Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.01.2006

OVG NRW: daten, höchstbetrag, erlass, abgeltung, unechte rückwirkung, rückwirkungsverbot, entschädigung, gvo, unterhaltung, befragung

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 4120/04
Datum:
27.01.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 A 4120/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 164/03
Tenor:
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren
eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 14.
September 2004 ist insoweit wirkungslos.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger ist als Obergerichtsvollzieher bei dem Amtsgericht in X. tätig. Er erhält eine
laufende Besoldung nach der Bundesbesoldungsordnung A, Besoldungsgruppe 9.
Zusätzlich erhält er eine sog. Vollstreckungsvergütung - auch Anspornvergütung
genannt - gemäß § 49 Abs. 1 und 2 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) i.V.m. § 1
Vollstreckungsvergütungsverordnung (VollstrVergV; Neufassung: BGBl. I 2003, S. 8)
sowie - zur Abgeltung des ihm durch die Verpflichtung zur Einrichtung und Unterhaltung
eines Büros einschließlich der Beschäftigung von Schreibkräften (§§ 46, 49
Gerichtsvollzieherordnung - GVO) entstehenden Aufwands - eine
Bürokostenentschädigung gemäß § 49 Abs. 3 BBesG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung
zur Abgeltung der Bürokosten der Gerichtsvollzieherinnen und H. vom 28. Mai 1998
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(GVEntschVO; GVBl. S. 434), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juni 2005
(GVBl. S. 650).
Die GVEntschVO beruht auf einer vom Arbeitskreis der Länder für Besoldungsfragen
entwickelten Modellverordnung. In den anderen Bundesländern sind ähnliche, in weiten
Bereichen wortgleiche Regelungen erlassen worden. Dadurch erfolgt die Festsetzung
der Bürokostenentschädigung bundesweit nach einem grundsätzlich einheitlichen
Entschädigungsmodell. Die konkrete Höhe der Entschädigung wird dagegen nach den
Verhältnissen des jeweiligen Bundeslandes ermittelt. Hierzu gilt:
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Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GVEntschVO setzt sich die Bürokostenentschädigung aus den
von dem jeweiligen H. erhobenen Schreibauslagen sowie einem Anteil der von ihm für
die Erledigung seiner Aufträge vereinnahmten Gebühren (Gebührenanteil) zusammen.
Der Gebührenanteil bestimmt sich nach einem bestimmten Prozentsatz (z.B. für 2004 in
Nordrhein-Westfalen 48,1 %) der vereinnahmten Gebühren (§ 2 Abs. 1 Satz 2
GVEntschVO). Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 GVEntschVO bestimmt sich die Höhe des
Gebührenanteils zusätzlich nach einem (Jahres-)Höchstbetrag (z.B. für 2004 in
Nordrhein-Westfalen 22.150,-EUR). Unterhalb dieses Betrages steht der
Gebührenanteil dem H. in voller Höhe zu, oberhalb dieses Betrages nur i.H.v. 50 % (§ 3
Abs. 2 Satz 2 GVEntschVO).
4
Sowohl der für die Berechnung des Gebührenanteils maßgebliche Prozentsatz (im
Folgenden: Prozentsatz) als auch der Höchstbetrag werden von den
Landesjustizverwaltungen der Bundesländer jährlich für ihren jeweiligen Bereich neu
berechnet. Als Berechnungsgrundlage dienen die durchschnittliche jährliche
Pensenbelastung der H. , die jährlichen durchschnittlichen Gebühreneinnahmen pro H. ,
die jährlich durchschnittlich vereinnahmten Schreibauslagen pro H. sowie der sog.
Jahreskostengrundbetrag, der sich aus einem Sach- und einem Personalkostenanteil
zusammensetzt. Die durchschnittliche Pensenbelastung, die durchschnittlichen
Gebühreneinnahmen und die durchschnittlich vereinnahmten Schreibauslagen werden
jeweils bezogen auf die einzelnen Bundesländer festgestellt. Der
Jahreskostengrundbetrag wird dagegen jährlich bundeseinheitlich aufgrund einer
Empfehlung des Arbeitskreises für Besoldungsfragen durch die federführende
Landesjustizverwaltung im Einvernehmen mit dem Finanzministerium des betreffenden
Bundeslandes festgesetzt.
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Mit dem Jahreskostengrundbetrag sollen sämtliche Bürokosten eines mit einem vollen
Pensum (100 %) belasteten Gerichtsvollziehers abgedeckt werden. Bezüglich der vom
Sachkostenanteil erfassten Aufwendungen (z.B. Büromiete oder Energiekosten) wird
davon ausgegangen, dass diese unabhängig von der Pensenbelastung des
Gerichtsvollziehers anfallen. Dagegen wird der Personalkostenanteil auf Grundlage des
bundeseinheitlich vorgegebenen Wertes für jedes Bundesland an die durchschnittliche
Pensenbelastung dieses Bundeslandes „angepasst". Dadurch soll dem erhöhten
Personalbedarf stärker belasteter H. Rechnung getragen werden. Werden von dem so
ermittelten länderspezifischen Jahreskostenbetrag (Sachkosten- + „angepasster"
Personalkostenanteil) die im jeweiligen Bundesland durchschnittlich innerhalb eines
Jahres von den Gerichtsvollziehern vereinnahmten Schreibauslagen abgezogen - diese
Auslagen fließen den Gerichtsvollziehern in voller Höhe zu -, ergibt sich der
Höchstbetrag des § 3 Abs. 2 Satz 1 GVEntschVO. Der länderspezifische
Jahreskostenbetrag fließt - neben den bereits im vorstehenden Absatz genannten
Faktoren - aber auch in die Berechnung des Prozentsatzes (§ 2 Abs. 1 Satz 2
6
GVEntschVO) ein.
Für die Jahre 1976 bis 1998 wurde in Nordrhein-Westfalen bei der jährlichen
Neufestsetzung sowohl des Prozentsatzes als auch des Höchstbetrages hinsichtlich der
Pensenbelastung, der Gebühreneinnahmen und der vereinnahmten Schreibauslagen
auf die diesbezüglichen Daten des jeweiligen Vorjahres abgestellt. Für 1999 erfolgte die
Festsetzung erstmals auf Grundlage der Daten des betreffenden Abrechnungsjahres; für
das Jahr 2000 wurden wieder die Daten des Vorjahres zugrunde gelegt. Für 2001 und
die folgenden Jahre liegen der Festsetzung jeweils die Daten des betreffenden
Abrechnungsjahres zugrunde. Dagegen wurde bezüglich des vom Arbeitskreis für
Besoldungsfragen empfohlenen Jahreskostengrundbetrages von jeher auf den für das
jeweilige Abrechnungsjahr geltenden Betrag abgestellt.
7
Aufgrund der einschlägigen Daten werden sowohl der Prozentsatz als auch der
Höchstbetrag jährlich - in Nordrhein-Westfalen durch entsprechende Änderung der
GVEntschVO - neu festgesetzt. Für die Jahre 1976 bis 1990, 1994 und 1998 bis 2000
wurden Prozentsatz und Höchstbetrag in Nordrhein-Westfalen jeweils im 3. oder 4.
Quartal des betreffenden Jahres rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres geändert. Für
die Jahre 1991 bis 1993, 1995 bis 1997, 2001 und 2002 erfolgte die Änderung im 1.
oder 2. Quartal des Folgejahres rückwirkend zum 1. Januar des Jahres, für das die neu
festgesetzten Werte gelten sollten. Für 2003 und 2004 erfolgte die Änderung ebenfalls
jeweils im Folgejahr.
8
Gemäß § 4 Abs. 2 GVEntschVO i.V.m. §§ 11 Nr. 1 und 75 Nr. 3 Satz 1
Gerichtsvollzieherordnung (GVO; für Nordrhein-Westfalen in Kraft gesetzt durch AV des
JM vom 18. März 1980, JMBl. S. 229, zuletzt geändert durch AV des JM vom 15.
Dezember 2003, JMBl. 2004, 18) i.V.m. der Rundverfügung des JM vom 12. Februar
1987 (2343 - I B.37) rechnen die H. die von ihnen vereinnahmten Gebühren monatlich
vorläufig mit der Gerichtskasse ab. Den ihnen aufgrund dieser Abrechnung zustehenden
Gebührenanteil behalten sie gemäß § 4 Abs. 2 GVEntschVO i.V.m. § 11 Nr. 1 GVO ein.
Nach Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres setzt die Dienstbehörde den
Gebührenanteil gemäß § 4 Abs. 1 GVEntschVO i.V.m. §§ 11 Nr. 4 und 77 Nr. 1 GVO
fest. Über die den Gerichtsvollziehern zustehende Entschädigung wird eine
Auszahlungsanordnung erlassen (§ 77 Nr. 3 Satz 1 GVO). Monatliche Abrechnung und
vierteljährliche Festsetzung erfolgen auf Grundlage des zuletzt - also für das
vorangegangene Jahr - festgesetzten Prozentsatzes bzw. des zuletzt festgesetzten
Höchstbetrages. Sobald diese Werte mittels der jährlichen Änderungsverordnung zur
GVEntschVO für das jeweilige Abrechnungsjahr (rückwirkend) neu festgesetzt worden
sind, wird für dieses Abrechnungsjahr eine sog. Jahresnachweisung erstellt, mit welcher
der Gebührenanteil nach erneuter Berechnung aufgrund der geänderten Werte neu und
endgültig festgesetzt wird. Sofern sich aufgrund der Neuberechnung ein Nachzahlungs-
bzw. Rückforderungsbetrag ergibt, wird dieser ebenfalls in der Jahresnachweisung
festgesetzt.
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Mit Erlass vom 8. Oktober 2001 teilte das Justizministerium des beklagten Landes den
Präsidenten der Oberlandesgerichte mit, dass wegen des zum 1. Mai 2001 in Kraft
getretenen neuen Gerichtsvollzieherkostengesetzes beabsichtigt sei, sowohl den zur
Berechnung des Gebührenanteils erforderlichen Prozentsatz als auch den Höchstbetrag
für 2001 erst zu Beginn des Jahres 2002 anhand der dann konkret ermittelten
Gebühreneinnahmen sowie anhand des Jahreskosten- grundbetrages für 2001
rückwirkend festzusetzen. Bis dahin sei weiterhin auf Basis des zuletzt für das Jahr
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2000 festgesetzten Prozentsatzes bzw. des ebenfalls zuletzt für dieses Jahr
festgesetzten Höchstbetrages vorläufig abzurechnen. Darüber hinaus erhielt der Erlass
den Hinweis, dass sich bei der Schlussabrechnung für das Jahr 2001 bei einzelnen
Gerichtsvollziehern Rückzahlungen in nicht unerheblichem Umfang ergeben würden.
Aus diesem Grunde sei der Erlass den Gerichtsvollziehern bekannt zu geben. Dem
Kläger wurde der Erlass spätestens am 9. November 2001 bekannt gegeben.
Durch die Vierte Verordnung zur Änderung der GVEntschVO vom 14. Juni 2002 (GVBl.
S. 188; im Folgenden: 4. Änderungsverordnung) setzte der Verordnungsgeber den
Prozentsatz rückwirkend zum 1. Januar 2001 (von vorher 79,2) auf 63,6 und den
Höchstbetrag (von vorher 55.900,- DM) auf 52.600,- DM herab. Unter dem Datum des
20. Juni 2002 berechnete der Direktor des Amtsgerichts X. die dem Kläger zustehende
Bürokostenentschädigung (unter Zugrundelegung der 4. Änderungsverordnung) sowie
die ihm zustehende Vollstreckungsvergütung. Die Berechnung ergab eine Überzahlung
in Höhe von insgesamt 16.836,26 DM (= 8.608,24 EUR), davon 14.114,13 DM (=
7.216,44 EUR) überzahlte Bürokostenentschädigung und 2.722,13 DM (= 1.391,80
EUR) überzahlte Vollstreckungsvergütung. Mit der Jahresnachweisung vom 20. Juni
2002, der keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, setzte der Direktor des
Amtsgerichts X. die Bürokostenentschädigung, die Vollstreckungsvergütung sowie den
Rückforderungsbetrag fest.
11
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 17. Juli 2002 Widerspruch
ein: Die Festsetzung des Gebührenanteils für die Bürokostenentschädigung sei
rechtswidrig. Mit einer Ausnahme im Jahre 1999 seien der Prozentsatz für die
Berechnung des Gebührenanteils sowie der Jahreshöchstbetrag stets auf Grundlage
der Belastungszahlen sowie der Gebühreneinnahmen des Vorjahres errechnet worden.
Diese Vorgehensweise entspreche auch den Erläuterungen zur GVEntschVO. Die
Festsetzung des Prozentsatzes sowie des Jahreshöchstbetrages hätte daher auf
Grundlage der Zahlen für das Jahr 2000 und nicht auf Grundlage der Zahlen für 2001
erfolgen müssen. Hinzu komme, dass aufgrund der Einführung des neuen
Gerichtsvollzieherkostengesetzes zum 1. Mai 2001 und der damit einhergehenden
uneinheitlichen Handhabung von Gebührentatbeständen für das Jahr 2001 keine
durchschnittlichen Gebühreneinnahmen hätten festgelegt werden können. Im Übrigen
hätte die Neufestsetzung des Prozentsatzes sowie des Jahreshöchstbetrages
spätestens bis Ende 2001 erfolgen müssen. Dies ergebe sich zum einen aus § 2 Abs. 2
GVEntschVO und zum anderen aus steuerlichen Gründen. Der zurückzuzahlende
Gebührenanteil sei nämlich bereits 2001 versteuert worden. Der dadurch in diesem Jahr
eingetretene Nachteil bei der Besteuerung lasse sich nicht mehr nachträglich
ausgleichen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2002, dem Kläger zugestellt am 17.
Dezember 2002, wies die Präsident des Oberlandesgerichts E. den Widerspruch
zurück: Aus § 2 Abs. 2 GVEntschVO ergebe sich nicht, dass der Prozentsatz sowie der
Höchstbetrag auf Grundlage der Vorjahreszahlen zu errechnen sei. Vielmehr weise § 2
Abs. 2 GVEntschVO dem Verordnungsgeber sowohl hinsichtlich der Entscheidung, ob
eine Anpassung dieser Berechnungsfaktoren erforderlich sei, als auch bezüglich der
Frage, anhand welcher Zahlen dies zu beurteilen sei, einen Beurteilungsspielraum zu.
Dem Sinn und Zweck der Vorschrift entspreche es am ehesten, auf die Zahlen des
jeweiligen Abrechnungsjahres abzustellen. Die langjährige Verwaltungspraxis, aus
Vereinfachungsgründen auf die Zahlen des Vorjahres abzustellen, stehe dem nicht
entgegen. § 2 Abs. 2 GVEntschVO schließe es auch nicht aus, Prozentsatz und
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Höchstbetrag erst nach Ablauf eines Abrechnungsjahres rückwirkend für dieses
festzusetzen. Auch in der Vergangenheit sei immer wieder entsprechend verfahren
worden. Aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 GVEntschVO folge lediglich, dass eine sich
im Laufe des Jahres 2001 ergebende Notwendigkeit der Änderung des Prozentsatzes
rückwirkend zum 1. Januar 2001 („des entsprechenden Jahres") umzusetzen sei. Eine
Aussage bis wann dies zu erfolgen habe, enthalte § 2 Abs. 2 GVEntschVO dagegen
nicht.
Der Kläger hat am 8. Januar 2003 Klage erhoben und diese im Wesentlichen wie folgt
begründet: Die 4. Änderungsverordnung vom 14. Juni 2002 verstoße gegen das
Rechtsstaatsprinzip. Es liege ein Fall der echten Rückwirkung vor. Die
Änderungsverordnung greife in einen bereits abgeschlossenen, der Vergangenheit
angehörenden Sachverhalt ein. Die GVEntschVO sehe eine solche Rückwirkung nicht
vor. Gemäß § 2 Abs. 2 GVEntschVO sei eine rückwirkende Änderung nur mit Wirkung
vom 1. Januar des „entsprechenden Jahres" möglich. Daraus folge, dass eine
rückwirkende Änderung nur bis zum Ablauf des Jahres möglich sei, in dem sich die
Notwendigkeit zur Änderung der GVEntschVO ergeben habe. Im vorliegenden Fall sei -
dies zeige der Erlass vom 8. Oktober 2001 - die Notwendigkeit einer Änderung bereits
2001 bekannt gewesen. Folglich hätte die Änderungsverordnung spätestens bis zum
31. Dezember 2001 in Kraft treten müssen.
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Eine rückwirkende Änderung nach Ablauf des Kalenderjahres, für das die Regelung
wirksam werde, durchbreche zudem das „System der Verordnung". Grundsätzlich solle
der Verordnungsgeber die Entschädigung vorher festsetzen. Damit trage er das
Prognoserisiko. Zwar lasse § 2 Abs. 2 GVEntschVO die Durchbrechung dieses
Grundsatzes zu. Jedoch müsse der Grundsatz als solcher gewahrt bleiben. Ansonsten
würde das „System der Verordnung" geändert, das keine „Nachkalkulation" vorsehe.
Außerdem sei der Vertrauensschutz der betroffenen H. umso höher zu bewerten, je
näher das Jahresende rücke, da sie nicht mehr auf eine Änderung der Verordnung - z.B.
durch Rationalisierung oder Mehrarbeit - reagieren könnten. Der Erlass vom 8. Oktober
2001 sei nicht geeignet, sein Vertrauen auf die Fortgeltung des bisher geltenden
Prozentsatzes bzw. des bisher geltenden Höchstbetrages zu entwerten.
15
Mit der Sechsten Verordnung zur Änderung der GVEntschVO vom 9. Oktober 2003
(GVBl. S. 605; im Folgenden: 6. Änderungsverordnung) wurde - gemäß § 2 der
Verordnung „mit sofortiger Wirkung" - der für 2001 geltende Prozentsatz von 63,6 auf
65,8 und der für 2001 geltende Höchstbetrag von 52.600,- DM auf 54.400,- DM erhöht.
Mit Jahresnachweisung vom 25. November 2003 setzte der Direktor des Amtsgerichts X.
- unter Abänderung der Jahresnachweisung vom 20. Juni 2002 - sowohl die
Bürokostenentschädigung als auch den Rückforderungsbetrag neu fest; die Höhe der
Vollstreckungsvergütung blieb dagegen unverändert. Aufgrund der Neufestsetzung
ermäßigte sich der Rückforderungsbetrag von 16.836,26 DM (= 8.608,24 EUR) auf
14.668,73 DM (= 7.500,- EUR). Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit
hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 1.108,24 EUR übereinstimmend für erledigt
erklärt.
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Der Kläger hat beantragt,
17
den Bescheid des Direktors des Amtsgerichts X. vom 20. Juni 2002 in Verbindung mit
den Jahresnachweisungen vom 20. Juni 2002 und 25. November 2003 und den
Widerspruchsbescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichts E. vom 5. Dezember
18
2002 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und hat u.a. ergänzend ausgeführt: Die Bürokostenentschädigung werde nicht auf der
Grundlage der dem einzelnen H. entstandenen konkreten Aufwendungen gewährt,
sondern in Form eines prozentualen Anteils an den von ihm vereinnahmten Gebühren.
Es liege auf der Hand, dass für eine realitätsnahe Festsetzung der
Bürokostenentschädigung bei der Berechnung dieses prozentualen Anteils von den
Gebühreneinnahmen des betreffenden Abrechnungsjahres auszugehen sei und nicht
von den Einnahmen des Vorjahres.
21
Die 4. Änderungsverordnung verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche
Rückwirkungsverbot. Es liege nicht ein Fall der echten, sondern allenfalls ein Fall der
unechten Rückwirkung vor. Im Übrigen komme es nicht darauf an, ob überhaupt ein Fall
der Rückwirkung gegeben sei. Die Anordnung der (echten) Rückwirkung einer
Rechtsnorm unterliege nämlich dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn
der Normadressat nicht auf den Fortbestand der bestehenden Rechtslage habe
vertrauen dürfen. So liege es hier: Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt darauf
vertrauen dürfen, dass der aufgrund der Dritten Verordnung zur Änderung der
GVEntschVO vom 20. September 2000 (GVBl. S. 658; im Folgenden: 3.
Änderungsverordnung) für das Jahr 2000 festgesetzte Prozentsatz und Höchstbetrag
unverändert für 2001 fortgelten würde. § 2 Abs. 2 GVEntschVO bestimme ausdrücklich,
dass diese Werte rückwirkend geändert werden dürften. Dementsprechend sei in der
Vergangenheit jedes Jahr verfahren worden. Außerdem sei der Kläger durch den Erlass
vom 8. Oktober 2001 darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Werte erst im Jahre
2002 geändert würden. Hierbei habe es sich nicht um eine bloße unverbindliche
Absichtserklärung gehandelt.
22
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das
Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit
übereinstimmend für erledigt erklärt haben, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
23
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers. Dieser hat
seinen erstinstanzlichen Antrag dahingehend neu gefasst, dass er beantragt,
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1. den Beklagten unter Abänderung der Jahresnachweisung vom 20. Juni 2002 in der
Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2002 und durch die
Jahresnachweisung vom 25. November 2003 gefunden hat, zu verpflichten, die ihm für
das Jahr 2001 auf Grundlage der Dritten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur
Abgeltung der Bürokosten der Gerichtsvollzieherinnen und H. vorläufig als
Bürokostenentschädigung belassenen Gebührenanteile als endgültig festzusetzen,
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2. die Jahresnachweisung vom 20. Juni 2002 in der Gestalt, die sie durch den
Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2002 und durch die Jahresnachweisung vom
25. November 2003 ge-funden hat, in Bezug auf den die Bürokostenentschädigung
betreffenden Rückforderungsbetrag aufzuheben.
26
Im Übrigen hat der Kläger seine Klage mit Einwilligung des Beklagten
27
zurückgenommen. Zur Begründung wiederholt er unter Bezugnahme auf ein Urteil des
Sächsischen Oberverwaltungsgerichts im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen
Vortrag. Ergänzend weist er „rein vorsorglich" darauf hin, dass die nachträglich durch
die 6. Änderungsverordnung festgesetzten Werte keinesfalls den Anforderungen einer
realitätsnahen Orientierung an den regional entstandenen Kosten des Jahres 2001
genügen würden. Seine diesbezüglichen Ermittlungen habe der Beklagte nicht offen
gelegt. Die erheblichen Abweichungen zwischen den mit der 4. Änderungsverordnung
und den mit der 6. Änderungsverordnung festgesetzten Werten zeige, dass die
Berechnungen des Beklagten nicht zuträfen.
Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem neugefassten erstinstanzlichen
Antrag zu erkennen.
29
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
31
und führt u.a. ergänzend aus: Die für 2001 erfolgte Umstellung der Abrechnungspraxis -
Verwendung der Daten des jeweiligen Abrechnungsjahres statt der Vorjahresdaten - sei
auch vor dem Hintergrund erfolgt, dass eine im Jahr 2000 durchgeführte bundesweite
repräsentative Erhebung ergeben habe, dass die den Gerichtsvollziehern gewährte
Bürokostenentschädigung die tatsächlich anfallenden Kosten deutlich übersteige.
Bezüglich der Rechtmäßigkeit der 4. Änderungsverordnung sei auf die Rechtsprechung
des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu verweisen. Diesen
Entscheidungen lägen vergleichbare Fälle zugrunde. Die niedersächsischen
Regelungen zur Bürokostenentschädigung für H. entsprächen denen der GVEntschVO.
32
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
nebst Beiakte Bezug genommen.
33
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
34
Soweit der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit
Einwilligung des Beklagten zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß §§ 125 Abs.
1 Satz 1, 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. Das
angefochtene Urteil ist insoweit gemäß §§ 173 Satz 1 VwGO, 269 Abs. 3 Satz 1
Zivilprozessordnung (ZPO) wirkungslos.
35
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht begründete Berufung bleibt in der
Sache ohne Erfolg. Die Klage ist mit dem im Berufungsverfahren neugefassten
Klageantrag zulässig, aber unbegründet. Mit der Neufassung des Antrags ist keine
Änderung der Klage (§ 91 VwGO) verbunden; vielmehr dient die Neufassung der
Klarstellung des von Anfang an eindeutig erkennbaren Klagebegehrens. Bereits aus
dem Widerspruchsschreiben vom 17. Juli 2002 ergibt sich, dass der Kläger sich nicht
nur gegen den festgesetzten Rückforderungsbetrag wendet, sondern auch gegen die
Neufestsetzung der als Bürokostenentschädigung einbehaltenen Gebührenanteile.
36
I. Der auf höhere Festsetzung der Bürokostenentschädigung gerichtete
Verpflichtungsantrag (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist unbegründet. Dem Kläger steht
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weder ein Anspruch auf höhere Festsetzung der für 2001 gewährten
Bürokostenentschädigung noch ein Anspruch auf diesbezügliche Neubescheidung zu.
Der Beklagte hat die dem Kläger für 2001 zu gewährende Bürokostenentschädigung frei
von Rechtsfehlern festgesetzt. Wie die Beteiligten selbst sieht auch der Senat die
angefochtenen Jahresnachweisungen als verbindliche Regelungen zur Festsetzung der
für 2001 zu gewährenden Bürokostenentschädigung (sowie zur Festsetzung des
überzahlten Betrages) an. § 2 Abs. 1 Satz 2 und § 3 Abs. 2 Satz 1 GVEntschVO i.d.F.
der 4. sowie der 6. Änderungsverordnung, auf deren Grundlage der Beklagte die
Bürokostenentschädigung für 2001 festgesetzt hat, sind rechtmäßig. Bedenken gegen
deren formelle Rechtmäßigkeit sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
Darüber hinaus sind diese Normen auch materiell rechtmäßig: Sowohl der Prozentsatz
(§ 2 Abs. 1 Satz 2 GVEntschVO) als auch der Höchstbetrag (§ 3 Abs. 2 Satz 1
GVEntschVO) durften rückwirkend zum 1. Januar 2001 abgesenkt werden (1.). Rechtlich
unbedenklich ist ferner, dass der Verordnungsgeber seinen Feststetzungen die Daten
des Jahres 2001 zugrunde gelegt hat (2.). Der Verordnungsgeber hat auch nicht gegen
das Alimentationsprinzip verstoßen (3.).
38
1. Sowohl der Prozentsatz (a) als auch der Höchstbetrag (b) durften durch die 4.
Änderungsverordnung vom 14. Juni 2002 rückwirkend zum 1. Januar 2001 ab- gesenkt
werden.
39
a) Die rückwirkende Festsetzung des Prozentsatzes verstößt weder gegen § 2 Abs. 2
GVEntschVO (aa) noch gegen § 49 Abs. 3 BBesG (bb) und auch nicht gegen sonstiges
höherrangiges Recht (cc). Bezüglich der vom Kläger ferner geltend gemachten
steuerlichen (dd) und sonstigen (ee) Gründe bestehen ebenfalls keine durchgreifenden
Bedenken.
40
aa) Entgegen der Ansicht des Klägers hindert § 2 Abs. 2 GVEntschVO nicht die
rückwirkende Absenkung des Prozentsatzes zum 1. Januar 2001. Die Norm lautet:
41
„Ergibt sich im Laufe eines Jahres die Notwendigkeit, den Vomhundertsatz nach Absatz
1 Satz 2 zu ändern, so geschieht dies jeweils mit Rückwirkung vom 1. Januar des
entsprechenden Jahres."
42
Eine Regelung, die ausdrücklich vorschreibt, dass die Änderung des Prozentsatzes bis
zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erfolgen hat, enthält diese Norm nicht. Bis wann die
Änderung vorzunehmen ist, bleibt vielmehr offen.
43
Zu ähnlichen Regelungen anderer Bundesländer vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 9.
Dezember 2005 - 2 D 7/04 -, S. 21 des amtlichen Umdrucks, sowie Niedersächsisches
OVG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 5 KN 95/04 -, S. 15 des amtlichen Umdrucks.
44
§ 2 Abs. 2 GVEntschVO kann namentlich nicht einengend dahingehend verstanden
werden, dass eine Änderung nur bis zum Ablauf des Jahres zulässig ist, für das der
Prozentsatz gilt oder in welchem die Notwendigkeit einer Änderung festgestellt wird.
Dementsprechend folgt aus dem Wortlaut der Norm lediglich, dass eine Änderung des
Prozentsatzes stets rückwirkend zum 1. Januar eines Jahres zu erfolgen hat, wenn sich
die Notwendigkeit dazu ergibt. Weitere Folgerungen lassen sich dem Wortlaut nicht
eindeutig entnehmen. Die danach gebotene Auslegung des § 2 Abs. 2 GVEntschVO hat
sich maßgeblich an dem dargestellten Entschädigungsmodell als dem einzigen
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greifbaren systematischen Bezugspunkt zu orientieren. Dieses wird zumindest seit 1976
bundesweit praktiziert. An ihm war und ist - ohne dass sich daraus eine entsprechende
Bindung des Verordnungsgebers für die Zukunft ergeben würde (s.u. 2.) - sowohl die
GVEntschVO vom 23. Januar 1976 (GVBl. S. 52) als auch die derzeit gültige
GVEntschVO ausgerichtet.
Das Entschädigungsmodell basiert darauf, dass
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- die H. den ihnen zustehenden Gebührenanteil zunächst einmal vorläufig abrechnen,
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- der zur (endgültigen) Berechnung des Gebührenanteils erforderliche Prozentsatz erst
am Ende oder sogar erst nach Abschluss des Abrechnungsjahres festgesetzt wird und
48
- erst auf dieser Grundlage der Gebührenanteil endgültig abgerechnet wird
(Jahresnachweisung).
49
Diesem seit mehr als zwei Jahrzehnten praktizierten Modell wiederspräche es, § 2 Abs.
2 GVEntschVO in dem dargelegten Sinn einschränkend auszulegen. Darüber hinaus
gewinnt jenes Modell im gegebenen Zusammenhang sein besonderes Gewicht
deswegen, weil dem Verordnungsgeber - worauf das Verwaltungsgericht Aachen in
einem Parallelverfahren,
50
vgl. Urteil vom 12. Februar 2004 - 1 K 2560/02 -, S. 11 des amtlichen Umdrucks,
51
zu Recht hingewiesen hat - in jedem Falle genügend Zeit verbleiben muss, um die
notwendigen Erkenntnisse zusammenzutragen und seine Entscheidung mit den
Berufsorganisationen der H. sowie dem zu beteiligenden Finanzministerium (vgl. § 1 Nr.
3 der Verordnung zur Übertragung besoldungsrechtlicher Zuständigkeiten i.d.F. der
Verordnung vom 5. September 1978, GVBl. S. 498) abzustimmen. Dabei ist
insbesondere zu beachten, dass der Jahreskostengrundbetrag, der u.a. auch in die
Berechnung des Prozentsatzes einfließt, zwischen allen Bundesländern abzustimmen
ist. Dies hat in der Vergangenheit - wie sich der Berufungserwiderung entnehmen lässt -
häufig dazu geführt, dass der jeweilige Jahreskostengrundbetrag erst gegen Ende des
jeweiligen Abrechnungsjahres bzw. - im hier streitgegenständlichen Jahr 2001 - erst zu
Beginn des Folgejahres feststand.
52
Nach alledem ist § 2 Abs. 2 GVEntschVO wie folgt zu verstehen:
53
„Ergibt sich für ein Abrechnungsjahr die Notwendigkeit, den Vomhundertsatz nach
Absatz 1 Satz 2 zu ändern, so geschieht dies jeweils mit Rückwirkung vom 1. Januar
des entsprechenden Jahres, also des Abrechnungsjahres."
54
Die hiervon abweichende Auslegung des § 2 Abs. 2 GVEntschVO durch den Kläger
folgt auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Verordnung. Die dieser Auffassung
zugrunde liegende Prämisse, der Verordnungsgeber habe die Entschädigung prinzipiell
im Voraus festzusetzen und trage das Prognoserisiko, so dass eine Nachkalkulation
ausgeschlossen sei, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Ein derartiger
Grundsatz lässt sich weder - dazu näher unten bb) - aus § 49 Abs. 3 BBesG noch aus
der GVEntschVO selbst herleiten. Gegen eine derartige Festlegung des
Verordnungsgebers spricht schon, dass es sich bei der Bürokostenentschädigung um
eine - wenn auch pauschalierte - Aufwandsentschädigung handelt. Dies hat zur Folge,
55
dass sich die den Gerichtsvollziehern zu gewährende Bürokostenentschädigung - wenn
auch pauschaliert - realitätsnah an den tatsächlich (durchschnittlich) entstehenden
Kosten zu orientieren hat.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 2004 - 2 C 41.03 -, NVwZ-RR 2005, 214 (juris Rn.
11 und 16), sowie vom 4. Juli 2002 - 2 C 13.01 -, NVwZ 2002, 1505 (juris Rn. 21);
Sächsisches OVG, Urteil vom 9. Dezember 2005 - 2 D 7/04 -, S. 19 des amtlichen
Umdrucks; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 5 KN 95/04 -, S. 10/11 des
amtlichen Umdrucks; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 5. Oktober 1999 - 4 S 43/97
-, S. 7/8 des amtlichen Umdrucks, sowie vom 14. Dezember 1995 - 4 S 93/93 -, Justiz
1997, 33 (juris Rn. 21, 22, 26).
56
Diesen Vorgaben, die der Verordnungsgeber zu beachten hat, widerspräche es, wenn
er die GVEntschVO an einem von ihm zu tragenden Prognoserisiko ohne Möglichkeit
der nachträglichen Anpassung des Prozentsatzes an die tatsächlich anfallenden
Bürokosten ausrichten würde.
57
Dem berechtigten Interesse der H. , nicht für unbestimmte Zeit potentiellen
Rückforderungsansprüchen bezüglich der ihnen (vorläufig) gewährten
Bürokostenentschädigung ausgesetzt zu sein, ließe sich unter ergänzender
Heranziehung allgemeiner Grundsätze (z.B. zum Vertrauensschutz) Rechnung tragen. §
2 Abs. 2 GVEntschVO könnte dahingehend angewendet werden, dass eine
rückwirkende Absenkung des Prozentsatzes nach Ablauf einer zumutbaren Zeitdauer,
etwa nach Ablauf des auf das Abrechnungsjahr folgenden Jahres, grundsätzlich nicht
mehr erfolgen darf.
58
Zu einer entsprechenden Regelung vgl. z.B. § 2 Abs. 2 Satz 3 SächsGVEntschVO
(SächsGVBl. 2004 S. 8).
59
Wo diese zeitliche Grenze nach der geltenden GVEntschVO genau liegt, bedarf hier
jedoch keiner abschließenden Klärung, zumal es in Nordrhein-Westfalen bisher noch
nicht zu unzumutbar späten Rückforderungen von Gebührenanteilen gekommen ist.
60
bb) § 49 Abs. 3 BBesG steht dem rückwirkenden In-Kraft-Treten der 4.
Änderungsverordnung zum 1. Januar 2001 ebenfalls nicht entgegen. Eine
ausdrückliche Regelung, dass die rückwirkende Änderung des Prozentsatzes nur bis zu
einem bestimmten Zeitpunkt zulässig ist, enthält § 49 Abs. 3 BBesG ebenso wenig wie §
2 Abs. 2 GVEntschVO. Den Gesetzesmaterialien lässt sich diesbezüglich ebenfalls
nichts entnehmen.
61
Vgl. BT-Drs. 7/3689, S. 2.
62
Die Auslegung des § 49 Abs. 3 BBesG führt zu keinem anderen Ergebnis: Die Norm ist -
wie § 2 Abs. 2 GVEntschVO - weder dahingehend zu verstehen, dass eine Änderung
nur bis zum Ablauf des Jahres zulässig ist, für das der Prozentsatz gilt, noch
dahingehend, dass die Änderung des Prozentsatzes bis zum Ende des Jahres erfolgen
muss, in dem die Notwendigkeit einer Änderung festgestellt wird. Zur Begründung
seiner gegenteiligen Ansicht beziehen sich der Kläger bzw. die Kläger der
Parallelverfahren darauf, dass es sich bei der in § 49 Abs. 3 BBesG geregelten
Bürokostenentschädigung nicht um eine reine Aufwandsentschädigung handeln soll.
Dies soll sich aus dem Wortlaut des § 49 Abs. 3 BBesG („Abgeltung"), aus der
63
Systematik des BBesG, insbesondere dem Verhältnis zwischen § 17 und § 49 Abs. 3
BBesG, sowie aus der Gesetzgebungsgeschichte ergeben. Demgegenüber ist
zutreffend entschieden, dass es sich bei der Bürokostenentschädigung um eine
landesrechtliche Aufwandsentschädigung ohne zusätzlichen Alimentationscharakter
handelt.
BVerwG, Urteil vom 19. August 2004 - 2 C 41.03 -, a.a.O. (juris Rn. 13).
64
Die Darlegungen des Klägers geben keinen Anlass hiervon abzuweichen.
65
Darüber hinaus spricht auch die Gesetzgebungsgeschichte gegen eine einschränkende
Auslegung des § 49 Abs. 3 BBesG: Diese Norm wurde mit Gesetz vom 6. August 1975
(BGBl. I S. 2089) in das Bundesbesoldungsgesetz eingefügt. Die Modellverordnung zur
Abgeltung der Bürokosten der H. , die der GVEntschVO vom 23. Januar 1976 zugrunde
liegt (die GVEntschVO von 1976 stimmt weitgehend mit der geltenden GVEntschVO
überein), wurde nur wenige Monate vorher von der Finanzministerkonferenz gebilligt.
66
Vgl. Clemens u.a., a.a.O., § 49 BBesG Gliederungsziffer 3.2.
67
Dieser Modellverordnung liegt das dargelegte Entschädigungsmodell zugrunde.
68
Vgl. die Begründung zum Entwurf eines Modells einer Verordnung zur Abgeltung der
Bürokosten der H. .
69
Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs war dem Gesetzgeber dieses
Entschädigungsmodell bekannt. Daher ist bei der Auslegung des § 49 Abs. 3 BBesG zu
berücksichtigen, dass der Gesetzgeber keine Norm erlassen wollte, die den
Verordnungsgeber in Bezug auf die Umsetzung dieses Entschädigungsmodells einengt.
70
cc) Die rückwirkende Absenkung des Prozentsatzes durch die 4. Änderungsverordnung
verstößt auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht, insbesondere liegt kein
Verstoß gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Rückwirkungsverbot vor.
71
Bezüglich der Erstreckung von Rechtsfolgen auf Sachverhalte mit
Vergangenheitsbezug ist wie folgt zu differenzieren: Eine sog. echte Rückwirkung, die
auch als Rückbewirkung von Rechtsfolgen bezeichnet wird, ist gegeben, wenn ein
Gesetz (im materiellen Sinne, s.u.) nachträglich ändernd in abgewickelte, der
Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift, wenn also der von der Rückwirkung
betroffene Tatbestand in der Vergangenheit nicht nur begonnen hat, sondern bereits
abgeschlossen war. Eine echte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich
unzulässig. Jedoch tritt das Rückwirkungsverbot, das seine Grundlage im Prinzip des
Vertrauensschutzes findet, zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den
Bestand des rückwirkend geänderten Rechts bilden konnte. Wird dagegen auf
gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte bzw. Rechtsbeziehungen für
die Zukunft eingewirkt, so handelt es sich lediglich um eine unechte Rückwirkung, auch
tatbestandliche Rückanknüpfung genannt. Diese ist verfassungsrechtlich grundsätzlich
zulässig, im Einzelfall können sich aber Einschränkungen aus Vertrauensschutz- und
Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ergeben.
72
Vgl. BVerfG, Urteil vom 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 -, BVerfGE 101, 239 (juris Rn.
96, 97), Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 - 2 BvR 882/97 -, BVerfGE 97, 67 (juris Rn.
73
40, 41), sowie vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200 (juris Rn. 85 bis 91);
BVerwG, Urteile vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, BVerwGE 118, 277 (juris Rn. 29), sowie
vom 22. März 2001 - 2 CN 1.00 -, DVBl. 2001, 1215 (juris Rn. 28, 29); Herzog, in:
Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: August 2005, Art. 20, VII Rn. 68 ff.; Schulze-Fielitz,
in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Band II, 1. Auflage 1998, Art. 20 Rn. 144 ff. und 152 ff.
Die vorstehenden Grundsätze gelten nicht nur für Gesetze im formellen Sinne, sondern
auch für Rechtsverordnungen und Satzungen.
74
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1977 - 2 BvR 499/74 u.a. -, BVerfGE 45, 142;
Schulze-Fielitz, a.a.O., Art. 20 Rn. 141.
75
Im vorliegenden Fall ist schon fraglich, ob - bezogen auf die für 2001 zu gewährende
Bürokostenentschädigung - zum Zeitpunkt des Erlasses der 4. Änderungsverordnung
ein im vorstehenden Sinne abgeschlossener Tatbestand vorlag. Zwar stand den
Gerichtsvollziehern zu diesem Zeitpunkt dem Grunde nach ein Anspruch auf
Gewährung einer Bürokostenentschädigung für 2001 zu. Jedoch konnte die (endgültige)
Höhe dieses Anspruchs entsprechend dem seit mehr als zwanzig Jahren praktizierten
Entschädigungsmodell erst nach der jährlichen Neufestsetzung der zur Berechnung
dieses Anspruchs erforderlichen Parameter (Prozentsatz und Höchstbetrag) bestimmt
werden. Gerade Letzteres spricht dagegen, dass bis zum Erlass der jährlichen
Änderungsverordnung und der anschließenden (endgültigen) Neufestsetzung der
Gebührenanteile bereits ein abgewickelter, der Vergangenheit angehörender
Tatbestand vorliegt. Diese Frage bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung. Die
rückwirkend zum 1. Januar 2001 in Kraft getretene Absenkung des für 2001 geltenden
Prozentsatzes verstößt nämlich auch dann nicht gegen das Rückwirkungsverbot, wenn
die Rechtmäßigkeit der Absenkung an den (für den Kläger günstigeren) strengen, für
eine echte Rückwirkung entwickelten Rechtsgrundsätzen gemessen wird.
76
Das grundsätzliche Verbot rückwirkend belastender Gesetze beruht auf den aus Art. 20
Abs. 3 GG folgenden Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Das
Verbot schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und die Berechenbarkeit der
Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte. Dementsprechend tritt
das Rückwirkungsverbot zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den
Bestand des rückwirkend geänderten Rechts bilden konnte.
77
Vgl. BVerfG, Urteil vom 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 -, a.a.O. (juris Rn. 94, 97),
Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 - 2 BvR 882/97 -, a.a.O. (juris Rn. 40, 42), sowie
vom 8. Juni 1977 - 2 BvL 499/74 u.a. -, a.a.O. (juris Rn. 71, 72); BVerwG, Urteile vom 3.
Juli 2003 - 2 C 36.02 -, a.a.O. (juris Rn. 30), sowie vom 22. März 2001 - 2 CN 1.00 -,
a.a.O. (juris Rn. 28); Herzog, a.a.O., Art. 20, VII Rn. 66 f.; Schulze- Fielitz, a.a.O., Art. 20
Rn. 140, 147; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Auflage 2003, Art. 20 Rn. 134;
Roellecke, in: Clemens/Umbach (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 1. Auflage 2002, Art. 20
Rn. 89, 94.
78
Daraus folgt, dass eine echte Rückwirkung u.a. dann zulässig ist, wenn nach der
Situation zu dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge (hier: Absenkung des
Prozentsatzes) nachträglich zurückbezogen wird, die Betroffenen mit einer Änderung
des zu diesem Zeitpunkt (hier: 1. Januar 2001) geltenden Rechts rechnen mussten.
79
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2001 - 2 CN 1.00 -, a.a.O. (juris Rn. 29); Herzog,
80
a.a.O., Art. 20, VII Rn. 67; Schulze-Fielitz, a.a.O., Art. 20 Rn. 147.
Der Kläger durfte nicht darauf vertrauen, dass der mit der 3. Änderungsverordnung
rückwirkend zum 1. Januar 2000 festgesetzte Prozentsatz, der zunächst über den 31.
Dezember 2000 hinaus bis zu seiner erneuten Änderung fortgalt, für 2001 unverändert
Bestand haben würde. Ob sich dies schon daraus ergibt, dass § 2 Abs. 2 GVEntschVO
eine rückwirkende Änderung des Prozentsatzes - und zwar auch noch nach Ablauf des
jeweiligen Abrechnungsjahres bzw. des Jahres, in dem die Notwendigkeit einer
Änderung festgestellt wird - zulässt (s.o. aa), bedarf keiner Klärung.
81
Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls aufgrund des der GVEntschVO zugrunde
liegenden Entschädigungsmodells an einem Vertrauenstatbestand, auf den sich der
Kläger beziehen kann. Das gilt unabhängig davon, wie die vierteljährliche Festsetzung
gemäß § 77 GVO im Einzelnen ausgestaltet ist. Denn das der GVEntschVO zugrunde
liegende Entschädigungsmodell ist auf eine nachträgliche rückwirkende Festsetzung
des Prozentsatzes sowie eine erst danach erfolgende endgültige Festsetzung der
Bürokostenentschädigung angelegt. Aus diesem Entschädigungsmodell folgt
unmittelbar, dass alle vorherigen Berechnungen und Festsetzungen nur vorläufig sein
können. Für die mit diesem Entschädigungsmodell verbundene Möglichkeit der
rückwirkenden Änderung des Prozentsatzes, die in der Sache eine erstmalige und
endgültige Festsetzung für das jeweilige Abrechnungsjahr erlaubt, gibt es auch einen
sachlichen Grund. Dieser besteht darin, dass die Daten, die nach diesem Modell für die
jährliche Neufestsetzung des Prozentsatzes benötigt werden, zu Beginn des jeweiligen
Abrechnungsjahres noch nicht vorliegen. Dies gilt unabhängig davon, ob die
Festsetzung aufgrund der Daten des jeweiligen Abrechnungsjahres oder aufgrund der
Vorjahresdaten erfolgt. Für die Festsetzung des Prozentsatzes aufgrund (möglichst)
aktueller Daten besteht ebenfalls ein sachlicher Grund. Dem Charakter einer
(pauschalen) Aufwandsentschädigung entspricht es, den (pauschalierten) Aufwand
möglichst realitätsnah zu berechnen. Dazu sind (möglichst) aktuelle Daten erforderlich
(s.u.2.).
82
Hinzu kommt, dass dieses Entschädigungsmodell bereits seit 1976 und damit seit mehr
als zwei Jahrzehnten praktiziert wird. Dementsprechend wurde der Prozentsatz für die
Jahre 1976 bis 2000 jährlich angepasst. Dabei kam es nicht nur zu Erhöhungen des
Prozentsatzes, sondern - für die Jahre 1982 bis 1985 sowie 1994 bis 1996 - auch zu
Absenkungen. Schon wegen der jahrelangen Handhabung des Entschädigungsmodells
musste der Kläger (auch) am 1. Januar 2001 damit rechnen, dass der durch die 3.
Änderungsverordnung rückwirkend zum 1. Januar 2000 festgelegte Prozentsatz
rückwirkend zum 1. Januar 2001 geändert werden würde. Es bestand auch keine
Vertrauensgrundlage dafür, dass eine solche Änderung nach dem 31. Dezember 2001
nicht mehr erfolgen würde. Denn es entsprach der jahrelangen Praxis der Beklagten,
den Prozentsatz des öfteren erst nach Ablauf des Jahres zu ändern, zu dessen 1.
Januar die rückwirkende Änderung des Prozentsatzes in Kraft trat (Jahre 1991 bis 1993
und 1995 bis 1997). Darüber hinaus wurden die H. vor Ablauf des Jahres 2001 mit
Erlass vom 8. Oktober 2001 nochmals gesondert darauf hingewiesen, dass der
Prozentsatz für 2001 erst nach dem 31. Dezember 2001 festgesetzt werde.
83
Ob Vertrauensschutz etwa dann bestehen würde, wenn die bisherige Praxis gegen
geltende Rechtsvorschriften verstoßen hätte, kann dahinstehen. Es wurde bereits
dargelegt, dass das jahrzehntelang praktizierte Entschädigungsmodell einschließlich
der rückwirkenden Änderung des Prozentsatzes sowohl mit § 49 Abs. 3 BBesG als auch
84
mit der GVEntschVO im Einklang steht.
Ebenfalls unerheblich ist, ob die jahrelange Praxis bei der Handhabung des
Entschädigungsmodells dem Kläger in allen Einzelheiten bekannt war. Entscheidend ist
nicht, ob tatsächlich auf die Unabänderlichkeit des am 1. Januar 2001 gelten-den
Prozentsatzes vertraut wurde, sondern ob mit einer Änderung desselben gerechnet
werden musste. Die damit angesprochene Frage der Schutzwürdigkeit des Vertrauens
bestimmt sich nicht aus der Sicht des einzelnen, sondern aus der Sicht eines objektiven
Betrachters.
85
Vgl. Schulze-Fielitz, a.a.O., Art. 20 Rn. 135; Sachs, a.a.O., Art. 20 Rn. 134.
86
dd) Steuerliche Gründe stehen der rückwirkenden Absenkung des Prozentsatzes nach
Ablauf des jeweiligen Abrechnungsjahres ebenfalls nicht entgegen. Zwar kann die
rückwirkende Absenkung des Prozentsatzes - wie im vorliegenden Fall - zur
Rückforderung vorläufig als Bürokostenentschädigung einbehaltener Gebührenanteile
führen. Der Umstand, dass der zurückzuzahlende Betrag u.U. bereits versteuert wurde,
führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der rückwirkenden Änderung des Prozentsatzes.
Vielmehr ist diesem - erst das Rückforderungsverhältnis betreffenden - Umstand nach
allgemeinen Grundsätzen Rechnung zu tragen. Die Frage der Berücksichtigung
gezahlter Steuern betrifft nämlich nicht nur Fälle überzahlter Bürokostenentschädigung,
sondern ebenso Fälle überzahlter Dienstbezüge (vgl. § 12 Abs. 2 BBesG).
Diesbezüglich ist höchstrichterlich anerkannt, dass grundsätzlich der Bruttobetrag
zurückzuzahlen ist.
87
Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Oktober 1999 - 2 C 11.99 -, BVerwGE 109, 365 (juris Rn.
35), vom 8. Oktober 1998 - 2 C 21.97 -, a.a.O. (juris Rn. 17) sowie vom 22. September
1966 - 8 C 109.64 -, BVerwGE 25, 97 ff.; vgl. außerdem Beschluss des Senats vom 15.
September 2005 - 1 A 1071/04 -, S. 6 des amtlichen Umdrucks.
88
Dementsprechend ist ein Ausgleich der im Jahre 2001 aufgrund der Überzahlung zuviel
gezahlten Steuern nicht durch eine Verminderung des Rückzahlungsbetrages, sondern
in erster Linie auf steuerlichem Wege zu erreichen. Aufgrund der Rückzahlung ergibt
sich nämlich im Allgemeinen eine Minderung der Steuerschuld in dem Jahr, in dem sie
erfolgt. Erst wenn endgültig feststeht, dass sich aufgrund besonderer Umstände im Jahr
der Rückzahlung keine Steuerminderung ergibt oder dass diese der Höhe nach nicht
ungefähr den Betrag erreicht, der aufgrund der Überzahlung als Lohn- bzw.
Einkommenssteuer einbehalten wurde, kann dies nachträglich (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG
i.V.m. §§ 97, 98 Landesbeamtengesetz (LBG NRW), 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG) geltend
gemacht werden.
89
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. September 1966 - 8 C 109.64 -, a.a.O. S. 102 f.; Mayer,
a.a.O., §12 BBesG Rn. 35 a.E.
90
Was die Zukunft angeht, wird sich dieses Verfahren dadurch vermeiden lassen, dass
der Kläger bei der Finanzverwaltung beantragt, die Frist zur Abgabe seiner
Steuererklärung so zu verlängern, dass diese erst nach der endgültigen jährlichen
Abrechnung der Bürokostenentschädigung einzureichen ist.
91
ee) Schließlich lässt sich der Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Änderung des
Prozentsatzes nicht mit Erfolg entgegen halten, dass sich aufgrund der anschließenden
92
endgültigen Berechnung der Bürokostenentschädigung u.U. eine beträchtliche
Rückforderung ergibt. Durch die Rückforderung wird weder die dem Kläger im Jahr der
Rückzahlung zustehende Alimentation noch die ihm in diesem Jahr zustehende
Bürokostenentschädigung gekürzt. Vielmehr hat er nur das zurückzuzahlen, was er
vorher zuviel erhalten hat. Sofern er nicht in der Lage ist, den vollen Betrag auf einmal
zurückzuzahlen, kann der Beklagte ihm auch nachträglich gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3
BBesG Ratenzahlungen einräumen.
b) Ebenso wenig ist die ebenfalls aufgrund der 4. Änderungsverordnung rückwirkend
zum 1. Januar 2001 erfolgte Absenkung des Höchstbetrages (§ 3 Abs. 2 Satz 1
GVEntschVO) rechtlich zu beanstanden.
93
Die rückwirkende Absenkung des Höchstbetrages verstößt nicht gegen die Vorschriften
der GVEntschVO. Allerdings ist die Änderung des Höchstbetrages nicht vom Wortlaut
des § 2 Abs. 2 GVEntschVO umfasst und enthält die GVEntschVO - anders als z.B. die
niedersächsischen sowie die sächsischen Parallelvorschriften - auch keine andere
Vorschrift, welche die rückwirkende Änderung des Höchstbetrages für zulässig erklärt.
Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, der Verordnungsgeber habe eine
rückwirkende Änderung des Höchstbetrages ausgeschlossen. Wie bereits dargelegt
(s.o. a) aa), ist bei der Auslegung der GVEntschVO in erster Linie an das
Entschädigungsmodell anzuknüpfen, das den Überlegungen des Verordnungsgebers
zugrunde lag und das im Zeitpunkt des Erlasses der GVEntschVO 1998 bereits seit
etwa zwei Jahrzehnten praktiziert wurde. Dieses Entschädigungsmodell setzt aber die
rückwirkende Abänderbarkeit des Höchstbetrages in gleicher Weise voraus wie die
rückwirkende Abänderbarkeit des Prozentsatzes. Aus diesem Grunde ist aus der
Tatsache, dass die GVEntschVO bezogen auf den Höchstbetrag keine § 2 Abs. 2
entsprechende Regelung enthält, nicht der (Umkehr-)Schluss zu ziehen, die
rückwirkende Abänderbarkeit des Höchstbetrages sei unzulässig. Im Gegenteil ist
aufgrund des der GVEntschVO zugrunde liegenden Entschädigungsmodells sowie der
Tatsache, dass die GVEntschVO die rückwirkende Änderung des Höchstbetrages nicht
ausdrücklich ausschließt, zu folgern, dass die rückwirkende Änderung des
Höchstbetrages ebenfalls (nach allgemeinen Grundsätzen) zulässig ist.
94
§ 49 Abs. 3 BBesG schließt die rückwirkende Absenkung des Höchstbetrages ebenfalls
nicht aus. Auf die obigen Ausführungen unter a) bb) wird verwiesen.
95
Die rückwirkende Absenkung des Höchstbetrages verstößt auch nicht gegen das
verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Diesbezüglich wird auf die vorstehenden
Ausführungen (s.o. a) cc) verwiesen. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch der
Höchstbetrag seit 1976 - mit einer Ausnahme (1997) - jährlich abgeändert wurde; eine
Absenkung des Höchstbetrages erfolgte in den Jahren 1988 und 1998.
96
Das Fehlen einer § 2 Abs. 2 GVEntschVO entsprechenden Norm steht der
rückwirkenden Absenkung des Höchstbetrages auch nicht aus anderen Gründen
entgegen. Insbesondere bedarf es dazu keiner ausdrücklichen Ermächtigung in der
Verordnung selbst. Der Verordnungsgeber ist - wie auch der Gesetzgeber - „kraft Amtes"
berechtigt, von ihm erlassene Verordnungen aufzuheben oder abzuändern. Ob er dies
auch rückwirkend darf, ist eine Frage der (verfassungs-) rechtlichen Grenzen seiner
Normsetzungsbefugnis, die hier - wie vorstehend dargelegt - eingehalten sind.
Dementsprechend enthält die Modellverordnung zur Abgeltung der Bürokosten der H. in
der Fassung des Beschlusses des Arbeitskreises der Länder für Besoldungsfragen vom
97
9./11. Juni 1997,
abgedruckt bei Clemens u.a., a.a.O., Anhang zu § 49 BBesG,
98
auf der die GVEntschVO und die entsprechenden Vorschriften anderer Bundesländer
aufbauen, weder in Bezug auf den Prozentsatz noch in Bezug auf den Höchstbetrag
eine § 2 Abs. 2 GVEntschVO entsprechende Regelung.
99
Ist die 4. Änderungsverordnung nach alledem sowohl bezogen auf die rückwirkende
Absenkung des Prozentsatzes als auch bezogen auf die rückwirkende Absenkung des
Höchstbetrages rechtmäßig, so bestehen gegen die erneute rückwirkende Abänderung
dieser Werte durch die 6. Änderungsverordnung schon deswegen keine rechtlichen
Bedenken, weil diese Änderung - Prozentsatz und Höchstbetrag wurden erhöht - die H.
begünstigt hat. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern diese dadurch in ihren Rechten verletzt
sein sollten. Insbesondere verstoßen rückwirkend in Kraft gesetzte begünstigende
Regelungen nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot
100
Vgl. Herzog, a.a.O., Art. 20, VII Rn. 66.
101
2. Der Verordnungsgeber durfte sowohl der Festsetzung des Prozentsatzes als auch der
Festsetzung des Höchstbetrages die Daten (eingenommene Schreib- auslagen,
Gebühreneinnahmen, Pensenbelastung) des Jahres 2001 zugrunde legen.
102
Weder § 49 Abs. 3 BBesG noch die GVEntschVO enthalten eine Regelung dazu,
welche Daten nach welcher Berechnungsmethode der Festsetzung des Prozentsatzes
sowie des Höchstbetrages zugrunde zu legen sind. Daraus folgt, dass bei der Ermittlung
dieser Werte dem Verordnungsgeber ein Normsetzungsermessen zusteht. Die
Ausübung dieses Ermessens ist jedenfalls dann nicht rechtswidrig, wenn es
sachgerecht ausgeübt wird. Dies ist hier der Fall: Dem Charakter einer (pauschalen)
Aufwandsentschädigung entspricht es, den (pauschalierten) Aufwand möglichst
realitätsnah zu berechnen. Dazu sind (möglichst) aktuelle Daten erforderlich.
103
Das der GVEntschVO zugrunde liegende Entschädigungsmodell basiert auf den beiden
Grundannahmen, dass höhere Gebühreneinnahmen auf ein größeres (Arbeits-)Pensum
zurückzuführen sind und dass ein größeres (Arbeits-)Pensum zu höheren
Personalkosten führt. Dies folgt aus der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 2 GVEntschVO.
Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass ein H. , der mehr Gebühren
eingenommen hat, mehr Aufträge (= höheres Arbeitspensum) erledigt und verbunden
damit höhere Personalkosten gehabt hat. Die beiden Grundannahmen liegen auch der
Berechnung des Prozentsatzes sowie des Höchstbetrages zugrunde. Eine erhöhte
Pensenbelastung ergibt einen höheren länderspezifischen Jahreskostenbetrag, der
wiederum sowohl einen höheren Prozentsatz als auch einen höheren Höchstbetrag
i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 GVEntschVO bedingt. Deshalb ist es konsequent, der
Berechnung des Gebührenanteils für ein bestimmtes Jahr die Pensenbelastung für eben
dieses Jahr zugrunde zu legen. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall, wenn Prozentsatz
und Höchstbetrag aufgrund der Vorjahreszahlen berechnet werden, wie folgendes
Beispiel zeigt: Der Berechnung des Gebührenanteils werden für jeden H. die
individuellen Gebühreneinnahmen des jeweiligen Abrechnungsjahres zugrunde gelegt.
Für die Berechnung des Gebührenanteils für das Jahr 2001 sind also die im Jahre 2001
erzielten individuellen Einnahmen maßgeblich. Werden Prozentsatz und Höchstbetrag
aufgrund der Vorjahreszahlen, hier also aufgrund der Zahlen des Jahres 2000
104
berechnet, liegt dieser Berechnung die Pensenbelastung des Jahres 2000 (und nicht
die von 2001 zugrunde). Dies führt insbesondere dann zu Verzerrungen, wenn - wie im
Jahre 2001 - die durchschnittliche Pensenbelastung im Vergleich zum Vorjahr sinkt (von
157 % auf 146,3 %), gleichzeitig aber die durchschnittlichen Gebühreneinnahmen
steigen (von 73.600,- DM auf 82.500,- DM). Diese Daten entnimmt der Senat einer in
einem Parallelverfahren vom Beklagten vorgelegten Aufstellung, die dem Kläger am 18.
Januar 2006 nebst anderen Unterlagen übersandt wurde. Es ist offensichtlich, dass die
Grundannahmen des der GVEntschVO zugrunde liegenden Entschädigungsmodells im
Jahre 2001 nicht zuträfen, wenn die Vorjahreszahlen zugrunde gelegt worden wären.
Die höheren Gebühreneinnahmen wurden bei einer geringeren Pensenbelastung
erzielt, basieren also nicht auf einer höheren Arbeitsbelastung (und damit verbunden
höheren Personalkosten), sondern auf einer Gebührenerhöhung aufgrund des im Mai
2001 in Kraft getretenen neuen Gebührenrechts. Um derartige Verzerrungen zu
vermeiden, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber sein
Normsetzungsermessen dahingehend ausübt, der Berechnung des Prozentsatzes
sowie des Höchstbetrages die Daten des jeweiligen Abrechnungsjahres zugrunde zu
legen.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Vorjahresdaten eher vorliegen, sodass die
Festsetzung des Prozentsatzes und des Höchstbetrages sowie die auf diesen Werten
basierende endgültige Abrechnung der Bürokostenentschädigung eher erfolgen kann,
als bei Zugrundelegung der aktuelleren Daten des Abrechnungsjahres. Jedoch ist
weder nachvollziehbar vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass den Gerichtsvollziehern
aufgrund der späteren endgültigen Abrechnung wesentliche Nachteile erwachsen. Für
die Jahre 1991 bis 2000 (Berechnung aufgrund der Vorjahresdaten) erfolgte die
Festsetzung des Prozentsatzes sowie des Höchstbetrages - mit Ausnahme der Jahre
1998 und 2000 - entweder im Dezember des Abrechnungsjahres oder - weitaus häufiger
- im ersten Quartal des Folgejahres. Für die Jahre 2001 bis 2004 (Berechnung aufgrund
der Daten des jeweiligen Abrechnungsjahres) erfolgte die Festsetzung jeweils im Mai
oder Juni des folgenden Jahres. Dies macht unter dem Gesichtspunkt der Umsetzung
von Kosteneinsparungen keinen wesentlichen Unterschied, da im Dezember eines
Jahres kaum noch wesentliche Einsparungen für dieses Jahr erzielt werden können.
Dem kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, die Vorjahresdaten seien bereits
im Juni des Abrechnungsjahres bekannt. Allein anhand dieser Daten
(Pensenbelastung, Gebühreneinnahmen und Schreibauslagen) lässt sich die Höhe der
Bürokostenentschädigung nicht bestimmen, da in die Berechnung des Prozentsatzes
sowie des Höchstbetrages außer diesen Daten noch der Jahreskostengrundbetrag
eingeht, der in der Vergangenheit häufig erst wesentlich später, nämlich gegen Ende
des Abrechnungsjahres und für das hier streitgegenständliche Jahr 2001 sogar erst im
März des Folgejahres, festgesetzt wurde.
105
Der Kläger weist zu Recht darauf hin, der Verordnungsgeber sei sowohl bei Erlass der
GVEntschVO 1976 als auch bei Erlass der GVEntschVO 1998 davon ausgegangen,
Prozentsatz und Höchstbetrag seien auf Grundlage der Vorjahreswerte zu ermitteln.
106
Vgl. Ziffer 2.24 der Begründung zum Entwurf eines Modells einer Verordnung zur
Abgeltung der Bürokosten der H. sowie Ziffer 1.3 der Erläuterungen zur GVEntschVO.
107
Dem folgend wurden den Berechnungen - mit Ausnahme des Jahres 1999 - bis zum
Jahre 2000 stets die Vorjahresdaten zugrunde gelegt.
108
Dass den Überlegungen des Verordnungsgebers ein bestimmtes
Entschädigungsmodell zugrunde lag, gibt einerseits zwar wichtige Hinweise für die
Auslegung der GVEntschVO, schließt es aber andererseits nicht aus, dass er von
diesem Modell abweicht. Hätte der Verordnungsgeber eine Bindung an ein bestimmtes
Entschädigungsmodell beabsichtigt, hätte er entsprechende Regelungen in die
GVEntschVO aufgenommen. Es ist auch sachgerecht, kein bestimmtes
Entschädigungsmodell festzuschreiben. Denn bei der Bürokostenentschädigung
handelt es sich um eine pauschalierte Aufwandsentschädigung, die realitätsnah an den
tatsächlich entstehenden (durchschnittlichen) Kosten zu orientieren ist (s.u. 3). Dem
widerspräche es, dem Verordnungsgeber starre Vorgaben bezüglich der Festsetzung
des Prozentsatzes sowie des Höchstbetrages zu machen. Diesem muss genügend
Flexibilität verbleiben, den Gebührenanteil bei Bedarf - sowohl nach oben als auch nach
unten - an die tatsächlich entstehenden (durchschnittlichen) Kosten anzugleichen.
109
Dementsprechend bewirkt die langjährige Praxis des Verordnungsgebers keine
Bindung für folgende Abrechnungsjahre. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt des
Vertrauensschutzes: Bestehen im Hinblick auf die Berechnung der
Bürokostenentschädigung keine normativen (eine geschützte Rechtsposition
vermittelnden) Vorgaben, fehlt es diesbezüglich - auch bezogen auf eine langjährige
Übung - schon an einem Anknüpfungspunkt für einen Vertrauenstatbestand. Gerade
aufgrund des Fehlens derartiger Vorgaben muss ein objektiver Beobachter zu dem
Schluss kommen, dass der Verordnungsgeber nicht an ein bestimmtes
Entschädigungsmodell gebunden ist.
110
Darüber hinaus ist ein Vertrauen auch nicht an sich, sondern nur unter der
Voraussetzung schutzwürdig, dass aufgrund dieses Vertrauens Dispositionen getroffen
werden können und tatsächlich getroffen wurden. Auf das Vertrauen, der Berechnung
der Bürokostenentschädigung würden auch in Zukunft nicht die Daten des
Abrechnungsjahres, sondern - wie bisher - die Vorjahresdaten zugrunde gelegt, lässt
sich - jedenfalls ohne konkrete Kenntnis aller dieser Daten - schon im Ansatz keine
Disposition stützen. Die Zugrundelegung der Vorjahresdaten führt nämlich nicht
zwangsläufig zu einem höheren Gebührenanteil, sondern kann auch einen niedrigeren
Gebührenanteil ergeben.
111
Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, der Berechnung des Prozentsatzes sowie
des Höchstbetrages gerade die Daten des Jahres 2001 zugrunde zu legen.
Diesbezüglich hat der Kläger geltend gemacht, aufgrund des neuen
Gerichtsvollzieherkostenrechts sei es 2001 zu einer uneinheitlichen Gebührenerhebung
gekommen. Dies schließe es aus, aufgrund der Daten dieses Jahres durchschnittliche
Gebühreneinnahmen zu errechnen. Dem kann nicht gefolgt werden: Die
durchschnittlichen Gebühreneinnahmen ergeben sich aus dem gesamten
Gebühreneinkommen eines Jahres geteilt durch die Anzahl der H. . Ob
Gebührentatbestände einheitlich gehandhabt werden - bei mehr als 1.000
Gerichtsvollziehern in Nordrhein-Westfalen wird dies nie gewährleistet sein - ist für die
Ermittlung der durchschnittlichen Gebühreneinnahmen unerheblich.
112
3. Ein Verstoß gegen das Alimentationsprinzip liegt nicht vor. Die aufgrund der 4. i.V.m.
der 6. Änderungsverordnung gewährte Bürokostenentschädigung ist ausreichend
bemessen. Die 6. Änderungsverordnung ist in die Betrachtung mit einzubeziehen, da
durch diese Verordnung sowohl der Prozentsatz als auch der Höchstbetrag zugunsten
der H. angehoben wurden und der Beklagte die dem Kläger zu gewährende
113
Bürokostenentschädigung aufgrund dieser Verordnung - unter entsprechender
Herabsetzung des entsprechenden Überzahlungsbetrages - auf einen höheren Betrag
festgesetzt hat. Dagegen haben die 7. (GVBl. 2004 S. 273) und die 8.
Änderungsverordnung (GVBl. 2005 S. 650) außer Betracht zu bleiben, da sie keine
Neuregelung treffen, sondern lediglich die für 2001 geltenden Werte wiederholen.
a) Aufgrund des Alimentationsprinzips, eines hergebrachten Grundsatzes des
Berufsbeamtentums i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GG, ist der Dienstherr verpflichtet, für den
amtsangemessenen Unterhalt des Beamten und seiner Familie zu sorgen. Dieser
Verpflichtung kommt der Dienstherr nach, indem er den Gerichtsvollziehern Bezüge
nach der Bundesbesoldungsordnung A, Besoldungsgruppen 8 oder 9 (letztere ggf. mit
Amtszulage) gewährt. H. benötigen aber nicht nur Mittel für ihren und ihrer Familie
Unterhalt, sondern auch für die Einrichtung und Unterhaltung des von ihnen auf eigene
Kosten (§ 46 GVO) zu führenden Büros. Da die ihnen gewährten Bezüge nur zur
Bestreitung ihres Lebensunterhalts gewährt werden, ergibt sich aus dem
Alimentationsprinzip die zusätzliche Verpflichtung des Dienstherrn, ihnen zur
Einrichtung und Unterhaltung eines Büros regelmäßig zusätzliche (zweckgebundene)
Mittel zur Verfügung zu stellen, sodass sie nicht gezwungen sind, diese - nach Maßgabe
der Ausführungen des folgenden Absatzes ermittelten - Kosten aus ihrem Grundgehalt
oder der ihnen zusätzlich gewährten Vollstreckungsvergütung zu tragen. Dagegen
entspricht es nicht Sinn und Zweck des § 49 Abs. 3 BBesG, den Gerichtsvollziehern
eine weitergehende Alimentation (im Sinne zusätzlicher für den allgemeinen
Lebensunterhalt frei verfügbarer Mittel) zu gewähren.
114
Aus dem Wortlaut des § 49 Abs. 3 BBesG („den Gerichtsvollziehern" statt „dem H. „)
folgt, dass Abgeltungsmaßstab nicht die dem einzelnen H. konkret entstehenden Kosten
sind, sondern die sämtlichen Gerichtsvollziehern im Geltungsbereich einer
landesrechtlichen Abgeltungsregelung im Durchschnitt entstehenden Kosten. Damit
sieht § 49 Abs. 3 BBesG eine typisierende und pauschalierende
Aufwandsentschädigung vor. Bei der Bemessung dieser Entschädigung hat der
Verordnungsgeber sich realitätsnah an den tatsächlich entstehenden
(durchschnittlichen) Kosten zu orientieren. Daraus folgt, dass er im Falle großer
regionaler oder sonstiger Unterschiede verpflichtet ist, diese bei der Bemessung der
Entschädigung, z.B. über eine Staffelung, zu berücksichtigen. Andererseits darf er nicht
auf einen für erforderlich gehaltenen Bedarf (= fiktive Kosten) abstellen, da es sich beim
Ersatz eines fiktiven Aufwandes nicht um die Abgeltung tatsächlich entstehender Kosten
handelt. Um zu gewährleisten, dass die Entschädigung diesen Grundsätzen entspricht,
hat der Verordnungsgeber den Sach- und Personalkostenaufwand aktuell und
realitätsnah zu ermitteln.
115
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2004 - 2 C 41.03 -, a.a.O. (juris Rn. 10 ff.);
Sächsisches OVG, Urteil vom 9. Dezember 2005 - 2 D 7/04 -, S. 13/14 des amtlichen
Umdrucks; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 5 KN 95/04 -, S. 10 ff. des
amtlichen Umdrucks.
116
b) Bei Anlegung dieses rechtlichen Maßstabes gelangt der Senat zu der Überzeugung,
dass die den Gerichtsvollziehern auf Grundlage der 4. und 6. Änderungsverordnung
gewährte Bürokostenentschädigung ausreichend bemessen war. Diese Überzeugung
stützt sich auf eine im Jahre 2001 von einer aus Vertretern der Finanz- und
Justizministerien bestehenden Arbeitsgruppe „Bürokostentschädigung der H. „
durchgeführte bundesweite Erhebung (im Folgenden: Erhebung 2001). Für diese
117
Erhebung wurden bundesweit etwa 8 % der H. - die Bundesländer Hamburg und Berlin
haben sich an der Erhebung nicht beteiligt - nach ihren jährlichen Bürokosten befragt.
Aus Nordrhein-Westfalen haben 74 H. (= 7 %) an der Erhebung teilgenommen. Die
Auswertung dieser Erhebung ergibt, dass den nordrhein-westfälischen
Gerichtsvollziehern im Jahre 2000 für die Einrichtung und Unterhaltung ihres Büros
durchschnittliche Kosten i.H.v. 35.208,- DM entstanden sind, davon 15.077,- DM an
Personal- und 20.131,- DM an Sachkosten. Diese Beträge hat der Senat den in der
erwähnten Erhebung dokumentierten Daten entnommen: Zur Ermittlung der
durchschnittlichen Personalkosten wurden die beiden Durchschnittswerte aus der
ersten und der dritten Spalte unter B.1 b) bb) (gezahltes Jahres-Beschäftigungsentgelt)
und der Durchschnittswert unter B.1 b) bc) (Jahresbeitrag
Verwaltungsberufsgenossenschaft) addiert. Die durchschnittlichen Sachkosten beruhen
auf einer Addition der Durchschnittswerte in der jeweils letzten Spalte unter B.2 a) und
B.2 b) (Mietkosten/Mietwert) mit den Durchschnittswerten unter B.2 c)-m) (übrige
Sachkosten). Die Durchschnittswerte unter B.1 b) bd) (soziale Absicherung von
Familienmitgliedern außerhalb der Sozialversicherung) wurden nicht berücksichtigt. Bei
diesen Kosten handelt es sich offensichtlich nicht um Kosten, die durch den Betrieb
eines Gerichtsvollzieherbüros verursacht werden.
Demgegenüber ist der Verordnungsgeber auf Grundlage des von der Arbeitsgruppe für
Besoldungsfragen empfohlenen Jahreskostengrundbetrages für 2001 von jährlichen
durchschnittlichen Bürokosten i.H.v. 47.653,- DM (bei einem Pensum von 100 %)
ausgegangen. Dieser Betrag setzt sich aus einem Sachkostenanteil i.H.v. 14.501,- DM
und einem Personalkostenanteil i.H.v. 33.152,- DM zusammen. Da die jährliche
Pensenbelastung in Nordrhein-Westfalen 2001 146,3 % betrug, wurde der
Personalkostenanteil um 46,3 % auf 48.505,30 DM erhöht. Dementsprechend ist der
Verordnungsgeber beim Erlass der 6. Änderungsverordnung für 2001 von jährlichen
durchschnittlichen Bürokosten i.H.v. 63.006,30 DM ausgegangen. Dieser Betrag reicht
bei weitem aus, um die tatsächlich von den Gerichtsvollziehern durchschnittlich für die
Unterhaltung ihres Büros aufgewendeten Kosten abzudecken.
118
Dahin gestellt bleiben kann, ob die von den Gerichtsvollziehern angegebenen
Sachkosten in vollem Umfang erforderlich und angemessen waren. Die
Bürokostenentschädigung für 2001 ist auch dann ausreichend bemessen, wenn man
dies zu ihren Gunsten unterstellt. Zwar hätte sich dann der Sachkostenanteil, den der
Verordnungsgeber seinen Berechnungen zugrunde gelegt hat, als zu niedrig erwiesen.
Dies ist jedoch unerheblich, da eine ggf. zu geringe Sachkostenabgeltung durch einen
Überschuss bei der Erstattung der Personalkosten kompensiert wäre.
119
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2004 - 2 C 41.03 -, a.a.O. (juris Rn. 18);
Niedersächsisches OVG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 5 KN 95/04 -, S. 13 des amtlichen
Umdrucks; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Dezember 1995 - 4 S 93/93 -,
a.a.O. (juris Rn. 22, 26).
120
Aus der Auswertung der Erhebung 2001 ergibt sich, dass den Gerichtsvollziehern im
Jahre 2001 aus der Erstattung der Personalkosten im Durchschnitt ein Überschuss i.H.v.
mehr als 30.000,- DM verblieben ist. Dies reicht bei weitem aus, um etwaige Defizite bei
der Abgeltung der Sachkosten auszugleichen. Unter den 74 im Rahmen der Erhebung
2001 befragten Gerichtsvollziehern aus Nordrhein-Westfalen erreicht nicht ein einziger
den für Personalkosten zur Verfügung gestellten Betrag i.H.v. 48.505,30 DM auch nur
annähernd. Die höchsten angegebenen Personalkosten belaufen sich auf etwas über
121
31.000,- DM.
c) Die gegen die Erhebung 2001 gerichteten Angriffe halten einer näheren Überprüfung
nicht stand. Dass die erhobenen Daten sich auf das Jahr 2000 beziehen, mindert ihren
Aussagewert nicht. Angesichts der auch 2001 niedrigen Inflationsrate ist weder
nachvollziehbar dargelegt noch sonst ersichtlich, dass sich die Bürokosten von 2000 auf
2001 nennenswert erhöht haben. Schon aus diesem Grunde bestand keine
Notwendigkeit, bezüglich der 2001 entstandenen Kosten eine erneute Erhebung
durchzuführen. Hinzu kommt, dass die in § 49 Abs. 3 BBesG vorgesehene
Pauschalierung der Bürokostenentschädigung in erster Linie der
Verwaltungsvereinfachung dient. Der Dienstherr soll nicht in jedem Einzelfall die
konkret entstandenen Kosten ermitteln und über deren Erforderlichkeit entscheiden
müssen.
122
Vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 9. Dezember 2005 - 2 D 7/04 -, S. 18/19 des
amtlichen Umdrucks.
123
Aus diesem Grunde ist es auch nicht erforderlich, dass der Verordnungsgeber im
Rahmen einer Erhebung alle H. seines Bereichs befragt. Sowohl die jährliche
Durchführung einer Erhebung als auch die Befragung aller H. würden einen
Verwaltungsaufwand erfordern, der sich nicht wesentlich von demjenigen für eine
Einzelabrechnung unterscheiden würde. Ausreichend ist daher, wenn der
Verordnungsgeber seine Erhebungen - abhängig von den Veränderungen, die sich für
die Führung eines Gerichtsvollzieherbüros ergeben - von Zeit zu Zeit überprüft und
diese auf eine ausreichend breite Ermittlungsgrundlage stellt. Letzteres ist bei der
Erhebung 2001 der Fall. Diese Erhebung stützt sich auf die Befragung von 74 zufällig
ausgewählten Gerichtsvollziehern, die zudem aus allen drei nordrhein- westfälischen
OLG-Bezirken stammen. Dies ist eine ausreichend breite Ermittlungsgrundlage, um ein
nicht durch Besonderheiten einzelner Gerichtsvollzieherbüros verfälschtes Ergebnis zu
erhalten.
124
Die Tatsache, dass H. nicht verpflichtet sind, Aufzeichnungen über ihre Bürokosten zu
führen, steht der Verwertbarkeit der Erhebung 2001 ebenfalls nicht entgegen. Schon aus
steuerlichen Gründe dürften die meisten H. entsprechende Belege sammeln. Im Übrigen
haben die befragten H. die ihnen gestellten Fragen tatsächlich beantwortet.
Anhaltspunkte dafür, dass sie bei der Befragung falsche Angaben gemacht haben, sind
nicht nachvollziehbar dargelegt.
125
Da es sich - wie bereits dargelegt - bei der Bürokostenentschädigung um eine
pauschalierte Aufwandsentschädigung handelt, ist nicht darauf abzustellen, ob die
Bürokostenentschädigung im Falle jedes einzelnen Gerichtsvollziehers zur Deckung
seiner Bürokosten ausreicht.
126
Vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 9. Dezember 2005 - 2 D 7/04 -, S. 14 des amtlichen
Umdrucks; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 5 KN 95/04 -, S. 12 des
amtlichen Umdrucks.
127
Vielmehr ist die Bürokostenentschädigung nur dann zu gering bemessen, wenn sie für
eine wesentliche Teilgruppe der nordrhein-westfälischen H. nicht ausreichen würde, um
deren bürobezogenen Aufwand zu decken. Dass dies - bezogen auf das hier
streitgegenständliche Jahr 2001 - der Fall ist, ergibt sich weder aus der Erhebung 2001
128
noch liegen anderweitige Anhaltspunkte dafür vor. Im Gegenteil ergibt sich aus dieser
Erhebung, dass der Überschuss bei der Erstattung der Personalkosten im Jahre 2001
so hoch war, dass dieser Überschuss selbst bei Gerichtsvollziehern mit hohen
Personalkosten ausreichte, um etwaige Defizite bei der Abgeltung der Sachkosten
auszugleichen. Es ergeben sich aus den erhobenen Daten nicht einmal ansatzweise
Anhaltspunkte für regionale (z.B. Stadt-Land) oder strukturelle (z.B. soziale
Problemviertel mit ungünstiger Schuldnerstruktur) Besonderheiten, die derart
ausgeprägt wären, dass die für 2001 gewährte Bürokostenentschädigung für
wesentliche Gruppen von Gerichtsvollziehern nicht ausreichend gewesen wäre.
Vielmehr ergibt sich aus der Erhebung 2001, dass die 2001 gewährte
Bürokostenentschädigung nur bei zwei der 74 an der Erhebung beteiligten nordrhein-
westfälischen H. - deren Angaben zugrunde gelegt - nicht ausreichte, um die
erforderlichen Bürokosten zu decken. Allerdings sind die Angaben dieser beiden H. zu
ihren jährlichen Sachkosten - wie in einigen weiteren Fällen - nicht durchgängig
nachvollziehbar. Dies betrifft vor allem die Angaben zu den abschreibungspflichtigen
Sachkosten. Schreibt man diese Kosten - dies wurde bei den Angaben offensichtlich
nicht beachtet - über mehrere Jahre ab, so bleiben auch die Bürokosten dieser beiden
H. unter dem Betrag (63.006,30 DM), den der Verordnungsgeber für 2001 insoweit
zugrunde gelegt hat. Damit ist der seitens der H. erhobene Einwand, die aus der
Erhebung 2001 abgeleiteten Durchschnittswerte würden durch die H. , die ihr Büro nicht
den dienstlichen Erfordernissen entsprechend führen, zu Ungunsten derjenigen H. mit
realistischen Bürokosten verfälscht, entkräftet.
d) Die Zahlen, die sich aus der Erhebung 2001 ergeben, werden auch nicht durch
andere Gutachten, Studien oder Unterlagen widerlegt.
129
Das Berger-Gutachten von Juli 2001 kommt zu dem Ergebnis, dass „ein modern
ausgestattetes Gerichtsvollzieherbüro mit zwei vollwertigen EDV-Arbeitsplätzen"
jährliche Sachkosten i.H.v. 23.000,- DM verursacht. An Personalkosten seien (bei einem
Pensum von 100 %) 38.200,- DM erforderlich (S. 33, 41/42, 43-50 des Gutachtens). Ob
diese Berechnungen zutreffen, kann dahinstehen. Der Verordnungsgeber hat sich bei
der Bemessung der Bürokostenentschädigung realitätsnah an den tatsächlich
entstehenden (durchschnittlichen) Kosten zu orientieren (s.o. 3. a). Dies schließt es aus,
auf einen - wie auch immer definierten - für erforderlich gehaltenen Bedarf abzustellen.
Das idealtypische, ordentlich organisierte, an den Grundsätzen der Sparsamkeit
ausgerichtete Gerichtsvollzieherbüro ist nicht der Maßstab, an dem die Bemessung der
Bürokostenerstattung auszurichten ist.
130
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2004 - 2 C 41.03 -, a.a.O. (juris Rn. 16).
131
Aus diesem Grund sind die Zahlen des Berger-Gutachtens nicht geeignet, die
Ergebnisse der Erhebung 2001 in Zweifel zu ziehen oder gar zu wiederlegen. Zwar
wurde für das Berger-Gutachten eine namhafte Anzahl von Gerichtsvollziehern (81)
befragt. Im Ergebnis stellt das Gutachten aber nicht darauf ab, welche Kosten den
befragten Gerichtsvollziehern tatsächlich im Durchschnitt entstanden sind. Im Bereich
der Sachkosten trifft das Gutachten eine Aussage über die Kosten, die erforderlich sind,
um ein Gerichtsvollzieherbüro auf einem bestimmten Standard („modern ausgestattetes
Gerichtsvollzieherbüro") zu betreiben. Entsprechendes gilt vom Ansatz her bezüglich
der Personalkosten. Auch hier orientiert sich das Gutachten nicht an den tatsächlich
entstehenden Kosten, sondern an einem festgelegten Bedarf.
132
Im Übrigen liegen das Berger-Gutachten und die Angaben der im Rahmen der
Erhebung 2001 befragten H. bezüglich der Sachkosten nicht weit auseinander.
Bezüglich der Kompensation einer ggf. zu gering bemessenen Sachkostenabgeltung
durch einen Überschuss bei der Erstattung der Personalkosten (s.o. 3. b) wird daher
verwiesen.
133
Die vorstehenden Darlegungen gelten in gleicher Weise für die Ergebnisse des Zweiten
Zwischenberichtes der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Organisation des
Gerichtsvollzieherwesens/Privatisierung". Auch diese Zahlen orientieren sich nicht an
den den Gerichtsvollziehern tatsächlich durchschnittlich entstehenden Aufwendungen.
Diesbezüglich heißt es in diesem Bericht (S. 25):
134
„Das Reformmodell ‚Beleihung' bricht mit dem gegenwärtigen System und schafft neue
Strukturen in der Zwangsvollstreckung. Dies legt nahe, die für die Kostenermittlung
nötigen Grundlagen nicht aus Erhebungen zu entnehmen, die am Ist-Zustand
anknüpfen, sondern an einem gedachten Soll-Zustand zu orientieren. .... Das Vorgehen
bei der Ermittlung der Kosten eines beliehenen Gerichtsvollziehers unterscheidet sich
damit wesentlich von dem bei der Bürokostenentschädigung. .... Im Rahmen der
Beleihungslösung war dagegen zu fragen, welche Umsatzerlöse ein beliehener H.
benötigt, damit er in einer Wettbewerbssituation effizient arbeiten kann und
ausreichende unternehmerische Hand-lungsspielräume hat."
135
Die weitere Vorgehensweise der Arbeitsgruppe bestätigt dies. Zwar knüpft die
Arbeitsgruppe bezüglich einzelner Kosten im Sachkostenbereich an Ergebnisse der
(bundesweiten) Erhebung 2001 an (S. 28), jedoch werden diese Beträge entsprechend
dem (bundesweiten) Durchschnittspensum erhöht (Anlage 4). Mit diesem Schritt löst
sich die Arbeitsgruppe - entsprechend ihrem Ansatz - von einer Orientierung an
tatsächlich entstehenden Kosten, da die wesentlichen Sachkosten (Miete,
Büroreinigung Anschaffung von Büromöbeln, Büromaschinen, Computern und
Fachliteratur) unabhängig von der tatsächlichen Arbeitsbelastung entstehen.
136
Für die im Staatsanzeiger für das Land Hessen vom 17. Dezember 2001 (S. 4527 ff.)
veröffentlichten Personalkostentabellen, aus denen sich die Kosten eines Arbeitsplatzes
der Hessischen Landesverwaltung ergeben, gilt nichts anderes. Diese Kostensätze
geben nicht ansatzweise etwas für die Ermittlung der den Gerichtsvollziehern
tatsächlich entstehenden durchschnittlichen Aufwendungen her.
137
Weitere Gutachten, Studien o.ä., die im vorliegenden Zusammenhang von Relevanz
sein könnten, wurden von den Beteiligten nicht benannt. Auch nach Kenntnis des
Senats ist die Erhebung 2001 die einzige - bezogen auf das hier streitgegenständliche
Jahr 2001 - aktuelle Erhebung über die den nordrhein- westfälischen
Gerichtsvollziehern tatsächlich durch den Betrieb ihres Büros entstehenden Kosten. Die
sog. Schäfter-Studie,
138
vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 9. Dezember 2005 - 2 D 7/04 -, S. 17 des amtlichen
Umdrucks; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 5 KN 95/04 -, S. 13/14 des
amtlichen Umdrucks; die Studie ist im internet unter www.fuesser.de eingestellt,
139
stützt sich zwar ebenfalls auf eine Befragung von Gerichtsvollziehern, jedoch wurden
keine nordrhein-westfälischen H. befragt (S. 3 des Internetausdrucks). Zudem bestätigt
diese Studie im wesentlichen die Ergebnisse der Erhebung 2001: Laut Schäfter-Studie
140
lagen die Kosten, die im Jahre 2001 in den Bundesländern Bayern, Niedersachsen,
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen ohne die Berücksichtigung fiktiver
Personalkosten durchschnittlich für den Betrieb eines Gerichtsvollzieherbüros anfielen,
zwischen 10.757,- und 16.962,- EUR (Tabelle 43). Damit waren die durchschnittlichen
Bürokosten in diesen Bundesländern noch etwas niedriger als in Nordrhein-Westfalen
(35.208,- DM = 18.001,56 EUR) und lagen weit unter dem Betrag (63.006,30 DM =
32.214,61 EUR), den der nordrhein-westfälische Verordnungsgeber für das Jahr 2001
als durchschnittlich erforderlichen Aufwand seinen Berechnungen zugrunde gelegt hat.
Schließlich hängt die Entscheidung der Frage, ob §§ 2 Abs. 1 Satz 2, 3 Abs. 2 Satz 1
GVEntschVO i.d.F. der 4. sowie der 6. Änderungsverordnung gegen das
Alimentationsprinzip verstoßen, nicht davon ab, ob der Verordnungsgeber das der
Festsetzung des Prozentsatzes sowie des Höchstbetrages zugrunde liegende
umfangreiche Zahlenmaterial in jeder Hinsicht zutreffend ausgewertet hat. Maßstab für
die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorstehend zitierten Bestimmungen der
GVEntschVO ist deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Zwar bedarf es zur
Ermittlung der Höhe des Prozentsatzes sowie des Höchstbetrages vielfältiger
Schätzungen und Berechnungen. Die Rechtmäßigkeit einer Bestimmung der
GVEntschVO hängt jedoch nicht davon ab, ob alle diese einzelnen Schritte richtig
vorgenommen wurden. Diesbezüglich ist entscheidend, dass das Ergebnis (hier: die
aufgrund des Prozentsatzes und des Höchstbetrages für 2001 vorgesehene
durchschnittliche Bürokostenentschädigung) im Einklang mit höherrangigem Recht
steht.
141
Jedenfalls dann, wenn - wie hier - das höherrangige Recht (hier: § 49 Abs. 3 BBesG)
dem Verordnungsgeber keine näheren Vorgaben macht, was er bei seiner
Entscheidungsfindung zu berücksichtigen hat, kann der Erlass einer Rechtsverordnung
anders als der Erlass eines Verwaltungsaktes nicht auf „Ermessensfehler" untersucht
werden. Der Erlass einer Rechtsverordnung ist ein Akt der Rechtssetzung. Zwar
unterliegt deren Ergebnis einer verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle.
Dies gilt jedoch nicht für die Betätigung des sog. Normsetzungsermessens, also nicht für
den Vorgang der Entscheidungsfindung einschließlich der subjektiven Vorstellungen
und Motive des Verordnungsgebers.
142
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. April 1988 - 7 B 47.88 -, NVwZ-RR 1988, 41 (juris Rn.
11 f.); Sächsisches OVG, Urteil vom 9. Dezember 2005 - 2 D 7/04 -, S. 15 des amtlichen
Umdrucks; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Dezember 1995 - 4 S 93/93 -,
a.a.O. (juris Rn. 23); OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1992 - 2 A 2024/89 -
NVwZ-RR 1993, 48 (juris Rn. 12 ff).
143
Die Auswertung des umfangreichen Datenmaterials - es mussten die Statistiken aller
nordrhein-westfälischen H. ausgewertet werden - gehört zum Vorgang der
Entscheidungsfindung.
144
Im vorliegenden Fall ist das Ergebnis der Normsetzung in dem Sinne richtig, dass die
den Gerichtsvollziehern für 2001 vom Verordnungsgeber zugestandene
durchschnittliche Bürokostenentschädigung nicht zu niedrig angesetzt wurde (s.o. 3.).
Damit führt der von der Beklagten bestätigte Fehler bei der Auswertung des der
Festsetzung des Prozentsatzes sowie des Höchstbetrages zugrunde liegenden
Zahlenmaterials nicht dazu, dass das Ergebnis der Normsetzung rechtswidrig ist. Dies
hat zur Folge, dass dieser Auswertungsfehler im gegebenen Zusammenhang
145
unbeachtlich ist.
Die Frage, ob der von der Beklagten bestätigte Auswertungsfehler angesichts des
außerordentlichen Umfangs des betroffenen Zahlenmaterials und der relativen
Geringfügigkeit des Fehlers - nach Angaben der Beklagten liegen die Auswirkungen auf
die Höhe des Gebührenanteils unter einem Prozent - schon aus diesen Gründen als
unbeachtlich einzustufen ist, bedarf daher keiner weiteren Behandlung.
146
II. Der auf Aufhebung der Festsetzung des die Bürokostenentschädigung betreffenden
Rückforderungsbetrages gerichtete Anfechtungsantrag (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist
ebenfalls unbegründet. Das Rückforderungsverlangen des Beklagten ist gestützt auf §§
97, 98 LBG NRW i.V.m. § 12 Abs. 2 BBesG rechtmäßig. Der Beklagte hat die dem
Kläger zustehende Bürokostenentschädigung der Höhe nach zutreffend festgesetzt (s.o.
I.). Damit hat der Kläger die über die festgesetzten Beträge hinaus vorläufig
einbehaltenen Gebührenanteile i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG zuviel, nämlich ohne
rechtlichen Grund, erhalten. Auf den Wegfall der Bereicherung [§ 12 Abs. 2 Satz 2
BBesG i.V.m. § 818 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)] kann er sich nicht berufen:
Aufgrund der seit Jahrzehnten, nämlich zumindest seit 1976 gehandhabten
Verfahrensweise war ihm bekannt, dass die Bürokostenentschädigung erst nachträglich
endgültig abgerechnet wird. Somit wusste er auch bzw. hätte er wissen müssen (§ 12
Abs. 2 Satz 2 BBesG), dass sich aufgrund der für jedes Geschäftsjahr durchgeführten
endgültigen Abrechnung (Jahresnachweisung) Rückforderungsbeträge ergeben
können. Hinzu kommt, dass die H. mit Erlass vom 8. Oktober 2001 ausdrücklich auf
Rückforderungen in nicht unerheblichem Umfang hingewiesen wurden. Damit war der
Kläger i.S.d. §§ 819 Abs. 1 BGB, 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG bösgläubig. Umstände die
eine Billigkeitsentscheidung des Beklagten (§ 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG) erforderlich
gemacht hätten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, sodass - ausgehend
vom Erkenntnisstand des Beklagten im Zeitpunkt des Erlass des
Widerspruchsbescheides,
147
vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1998 - 2 C 21.97 -, ZBR 1999, 173 (juris Rn. 22) -
148
von einer solchen abgesehen werden konnte.
149
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
150
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach §§ 132 Abs. 2 VwGO,
127 BRRG nicht gegeben sind. Insbesondere weicht die vorliegende Entscheidung
nicht von der Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9.
Dezember 2005 (2 D 7/04) ab. Die sächsischen Vorschriften, die Gegenstand letzterer
Entscheidung sind, stimmen nicht mit den einschlägigen nordrhein- westfälischen
Vorschriften überein.
151