfts,
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vgl. BGH Dienstgericht des Bundes, Urteil vom 6. November 1986 – RiZ (R)
3/86 –, NJW 1987, 1198 = juris Rn. 22,
30
was auch der Kläger schriftsätzlich einräumt, ohne allerdings die richtigen
Schlussfolgerungen hieraus zu ziehen.
31
Wegen der Zugehörigkeit des Bereitschaftsdienstes zu einem Gesamtkomplex von
richterlichen Aufgaben (Pensum), die aufgrund der gerichtlichen Geschäftsverteilung
dem Richter zugewiesen sind, ist es ausgeschlossen, ein einzelnes Element aus
diesem Gesamtkomplex herauszulösen, um es einem gesonderten Regime finanzieller
Ausgleichspflichten zu unterstellen. Ein solcher Ansatz verkennt Folgendes: Es steht
dem Richter aufgrund seiner Unabhängigkeit grundsätzlich, d. h. unter Beachtung der
oben angeführten Beschränkungen frei, den nicht dienstzeitgebundenen Anteil des von
ihm geschuldeten Pensums tagsüber oder nachts, unter der Woche oder am
Wochenende sowie an einem beliebigen Ort zu erfüllen. Ebenso ist er im Rahmen von
Recht und Gesetz frei zu entscheiden, in welchem Tempo, mit welcher Intensität, mit
welcher Arbeitsmethode und in welcher Reihenfolge er seine Aufgaben bearbeitet. In
gleicher Weise können aber die – ausnahmsweise – nicht an jener Freiheit
teilhabenden Aufgabenstellungen im Rahmen der u. a. durch Art. 19 Abs. 4 GG
geforderten Einrichtung eines Eil-, Not- oder Bereitschaftsdienstes zu unterschiedlichen
Zeiten anfallen.
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Vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001 – 2 BvR 1444/00 –, BVerfGE 103,
142 = juris Rn. 48.
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Eine Isolierung einzelner Aufgaben aus deren Gesamtkomplex ist deswegen nicht
möglich. Der Richter muss und kann aufgrund seiner Unabhängigkeit vielmehr selbst
steuern, wie und in welchem zeitlichen Umfang er seine Aufgaben erledigt. Dabei gilt,
dass er seine ganze Arbeitskraft dem Amte zu widmen,
34
vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1981 – 6 C 95.78 –, ZBR 1981, 318
(319),
35
und bei der Einteilung seiner Aufgabenerledigung zeit- und ortsgebundene Tätigkeiten
mit zu berücksichtigen hat. Ob er dabei – wie es der Kläger anspricht – nach einem am
Wochenende geleisteten Bereitschaftsdienst am Montag mit der Folge zu Hause bleibt,
dass dadurch seine sonstigen richterlichen Geschäfte einen Tag lang liegen bleiben,
oder ob er einen anderen Weg findet, den Bereitschaftsdienst in seine
Gesamtaufgabenerledigung einzubinden, obliegt gerade wegen seiner Unabhängigkeit
ausschließlich seiner eigenen Verantwortung.
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Insoweit ist auch der Einwand des Klägers, er arbeite von Montag bis Freitag bereits
regelmäßig mehr als 48 Stunden, sodass die Wochenendarbeit als Mehrarbeit
anzusehen sei, verfehlt. Zunächst handelt es sich bei diesem Einwand um eine
unsubstantiiert vorgetragene Behauptung, die den Darlegungserfordernissen des §
124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ersichtlich nicht gerecht wird. Sodann folgt aus dem zuvor
Gesagten, dass die willkürliche Unterteilung in Wochen- und Wochenendarbeit keine
Stütze im Gesetz findet. Richtig ist zwar, dass es das Bundesverwaltungsgericht für
legitim angesehen hat, den Umfang richterlicher Arbeit an den Arbeitszeitregelungen für
Beamte zu orientieren. Das könne im Einzelfall je nach Arbeitsweise und Einarbeitung
in das jeweilige Rechtsgebiet eine längere aber auch eine kürzere tatsächliche
Arbeitszeit ergeben.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 1982 – 2 B 12.82 –, a. a. O., Rn.
3.
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Selbst in dem Fall, dass ein Richter dauerhaft in erheblichem Maße zeitlich darüber
hinaus tätig ist, sieht das System richterlicher Arbeitsverteilung jedenfalls keine
Mehrarbeitsvergütung vor.
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Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. April 2005 – 3 L 142/02 –, juris
Rn. 32 ff..
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In einem solchen Fall hätte der Richter seine auf Dauer das Maß des Erträglichen
überschreitende Arbeitszeit dem Präsidium in Form einer Überlastungsanzeige zur
Kenntnis zu bringen. Es läge dann an diesem, hierauf zu reagieren.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. März 2009 – 2 BvR 229/09 –, NJW 2009,
1734 = juris Rn. 25 ff.; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 31.
Aufl. 2010, § 21e GVG, Rn. 29.
42
Weiterhin geht der Kläger in der Annahme fehl, er werde gegenüber seinen Kollegen
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bei den Land- und Oberlandesgerichten in nicht gerechtfertigter Weise ungleich
behandelt. Insoweit verkennt der Kläger, dass eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf
den Bereitschaftsdienst an Wochenenden einen sachlichen Grund in der gesetzlichen
Zuständigkeitsregelung für Amtsgerichte findet. So werden gerade den Amtsgerichten
besondere Eilaufgaben etwa durch §§ 115a Abs. 1, 125 Abs. 1, 128 Abs. 1 StPO
zugewiesen. Soweit sich ein Ungleichgewicht bei der Arbeitsbelastung der
verschiedenen Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit ergeben sollte, ist es Aufgabe
der Justizverwaltung, für eine angemessene Personalverteilung Sorge zu tragen. Die
hierdurch aufgeworfenen Fragen liegen außerhalb der Relevanz für den vorliegenden
Rechtsstreit. Der Kläger hat hierzu auch nichts vorgetragen.
Soweit der Kläger einwendet, dass er auch gegenüber Protokollkräften, denen für
Bereitschaftsdienste an Wochenenden eine Mehrarbeitsvergütung gewährt wird, in
sachlich nicht gerechtfertigter Weise ungleich behandelt wird, irrt er ebenfalls. Denn
diese Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt. Die Ableistung eines
Bereitschaftsdienstes durch Protokollkräfte reduziert ihre sonstige, messbare Arbeitszeit
nicht. Protokollkräfte sind – anders als der Kläger – nicht in der Lage, den
Bereitschaftsdienst in ihre Gesamtarbeitszeit einzubinden, weil diese gesetzlich definiert
und vollständig außerhalb des Bereitschaftsdienstes zu erbringen ist. Genau das gilt
nach dem oben ausführlich Dargestellten für den Kläger nicht.
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Soweit der Kläger einwendet, der Mehrarbeitscharakter des Bereitschaftsdienstes
ergebe sich aufgrund der Regelungen der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien
89/391/EWG (ABl. L 183 vom 29. Juni 1989, S. 1), 93/104/EG (ABl. L 307 vom
13. Dezember 1993, S. 18) und 2003/88/EG (ABl. L 299 vom 18. November 2003, S. 9),
weil dort eine 48stündige Wochenhöchstarbeitszeit geregelt sei und er schon von
Montag bis Freitag diese Arbeitszeit regelmäßig überschreite, sind ernsthafte Zweifel an
der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht dargelegt. Auch insoweit
erfolgt der Vortrag völlig unsubstantiiert und erschöpft sich in der schlichten
Behauptung, dass der Kläger werktags bereits mehr als 48 Stunden wöchentlich arbeite.
Nähere Ausführungen, die die behauptete Arbeitszeit begründen oder belegen können,
oder etwa eine Auseinandersetzung mit den durchaus zweifelhaften Fragen, ob die
Richtlinien auf den richterlichen Dienst und ob sie unmittelbar anzuwenden sind, fehlen
völlig.
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Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen zum Zulassungsgrund nach
§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO weist die Rechtsache auch keine besondere rechtliche
Schwierigkeit im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
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Die Berufung kann auch nicht aufgrund des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO zugelassen werden, weil der Kläger die behauptete grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache schon nicht hinreichend dargelegt hat. Wird der Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung geltend gemacht, so muss regelmäßig eine konkrete noch
nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage bezeichnet werden, die sowohl für die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die
Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die eine über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Der Darlegungspflicht kommt nur nach, wer
den Streitstoff unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil
gesichtet, rechtlich durchdrungen und aufbereitet hat. Dabei ist eine fallbezogene
Begründung erforderlich, die dem Gericht eine Beurteilung der Zulassungsfrage ohne
weitere Ermittlungen ermöglicht. Zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der
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Rechtssache ist es insoweit notwendig, eine obergerichtlich oder höchstrichterlich noch
nicht geklärte Frage, die für die Berufungsentscheidung erheblich ist, herauszuarbeiten
und zu formulieren. Außerdem muss die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung dieser Rechts- oder Tatsachenfrage hinreichend klar dargelegt werden.
Vgl. Beschluss des Senats vom 28. September 2010 – 1 A 2807/08 –; Seibert,
in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 124a, Rn.
194, 211.
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Diesen Anforderungen wird die Begründung des Zulassungsantrags nicht gerecht.
Zunächst formuliert der Kläger keine zu klärende Rechtsfrage, der grundsätzliche
Bedeutung zukommen soll. Aus seiner Begründung wird aber deutlich, dass er die
Frage für klärungsbedürftig hält, welche Rechtsgrundlage für die Mehrarbeitsvergütung
für Richter einschlägig ist und insbesondere, ob sich ein Anspruch aus dem Grundsatz
von Treu und Glauben ableiten lässt. Hierzu zitiert er einige erstinstanzliche
Entscheidungen, die – allerdings sämtlich im Hinblick auf Beamte – zu
unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Auf die Klärung dieser Fragen kommt es indes
nicht an, sodass es an der Darlegung einer für die Entscheidung des Rechtsstreits
erheblichen Rechtsfrage mangelt. Denn nach den zum Zulassungsgrund nach § 124
Abs. 2 Nr. 1 VwGO durch den Senat gemachten Ausführungen liegt bei der Ableistung
von richterlichem Bereitschaftsdienst keine einem gesonderten besoldungsmäßigen
oder sonstigem (u. a. finanziellen) Ausgleich zugängliche Mehrarbeit vor.
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Soweit der Kläger gegen Ende seiner Begründung zum Zulassungsgrund nach § 124
Abs. 2 Nr. 3 VwGO andeutet, dass die von ihm als klärungsbedürftig angesehene
Rechtsfrage – die er wiederum nicht benennt – auch mit der Frage nach
amtsangemessener Alimentation zu tun habe, mangelt es dem klägerischen Vortrag
völlig an Substanz. Der behauptete Zusammenhang zwischen Mehrarbeit und der
Alimentation der Richter erschließt sich dem Senat nicht. Insbesondere kann er hieraus
keine für die Entscheidung des Rechtsstreits erhebliche Rechtsfrage herleiten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf
§§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 und 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der
Streitwertfestsetzung – nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4
VwGO).
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