Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.02.1999

OVG NRW (kläger, identität, bundesrepublik deutschland, aufnahme einer erwerbstätigkeit, 1995, ausländer, erwerbstätigkeit, bescheinigung, deutschland, umstände)

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 A 5156/96
Datum:
09.02.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 A 5156/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 8 K 3421/95
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Kläger zu 1. und 2. reisten Ende Januar 1990 zusammen mit ihren Kindern, den
Klägern zu 3. bis 9., ohne Reisedokumente in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie
bezeichneten sich als staatenlose kurdische Volkszugehörige und gaben an, alle in B.
geboren zu sein. Der Kläger zu 1., der 1956 als sein Geburtsjahr bezeichnete, erklärte
ferner, die Kläger hätten mehrmals vergeblich die libanesische Staatsbürgerschaft
beantragt. Den Libanon hätten sie mit gefälschten Papieren verlassen und diese
anschließend vernichtet. Nach erfolglosem Asylverfahren wurden alle Kläger wegen
fehlender Paßpapiere geduldet. Seit ihrer Einreise haben sie zur Bestreitung ihres
Lebensunterhalts ununterbrochen zunächst Sozialhilfe nach dem
Bundessozialhilfegesetz und zuletzt Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz erhalten.
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Zum Haushalt der Kläger gehören ferner zwei weitere Kinder der Kläger zu 1. und 2.,
und zwar der seit dem 1. Oktober 1998 in einem Beschäftigungsverhältnis mit einem
monatlichen Bruttoeinkommen von 2.700,- DM stehende A. Sehn und das am 12. Mai
1995 geborene Kind W. .
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Unter dem 26. Oktober 1994 beantragten die Kläger die Erteilung von
Aufenthaltsbefugnissen mit dem Hinweis darauf, daß ihre Paßlosigkeit unverschuldet
sei. Sie übersandten die Kopie eines vom Bürgermeister von M. /Stadt B. unter dem 5.
August 1994 ausgestellten Aufenthaltsscheins und erklärten, hieraus ergebe sich ihre
ungeklärte Nationalität und Staatenlosigkeit. In dem Aufenthaltsschein wird u. a.
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bescheinigt, daß der 1965 in B. geborene A. R. Z. ungeklärter Nationalität ist und in B.
wohnt.
Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 27. Juni 1995 ab. Den hiergegen
eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster durch
Widerspruchsbescheid vom 10. November 1995 zurück.
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Die Kläger haben fristgerecht Klage erhoben. Sie verweisen erneut auf die oben
angeführte Bescheinigung sowie ihre daraus abzuleitende Staatenlosigkeit und sind der
Ansicht, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach der
Härtefallregelung der Innenministerkonferenz vom 29. März 1996 zu erfüllen.
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Die Kläger haben beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 1995 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 10. November 1995
aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Aufenthaltsbefugnisse zu erteilen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Ansicht, daß die Voraussetzungen der Härtefallregelung von den Klägern
schon wegen des Sozialhilfebezugs nicht erfüllt werden. Daran ändere die vom
Gesundheitsamt hinsichtlich des Klägers zu 1. bescheinigte Erwerbseinschränkung
nichts, weil die Kläger vollständig auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen
seien. Darüber hinaus erfüllten sie nicht die Paßpflicht. Trotz zahlreicher Aufforderungen
hätten sie sich bei ihren Heimatbehörden nicht um die Ausstellung von Paßpapieren
bemüht.
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Das Verwaltungsgericht hat durch den angefochtenen Gerichtsbescheid, auf den Bezug
genommen wird, die Klage abgewiesen.
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Die Kläger haben fristgerecht Berufung eingelegt. Sie tragen vor, der Kläger zu 1. könne
keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Zu schwerer körperlicher Arbeit sei er nicht in der
Lage. Eine Büroarbeit komme nicht in Betracht, weil er die deutsche Sprache nicht gut
genug beherrsche und er wegen seines Bandscheibenleidens nicht lange genug sitzen
könne. Unter den gegebenen Verhältnissen sei es ihnen nicht möglich, von der
Sozialhilfe unabhängig zu werden. Zudem verhinderten die immer nur kurzfristig für drei
Monate erteilten Duldungen jede Arbeitsaufnahme. So habe sich der Sohn bzw. Bruder
der Kläger A. S. bei mindestens zehn Firmen vergeblich um eine Erwerbstätigkeit
bemüht.
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Die Kläger beantragen,
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den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom
27. Juni 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster
vom 10. November 1995 aufzuheben, soweit sie durch ihn betroffen sind, und den
Beklagten zu verpflichten, ihnen Aufenthaltsbefugnisse zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
17
Der Senat hat das Verfahren des A. S. vom Verfahren der Kläger abgetrennt und unter
dem Aktenzeichen 18 A 265/99 fortgeführt.
18
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung über die Berufung
durch den Berichterstatter des Senats einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist nicht begründet.
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Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis.
23
Der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen an die Kläger steht bereits entgegen, daß ihre
Identität nicht geklärt ist.
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Nach § 41 Abs. 1 AuslG sind bei bestehenden Zweifeln über die Person des Ausländers
die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn der
Ausländer u. a. eine Aufenthaltsgenehmigung - also etwa auch eine
Aufenthaltsbefugnis, § 5 Nr. 4 AuslG - erteilt werden soll. Diese Vorschrift stellt klar, daß
auf die Identitätsfeststellung vor Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht verzichtet werden
kann.
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Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 41 Rn. 7.
26
Die Aufklärung der Identität des Ausländers ist zwingend.
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Vgl. GK-AuslR, § 41 Rn. 12.
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Führen die Maßnahmen zur Feststellung der Identität nicht zum Erfolg, so kommt die
Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in der Regel nicht in Betracht, wenn der
Ausländer die Gründe hierfür zu vertreten hat.
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Vgl. Senatsbeschluß vom 5. Februar 1999 - 18 A 1765/94 -; BayVGH, Beschluß vom 9.
Juni 1998 - 10 CE 98.797 -; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, § 41 Rn.
12.
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Dies ergibt sich bereits aus § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG. Danach wird eine
Aufenthaltsgenehmigung versagt, wenn die Identität des Ausländers ungeklärt ist und er
- wie auch hier wegen fehlenden Passes - keine Berechtigung zur Rückkehr in einen
anderen Staat besitzt. Hiervon sieht § 9 Abs. 1 Nr. 3 AuslG eine Ausnahme nur in einem
begründeten Einzelfall vor, der grundsätzlich nicht vorliegt, wenn ein Ausländer seine
ungeklärte Identität - wie vorliegend - in vorwerfbarer Weise selbst verursacht hat.
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Die vorgenommene Bewertung steht nicht im Widerspruch zu § 30 Abs. 3 und 4 AuslG,
wonach eine Aufenthaltsbefugnis abweichend von § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG, also auch bei
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ungeklärter Identität des Ausländers, erteilt werden kann. Mit § 30 AuslG hat der
Gesetzgeber eine Auffangreglung für atypische Geschehensabläufe geschaffen, die es
rechtfertigen, abweichend von im allgemeinen zu erfüllenden
Anspruchsvoraussetzungen eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Indessen liegt
die dort vorausgesetzte Ausnahmesituation bei den Klägern nicht vor. Die sich vom
Normalfall der ungeklärten Identität wesentlich abhebenden besonderen Umstände des
hier zu beurteilenden Falles rechtfertigen es nicht, hinsichtlich der Kläger
ausnahmsweise auf eine Identitätsfeststellung zu verzichten.
Die Kläger sind ihrer Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung ihrer Identität nicht
hinreichend nachgekommen. Wenn auch insoweit die Ausländerbehörde durch § 41
AuslG gehalten ist, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, so ist sie doch auf die
Mithilfe des Ausländers angewiesen, den letztlich - wie für die übrigen
anspruchsbegründenden Umstände - auch insoweit die Darlegungs- und Beweislast
trifft. Zwar ist es für einen Ausländer schwer zu beweisen, seine Identität nicht belegen
zu können. Gerade deshalb kommt aber seinem Vortrag besondere Bedeutung zu. Dem
Ausländer obliegt - wie § 70 Abs. 1 AuslG für das Verwaltungsverfahren und § 86 Abs. 1
Hs. 2 VwGO für das Gerichtsverfahren verdeutlichen - eine Pflicht zur Mitwirkung bei der
Aufklärung des Sachverhalts. Er hat alle Umstände, die einen Rückschluß auf seine
Identität zulassen, schlüssig vorzutragen und ggf. zu belegen. Dazu hat er unter Angabe
genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Läßt er es an
konkreten Angaben fehlen, ist das Gericht nicht verpflichtet, von sich aus Ermittlungen
anzustellen.
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Vgl. hierzu Senatsurteil vom 30. September 1997 - 18 A 1198/95 -.
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So ist es hier. Es wirkt zu Lasten der Kläger, daß sie mit einem gefälschten Paß den
Libanon verlassen haben, ohne Reisedokumente nach Deutschland eingereist sind und
bisher ernsthafte, nur ihnen mögliche Bemühungen zum Nachweis ihrer Identität,
namentlich zur Beschaffung eines Passes bzw. eines Paßersatzpapieres, unterlassen
haben. In derartigen Fällen hat ein Ausländer die sich aus seinem Verhalten
ergebenden Nachteile grundsätzlich hinzunehmen und kann nicht darauf vertrauen,
eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Vgl. BVerwG, Beschluß vom 30. April 1997 -
1 B 74/97 -, Juris Dokn. 524806.
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Die von den Klägern vorgelegte Kopie eines vom Bürgermeister von M. /B. unter dem 5.
August 1994 ausgestellten Aufenthaltsscheins hilft ihnen nicht weiter. Die
Bescheinigung ist vom Ansatz her schon nicht geeignet, Rückschlüsse auf ihre Identität
zuzulassen, weil sie jeglichen Bezug zu den Klägern vermissen läßt. Ungeachtet
dessen, daß eine derartige Bescheinigung eine Registrierung der bezeichneten Person
im Libanon und damit die Möglichkeit zur Erlangung eines Reisepapieres nahelegt,
kann schon nicht festgestellt werden, daß sich die Bescheinigung auf einen der Kläger
des vorliegenden Verfahrens bezieht. Ausgehend von der in dem Aufenthaltsschein
benannten Person des A. R. Z. kommt nur in Betracht, daß die Bescheinigung dem
Kläger zu 1. zugedacht sein soll, dessen Vornamen ebenfalls A. R. lautet. Aufgrund
unterschiedlicher Bezeichnung von Namen und Geburtsjahr ist jedoch eine Identität
ausgeschlossen. Der Kläger zu 1. führt den Nachnamen S. und ist nach seinen bisher in
Deutschland gemachten Angaben nicht - wie in der Bescheinigung aufgeführt - 1965
sondern 1956 geboren. Er hält sich außerdem bereits seit 1990 in Deutschland auf,
während ausweislich des Aufenthaltsscheines die dort benannte Person noch im
August 1994 in B. wohnte.
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Weitere Bemühungen zur Klärung ihrer Identität haben die Kläger nicht aufzuweisen. So
gibt es nicht einen einzigen Hinweis dafür, daß sich die Kläger ggf. unter Einschaltung
einer Mittelsperson direkt im Libanon um Dokumente und Auskünfte bemüht haben, die
Aufschluß über ihre Identität geben könnten, wobei anzumerken ist, daß regelmäßig nur
amtliche Dokumente und Auskünfte zur Beweisführung geeignet sein dürften. Zu deren
Beschaffung ist es grundsätzlich auch zumutbar, einen Rechtsanwalt im Herkunftsland
zu beauftragen. Möglicherweise können auch andere Familienmitglieder bei der
Aufklärung der Identität behilflich sein. Es ist nicht auszuschließen, daß diese über
schriftliche Unterlagen zu den Abstammungsverhältnissen bezüglich der Kläger
verfügen.
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Des weiteren erfüllen die Kläger für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis weder die
Voraussetzungen der Härtefallregelung für ausländische Familien mit langjährigem
Aufenthalt, Az.: SIK 09/25-1 - IMK-Beschluß vom 29. März 1996 - (MBl NW 1996 S.
1411, 1412), noch - sofern neben der Härtefallregelung überhaupt anwendbar - die
Anforderungen des § 30 AuslG.
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Auf die vorgenannte Härtefallregelung, die eine bundeseinheitliche Regelung im Sinne
von § 32 AuslG darstellt, können sich die Kläger nicht berufen, weil sie die dort
geforderten Integrationsleistungen nicht erbringen. Ihrem Begehren steht bereits
entgegen, daß sie die Paßpflicht nicht erfüllen (vgl. III. 2. a.a.O.). Denn die Kläger sind
ohne Reisedokument in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und besitzen keine
gültigen Ausweispapiere. Ob die in der Härtefallregelung uneingeschränkt aufgestellte
Paßpflicht als erfüllt gilt, wenn der Ausländer seinen Mitwirkungspflichten
nachgekommen ist, gleichwohl aber ein Paß noch nicht erlangt werden konnte (vgl.
Innenministerium des Landes Nordrhein- Westfalen, Runderlaß vom 10. Juni 1996 - I B
3/44.40 -, Nr. 5.), kann offenbleiben. Es ist nämlich aus den vorstehend dargestellten
Gründen weder von den Klägern substantiiert vorgetragen worden noch sonst
ersichtlich, daß sie ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen sind und dennoch einen
Paß nicht erlangen konnten. Ihr Vorbringen erschöpft sich darin, die Paßlosigkeit nicht
verschuldet zu haben. Das reicht nicht. Sie haben vielmehr nachzuweisen, daß ihnen
die Beschaffung eines Passes unmöglich oder unzumutbar ist. Die Kläger verkennen,
daß der Besitz eines gültigen Passes zu den Obliegenheiten eines Ausländers gehört
(vgl. § 4 Abs. 1 AuslG) und zudem ein ausreisepflichtiger Ausländer - wie die Kläger -
alle zur Erfüllung seiner Ausreisepflicht erforderlichen Maßnahmen, und damit auch die
Beschaffung eines gültigen Passes oder zumindest eines Paßersatzpapieres,
grundsätzlich ohne besondere Aufforderung durch die Ausländerbehörde unverzüglich
einzuleiten hat.
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Vgl. Senatsbeschluß vom 15. April 1997 - 18 B 811/97 -.
40
Die Anwendung der Altfallregelung scheitert weiter daran, daß die Kläger ihren
Lebensunterhalt seit Jahren ununterbrochen zunächst durch laufende Hilfe zum
Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz und anschließend durch - der
Sozialhilfe gleichzustellende - Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
bestritten haben (vgl. III. 2. a) a.a.O.) und keine der in der vorbezeichneten Regelung
aufgeführten Ausnahmetatbestände vorliegt. Insoweit könnte angesichts der
gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers zu 1. der Sozialhilfebezug vorliegend
nur dann ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben, wenn er zu den erwerbsunfähigen
Personen gehörte, deren Lebensunterhalt einschließlich einer erforderlichen Betreuung
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und Pflege in sonstiger Weise ohne Leistungen der öffentlichen Hand dauerhaft
gesichert ist, es sei denn, die Leistungen beruhen auf Beitragsleistungen (vgl. III. 2. a) 4.
Spiegelstrich a.a.O.). Das ist hier unstreitig nicht der Fall.
Es kann dahinstehen, ob angesichts der vorstehend genannten Härtefallregelung für
eine Einzelfallprüfung nach § 30 AuslG noch Raum ist,
42
vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19. März 1996 - 1 C 34.93 -, InfAuslR 1996, 392, 394,
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was möglicherweise mit Blick auf die inzwischen volljährig gewordenen Kläger zu 3. bis
5. differenziert zu beurteilen ist.
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Die Kläger erfüllen schon nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer
Aufenthaltsbefugnis nach dieser Norm.
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Ihnen könnte, nachdem ihre Asylanträge unanfechtbar abgelehnt worden sind, gemäß §
30 Abs. 5 AuslG nur nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt
werden. Deren Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Es fehlt bereits an einem - in
beiden Absätzen vorausgesetzten - Abschiebungshindernis. Ein solches ergibt sich
nicht aus der hier nur in Betracht kommenden Paßlosigkeit der Kläger. § 30 Abs. 3 und 4
AuslG setzen jeweils voraus, daß der Ausländer das Abschiebungshindernis nicht zu
vertreten hat bzw. er sich nicht weigert, zumutbare Anforderungen zu dessen
Beseitigung zu erfüllen. Damit wird eine Mitwirkungspflicht der Kläger bei der
Paßbeschaffung vorausgesetzt, die diese - wie bereits oben dargestellt - nicht erfüllen.
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Schließlich kommt die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und 4
AuslG auch deshalb nicht in Betracht, weil es sich hierbei um eine Ermessensnorm
handelt und die auf sie anwendbaren Regelversagungsgründe im Sinne von § 7 Abs. 2
AuslG vorliegen. Diese Vorschrift ist mangels einer einschränkenden Regelung, wie sie
§ 30 Abs. 1 Alt. 2 AuslG aufweist, in den Fällen des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG
anwendbar.
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Vgl. Senatsbeschluß vom 29. Dezember 1998 - 18 A 4822/96 -.
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Bei den Klägern greift der Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ein, da sie
ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig, das heißt ohne Inanspruchnahme öffentlicher
Mittel, sondern nur mittels Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
bestreiten können.
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Eine Ausnahme von der Regel des § 7 Abs. 2 AuslG greift nicht ein. Ob ein Regelfall
gegeben ist, unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung. Die Worte "in der Regel" in § 7
Abs. 2 AuslG beziehen sich auf Regelfälle, die sich nicht durch besondere Umstände
von der Menge gleichliegender Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind durch einen
atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, daß er jedenfalls
das sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes
beseitigt. Ist danach ein Regelfall gegeben, ist der Ausländerbehörde bei Vorliegen
eines der in Abs. 2 genannten Regelversagungsgründe kein Ermessen bei der
Entscheidung über die Aufenthaltsgenehmigung eingeräumt; diese muß vielmehr
versagt werden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1995 - 1 C 31.93 -, InfAuslR 1996, 168.
51
Anhaltspunkte, die das Vorliegen eines Ausnahmefalles begründen können, sind nicht
erkennbar und von den Klägern auch nicht dargelegt. Dies gilt insbesondere auch mit
Blick darauf, daß die gesamte Familie während ihres langjährigen Aufenthalts im
Bundesgebiet offensichtlich durchgehend Sozialhilfe in der Form der Hilfe zum
Lebensunterhalt bzw. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen hat.
Es sind weder Gründe vorgetragen worden noch ersichtlich, nach denen eine
Arbeitsaufnahme für alle Familienangehörigen unmöglich oder unzumutbar war bzw. ist.
Zwar dürfte die Klägerin zu 2., die Mutter der Kläger zu 3. bis 9., infolge der Versorgung
der großen Familie kaum in der Lage gewesen sein, einer entgeltlichen Erwerbstätigkeit
nachzugehen. Auch von schulpflichtigen Kindern kann jedenfalls während der Zeit des
Schulbesuchs keine Erwerbstätigkeit erwartet werden. Des weiteren mag zugunsten
des Klägers zu 1. unterstellt werden, daß er jedenfalls gegenwärtig wegen seiner
körperlichen Leiden keine Erwerbstätigkeit ausüben kann. Dagegen kann unter
Einbeziehung der inzwischen volljährigen Kläger zu 3. bis 5. davon ausgegangen
werden, daß die in einer familiären Lebensgemeinschaft zusammen lebenden Kläger
ihre familiären Belange in einer Weise organisieren, die es ermöglicht, zumindest einen
nennenswerten Beitrag zur Sicherstellung des Lebensunterhalts durch eigene
Arbeitsleistungen zu erwirtschaften. Bisher erzielt aber lediglich der in
Haushaltsgemeinschaft mit den Klägern lebende A. S. - der Kläger im Verfahren 18 A
265/99 - seit dem 1. Oktober 1988 ein eigenes Arbeitseinkommen in Höhe von
monatlich 2.700,- DM brutto, ohne hiervon - was sich aus dem Bescheid der Stadt
Gescher über die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
für den Monat November 1998 ergibt - Unterhaltsleistungen an seine Eltern, den
Klägern zu 1. und 2., zu erbringen.
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Entgegen der Auffassung der Kläger kann nicht davon ausgegangen werden, daß ihnen
eine Erwerbstätigkeit nicht möglich war, weil ihnen der Beklagte immer nur kurzfristig für
drei Monate eine Duldung erteilte. Zwar mag dieser Umstand die Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit erschweren. Er erklärt aber nicht, warum es den Klägern verwehrt
gewesen sein sollte, auch nur ein einziges nennenswertes Arbeitsverhältnis zu
begründen. Gerade das Beispiel des A. S. , der seit dem 1. Oktober 1998 über eine
Arbeitsstelle verfügt, zeigt, daß auch unter den hier gegebenen Umständen ein
Arbeitsverhältnis begründet werden kann. Sollte sich - wofür es vorliegend keine
Anhaltspunkte gibt - im Einzelfall herausstellen, daß wegen der nur kurzfristigen
Duldungszeiträume die Erteilung einer Arbeitserlaubnis verweigert wird oder ein
Beschäftigungsverhältnis nicht zustandekommt, so kann es sachgerecht sein, durch die
Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für einen angemessenen Zeitraum die
aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Arbeitsaufnahme zu schaffen.
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So auch Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Runderlaß vom 10. Juni
1996 - 1 B 3/44.40 - zur Anwendung der Härtefallregelung für ausländische Familien mit
langjährigem Aufenthalt, Nr. 5 Abs. 3.
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Schließlich können sich die Kläger zu 3. bis 9. nicht erfolgreich darauf berufen, daß die
anspruchsausschließenden Umstände im wesentlichen von ihren Eltern, den Klägern
zu 1. und 2., zu vertreten sind. Sie haben sich, soweit sie minderjährig sind bzw. waren,
das Verhalten ihrer Eltern zurechnen zu lassen.
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Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1995 - 1 C 29.94 -, BVerwGE 99, 341, 349,
und Beschluß vom 30. April 1997 - 1 B 74.97 -, a.a.O.; Senatsurteil vom 26. August 1993
56
- 18 A 2732/91 -.
Hinsichtlich der inzwischen volljährig gewordenen Kläger zu 3. bis 5. haben sich die
Beurteilungsvoraussetzungen nicht verändert. Diese Kläger haben es bisher nicht
vermocht, durch ihr Verhalten eine andere Beurteilungsgrundlage zu schaffen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2, § 137 Abs. 1 VwGO) liegt nicht
vor.
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