Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 03.02.2006

OVG NRW: grundstück, öffentlich, gebäude, duldung, grenzabstand, nachbar, ermessen, anbau, genehmigung, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 1908/05
Datum:
03.02.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 A 1908/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 10 K 1082/01
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 12.000 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen ergeben sich die behaupteten
ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund
gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht.
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Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Anbauten an ein geduldetes
Werkstattgebäude, deren Beseitigung der Klägerin mit der Ordnungsverfügung vom 3.
Dezember 1999 aufgegeben worden ist, seien formell und materiell rechtswidrig. Die
Klägerin wendet gegen die Annahme formeller Illegalität ein, die Anbauten würden seit
12 Jahren geduldet. Eine Duldung ersetzt eine die formelle Legalität einer baulichen
Anlage begründende Baugenehmigung jedoch nicht, und zwar schon deshalb nicht,
weil eine Duldung gerade auf die (vorübergehende) Hinnahme einer jedenfalls formell
illegalen baulichen Anlage gerichtet ist. Dementsprechend hat der Beklagte mit der
Ordnungsverfügung vom 6. Juni 1988, die von den Beteiligten als Duldungsverfügung
verstanden wird, u. a. ausdrücklich hervorgehoben, die (früher auf dem Grundstück der
Klägerin vorhandenen) Holzbaracken seien ohne Genehmigung errichtet worden.
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Die Klägerin meint, der Ordnungsverfügung vom 3. Dezember 1999 stehe entgegen,
dass die Anbauten Bestandsschutz genießen würden. Einem Abbruchverlangen kann in
der Tat entgegenstehen, dass eine formell illegale bauliche Anlage über einen
erheblichen Zeitraum materiell rechtlich legal und deshalb genehmigungsfähig
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gewesen ist. Dass dies hier nicht der Fall war, hat das Verwaltungsgericht ausgeführt
(Seite 10 Abs. 1 des Urteilsabdrucks). Das Verwaltungsgericht hat in diesem
Zusammenhang auch durchaus nicht "die von dem Vater der Klägerin vorgenommenen
Ausbesserungs- und Instandhaltungsarbeiten überdehnt", sondern in die Entscheidung
selbstständig tragender Weise auch darauf abgestellt, die Anbauten wären selbst dann
zu keinem Zeitpunkt materiell legal gewesen, wenn es sich bei den heute auf dem
Grundstück der Klägerin vorhandenen Anbauten um die Anbauten handeln sollte, die
1978 auf dem Grundstück vorhanden waren. Die Klägerin wendet ferner ein, die
Anbauten seien unter Berücksichtigung des § 6 Abs. 1 Satz 1 b BauO NRW
abstandrechtlich zulässig gewesen. Hierzu hat das Verwaltungsgericht (Seite 8 Abs. 1
des Urteilsabdrucks) im Einzelnen ausgeführt, dass die Voraussetzungen dieser
Bestimmung schon deshalb nicht gegeben sind, weil auf dem Nachbargrundstück im
fraglichen Grundstücksbereich kein grenzständiges Gebäude errichtet ist. Der Einwand
der Klägerin, die streitgegenständlichen Anbauten seien exakt grenzständig errichtet,
geht an diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts vorbei. § 6 Abs. 1 Satz 2 b BauO
NRW lässt den Anbau an der Grundstücksgrenze zu, wenn öffentlich-rechtlich gesichert
ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls ohne Grenzabstand gebaut wird. Die
öffentlich-rechtliche Sicherung kann gegebenenfalls durch ein auf dem
Nachbargrundstück vorhandenes, grenzständig errichtetes Gebäude ersetzt werden. Es
reicht jedoch nicht aus, dass das Bauvorhaben selbst grenzständig errichtet wird, wenn
es an einer entsprechenden Sicherung des Grenzanbaus auf dem Nachbargrundstück
fehlt.
Die Klägerin behauptet die Unverhältnismäßigkeit der Ordnungsverfügung vom 3.
Dezember 1999 zu Unrecht. Weshalb der Abstandflächenverstoß "besonders
geringfügig" sein sollte, ist nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich. Das Ermessen des
Beklagten ist auch nicht darauf beschränkt, nur dann die Beseitigung mit
Abstandbestimmungen in Widerspruch stehender baulicher Anlagen fordern zu dürfen,
wenn der Nachbar durch den Abstandflächenverstoß mehr als geringfügig verletzt wird.
Dass der Beklagte der Klägerin keine diese weniger beeinträchtigende, aber ebenso
geeignete Maßnahme hätte aufgeben können, als den Abbruch der Anbauten zu
fordern, hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend dargelegt. Das Schließen eines
Fensters würde den Abstandverstoß nicht beseitigen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 52 Abs. 1 GKG.
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig.
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