Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.02.2001

OVG NRW: ausweisung, aufenthaltserlaubnis, herbst, entziehen, bestätigung, wiedereinreise, erwerbstätigkeit, bestrafung, verfügung, ausländerrecht

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 1777/99
Datum:
28.02.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 1777/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 7 L 914/99
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Antragsverfahren auf 4.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag des Antragstellers auf Zulassung der Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)
und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 146 Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2
Nr. 3 VwGO) sind nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO
entsprechend dargelegt bzw. werden durch das Antragsvorbringen nicht begründet.
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Mit Blick auf die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 146
Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) genügt das Antragsvorbringen nicht den
Anforderungen, die § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO an die Darlegung dieses
Zulassungsgrundes stellt. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen
Bedeutung ist eine Rechts- oder Tatsachenfrage aufzuwerfen und substantiiert
darzulegen, warum sie klärungsbedürftig und entscheidungserheblich ist und warum der
Antragsteller sie für grundsätzlich hält. Das Antragsvorbringen enthält hier nicht einmal
hinreichend präzisierte Rechts- oder Tatsachenfragen.
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Soweit der Antragsteller ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltend macht (§ 146 Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO), werden diese durch das Antragsvorbringen jedenfalls nicht begründet.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller mit
der Verurteilung durch das Amtsgericht W. vom 26. März 1998 - - zu einer (Einheits-
)Jugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten den Regelausweisungstatbestand des § 47
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Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 AuslG verwirklicht hat. Es entspricht der ganz überwiegend
vertretenen, vom Senat geteilten und vor allem auf den Wortlaut der Norm - wegen
mehrerer vorsätzlicher Straftaten - gestützten Auffassung, die in § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1
AuslG für Erwachsene geforderte Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren auch bei
der Verurteilung zu einer entsprechenden Gesamtfreiheitsstrafe als gegeben
anzusehen.
Vgl. hierzu Gemeinschaftskommentar zum AuslR, Stand: Dezember 2000, II-§ 47, Rdnr.
15; Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts, Stand: April 2000, Band 2, § 47
AuslG, Rdnr. 8; Kloesel/Christ/Häußer, AuslR, Stand: Juli 1999, § 47 AuslG, Rdnr. 11;
Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 47 AuslG, Rdnr. 6; BGH, Beschluss vom 23. März
1999 - 1 StR 19/99 -, NStZ-RR 2000, 79.
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Daran anknüpfend haben der erkennende sowie der 17. Senat des OVG NRW weiter
entschieden, dass der Ist- Ausweisungstatbestand nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 AuslG
auch verwirklicht ist, wenn die geforderte Strafhöhe im Wege der Verhängung einer
Einheitsjugendstrafe (vgl. § 31 Abs. 2 JGG) erreicht wird.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Januar 1998 - 18 B 450/96 -, NVwZ- Beilage 1998,
92 und vom 15. September 1999 - 17 B 2000/98 -; ebenso wohl auch
Kloesel/Christ/Häußer, a.a.O., und Renner, a.a.O.
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Dies rechtfertigte sich unter anderem wegen der mit der Aufnahme der Jugendstrafe in
den Ausweisungstatbestand nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 AuslG vom Gesetzgeber
verfolgten Absicht der Gleichstellung - lediglich abgeschwächt durch § 47 Abs. 3 Satz 3
AuslG - der jugendlichen mit den erwachsenen Straftätern.
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Vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 30.
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Für den hier in Rede stehenden Regel-Ausweisungstatbestand des § 47 Abs. 2 Nr. 1
Alt. 1 AuslG kann die Beurteilung der Eignung der Einheitsjugendstrafe zur
Tatbestandsverwirklichung nicht anderes als im Rahmen des § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1
AuslG ausfallen. Dies folgt ganz eindeutig schon aus der im hier maßgeblichen Teil -
"wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe"
- gegebenen Wortidentität der Regelungen des § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 und Abs. 2 Nr. 1
Alt. 1 AuslG. Soweit der Antragsteller dagegen sinngemäß anführt, in § 47 Abs. 1 Nr. 1
AuslG erfasse nur die 2. Alternative die Einheitsjugendstrafe, und weil sich eine dieser
Alternative entsprechende Bestimmung in § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG nicht finde, könne
nicht davon ausgegangen werden, dass der Tatbestand des § 47 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1
AuslG auch im Wege der Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe verwirklicht werden
kann, ist ihm entgegenzuhalten, dass schon der rechtliche Ansatz dieser Überlegung
fehl geht, denn Gesamtfreiheits- wie Einheitsjugendstrafe sind nach obigen
Ausführungen eindeutig bereits von der mit § 47 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 AuslG nahezu
wortidentischen Regelung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 AuslG erfasst. Dies ergibt sich im
Übrigen auch daraus, dass die Zusammenfassung mehrerer Straftaten anders als im
Wege der Bildung einer Gesamt- bzw. Einheitsjugendstrafe nicht denkbar ist.
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Auch mit dem Antragsvorbringen zu Art. 3 Abs. 3 des Europäischen
Niederlassungsabkommens - ENA - werden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit
des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses begründet. Der vom Antragsteller begehrte
Schutz nach dem ENA scheitert bereits daran, dass der Aufenthalt des Antragstellers im
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Bundesgebiet zu dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Ausweisung (Verfügung
vom 18. Februar 1999)
vgl. Senatsbeschluss vom 27. September 1996 - 18 B 3271/95 -, m.w.N.; BVerwG, Urteil
vom 17. Juni 1998 - 1 C 27/96 -, BVerwGE 107, 58 = NVwZ 1999, 775 = DVBl. 1998,
1028 = InfAuslR 1998, 424; VGH Baden-Württ., Urteil vom 17. August 2000 - 13 S
950/00 -, InfAuslR 2000, 476,
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nicht - wie erforderlich - ordnungsgemäß im Sinne des Art. 3 Abs. 3 ENA war. Ein
Aufenthalt gilt als ordnungsgemäß im Sinne von Art. 3 Abs. 3 ENA, wenn er den
Vorschriften über die Einreise, den Aufenthalt, die Freizügigkeit sowie die Ausübung
einer Erwerbstätigkeit entspricht (vgl. Abschnitt II des Protokolls zum ENA). Zum
Zeitpunkt der Ausweisung hielt sich der Antragsteller aber ohne die für seinen
Aufenthalt erforderliche Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet auf. Sein Aufenthalt
galt auch nicht im Wege des § 69 Abs. 3 AuslG als erlaubt. Die dem Antragsteller zuletzt
erteilte befristete Aufenthaltserlaubnis war zu diesem Zeitpunkt wie die etwaige, durch
einen rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrag ausgelöste Fiktionswirkung nach § 69
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG jedenfalls gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erloschen. Gemäß
§ 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erlischt die Aufenthaltsgenehmigung - und damit erst recht die
Fiktionswirkung nach § 69 Abs. 3 AuslG - ,
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vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 28. Juni 1995 - 18 B 897/94 - und -urteil vom 17. März
1998 - 18 A 3250/94 -,
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wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde
ausreist. So lag es hier, denn der Antragsteller hat sich nach den unwidersprochenen
Feststellungen des Amtsgerichts W. in seinem Urteil vom 26. März 1998 (vgl. Seiten 5
und 9 des amtlichen Urteilsabdrucks) im Herbst 1997 in die Türkei abgesetzt, um sich
der Bestrafung zu entziehen, und er ist nur deshalb zurückgekehrt, weil es ihm dort nicht
gefallen hat. Dass dem Antragsteller nach seiner Wiedereinreise im Dezember
1997/Januar 1998 eine neue Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden ist, ist weder
vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.
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Soweit der Antragsteller schließlich noch geltend macht, es bestünden Zweifel an der
Richtigkeit der Entscheidung, weil er sich tatsächlich gefangen habe, ist lediglich
anzumerken, dass sich dies aus den vorliegenden Unterlagen bezogen auf den für den
Senat zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs
der Darlegungsfrist gemäß § 146 Abs. 5 Satz 1 VwGO gerade nicht ergibt. Im Übrigen
hat die negative Sozialprognose des Verwaltungsgerichts mit der Stellungnahme des
Bewährungshelfers des Antragstellers vom 3. März 2000 eine nachträgliche Bestätigung
erfahren.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
ergeht gemäß den §§ 14 Abs. 1 und 3, 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes
- GKG -.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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