Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 10.10.2001

OVG NRW: vorverfahren, obergericht, hauptsache, bestimmbarkeit, abgabe, erfahrung, gerichtsakte, rechtsmittelinstanz, rechtsschutz, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 4148/99
Datum:
10.10.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 4148/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 20 K 12043/96
Tenor:
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für
notwendig erklärt.
G r ü n d e :
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1. Der Senat nimmt seine Zuständigkeit für den sinngemäß gestellten Antrag, die
Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, an
und teilt damit nicht die in einem Beschluss des 7. Senats des Gerichts vertretene
Auffassung, für die Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO sei immer - auch
wenn der Antrag während des Rechtsmittelverfahrens gestellt werde - das Gericht des
ersten Rechtszuges zuständig,
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vgl. Beschluss vom 12. Februar 1992 - 7 A 553/90 -, KostRsp. VwGO § 162 Nr. 187
(Leitsatz).
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Das Rechtsmittelgericht ist für die Entscheidung über den bei ihm gestellten Antrag
nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO zuständig, solange das Verfahren in der
Rechtsmittelinstanz noch nicht formell beendet ist; eine Verweisung an das
erstinstanzliche Gericht scheidet unter diesen Umständen aus,
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vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 30. August 1988 - 4 UE 2766/86-, DÖV 1989, 642;
OVG NRW, Beschluss vom 4. August 2000 - 16 A 5716/97 -; Olbertz in Schoch/Schmidt-
Aßmann/ Pietzner, VwGO, Stand September 1998, § 162 Rdnr. 84.
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Aus dem Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, wonach über die Notwendigkeit der
Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren das "Gericht" entscheidet, ergibt
sich keine ausdrückliche Zuweisung an das Gericht des ersten Rechtszuges. Da das
Hauptsacheverfahren in mehreren Instanzen anhängig sein kann, wird vom Wortlaut
jedes mit der Sache befasste Gericht erfasst. Der Senat vermag sich der Argumentation,
die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung obliege dem erstinstanzlichen
Gericht, weil es sich dabei um einen Vorgang innerhalb der Kostenfestsetzung handelt,
die nach § 164 VwGO der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs
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vornimmt, nicht anzuschließen. Es spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber trotz der
Sonderregelung zur Erstattungsfähigkeit von Gebühren und Auslagen im Vorverfahren
hinsichtlich der instanzlichen Zuständigkeit noch Raum für einen Rückgriff auf § 164
VwGO lassen wollte.
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung ist dem Gericht und nicht dem
Urkundsbeamten zugewiesen, weil insoweit die besondere Sachkenntnis des Gerichts
genutzt werden soll,
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so OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 1992 - 7 A 553/90 -, a.a.O., mit Hinweis auf
BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1981 - 4 C 75.80 -, Buchholz 310, § 162 VwGO Nr. 15 =
DÖV 1981, 343.
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Da das Abstellen auf besondere Sachkenntnis dem Zweck Rechnung trägt, effektiven
Rechtsschutz zu gewähren, d.h. richtig und zügig zu entscheiden, drängt es sich auf, die
Zuständigkeit des jeweils sachnahen Gerichts anzunehmen. Damit ist die Zuständigkeit
des erstinstanzlichen Gerichts in den Fällen zu verneinen, in denen das Obergericht mit
der Hauptsache noch befasst ist. Dem Obergericht liegen in diesem Verfahrensstadium
die Gerichtsakte und die für die hier gefragte Entscheidung heranzuziehenden
Verwaltungsvorgänge des Beklagten vor; ihr Inhalt ist dem Obergericht aufgrund
aktueller Befassung präsent bzw. zumindest jederzeit zugänglich. Der Senat hat auch
keine Bedenken im Hinblick auf die Anforderungen an die Bestimmbarkeit des
gesetzlichen Richters (vgl. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Ob das Rechtsmittelverfahren
formell beendet ist, wodurch das Gericht des ersten Rechtszuges schon allein aufgrund
der Aktenrücksendung die größere Sachnähe zurückgewinnt und damit wieder
zuständig wird, ist nach abstrakt-generellen Kriterien im Voraus bestimmbar. Diese
lassen für Manipulationen keinen Raum.
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Der vorliegende Antrag ist während des Rechtsmittelverfahrens gestellt worden. Die
Beteiligten haben das mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung beim
beschließenden Senat anhängig gewordene Verfahren übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt, die bestellte Berichterstatterin hat indes die nach
Abgabe der Erledigungserklärungen nach § 161 Abs. 2 VwGO im Beschlusswege
erforderliche Entscheidung noch nicht getroffen.
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2. Der Antrag ist begründet. Vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen
Partei aus durfte der Kläger die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren
angesichts der Schwierigkeit der Sache für erforderlich halten; es war ihm nach seiner
Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen auch nicht
zuzumuten, das Vorverfahren selbst zu führen.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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