Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.02.2006

OVG NRW: anspruch auf rechtliches gehör, verschlechterung des gesundheitszustandes, abschiebung, ausreise, beweisantrag, sachverständiger, facharzt, erfahrung, ermessensausübung, ausländer

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 A 916/05
Datum:
24.02.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 A 916/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 8 K 1828/03
Schlagworte:
Reisefähigkeit Reiseunfähigkeit besondere rechtliche oder tatsächliche
Schwierigkeiten Sachverständigengutachten Aufklärungsmangel
Beweisantrag Darlegung
Normen:
VwGO § 124 Abs 2; VwGO § 124 Abs 2 Nr 2; AufenthG § 60 Abs 7; ZPO
§ 412
Leitsätze:
1. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache
i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor, wenn im Hinblick auf die
insoweit vorgetragenen Gründe bereits ernstliche Zweifel an der
Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung verneint worden sind.
2. Die Darlegung des Vorliegens des Zulassungsgrundes der
besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten erfordert
prinzipiell, dass zwischen den beiden Alternativen der Norm
unterschieden wird.
3. Über die beantragte Einholung zusätzlicher sachverständiger
Auskunft entscheidet das Verwaltungsgericht nach seinem
tatrichterlichen Ermessen.
4. Eine durch die Ausreise eintretende Gesundheitsverschlechterung ist
jedenfalls dann nicht mehr zumutbar, wenn dadurch konkrete erhebliche
Gefahren für die Gesundheit des Betreffenden einzutreten drohen, die
gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG einer Abschiebung
entgegenstünden.
5. Die Herstellung von Reisefähigkeit unter Inanspruchnahme
medizinischer Unterstützung ist rechtlich unbedenklich, solange dies
zumutbar ist (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 3. März 2005 - 18
B 339/05 - und vom 24. März 2005 - 18 B 1660/04 -).
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 25.000,-- EUR
festgesetzt.
Gründe:
1
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug ist
abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehend dargelegten
Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg; Zulassungsgründe im Sinne
des § 124 Abs. 2 VwGO sind nicht dargelegt oder nicht gegeben.
3
Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO sind in dem Antrag auf
Zulassung der Berufung innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO die Gründe
darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. "Dargelegt" im Sinne dieser
Vorschrift ist ein Zulassungsgrund nur, wenn er zweifelsfrei vom Kläger benannt und
konkret in Auseinandersetzung mit den entsprechenden Feststellungen des
Verwaltungsgerichts ausgeführt wird, warum dieser Zulassungsgrund vorliegen soll.
4
Vgl. Senatsbeschluss vom 2. Juni 1997 18 B 576/97 , NVwZ 1998, 415.
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Hinsichtlich des ersten Teils des Zulassungsantrags (Seiten 1 bis 7 der
Begründungsschrift vom 18. April 2005) sind diese Anforderungen an die Darlegung
nicht erfüllt, weil die Ausführungen nicht eindeutig einem der gesetzlichen
Zulassungsgründe zugeordnet sind, die in dem Schriftsatz vom 3. März 2005, mit dem
der Zulassungsantrag gestellt worden ist, genannt sind. Es ist nicht Aufgabe des
Zulassungsgerichts, umfängliche Ausführungen in der Begründung des
Zulassungsantrags, die überdies ganz überwiegend auch nicht auf Feststellungen der
angegriffenen Entscheidung bezogen sind, einem der gesetzlichen Zulassungsgründe
zuzuordnen.
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Vgl. nur Senatsbeschluss vom 27. November 2002 18 A 4142/02 -.
7
Zwar mag ein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt sein, wenn sich die
Antragsbegründung eindeutig einem der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO
zuordnen lässt und sie hinreichend konkrete Ausführungen zu den aufgeworfenen
Rechtsfragen enthält. Eine derartige Zuordnung scheidet jedoch schon infolge der sich
teilweise überschneidenden Regelungsbereiche der Zulassungsgründe aus, wenn die
Begründung des Zulassungsantrags - wie hier - geeignet ist, sich auf mehrere
Zulassungsgründe zu erstrecken.
8
Vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 2. Juni 1997 a.a.O. und zuletzt vom 22.
9
Februar 2005 - 18 A 5185/04 -; ferner auch BVerfG, Kammerbeschluss vom
30. Juni 2005 - 1 BvR 2615/04 -, NVwZ 2005, 1176.
Ergänzend sei angemerkt, dass - was wohl vornehmlich in Betracht käme - ernstliche
Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) durch die genannten Ausführungen nicht begründet werden. Die Bewertung der
- im Zulassungsantrag inmitten gestellten - Frage der Reisefähigkeit der Klägerin zu 2.
durch das Verwaltungsgericht, von deren Gesundheitszustand die Kläger ihren
Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 4 bzw. 5 AufenthG
ableiten, erscheint ohne Weiteres nachvollziehbar. Der Zulassungsantrag lässt nicht
erkennen, dass der Klägerin zu 2. die Ausreise tatsächlich nicht möglich ist oder es ihr
wegen ihres Gesundheitszustands aus Rechtsgründen nicht zuzumuten ist,
Deutschland zu verlassen.
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Vgl. zu diesen Erfordernissen Senatsbeschluss vom 7. Februar 2006 - 18 E
1534/05 -.
11
Keinen Bedenken unterliegt es - entgegen der Auffassung der Kläger - dabei, zur Frage
der Reisefähigkeit bei Vorliegen psychischer Erkrankungen einen Arzt mit Notfall-
Zusatzausbildung, der über mehrjährige Erfahrung mit der Durchführung von
Abschiebungen und ärztlicher Reisebegleitung im Übrigen verfügt, als
Sachverständigen heranzuziehen. Soweit die Kläger gleichwohl die Kompetenz des
Herrn L. , der in dieser Weise qualifiziert ist, mit der Begründung in Frage stellen, es
gebe keinen Facharzt für die Beurteilung von Flugreisefähigkeit, bzw., Herr L. sei
insoweit kein Facharzt, ist ihnen entgegenzuhalten, dass dann, wenn es keine
Facharztqualifikation für die Frage der Reisefähigkeit gibt, die Kompetenz eines Arztes
mit einschlägiger Zusatzausbildung und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet um so
weniger in Zweifel steht. Auch die mit der Zulassungsbegründung geäußerte Kritik, Herr
L. belasse es bei "blanken Behauptungen", ist nicht berechtigt. Der Sachverständige
hat in seinen nachvollziehbaren Stellungnahmen für seine Feststellungen unter
anderem auf seine Erfahrungen auf dem Gebiet der Reisebegleitung verwiesen, die von
Dr. E. genannten Risiken zum Teil für bestimmte Gruppen von Erkrankten (hier kardial
Vorgeschädigten), zu denen die Klägerin zu 2. aber nicht gehört, als gegeben
bezeichnet und die anzubietende medizinische Unterstützung bei einer Abschiebung
der Klägerin zu 2. konkret beschrieben.
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Soweit die Kläger im Weiteren - offenbar - sinngemäß geltend machen wollen, die
Rechtsprechung des Senats zum Begriff der Reisefähigkeit sei bedenklich; es sei ein
"unerträgliches Ergebnis", wenn darauf abgestellt würde, ob es möglich ist, schwere
Folgen für die Gesundheit des Betreffenden durch medizinische Maßnahmen in jedem
Fall zu vermeiden, so dass letztlich "-jede- Abschiebung möglich" wäre, gibt das
ungeachtet der mangelnden Darlegung Anlass zu folgender Klarstellung: Den
Ausführungen ist nicht zu folgen. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein
inlandsbezogenes Ausreisehindernis in Form der Reiseunfähigkeit anzunehmen sein,
wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Ausreise bzw.
Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich
verschlechtern wird.
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Vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 3. März 2005 - 18 B 339/05 -, vom 24. März
2005 - 18 B 1660/04 - und vom 11. Oktober 2005 - 18 A 3204/05 -, jeweils
mit weiteren Nachweisen.
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Als Maßstab kann insoweit - womit auch Wertungswidersprüche vermieden werden - auf
§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zurückgegriffen werden: Eine durch die Ausreise
eintretende Gesundheitsverschlechterung ist jedenfalls dann nicht mehr zumutbar, wenn
dadurch konkrete erhebliche Gefahren für die Gesundheit des Betreffenden von einem
Gewicht einzutreten drohen, dass sie gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG einer
Abschiebung entgegenstünden. Soweit sich unterhalb dieser Schwelle durch die
Ausreise bzw. Abschiebung eine Gesundheitsverschlechterung einstellen sollte, hat sie
der Ausländer grundsätzlich hinzunehmen. Denn nicht jede mit der Erkenntnis der
Aussichtslosigkeit eines Bleiberechts für Deutschland und einer bevorstehenden
Rückkehr in das Heimatland einhergehende Gefährdung bzw. Verschlechterung des
Gesundheitszustandes führt auf eine Reiseunfähigkeit. Indem das Aufenthaltsgesetz
ebenso wie zuvor das Ausländergesetz die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger
Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht (vgl. § 58 AufenthG), nimmt es in
diesem Zusammenhang vielfach zu erwartende Auswirkungen auf den
gesundheitlichen, insbesondere psychischen Zustand der Betroffenen in Kauf und lässt
diese nur beim Vorliegen besonderer Umstände als Duldungsgründe gelten.
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Vgl. die Senatsbeschlüsse vom 15. September 2004 - 18 B 2014/04 -, vom
21. Januar 2005 - 18 B 187/05, vom 17. August 2005 - 18 B 1223/05 -, vom
4. November 2005 -18 B 94/05 - und vom 13. Januar 2006 - 18 B 1023/05 -.
16
Von einer Reiseunfähigkeit im genannten Sinn kann bei psychischen Erkrankungen
nach der vorzitierten Senatsrechtsprechung im Wesentlichen dann ausgegangen
werden, wenn im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung
droht, der darüber hinaus auch nicht durch ärztliche Hilfen begegnet werden kann.
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Vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 11. Oktober 2005 18 A 3204/05 -, vom 30.
Dezember 2004 - 18 B 2690/04 - und vom 13. Januar 2006 - 18 B 1023/05 -,
jeweils mit weiteren Nachweisen.
18
Es ist nicht erkennbar, inwieweit es - auch verfassungsrechtlich - bedenklich sein soll,
wenn - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Übrigen - eine Abschiebung
durchgeführt wird, bei der eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands
des Betreffenden im genannten Sinne nicht droht, selbst wenn hierfür ärztliche
Unterstützung notwendig ist. Dass bei kranken Menschen mit medizinischer
Unterstützung Reisefähigkeit hergestellt wird, ist nichts Ungewöhnliches und unter
rechtlichen Gesichtspunkten unbedenklich, solange ein solches Vorgehen nicht
seinerseits zu schweren gesundheitlichen Folgen führt oder sonst unzumutbar ist. Dabei
ist weiter zu beachten, dass im Rahmen eines Anspruchs gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG
zunächst auf die (Un-)Möglichkeit der freiwilligen Ausreise abzustellen ist, so dass zu
fragen ist, inwieweit es dem Betreffenden zugemutet werden kann, Reisefähigkeit selbst
- und sei es unter Inanspruchnahme medizinischer Hilfe - herzustellen. Sofern
entsprechend der Fortschritte im Bereich der Medizin Fälle der Reiseunfähigkeit danach
zunehmend selten anzunehmen sind, ist das eine Frage der Gegebenheiten im
Tatsächlichen und begründet nicht für sich genommen (verfassungs-)rechtliche
Bedenken.
19
Soweit - worauf die Formulierung auf Seite 7 der Begründungsschrift ("demzufolge weist
der Sachverhalt rechtliche/tatsächliche Schwierigkeiten auf") hindeutet - mit den
Ausführungen auf Seiten 1 bis 7 der Begründungsschrift das Vorliegen besonderer
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rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Sache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO
geltend gemacht werden soll, wird dem Darlegungserfordernis ebenfalls nicht
entsprochen. Dies folgt bereits daraus, dass nicht - wie es nach der Rechtsprechung des
Senats erforderlich ist - zwischen den beiden Alternativen der Norm unterschieden wird.
Vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 2. Dezember 2003 - 18 A 3688/03 - und
vom 17. September 2004 - 18 A 2673/03 -.
21
Im Übrigen ergibt sich nach der Rechtsprechung des Senats schon aus dem Umstand,
dass die Kläger - wie oben dargelegt - mit ihren Ausführungen keine ernstlichen Zweifel
an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu begründen vermocht haben,
zugleich, dass die Rechtssache aus den insoweit vorgetragenen Gründen nicht die
behaupteten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten aufweist.
22
Vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2001 - 18 A 2398/99 - und vom 14.
Oktober 2005 - 18 A 3487/04 - .
23
Abgesehen davon ist der Verweis darauf unerheblich, dass - wie die Kläger in der
Antragsbegründung weiter ausführen - "das erkennende Gericht die Voraussetzungen
des § 25 Abs. 4 und 5 AufenthG '
Ermessen'
Begründungsschrift). Damit soll - vermutlich - gerügt werden, dass hinsichtlich eines
Anspruchs der Kläger auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 25 Abs. 4 und
5 AufenthG die Ermessensausübung nicht überprüft worden sei. Dabei verkennen die
Kläger, dass das Verwaltungsgericht nach eingehender Prüfung bereits das Vorliegen
der Tatbestandsvoraussetzungen der Normen verneint hat, so dass kein Anlass
bestand, die Ermessensausübung zu überprüfen oder hierfür Vorgaben zu machen.
24
Es ist ferner nicht dargetan, dass der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gegeben ist.
Grundsätzliche Bedeutung im vorstehenden Sinne hat eine Rechtssache dann, wenn
sie eine bisher höchstrichterlich (oder obergerichtlich) nicht beantwortete Frage aufwirft,
die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer bedeutsamen
Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf und die für die Entscheidung erheblich
sein wird, oder wenn die in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung von
Tatsachenfragen verallgemeinerungsfähige, d.h. einer unbestimmten Vielzahl von
Fällen dienende Auswirkung entfaltet.
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Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1984 1 B 114.84 -, InfAuslR
1985, 130 f. (zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); Senatsbeschluss vom 14.
Oktober 2005 - 18 A 3487/04 - mit weiteren Nachweisen.
26
Diese Voraussetzungen sind zunächst hinsichtlich der Frage,
27
"ob ein Notarzt als Sachverständiger zuzulassen ist bei einschlägigen
Facharztfragen
den Kompetenzbereich von Fachärzten fallen" (Hervorhebung in der
Begründungsschrift),
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nicht erfüllt. Die Frage, ob bzw. in welchen Fällen ein Notarzt als Sachverständiger
herangezogen werden kann, ist abhängig von den Umständen des konkreten Falles und
einer Klärung mit über den Einzelfall hinausgreifender Bedeutung nicht zugänglich. Im
29
Übrigen dürften so gut wie alle Krankheiten in den Kompetenzbereich - auch - eines
Facharztes fallen; daraus allein folgt nicht, dass zu allen mit dem Vorliegen einer
Erkrankung im Zusammenhang stehenden Fragen stets nur ein Facharzt als
Sachverständiger zu hören sein kann. Oben ist zudem bereits ausgeführt worden, dass
es dem Senat gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in dem es weniger um die - hier
nicht angezweifelte - Frage des Vorliegens einer psychischen Erkrankung, sondern um
die der Reisefähigkeit geht, unbedenklich erscheint, einen Arzt mit der
Zusatzausbildung und Erfahrung des Herrn L. als Sachverständigen zu hören.
Dass grundsätzlicher Klärungsbedarf bestünde, ist auch hinsichtlich der mit dem
Zulassungsantrag weiter aufgeworfenen Frage,
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"ob/wann eine Reiseunfähigkeit angenommen werden kann",
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nicht dargetan. In der Rechtsprechung des Senats ist - wie oben dargestellt - geklärt,
unter welchen Voraussetzungen Reiseunfähigkeit anzunehmen sein kann. Diese
Rechtsprechung ist im Übrigen offensichtlich den Prozessbevollmächtigten der Kläger,
die sie selbst zuvor in der Begründungsschrift (Seite 3) in Bezug nehmen und teils im
Wortlaut wiedergeben, bekannt. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Frage
der Umstände des Einzelfalls.
32
Schließlich ist auch nicht dargelegt, dass der Berufungszulassungsgrund des § 124
Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen Versagung rechtlichen Gehörs vorläge.
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Insoweit verweisen die Kläger zunächst auf die Ablehnung des in der mündlichen
Verhandlung vom 1. Februar 2005 gestellten Beweisantrags. Der Anspruch auf
rechtliches Gehör kann durch die Ablehnung eines Beweisantrages dann verletzt sein,
wenn die Ablehnung im Prozessrecht objektiv keine Stütze findet.
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Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. November 1978 1 BvR 158/78 -, BVerfGE
50, 32 (35 f.), vom 29. November 1983 - 1 BvR 1313/82 -, BVerfGE 65, 305
(307) und vom 8. April 2004 - 2 BvR 743/03 -, NJW-RR 2004, 1150 mit
weiteren Nachweisen.
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Dass dies der Fall wäre, legt der Zulassungsantrag indessen nicht dar. Das
Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag, soweit er auf die Vernehmung des Dr. E.
als Zeugen gerichtet gewesen sein sollte, abgelehnt, weil ein Zeuge lediglich die
Wahrnehmung von Tatsachen bekunden könne. Soweit der Antrag auf die Vernehmung
des Dr. E. als Sachverständigen gerichtet gewesen sein sollte (was gemeint gewesen
sein dürfte), hat das Verwaltungsgericht den Antrag gestützt auf § 98 VwGO i.V.m. § 412
ZPO abgelehnt. Darin liegt ein anerkannter Beweisantragsablehnungsgrund: Einem auf
Einholung einer sachverständigen Auskunft gerichteten Beweisantrag braucht das
Verwaltungsgericht nach seiner tatrichterlichen Beurteilung in entsprechender
Anwendung der §§ 404, 412 ZPO nicht nachzugehen, wenn ihm zu dem Beweisthema
bereits andere amtliche Auskünfte oder Sachverständigengutachten vorliegen, die in
das Verfahren eingeführt worden sind und verwertet werden und eine hinreichend
sichere Beurteilung der aufgeworfenen Frage erlauben, so dass sich die Einholung
einer weiteren Sachverständigenauskunft nicht aufdrängt.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 1990 9 C 91.89 -, BVerwGE 85, 92 (94 f.)
= InfAuslR 1990, 243 (244 f.) = NVwZ 1990, 878 (879) mit weiteren
37
Nachweisen und Beschluss vom 24. März 2000 - 9 B 530.99 -, Buchholz
310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308.
So liegt es hier. Dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen wären, zeigt der
Zulassungsantrag nicht auf. Im Übrigen begegnet die Einschätzung, dass aufgrund der
vorgelegten Stellungnahmen des Dr. E. - allein im gerichtlichen Verfahren vor der
Entscheidung des Verwaltungsgerichts sind fünf von diesem verfasste Stellungnahmen
eingereicht worden - und insbesondere der nachvollziehbaren Stellungnahmen des
Sachverständigen L. eine hinreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage der
Reisefähigkeit der Klägerin zu 2. gegeben war, nach dem oben Ausgeführten auch
keinen Bedenken.
38
Auch mit den Ausführungen in dem weiteren Schriftsatz vom 4. August 2005 ist nicht
dargetan, dass wegen der Beweisantragsablehnung der Anspruch des Klägers auf
Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt wäre. In diesem Schriftsatz - der zudem
außerhalb der Begründungsfrist für den Zulassungsantrag eingegangen ist, so dass
fraglich ist, inwieweit er berücksichtigt werden kann - fehlt ebenfalls jede Darlegung
dazu, dass die Beweisantragsablehnung keine Stütze im Gesetz fände. Im Kern wird
damit unter Bezug auf die erst nachträglich verfasste Stellungnahme des Dr. E. vom
11. Juli 2005, die dem Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss naturgemäß nicht
bekannt sein konnte, geltend gemacht, dass die Bewertung des Verwaltungsgerichts
inhaltlich falsch sei; das genügt den hier zu stellenden Anforderungen nicht.
39
Auch der geltend gemachte Aufklärungsmangel, den die Kläger gleichfalls damit
begründen, dass das Verwaltungsgericht - nach ihrer Ansicht zu Unrecht - den
Beweisantrag abgelehnt hat, ist nicht gegeben. Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind die
Tatsachengerichte verpflichtet, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen
Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern das für die
Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist. Das dem Gericht dabei hinsichtlich der
Bestimmung von Art und Anzahl einzuholender Sachverständigengutachten zustehende
Ermessen wird aber nur dann verfahrensfehIerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der
Einholung weiterer Gutachten oder Stellungnahmen absieht, obwohl die Notwendigkeit
dieser weiteren Beweiserhebung sich hätte aufdrängen müssen. Dies ist der Fall, wenn
das Gericht zu der Überzeugung gelangen musste, dass die Grundvoraussetzungen für
die Verwertbarkeit von Gutachten nicht gegeben sind, weil das bzw. die Gutachten offen
erkennbare Mängel enthalten, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen
ausgehen oder unlösbare Widersprüche aufweisen, oder wenn sich aus ihnen Zweifel
an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit der Gutachter ergeben. In der Ablehnung
des Antrags, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, liegt jedoch nicht
schon deshalb ein Verfahrensmangel, weil ein Beteiligter - wie es hier die Kläger
geltend machen - die bisher vorliegenden Erkenntnisquellen für unzutreffend hält.
40
Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1987 - 9 C 12.87 -, Buchholz 310 § 98
VwGO Nr. 31; Seibert, a.a.O., § 124 Rn. 236 mit weiteren Nachweisen.
41
Entsprechend den oben getroffenen Feststellungen zur Sachkunde und zur
Nachvollziehbarkeit der Stellungnahmen des Sachverständigen L. liegt demnach hier
kein Aufklärungsmangel vor.
42
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
43
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig.
44