Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 13.08.2009

OVG NRW (antragsteller, familie, stelle, tochter, besetzung, versetzung, gkg, anordnung, bewerber, stellungnahme)

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 B 1149/09
Datum:
13.08.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 B 1149/09
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Die von dem Antragsteller (fristgerecht) dargelegten Beschwerdegründe rechtfertigen es
nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und – wie erstinstanzlich sinngemäß
begehrt –
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der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den
für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2013 nachzubesetzenden
Dienstposten der Besoldungsgruppe A 12 – TE/ZE 020/101 – GeoInfoBSt
FlgAbt 361 in G. solange nicht mit einem Mitbewerber zu besetzen, bis
über den Anspruch des Antragstellers auf Übertragung dieses Dienstpostens
in einem neuen Auswahlverfahren entschieden wurde.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist vielmehr bereits deswegen
abzulehnen, weil der Antragsteller – wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat –
keinen Anordnungsgrund i.S.d. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294
Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht hat.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats
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– vgl. den Senatsbeschluss vom 7. August 2008 – 1 B 653/06 –, juris, mit
zahlreichen Nachweisen aus der Senatsrechtsprechung, und zuletzt den
Beschluss vom 2. April 2009 – 1 B 1465/08 –, n.v. –
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fehlt es in Fällen einer sog. reinen Dienstpostenkonkurrenz in aller Regel am Vorliegen
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eines Anordnungsgrundes zur Sicherung des (materiellen)
Bewerbungsverfahrensanspruchs. Erfasst werden hiervon nicht nur die Fälle, in denen
der erstrebte Dienstposten für beide Bewerber (d.h. den Antragsteller und den bei der
Besetzungsentscheidung ausgewählten Mitbewerber) keinen Beförderungsdienstposten
darstellt, sondern auch die Fälle, in denen ein Versetzungs- oder Umsetzungsbewerber
nur auf einer Seite steht, also mit ihm entweder der Dienstposten besetzt werden soll –
in einem solchen Fall liegt regelmäßig kein Anordnungsgrund für den konkurrierenden
Beförderungsbewerber vor – oder aber er sich – wie hier – im einstweiligen
Anordnungsverfahren gegen die Besetzung des Dienstpostens mit einem
Beförderungsbewerber wendet. Allen diesen Fällen ist gemein, dass es zu der
verfassungsrechtlich gebotenen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes i.S.d. Art. 19
Abs. 4 Satz 1 GG grundsätzlich nicht der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
bedarf, weil entweder keine "vollendeten Tatsachen" drohen, wie sie typischerweise nur
durch eine zeitnah bevorstehende Änderung des beamtenrechtlichen Status (z.B. durch
Beförderung) herbeigeführt werden können, oder aber – wenn die Auswahl des
Dienstherrn (wie vorliegend) auf den Beförderungsbewerber fällt – der Antragsteller mit
Blick darauf, dass er ein Statusamt, das dem Mitbewerber zuerkannt werden könnte,
bereits inne hat und also der Dienstposten für ihn selbst nicht (unmittelbar)
"beförderungsrelevant" ist, regelmäßig keine irreparablen, nicht zumutbaren Nachteile
erleidet, wenn er auf den Rechtsschutz in der Hauptsache verwiesen wird.
Diesen Grundsätzen, die – wie ausgeführt – auch den vorliegenden Fall erfassen, hat
der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung nichts Durchgreifendes
entgegengesetzt. Insbesondere kann die Bewertung, es liege kein ggf. die
Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigender Anordnungsgrund vor, nicht mit solchen
Rügen erfolgreich in Frage gestellt werden, die sich auf (behauptete) Fehler im
Auswahlverfahren beziehen. Denn bei Fehlen eines Anordnungsgrundes ist der
Antragsteller gerade zumutbar darauf verwiesen, die behaupteten Rechtsverletzungen
in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Deshalb ist es im vorliegenden
Zusammenhang von vornherein unerheblich, ob die Auswahlentscheidung der
Antragsgegnerin gegen Art. 33 Abs. 2 GG verstößt und ob es für die Antragsgegnerin
"einfacher und problemloser" gewesen wäre, die Stelle mit dem Antragsteller zu
besetzen; Gleiches gilt in Bezug auf die weiter behaupteten Fehler einer Missachtung
der Ausschreibungspflicht, einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der
Personalvertretung, einer Nichtberücksichtigung der Schwerbehinderteneigenschaft des
Antragstellers und einer nicht in gehörigem Umfang erfolgten Information über den
Ausgang des Auswahlverfahrens.
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Ein Anordnungsgrund kann im Falle einer reinen Dienstpostenkonkurrenz wie hier
allenfalls dann bejaht werden, wenn der Antragsteller dadurch, dass der ausgewählte
Beförderungsbewerber vorläufig (bis zu einer rechtskräftigen Klärung im
Hauptsacheverfahren) den streitigen Dienstposten besetzen kann, individuelle und
konkrete, dabei zugleich schwerwiegende Nachteile erleidet, die nur durch die (auch
das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs voraussetzende) vorläufige Besetzung des
Dienstpostens mit seiner Person abgewendet werden können.
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Vgl. den Senatsbeschluss vom 7. August 2008 – 1 B 653/06 –, juris.
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Solche Nachteile lässt indes auch das Beschwerdevorbringen nicht hervortreten.
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Der sinngemäße Vortrag des Antragstellers, ein schwerwiegender Nachteil ergebe sich
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daraus, dass sich die Frage der Besetzung des streitgegenständlichen Dienstpostens
beim rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens möglicherweise schon
erledigt haben könne, weil der Dienstposten als "Wechselstelle" nur bis zum 30. Juni
2013 besetzt werden solle, greift nicht durch. Zum einen ist schon die Annahme rein
spekulativ, ein mögliches Hauptsacheverfahren werde nicht in nahezu vier Jahren
rechtskräftig abgeschlossen werden können. Zum anderen und vor allem würde sich ein
solcher Umstand nicht auf die Frage auswirken können, ob der Eintritt eines erheblichen
Nachteils gerade während der Zeitspanne zwischen der erstrebten Eilentscheidung und
einer Hauptsacheentscheidung zu befürchten ist.
Vgl. insoweit auch schon OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2004
– 1 B 42/04 –, NWVBl. 2004, 466 = juris, dort Rn. 34.
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Das weitere Beschwerdevorbringen, der Antragsteller, der sich derzeit montags zu
seiner ca. 160 km vom Wohnort entfernten Dienststelle begebe und wegen dieser
Entfernung erst freitags zu seiner Familie zurückkehre, werde nur bei der angestrebten
Versetzung nach dem etwa 25 km vom Wohnort entfernten G. in der Lage sein, die
Therapie seiner an Bulimie erkrankten 16-jährigen Tochter in der erforderlichen Weise
zu unterstützen und sich an der Therapie zu beteiligen, führt ebenfalls nicht auf einen
schwerwiegenden, die Annahme eines Anordnungsgrundes rechtfertigenden Nachteil.
Bereits das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die zur
Stützung dieses Vortrags vorgelegte "Fachärztliche Stellungnahme zur Vorlage bei der
Wehrbereichsverwaltung" des Dr. A. (Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und
Psychotherapie, Arzt für Psychotherapeutische Medizin) angesichts der in ihr nur
formulierten allgemeingültigen Erkenntnisse insoweit nicht hinreichend aussagekräftig
ist. Dort ist im Kern nämlich lediglich bescheinigt, dass es für die Entwicklung der
Tochter wichtig sei, dass ihr im Alltag auch ihr Vater – der Antragsteller – zur Verfügung
stehe; in ihrer Entwicklungsphase seien in den nächsten Jahren beide Eltern
gemeinsam von großer Bedeutung. Abgesehen davon trifft die im Eilverfahren
vorgelegte undatierte fachärztliche Stellungnahme auch keine Aussage über die aktuell
gegebene Situation von Tochter und Familie, weil sie spätestens am 3. Januar 2008
und damit vor mehr als anderthalb Jahren gefertigt worden ist. Belegt wird dies dadurch,
dass der Antragsteller dieses Schriftstück (im Original) erstmals bereits mit seinem an
die Antragsgegnerin gerichteten Versetzungsgesuch vom 3. Januar 2008 vorgelegt
hatte (Beiakte 1, Blatt 359 f.). Dass sich die Situation nach der Erstellung der
fachärztlichen Stellungnahme tatsächlich verändert haben dürfte, wird im Übrigen durch
den Umstand verdeutlicht, dass sich der Antragsteller im Laufe des Jahres 2008
offensichtlich auf eine Stelle in L. beworben hat und damit mit einem Dienstort
einverstanden gewesen wäre, der Familienheimfahrten unter der Woche erst recht nicht
gestattet bzw. einen Umzug der Familie erforderlich gemacht hätte (vgl. das an den
Antragsteller gerichtete Schreiben der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 26. September
2008, Beiakte 1, Blatt 352 f.). Vor dem Hintergrund des Vorstehenden ist das Interesse
des Antragstellers an einem Wechsel des Dienstortes zwar nachvollziehbar, weil eine
Reduzierung der Fahrtzeiten um eine gute Stunde (einfache Fahrt) es dem Antragsteller
erleichtern würde, vor und nach der Arbeit häufiger bei seiner Tochter und seiner
Familie zu sein; dieses Interesse ist aber nicht von einem solchen Gewicht, dass ein
Anordnungsgrund ausnahmsweise zugebilligt werden müsste. Unabhängig von dem
Vorstehenden hat das Verwaltungsgericht zurecht auch darauf hingewiesen, dass der
Antragsteller nicht gehindert ist, den Familienwohnsitz an oder in die Nähe seines
Dienstortes zu verlagern; dem ist die Beschwerdebegründung in keiner Weise
entgegengetreten.
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Unabhängig von dem Vorstehenden scheitert ein Erfolg des Antrages auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung auch am Fehlen eines Anordnungsanspruchs. Einem solchen
Anspruch steht hier entgegen, dass der Antragsteller wegen der von der
Antragsgegnerin getroffenen Organisationsgrundentscheidung in dem durchgeführten
Auswahlverfahren bereits aufgrund seiner Eigenschaft als Versetzungsbewerber
unberücksichtigt bleiben durfte und musste, er also nicht in einen an Art. 33 Abs. 2 GG
orientierten Bewerbervergleich einzubeziehen war.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht es im
organisatorischen, pflichtgemäß auszuübenden Ermessen des Dienstherrn, ob er eine
Stelle im Wege der Beförderung oder Versetzung vergeben will. (Nur) dann, wenn sich
der Dienstherr im Rahmen dieses Organisationsermessens für ein Auswahlverfahren
entscheidet, an dem sowohl Beförderungsbewerber als auch "reine" Umsetzungs- oder
Versetzungsbewerber unterschiedslos teilnehmen, ist er gehalten, seine
Auswahlentscheidung in Bezug auf alle Bewerber an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2
GG auszurichten. Den potentiellen Bewerberkreis bestimmt der Dienstherr im Text der
Ausschreibung bzw. Information über die zu besetzende Stelle, die das
Auswahlverfahren einleitet und wesentliche Auswirkungen auf die Konkurrenzsituation
der einzelnen Bewerber entfaltet. Ein unter "offenen" Bedingungen in Gang gesetztes
Auswahlverfahren darf nachträglichen Einschränkungen nur aus Gründen unterworfen
werden, die ihrerseits den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 2004 – 2 C 17.03 –, BVerwGE 122,
237; BVerfG, Nichtannahmebeschlüsse vom 28. Februar 2007 – 2 BvR
2494/06 –, NVwZ 2007, 693, und vom 5. September 2007
– 2 BvR 1855/07 –, NVwZ-RR 2008, 433; OVG NRW, Beschluss vom
2. April 2009 – 1 B 1465/08 –; Bayerischer VGH, Beschluss vom
11. November 2008 – 3 CE 08.2643 –, juris.
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Vorliegend hat sich die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Organisationsermessens
beanstandungsfrei für ein Auswahlverfahren entschieden, an dem
Beförderungsbewerber und "reine" Umsetzungs- oder Versetzungsbewerber nicht
unterschiedslos teilnehmen sollten. Deutlich wird diese Entscheidung bereits an dem
maßgeblichen Text des Aufrufs zur Interessenbekundung (u.a.) für die
streitgegenständliche Soldatenwechselstelle. In diesem vom 14. Januar 2009
datierende Schreiben heißt es nämlich ausdrücklich, dass die in ihm angeführten
Dienstposten "förderlich nachzubesetzen" (Hervorhebung durch den Senat), also durch
Beförderungsbewerber zu besetzen seien. Dementsprechend wird in dem
Fachvorschlag des Amtes für Geoinformationswesen der Bundeswehr vom 22. Januar
2009 zwar unter dem Punkt "Eignung und Befähigung" und damit nicht ganz folgerichtig,
aber vor dem erst anschließend zwischen zwei Beförderungsbewerbern
vorgenommenen Leistungsvergleich und – jedenfalls – in inhaltlich eindeutiger Weise
ausgeführt, dass der Antragsteller nicht weiter betrachtet werde, da er auf einem
struktursicheren Dienstposten des Besoldungsgruppe A 12 untergebracht sei und "einer
höhengleichen Versetzung aus dienstlichen und organisatorischen Gründen nicht
zugestimmt" werde. Entsprechende Ausführungen hat die Antragsgegnerin sodann
auch in dem Besetzungsvermerk vom 30. Januar 2009 gemacht.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG i.V.m. §§ 52 Abs. 1 und 2, 47
Abs. 1 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der
Streitwertfestsetzung – gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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