Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 16.02.2010

OVG NRW (wirtschaftliche einheit, einheit, bildung, verwaltungsgericht, beitragspflicht, fläche, entstehung, teilung, land, nummer)

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 2613/09
Datum:
16.02.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 A 2613/09
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Antragsverfahrens trägt der Beklagte.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf
7.290,56 Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
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Der Antrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht
vorliegen.
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Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1
der Verwaltungsgerichtsordnung VwGO ). Der Beklagte hat keinen tragenden
Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils mit
schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Die gegen die vom Verwaltungsgericht
aus dem Flurstück 279 und Teilen des Flurstücks 280 gebildete wirtschaftliche Einheit
gerichteten Angriffe des Beklagten greifen nicht durch.
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Ein der Anschlussbeitragspflicht unterliegendes Grundstück im Sinne des § 8 Abs. 2
Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW)
ist die wirtschaftliche Einheit, also jeder demselben Eigentümer gehörende Teil der
Grundfläche, der selbständig baulich oder gewerblich genutzt werden darf und
selbständig an die Anlage angeschlossen werden kann. Ausgangspunkt ist aber das
Buchgrundstück, denn in der Mehrzahl der Fälle sind Grundstücke im Sinne des
bürgerlichen Rechts zugleich auch wirtschaftliche Einheiten. Davon ausgehend ist
festzustellen, ob das Buchgrundstück zur Bildung einer wirtschaftlichen Einheit um
Flächen vergrößert oder verkleinert werden muss. Die Beantwortung der Frage, ob es
sich bei einem Flurstück um eine wirtschaftliche Einheit handelt oder daraus eine
kleinere wirtschaftliche Einheit zu bilden ist, beurteilt sich nicht nach der tatsächlichen,
sondern der zulässigen Nutzung des Grundstücks.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. März 2008 15 A 2590/07 und 15 A
2588/07 -.
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Daran anknüpfend hat das Verwaltungsgericht zunächst richtig dargelegt, dass die aus
der Teilung des Flurstücks 2 hervorgegangenen vorgenannten beiden Flurstücke im
Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht durch den Anschluss an den
Schmutzwasserkanal am 8. August 2008 das grundbuchrechtlich in diesem Zeitpunkt
maßgebliche Buchgrundstück darstellten, da sie seinerzeit noch unter einer
gemeinsamen Nummer im Grundbuch eingetragen waren und die Zuteilung einer
jeweils eigenen Nummer erst am 5. Februar 2009 und damit nach Entstehung der
Beitragspflicht erfolgte.
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Die Größe dieses Buchgrundstücks von insgesamt 9.810 qm legte die Bildung einer
kleineren wirtschaftlichen Einheit nahe. Das hat auch der Beklagte so gesehen und ist
unter Anwendung der satzungsmäßigen Tiefenbegrenzung von 30 Metern zur Bildung
einer kleineren wirtschaftlichen Einheit von insgesamt 1.875 qm gelangt. Dem
Beklagten ist zuzugeben, dass diese Größe für sich genommen noch nicht zur Bildung
einer (weiteren) kleineren wirtschaftlichen Einheit zwingt.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. März 2008 15 A 2588/07 -.
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Allerdings ist je nach Lage des Einzelfalles die Bildung einer kleineren wirtschaftlichen
Einheit zu prüfen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. März 2008 15 A 2588/07 -.
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Hier hat das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des
Einzelfalles (Größe, Breite, Außenbereichslage, realisierte Bebauung) die
Notwendigkeit gesehen, eine kleinere wirtschaftliche Einheit zu bilden. Die vom
Beklagten dagegen erhobenen Einwände vermögen dies nicht zu erschüttern:
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Soweit er geltend macht, dass hier dem Problem eines übergroßen Grundstücks bereits
hinreichend mit der Tiefenbegrenzung Rechnung getragen worden sei, verkennt er,
dass es vorliegend um die Verhinderung eines übergroßen Grundstücks hinsichtlich
dessen seitlicher Ausdehnung geht. Dem kann die Tiefenbegrenzung ersichtlich nicht
Rechnung tragen. Ihr kommt lediglich die Funktion zu, generalisierend die räumliche
Erschließungswirkung der Entwässerungsanlage auf ein bebautes oder
Baulandcharakter aufweisendes Grundstück in der Tiefe zu begrenzen.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Oktober 2006 15 A 2922/04 -.
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Darüber, welche Grundstücksflächen im Ergebnis als wirtschaftliche Einheit anzusehen
sind, trifft sie indes keine Aussage.
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Wenn der Beklagte im Weiteren darauf abhebt, dass die wiesen- und gartentechnische
Nutzung der südlich des Gartenhauses befindlichen Fläche die Bildung einer kleineren
wirtschaftlichen Einheit nicht erfordere, er also umgekehrt meint, die entsprechende
Nutzung der fraglichen Fläche präge das Baugrundstück maßgeblich mit und erfordere
ihre Berücksichtigung bei der Berechnung des Anschlussbeitrags, übersieht er
Folgendes: Prägend für den durch eine Entwässerungsanlage gewährten
wirtschaftlichen Vorteil für ein Baugrundstück ist die Bebauung der Fläche, nicht deren
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gärtnerische Nutzung. Diese ist vielmehr auch ohne unmittelbaren Bezug zu einer
Bebauung möglich, so dass es auf diesen Umstand nicht maßgeblich ankommt.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. März 2008 15 A 2588/07 -.
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Soweit der Beklagte geltend macht, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, sich
im Hinblick auf das zulässige Maß der baulichen Nutzung mit hier vergleichend
heranzuziehenden Kleinsiedlungsgebieten im Sinne von § 2 BauNVO
auseinanderzusetzen, rechtfertigt dies hier schon deshalb keine andere Beurteilung,
weil es vorliegend um ein Außenbereichsgrundstück geht, für das die Vorschriften der
Baunutzungsverordnung keine Regelungen vorsehen. Auch deren entsprechende
Heranziehung kommt mit Blick auf die Unterschiede zwischen Innen- und Außenbereich
nicht in Betracht.
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Schließlich vermag das Vorbringen des Beklagten, bei der Bildung der wirtschaftlichen
Einheit sei auch die von der Baugenehmigung umfasste Verrieselungsfläche zu
berücksichtigen, dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das
Verwaltungsgericht führt in diesem Zusammenhang namentlich zu Recht aus, dass der
Beklagte selbst den rechtlichen Zusammenhang zwischen der in Rede stehenden
Verrieselungsanlage und dem Wohnhaus aufgehoben hat, als er unter dem 30. August
2007 also vor Entstehung der Beitragspflicht - die zwischenzeitlich bestandskräftig
gewordene Teilungsgenehmigung verfügte, ohne dabei für eine entsprechende
rechtliche Verknüpfung der beiden Flurstücke – z. B. mittels einer Vereinigungsbaulast –
Sorge zu tragen.
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Dem Beklagten ist zwar im Ansatz zuzustimmen, dass für die Eingrenzung einer
wirtschaftlichen Einheit der Umfang einer erteilten Baugenehmigung maßgebend sein
kann. Etwas anderes gilt aber grundsätzlich dann, wenn vor dem Entstehen der
Beitragspflicht eine Grundstücksteilung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung für
das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) genehmigt worden ist. Dann ist schon aus
formalen Gründen auf die dadurch geschaffene Rechtslage bei der Bildung einer
wirtschaftlichen Einheit abzustellen, so lange die Teilungsgenehmigung existent ist. Ein
vormals durch eine Baugenehmigung mit Blick auf die Bildung einer wirtschaftlichen
Einheit vermittelter rechtlicher Zusammenhang von Grundstücksflächen wird im Umfang
der der Erteilung einer Teilungsgenehmigung zugrunde liegenden Prüfung (vgl. § 8 Abs.
2 Satz 1 BauO NRW) aufgehoben und durch diese ersetzt.
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Vgl. zur früheren Rechtslage OVG NRW, Urteil vom 21. Juni 1990 2 A
438/89 -.
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Davon ausgehend ist vorliegend bei der Bildung der wirtschaftlichen Einheit nicht auch
auf die von der in Rede stehenden Baugenehmigung erfasste Verrieselungsfläche
abzustellen. Denn im Rahmen der Erteilung der Teilungsgenehmigung musste u. a. § 4
Abs. 1 BauO NRW in die Prüfung einbezogen werden.
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Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen, Stand: 1. November 2009, Heidelberg u. a., § 8 Rn. 11.
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Danach war hier zu prüfen, ob für das auf dem Flurstück 279 errichtete Gebäude nach
der Teilung die erforderlichen Abwasseranlagen vorhanden und benutzbar sind und die
Abwasserbeseitigung entsprechend den wasserrechtlichen Vorschriften gewährleistet
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ist (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 3 BauO NRW), es also insoweit selbständig als Baugrundstück
existieren kann.
Wenn der Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet, die Teilung hätte unter der
Bedingung erfolgen müssen, dass entsprechende Baulasten zur Verrieselung
eingetragen werden, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Maßgeblich ist, dass
eine solche Baulast nicht besteht und eine Genehmigung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BauO
NRW erteilt worden ist. Soweit der Beklagte darüber hinaus geltend macht, die
Aufhebung der Baugenehmigung hinsichtlich der Entwässerung könne nicht allein
durch Genehmigung einer Grundstücksteilung erfolgen, übersieht er, dass es darum hier
nicht geht. Mit der Teilungsgenehmigung ist nicht die Baugenehmigung aufgehoben
worden. Erstere hat lediglich den durch die Baugenehmigung für die Bildung einer
wirtschaftlichen Einheit im Sinne des Anschlussbeitragsrechts erforderlichen rechtlichen
Zusammenhang beseitigt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den
Streitwert ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 und 3 GKG, 52 Abs. 3 des Gerichtskostenge-
setzes.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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