Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.06.2003

OVG NRW: aufschiebende wirkung, scheune, grundstück, haus, umbau, breite, gebäude, wand, begünstigung, anbau

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 B 342/03
Datum:
18.06.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 B 342/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 4 L 39/03
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Abänderungsantrag des Antragsgegners gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 7. November 2001 - 4 L 1449/01 -
wird abgelehnt.
Die Kosten des Abänderungsverfahrens trägt der Antragsgegner;
außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.000,-- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e:
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Die zulässige Beschwerde ist begründet.
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Das Verwaltungsgericht hat dem Abänderungsantrag des Antragsgegners zu Unrecht
stattgegeben. Das Verwaltungsgericht hatte mit seinem Beschluss vom 7. November
2001 im Verfahren 4 L 1449/01 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des
Antragstellers gegen die vom Antragsgegner dem Beigeladenen erteilte
Baugenehmigung vom 14. August 2001 für das Vorhaben "Nutzungsänderung und
Umbau der vorhandenen Scheune zu Wohnraum" auf dem Grundstück Gemarkung W
Flur 4 Flurstück 89 im Ergebnis zu Recht angeordnet, weil das genehmigte Vorhaben zu
Lasten des Antragstellers gegen nachbarschützende Vorschriften des Abstandrechts
verstößt.
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Bei der abstandrechtlichen Beurteilung ist davon auszugehen, dass das unmittelbar an
der Grenze zum Grundstück des Antragstellers geplante Vorhaben grundsätzlich den
nach § 6 Abs. 5 Satz 5 BauO NRW erforderlichen Mindestabstand von 3,00 m einhalten
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muss, weil die Voraussetzungen für einen Verzicht auf einen Grenzabstand nach § 6
Abs. 1 Satz 2 oder Satz 3 BauO NRW nicht vorliegen. Dies ist zwischen den Beteiligten
auch nicht strittig.
Das Vorhaben ist abweichend hiervon auch nicht deshalb als grenzständiges Bauwerk
zulässig, weil es für sich die Begünstigung des § 6 Abs. 15 Satz 1 BauO NRW in
Anspruch nehmen kann. Nach dieser Vorschrift können "bei Nutzungsänderungen
sowie bei geringfügigen baulichen Änderungen bestehender Gebäude" unter
Würdigung nachbarlicher Belange geringere Tiefen der Abstandflächen gestattet
werden, wenn Länge und Höhe der den Nachbargrenzen zugekehrten Wände nicht
verändert werden und Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen. Diese
Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall schon deshalb nicht vor, weil das strittige
Vorhaben mit baulichen Veränderungen des bestehenden Gebäudes verbunden ist, die
das Merkmal "geringfügig" deutlich überschreiten.
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Nach den genehmigten Bauvorlagen sollen nicht etwa, wie der Antragsgegner in
seinem Schriftsatz vom 12. Juni 2003 ausführt, lediglich eine Zwischendecke
einschließlich Tragsystem sowie neue Fenster in die der Nachbargrenze abgewandten
Wände eingebaut werden, so dass dahinstehen kann, ob solche bauliche
Veränderungen noch als "geringfügig" anzusehen wären. Was von der bislang
vorhandenen Scheune nach dem genehmigten sog. "Umbau" noch übrig bleiben soll,
ergibt sich vielmehr aus den Bauteilen, die in den genehmigten Bauvorlagen schwarz
eingetragen sind. Dies sind
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- die an das Grundstück des Antragstellers angrenzende Außenwand bis zu einer Höhe
von 101, 90 m über NN,
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- Reste der insgesamt 11,43 m breiten nördlichen Giebelwand, die in dem an das
Grundstück des Antragstellers angrenzenden (westlichen) Bereich eine Breite von rd. 4
m im Erdgeschoss und von rd. 1,30 m im Obergeschoss sowie in dem an dem
Grundstück des Antragstellers abgewandten (östlichen) Bereich lediglich eine Breite
von rd. 1,50 m aufweisen sollen,
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- die unter Schließung eines Teiles der Toreinfahrt mit neuen Fenstern im
Obergeschoss zu versehende östliche Außenwand (Fachwerkwand),
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- die an das Flurstück 51 angrenzende Außenwand sowie
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- die die Scheune zum südöstlichen Anbau auf dem Flurstück 89 abschließende Wand.
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In diese nur noch als Torso zu qualifizierenden Reste der vorhandenen
Umfassungswände der Scheune soll gleichsam ein neues Haus hineingebaut werden.
Dieses soll zwei neue Zwischendecken aufweisen, die nach dem genehmigen Schnitt
im wesentlichen auf neuen Innenschalen ruhen, für die ihrerseits im Inneren des
Gebäudes neue Fundamente angelegt werden sollen. Zu dem südlichen Bereich der
vorhandenen Scheune soll das neue "Haus" eine neue interne Brandwand erhalten. Die
nördliche Giebelwand soll abgesehen von lediglich geringfügigen Resten des
ursprünglich im Erd- und Obergeschoss vorhandenen gemauerten Wandbereichs
nahezu vollständig aus neuen Bauteilen errichtet werden. Schließlich soll das neue
Objekt insgesamt mit einer neuen, zu Wohnzwecken auszubauenden Dachkonstruktion
versehen werden. Bei "Umbauten" solchen Ausmaßes kann auch nicht ansatzweise
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von "geringfügigen baulichen Änderungen" die Rede sein.
Soweit § 6 Abs. 15 BauO NRW auch "Nutzungsänderungen" abstandrechtlich
begünstigt, dürfen diese jedenfalls nicht mit solchen baulichen Änderungen verbunden
sein, die das Merkmal geringfügig - wie im vorliegenden Fall - deutlich überschreiten.
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Erweist sich nach alledem das strittige Vorhaben schon deshalb als zu Lasten des
Antragstellers abstandrechtlich unzulässig, weil es mit mehr als geringfügigen baulichen
Änderungen der bestehenden Scheune verbunden ist, kommt es auf die weiteren im
vorliegenden Verfahren kontrovers diskutierten Aspekte nicht mehr an.
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Die Kostenscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung
des Streitwerts auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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