Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.08.2006

OVG NRW: arzneimittel, in den verkehr bringen, anpassung, restriktive auslegung, bestandteil, anwendungsbereich, rechtsschutzinteresse, unternehmer, behandlung, erfahrung

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 4404/04
Datum:
22.08.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 A 4404/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 24 K 9487/01
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Köln vom 25. August 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Apotheker I. M. (T. -Apotheke H. ) zeigte am 28. Juni 1978 das Fertigarzneimittel "E.
-D. -C. " beim Bundesgesundheitsamt (BGA) gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des
Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (AMNG) an.
2
Am 28. Dezember 1989 beantragte die C1. O. GmbH, die zwischenzeitlich Inhaberin der
Zulassung des genannten Arzneimittels geworden war, die Verlängerung der Zulassung
nach Art. 3 § 7 Abs. 3 Satz 1 AMNG (sog. Kurzantrag). Sie gab u.a. an, das Arzneimittel
enthalte die vier wirksamen Bestandteile "Acetylsalicylsäure, Benzocain, Fluidextrakt
aus Kamillenblüten und Menthol". Das Anwendungsgebiet beschrieb sie mit:
"Schmerzhafte, entzündliche Affektionen der Mundschleimhaut, Dentitio difficilis,
Verhütung von örtlichen Beschwerden bei der ersten Dentition".
3
Sie zeigte am 27. Oktober 1993 Änderungen des Arzneimittels an, die sie teilweise am
14. Februar 1994 korrigierte. Die Bezeichnung des Arzneimittels lautete nunmehr "E1. ".
Es enthielt jetzt ausschließlich den arzneilich wirksamen Bestandteil "Myrrhentinktur 3
g" (bezogen auf 10 g). Unter der Rubrik Anwendungsgebiete hieß es: "Lokale
Behandlung leichter Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut". Ferner gab sie
an, es sei eine Anpassung an die Aufbereitungsmonographie zu Myrrhe erfolgt.
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Am 31. Januar 1994 beantragte sie die Verlängerung der Zulassung des Arzneimittels
nach Art. 3 § 7 Abs. 4 Satz 2 AMNG (sog. Langantrag). Diesen Antrag nahm sie am 27.
Dezember 1995 wieder zurück.
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Die Klägerin, die schließlich Zulassungsinhaberin geworden war, führte mit Schreiben
vom 16. August 1999 gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) aus, eine reguläre Nachzulassung des Arzneimittels unter
Bezugnahme auf die Monographie zu Myrrhe sei mit Blick auf das zu erwartende Zehnte
Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes nicht mehr möglich. Angesichts des
geringen Umfangs des veröffentlichten Erkenntnismaterials zu Myrrhe hielte sie eine
Nachzulassung nach § 109a das Arzneimittelgesetzes (AMG) für eine angebrachte
Lösung. Sie schlug folgende Formulierung des Anwendungsgebietes vor: "Traditionell
angewendet zur unterstützenden Behandlung von Reizungen im Mund- und
Rachenbereich. Diese Angabe beruht ausschließlich auf Überlieferung und langjähriger
Erfahrung."
6
Das BfArM teilte der Klägerin mit Schreiben vom 18. Februar 2000 mit, das Arzneimittel
könne nicht mit der vorgeschlagenen Indikationsformulierung in die Aufstellung der
Anwendungsgebiete für Stoffe und Stoffkombinationen nach § 109a AMG (sog.
Traditionsliste) aufgenommen werden. Es sei zwecks Einhaltung einheitlicher
Bewertungskriterien bei vergleichbaren Arzneimitteln im normalen
Nachzulassungsverfahren nach § 105 AMG zu beurteilen, weil es durch eine
Änderungsanzeige in Anpassung an eine Monographie entstanden sei.
7
Am 16. Mai 2000 zeigte die Klägerin u.a. eine Änderung des Anwendungsgebietes an.
Dieses lautete nunmehr: "Traditionell angewendet als mildwirkendes Arzneimittel zur
lokalen Behandlung leichter Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut".
8
Das BfArM teilte der Klägerin mit Bescheid vom 23. Juni 2000 mit, der angezeigten
Änderung des Anwendungsgebietes werde nach § 29 Abs. 2a AMG nicht zugestimmt.
Änderungen in den Zulassungsunterlagen für Arzneimittel, die gemäß § 105 Abs. 5c
AMG nur noch bis zum 31. Dezember 2004 als zugelassen gälten und damit keiner
Verlängerung der Zulassung gemäß § 105 Abs. 3 AMG mehr unterlägen, seien nur noch
im Rahmen des § 29 AMG möglich und zulässig. Die angezeigte Formulierung sei
Arzneimitteln vorbehalten, deren Zulassung nach § 109a AMG verlängert werde. Dies
sei hinsichtlich des streitbefangenen Arzneimittels nicht möglich, weil mit der
Änderungsanzeige vom 27. Oktober 1993 eine Monographieanpassung vorgenommen
worden sei. Hiergegen erhob die Klägerin am 30. Juni 2000 Widerspruch.
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Die Klägerin widerrief am 10. August 2000 die am 27. Dezember 1995 erklärte
Rücknahme des Antrags auf Verlängerung der Zulassung vom 31. Januar 1994 und
beantragte das Wiederaufgreifen des Verfahrens. Sie begehrte erneut die Aufnahme
des arzneilich wirksamen Bestandteils des Arzneimittels mit der von ihr
vorgeschlagenen Indikation in die Traditionsliste und machte geltend, mit Inkrafttreten
des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes stehe die
Monographiekonformität des Arzneimittels der Aufnahme in die Traditionsliste nicht
entgegen.
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Das BfArM lehnte dies mit Schreiben vom 02. Oktober 2000 mit der Begründung ab, das
Arzneimittel sei zwecks Einhaltung einheitlicher Bewertungskriterien bei vergleichbaren
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Arzneimitteln im normalen Nachzulassungsverfahren nach § 105 AMG zu beurteilen. Es
entspreche nach Art und Menge einer positiven Monographie und sei durch eine
Änderungsanzeige in Anpassung an eine Monographie entstanden. Gleichzeitig
äußerte es die Auffassung, es handele sich bei der Beurteilung eines eingereichten
Vorschlags zur Traditionsliste nicht um ein Verwaltungsverfahren, in welchem
Bescheide ergingen.
Am 29. Januar 2001 zeigte die Klägerin erneut eine Änderung der Anwendungsgebiete
an und erklärte gleichzeitig, gemäß den bekannt gemachten Aufstellungen der
Anwendungsgebiete nach § 109a Abs. 3 AMG beanspruche sie für das streitbefangene
Arzneimittel die Anwendungsgebiete des folgenden Stoffes:
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"Lfd. Nr.: beantragt (822 Minusvariante)
13
Wirkstoff: Myrrhetinktur
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Darreichungsform: Flüssigkeit (Zerstäuber)" - später korrigiert in: Salbe -
"Anwendungsgebiete: Traditionell angewendet zur Unterstützung der Funktion der
Schleimhäute im Mund- und Rachenbereich. Diese Angabe beruht ausschließlich auf
Überlieferung und langjähriger Erfahrung."
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Das BfArM teilte der Klägerin mit Schreiben vom 05. Oktober 2001 mit, es beabsichtige,
ihren Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach § 105 i.V.m. § 109a AMG
zurückzuweisen, weil die Unterlagen nach § 109a AMG unvollständig seien. Die am 27.
Oktober 1993 angezeigte Änderung der arzneilich wirksamen Bestandteile in
"Myrrhentinktur" sei nur zulässig gewesen, weil das Arzneimittel gleichzeitig an die
Monographie zu Myrrhe angepasst worden sei. Nach einer Monographieanpassung
seien Änderungen nur noch zulässig, wenn diese der Monographie vollinhaltlich
entsprächen. Dies sei hinsichtlich des nunmehr beanspruchten traditionellen
Anwendungsgebietes nicht der Fall. Wegen der Monographieanpassung komme auch
das "Traditionsverfahren nach § 105 i.V.m. § 109a AMG" nicht in Betracht. Eine
Nachzulassung nach § 105 AMG sei ebenfalls nicht möglich, weil bis zum 31. Januar
2001 keine Unterlagen nach § 105 Abs. 4a AMG vorgelegt worden seien.
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Mit Bescheid vom 13. November 2001, zugestellt am 16. November 2001, wies das
BfArM den Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach § 105 i.V.m. § 109a AMG
zurück. Es wiederholte seine im Schreiben vom 05. Oktober 2001 dargelegte
Rechtsauffassung.
17
Die Klägerin hat am 17. Dezember 2001 Klage erhoben mit dem Ziel, die begehrte
Listenposition sowie die Nachzulassung des streitbefangenen Arzneimittels zu
erreichen. Sie hat ergänzend im Wesentlichen vorgetragen: Sie habe einen Anspruch
auf Verlängerung der Zulassung nach §§ 105, 109a AMG. Dem Arzneimittelgesetz sei
nicht zu entnehmen, dass monographiekonforme Arzneimittel von der erleichterten
Nachzulassungsmöglichkeit der §§ 105, 109a AMG ausgeschlossen seien.
18
Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte unter Aufhebung des Versagungsbescheides des Bundesinstitutes für
Arzneimittel und Medizinprodukte vom 02. Oktober 2000 zu verpflichten, über ihren
Antrag, den arzneilich wirksamen Bestandteil Myrrhentinktur 30g/100g des
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Fertigarzneimittels E1. in der Darreichungsform Salbe mit der Indikation "Traditionell
angewendet zur Unterstützung der Funktion der Schleimhäute im Mund- und
Rachenbereich. Diese Angabe beruht ausschließlich auf Überlieferung und langjährige
Erfahrung" in die Aufstellung der Anwendungsgebiete für Stoffe und Stoffkombinationen
gem. § 109a Abs. 3 Satz 1 AMG aufzunehmen, unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts erneut zu entscheiden.
2. Die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesinstitutes für Arzneimittel
und Medizinprodukte vom 13. November 2001 sodann zu verpflichten, über den Antrag
auf Verlängerung der Zulassung für das Arzneimittel E1. unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
21
Die Beklagte hat beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
23
Sie hat im Wesentlichen vorgetragen: Wegen der Monographiekonformität des
Arzneimittels komme eine Nachzulassung gemäß §§ 105, 109a AMG nicht in Betracht.
Die am 29. Januar 2001 angezeigte Änderung des Anwendungsgebietes sei nach §§
105 Abs. 3a, 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 AMG unzulässig, weil hierdurch das
Anwendungsgebiet des streitbefangenen Arzneimittels wesentlich verändert worden sei.
Während es zuvor als Heilmittel eingesetzt worden sei, nehme es nunmehr nur noch
eine prophylaktische Wirksamkeit für sich in Anspruch. Das Arzneimittel bedürfe daher
nach § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AMG einer Neuzulassung.
24
Durch Urteil vom 25. August 2004 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Soweit die Klägerin die
Verpflichtung der Beklagten zur Aufnahme des arzneilich wirksamen Bestandteils des
Arzneimittels in die Traditionsliste begehre, fehle ihr das erforderliche
Rechtsschutzinteresse. Ein Anspruch auf die Einrichtung einer Listenposition sei
ausgeschlossen, sofern ein fiktiv zugelassenes Arzneimittel nicht mehr existiere. Dieses
sei hinsichtlich des streitbefangenen Arzneimittels der Fall. Die Klägerin habe mangels
Fortbestehens der fiktiven Zulassung des Arzneimittels keinen Anspruch auf eine
Verlängerung der Zulassung. Der am 27. Oktober 1993 angezeigte sog. Totalaustausch
der arzneilich wirksamen Bestandteile sei von den Überleitungsbestimmungen des
Arzneimittelgesetzes nicht gedeckt. Das geänderte Arzneimittel bedürfe der
Neuzulassung.
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Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin. Sie trägt zur
Begründung im Wesentlichen vor: Die fiktive Zulassung des Arzneimittels sei nicht
aufgrund des Austausches der ursprünglich angezeigten arzneilich wirksamen
Bestandteile durch den alleinigen arzneilich wirksamen Bestandteil Myrrhentinktur
erloschen. Die Anpassungsregelung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG
ermögliche einen Totalaustausch der arzneilich wirksamen Bestandteile. Eine restriktive
Auslegung dieser Vorschrift sei weder mit deren Wortlaut noch mit deren Sinn und
Zweck vereinbar. Der Gesetzgeber habe im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5
AMNG bewusst erleichterte Änderungsmöglichkeiten vorgesehen und dabei explizit
Änderungen der Art der arzneilich wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels
zugelassen. Eine Umgehung des Neuzulassungsverfahrens werde bereits dadurch
verhindert, dass das Arzneimittel durch die Änderung keinem anderen
Anwendungsbereich und keiner anderen Therapierichtung zuzurechnen sein dürfe.
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Weitergehende Anforderungen habe auch die Zulassungsbehörde in ihrer ständigen
Nachzulassungspraxis nicht gestellt. Der Gesetzgeber sei erkennbar davon
ausgegangen, dass der durch die Regelung u.a. geförderte Bestandsschutz durch die
erforderliche Beibehaltung des Anwendungsbereichs sowie der Therapierichtung
erreicht werde. Die Anpassungsmöglichkeiten dienten überdies nicht primär dem
Bestandsschutz. Vielmehr habe der Gesetzgeber durch diese einerseits eine
Arbeitsentlastung des damals zuständigen BGA angestrebt, andererseits aber auch eine
verbesserte Nutzung der Aufbereitungsmonographien und damit eine Verbesserung der
Arzneimittelsicherheit bezweckt. Werde ein pflanzliches Arzneimittel an eine
Aufbereitungsmonographie angepasst, werde dem Gesichtspunkt der
Arzneimittelsicherheit Rechnung getragen, weil gewährleistet sei, dass das Arzneimittel
dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspreche. Im Zeitpunkt des
Inkrafttretens des Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes habe das
Problem bestanden, dass die verschiedenen Aufbereitungsmonographien durchweg nur
einzelne Wirkstoffe erfasst hätten, während ganz überwiegend Kombinationspräparate
vertrieben worden seien. Weil der zudem neu geschaffene § 22 Abs. 3a AMG eine
Kombinationsbegründung gefordert habe, habe den meisten Nachzulassungsanträgen
ohne eine entsprechende Monographieanpassung die Erfolglosigkeit gedroht. Der
Gesetzgeber habe vor diesem Hintergrund die in Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG
geregelte Monographieanpassung erleichtern und ausdrücklich auch eine Änderung
des oder der arzneilich wirksamen Bestandteile der Art nach zugelassen. Ein Verstoß
gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) sei darin nicht zu erkennen. Eine unzulässige
Ungleichbehandlung setze voraus, dass vergleichbare Sachverhalte gegeben seien.
Dies sei bei einer Neu- und einer Nachzulassung nicht der Fall. Soweit in
Ausnahmefällen die Änderungsmöglichkeiten missbraucht würden, könne daraus keine
allgemeine Regel abgeleitet werden. Würde die Möglichkeit eines Totalaustausches
abgelehnt, wäre überdies eine Änderung von Monopräparaten generell unzulässig, was
erkennbar nicht mit dem beabsichtigten Zweck des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG
vereinbar wäre.
Die Klägerin beantragt,
27
das angefochtene Urteil zu ändern und nach den erstinstanzlichen Klageanträgen zu
erkennen.
28
Die Beklagte beantragt,
29
die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen.
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1. Soweit die Klägerin begehrt, die Beklagte unter Aufhebung des
"Versagungsbescheides" des BfArM vom 02. Oktober 2000 zu verpflichten, über ihren
Antrag, den in dem streitbefangenen Arzneimittel enthaltenen arzneilich wirksamen
Bestandteil Myrrhentinktur mit der von ihr vorgeschlagenen Indikation in die
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Traditionsliste aufzunehmen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut zu entscheiden (vgl. Klageantrag zu 1.), ist die Klage unzulässig. Es fehlt - wie
das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - insoweit das
Rechtsschutzinteresse.
Die Aufnahme in die Traditionsliste ist ein feststellender Verwaltungsakt, der seine
Ermächtigungsgrundlage in § 109a Abs. 3 Satz 1 AMG findet. Das Gesetz knüpft an die
Aufnahme in die Traditionsliste sowohl materielle als auch verfahrensrechtliche Folgen;
alleiniger Sinn einer solchen Aufnahme in die Traditionsliste ist die Herbeiführung
dieser Rechtsfolgen.
35
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. November 2003 - 3 C 29.02 -, NVwZ 2004, 349 (350).
36
Bei der Aufstellung der Traditionsliste sowie späteren Aufnahmen befindet die
Zulassungsbehörde über die Zuordnung von Stoffen/Stoffkombinationen und
Anwendungsgebieten. Sie legt fest, welche Stoffe/Stoffkombinationen zu welchen
Anwendungsgebieten "passen" in dem Sinne, welche Stoffe und Stoffkombinationen für
welche Anwendungsgebiete therapeutisch wirksam sind. Die Feststellung der
therapeutischen Wirksamkeit bestimmter Stoffe/Stoffkombinationen für bestimmte
Anwendungsgebiete durch die Traditionsliste ist verbindlich. Das ergibt sich aus § 109a
Abs. 3 Satz 1 AMG, der ohne jede Einschränkung festschreibt, dass die Anforderungen
an die therapeutische Wirksamkeit eines Arzneimittels "erfüllt" sind, wenn es
Anwendungsgebiete beansprucht, die Aufnahme in die Traditionsliste gefunden haben.
Die Zulassungsbehörde hat in einem solchen Fall lediglich zu prüfen, ob eine
entsprechende Listeneintragung vorliegt. Die Traditionsliste "schichtet" diesen
Prüfungspunkt sozusagen ab. Gleichzeitig erlaubt eine Listenposition dem
pharmazeutischen Unternehmer Abstand zu nehmen von der ansonsten auch im
Nachzulassungsverfahren bestehenden Verpflichtung, die therapeutische Wirksamkeit
seines Arzneimittels durch Vorlage der erforderlichen Unterlagen nachzuweisen, was
grundsätzlich mit einem erheblichen Aufwand verbunden wäre.
37
Vgl. BVerwG, a.a.O.
38
Die Herbeiführung der dargelegten - allein das Nachzulassungsverfahren, nicht jedoch
den Zugang zu diesem betreffenden - Rechtsfolgen einer Eintragung in die
Traditionsliste brächten der Klägerin allenfalls dann einen Nutzen und begründeten,
weil ein anderweitiges mit einer Aufnahme des arzneilich wirksamen Bestandteils des
streitbefangenen Arzneimittels in die Traditionsliste verbundenes Interesse nicht
erkennbar ist, demzufolge nur dann ein Rechtsschutzinteresse, wenn ihr bezüglich des
Arzneimittels der Zugang zum Nachzulassungsverfahren nach §§ 105, 109a AMG
überhaupt noch eröffnet wäre. Das ist indes mangels Fortbestehens der fiktiven
Zulassung des Arzneimittels - wie nachstehend ausgeführt wird - nicht der Fall.
39
2. Soweit die Klägerin begehrt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des
BfArM vom 13. November 2001 zu verpflichten, über den Antrag auf Verlängerung der
Zulassung des streitbefangenen Arzneimittels unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts erneut zu entscheiden (vgl. Klageantrag zu 2.), ist die Klage unbegründet.
40
Der Bescheid vom 13. November 2001, mit dem die Beklagte die am 31. Januar 1994
beantragte Verlängerung der (fiktiven) Zulassung des Arzneimittels "E1. " abgelehnt hat,
ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen
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Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags.
Nach dem für die Beurteilung des Klagebegehrens maßgeblichen § 105 Abs. 4f Satz 1
Halbsatz 1 AMG ist die Zulassung nach Abs. 1 auf Antrag nach § 105 Abs. 3 Satz 1
AMG um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG
vorliegt. Eine Verlängerung der Zulassung setzt daher - wie das Verwaltungsgericht
zutreffend dargelegt hat - zunächst voraus, dass für das jeweilige Arzneimittel eine
"Zulassung nach Abs. 1", also eine sog. fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG bzw.
bis zum Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom
09. August 1994 (BGBl. I S. 2071 (2082, 2086)) nach Art. 3 § 7 Abs. 1 AMNG entstanden
ist und diese im Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung noch fortbesteht.
42
Das (ursprüngliche) Arzneimittel "E. -D. -C. " ist zwar gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1
AMNG in der Fassung vom 24. August 1976 (BGBl. I S. 2445 (2477 f.)) ordnungsgemäß
angezeigt worden. Auch die Verlängerung der fiktiven Zulassung nach Art. 3 § 7 Abs. 3
Satz 1 AMNG (sog. Kurzantrag) in der soeben genannten Fassung wurde fristgemäß
beantragt.
43
Gegenstand des am 31. Januar 1994 gestellten Antrags nach Art. 3 § 7 Abs. 4 Satz 2
AMNG (sog. Langantrag) in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes vom 11. April 1990 (BGBl. I S. 717 (724 f.)) war jedoch nicht mehr
das ursprünglich angezeigte und vom Kurzantrag umfasste Arzneimittel, sondern ein
unzulässig geändertes Arzneimittel. Die fiktive Zulassung des ursprünglich angezeigten
Arzneimittels erstreckt sich nicht auf das geänderte Arzneimittel, weil die
vorgenommene Änderung den durch Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG in der auch
insoweit maßgeblichen,
44
vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002 - OVG 5 B 24.00 und OVG 5 B 25.00 -,
juris,
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im Zeitpunkt der Änderung des Arzneimittels geltenden Fassung des Vierten Gesetzes
zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 11. April 1990 (BGBl. I S. 717 (724 f.))
gesteckten Rahmen überschritten hat. Daraus folgt, dass das geänderte Arzneimittel
mangels fortbestehender fiktiver Zulassung einer Neuzulassung bedarf.
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Nach Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG in der genannten Fassung darf ein
Fertigarzneimittel nach Abs. 1 bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung
abweichend von § 29 Abs. 3 AMG mit geänderter Art oder Menge der arzneilich
wirksamen Bestandteile ohne Erhöhung ihrer Anzahl innerhalb des gleichen
Anwendungsbereichs und der gleichen Therapierichtung in den Verkehr gebracht
werden, wenn das Arzneimittel insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG bekannt
gemachten Ergebnis oder einem vom BGA vorgelegten Muster für ein Arzneimittel
angepasst und das Arzneimittel durch die Anpassung nicht verschreibungspflichtig wird.
47
Dahingestellt bleiben kann vorliegend, ob das ursprüngliche und das geänderte
Arzneimittel den gleichen Anwendungsbereich beansprucht haben bzw. beanspruchen
und ob das geänderte Arzneimittel insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG
bekannt gemachten Ergebnis angepasst worden ist. Jedenfalls war die angezeigte
Änderung deswegen nicht von Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG gedeckt, weil die
Vorschrift eine Teilidentität zwischen den arzneilich wirksamen Bestandteilen des
ursprünglichen und des geänderten Arzneimittels erfordert, mithin den Austausch aller
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arzneilich wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels (sog. Totalaustausch) nicht
zulässt (a),
vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002, a.a.O.; Beschluss vom 14. Februar 1992
- OVG 5 S 44.91 -; OLG Frankfurt, Urteile vom 12. September 1996 - 6 U 110/96 -,
Pharma Recht 1997, 228, und vom 11. Dezember 1995 - 6 U 136/95 -, juris; OLG
Karlsruhe, Urteil vom 25. November 1992 - 6 U 10/92 -, Pharma Recht 1993, 209; a.A.
OLG Köln, Urteil vom 11. August 1995 - 6 U 238/94 -, Pharma Recht 1996, 20; OLG
Hamburg, Urteil vom 03. März 1994 - 3 U 233/93 -, Pharma Recht 1995, 18,
49
und damit auch den hier vorgenommenen Austausch aller arzneilich wirksamen
Bestandteile durch einen zuvor nicht enthaltenen arzneilich wirksamen Bestandteil nicht
deckt (b).
50
a) Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ist dahingehend auszulegen, dass dieser den
Austausch aller arzneilich wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels nicht zulässt.
51
Dem Wortlaut dieser Regelung ist zwar weder für noch gegen die Zulässigkeit des
Totalaustausches ein hinreichend verlässlicher Hinweis zu entnehmen.
52
Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002, a.a.O.; Beschluss vom 14. Februar 1992,
a.a.O.; OLG Frankfurt, Urteil vom 11. Dezember 1995, a.a.O.
53
Allerdings deuten bereits die auch in Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG verwendeten
Begriffe "geändert" und "Änderung" auf das Erfordernis einer Teilidentität zwischen den
arzneilich wirksamen Bestandteilen des Altarzneimittels und den/des arzneilich
wirksamen Bestandteilen/Bestandteils des geänderten Arzneimittels hin.
54
Für ein solches Verständnis der Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG
lassen sich auch systematische Erwägungen anführen. Insoweit ist in den Blick zu
nehmen, dass unter Nrn. 1 bis 4 des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG
Änderungsmöglichkeiten für fiktiv zugelassene Altarzneimittel im Einzelnen beschrieben
und ausnahmslos auf Teilbereiche begrenzt sind. Die Ausgestaltung dieser
Änderungsmöglichkeiten indiziert damit, dass im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2
Nr. 5 AMNG eine Änderung ebenfalls nur in einem begrenzten Umfang zugelassen und
damit der Totalaustausch der arzneilich wirksamen Bestandteile nicht ermöglicht
werden sollte. Hierfür spricht nicht zuletzt, dass eine weite Auslegung der Nr. 5 des Art.
3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG im Ergebnis dazu führen würde, dass die dort unter Nrn. 1
bis 4 vorgesehenen beschränkten Änderungsmöglichkeiten im Einzelfall unterlaufen
werden könnten, wobei das jeweilige Arzneimittel lediglich dem gleichen
Anwendungsbereich und der gleichen Therapierichtung zuzuordnen sein müsste. Ein
solche Konsequenz würde die Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG jedoch
insgesamt in Frage stellen.
55
OLG Karlsruhe, a.a.O., S. 213.
56
Vor diesem Hintergrund sowie mit Blick darauf, dass die Versuchung, einen
Totalaustausch vorzunehmen und dennoch die erleichterte Nachzulassung zu erhalten,
nahe liegt, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit des
Austausches aller arzneilich wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels im Rahmen
des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ausdrücklich geregelt und damit die dort
57
beschriebenen Änderungsmöglichkeiten anders - etwa in der Form einer
generalklauselartigen Regelung - ausgestaltet hätte, wenn er diesen hätte zulassen
wollen. Dass der Gesetzgeber die Möglichkeit des Totalaustausches im Rahmen des
Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG nicht eröffnen wollte, erschließt sich im Übrigen
letztlich auch aus der die Bezeichnung des geänderten Arzneimittels betreffenden
Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 3 AMNG. Die dort vorgesehene Pflicht zur
Benutzung der bisherigen Bezeichnung mit einem Zusatz wäre im Falle der Möglichkeit
eines Totalaustausches sinnwidrig; sinnvoll wäre für diesen Fall vielmehr eine Pflicht
zur Verwendung einer neuen Bezeichnung oder die Einräumung eines Rechts zur
Benutzung der mit einem Zusatz versehenen bisherigen Bezeichnung.
Der (weitere) Kontext, in dem die im Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG vorgesehenen
Änderungsmöglichkeiten zu bewerten sind, bestätigt die vorstehenden Erwägungen.
Insoweit ist von Bedeutung, dass Art. 3 AMNG in seiner Gesamtheit, mithin auch im
Rahmen des Art. 3 § 7 AMNG und der dort in Abs. 3a Satz 2 geregelten - wenngleich
erst durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 11. April 1990
(BGBl. 717 (724 f.)) eingefügten - Änderungsmöglichkeiten, Übergangsvorschriften für
die Zulassung von Arzneimitteln enthält, die sich bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens
des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (BGBl. I S.
2445 (2482)), also am 01. Januar 1978 im Verkehr befunden haben. Der diesen
Vorschriften und insbesondere den nach Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG gegebenen
Änderungsmöglichkeiten zu Grunde liegende Gedanke des Bestandsschutzes darf nicht
aus dem Blick geraten. Die Zubilligung von Bestandsschutz im Rahmen des Art. 3 § 7
Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ist allerdings dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die
arzneilich wirksamen Bestandteile des ursprünglichen und des geänderten
Arzneimittels nicht wenigstens teilweise identisch sind. Denn beim Austausch aller
arzneilich wirksamen Bestandteile existiert das ursprüngliche Arzneimittel faktisch nicht
mehr. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass das ursprüngliche und das neue
Arzneimittel demselben Anwendungsbereich und derselben Therapierichtung
zuzuordnen sind. Es handelt sich insoweit um übergeordnete Kategorien, die nicht
geeignet sind, das jeweilige Arzneimittel hinreichend zu individualisieren. Schon vor
diesem Hintergrund ist - ungeachtet der Frage, wie insbesondere der Begriff des
"Anwendungsbereichs" zu verstehen ist - die Annahme ungerechtfertigt, wegen der
Beibehaltung des Anwendungsbereichs und der Therapierichtung sei im Rahmen des
Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG Bestandsschutz zuzubilligen.
58
Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002, a.a.O.; Beschluss vom 14. Februar 1992,
a.a.O.; OLG Frankfurt, Urteile vom 12. September 1996, a.a.O., S. 229, und vom 11.
Dezember 1995, a.a.O.
59
Der Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit, mit dem im Gesetzgebungsverfahren die
erleichterte Anpassung fiktiv zugelassener Arzneimittel an bestehende
Aufbereitungsmonographien - beiläufig - begründet wurde,
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vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes, Bundestags-Drucksache 11/5373, S. 19,
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gebietet keine andere Bewertung. Das angeführte Motiv der Arzneimittelsicherheit war
berechtigt. Dass eine erleichterte, weil schneller und unkomplizierter zu bewilligende
Anpassung eines Altarzneimittels an eine Aufbereitungsmonographie etwa mit Blick auf
eine angepasste Dosierung oder angepasste Wirkstoffanteile die Gefahr einer
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unnötigen Belastung des menschlichen Organismus verringert und das Heilwirkung-
Risiko-Verhältnis verbessert, liegt auf der Hand. Es besagt aber nicht, dass der
Gesetzgeber eine Anpassung und damit Veränderung eines Altarzneimittels auch dann
noch annehmen wollte, wenn durch einen vollständigen Austausch der arzneilich
wirksamen Bestandteile ein neues Arzneimittel entsteht. Dem kann nicht entgegnet
werden, bei Beibehaltung eines einzelnen arzneilich wirksamen Bestandteils aus einem
Kombinationsarzneimittel entstehe letztlich ebenfalls ein neues Arzneimittel und die mit
Blick auf die Volksgesundheit relevante Arzneimittelsicherheit sei im Rahmen des Art. 3
§ 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG sowohl bei einem Totalaustausch als auch bei einem
Teilaustausch der arzneilich wirksamen Bestandteile dadurch gewährleistet, dass das
neue Arzneimittel einer Aufbereitungsmonographie entspreche. Folgte man dieser
Argumentation, hätte jeder pharmazeutische Unternehmer ohne weitere
Voraussetzungen hinsichtlich der Altarzneimittel, die einer solchen Monographie
entsprechen, vom Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG befreit werden müssen.
Diese Entscheidung hat der Gesetzgeber aber gerade nicht getroffen, sondern
grundsätzlich auch solche Arzneimittel dem Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG
unterworfen.
Vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 11. Dezember 1995, a.a.O.
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Im Übrigen setzt die Anpassung an eine Aufbereitungsmonographie gerade nicht
voraus, dass sich der pharmazeutische Unternehmer von bedenklichen Bestandteilen
eines Arzneimittels trennt. Ihm ist vielmehr auch die Möglichkeit der Anpassung von
Arzneimitteln, die völlig unbedenkliche arzneilich wirksamen Bestandteile enthalten,
aus rein wirtschaftlichen Motiven eröffnet.
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Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002, a.a.O.; Beschluss vom 14. Februar 1992,
a.a.O.
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Insoweit fügt sich, dass die Anpassung von Arzneimitteln an
Aufbereitungsmonographien nach dem AMG-Erfahrungsbericht 1993,
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vgl. AMG-Erfahrungsbericht 1993, Nr. 2.2.23.1, Bundestags-Drucksache 12/5226, S. 46,
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häufig aus wirtschaftlichen Erwägungen und eben nicht aus Gründen der
Arzneimittelsicherheit erfolgt ist.
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Eine enge Auslegung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ist schließlich nicht
zuletzt auch deshalb vorzugswürdig, weil nur eine solche mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar
ist. Der Verzicht auf das Erfordernis eines aufwendigen Zulassungsverfahrens nach §§
21 ff. AMG im Falle der Anpassung eines Altpräparats an eine
Aufbereitungsmonographie stellt eine Bevorzugung des Inhabers der fiktiven Zulassung
gegenüber den sonstigen pharmazeutischen Unternehmern dar, die, auch wenn das
jeweils zuzulassende Arzneimittel einer Aufbereitungsmonographie entspricht, in jedem
Fall das Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG durchlaufen müssen. Eine solche
Bevorzugung geht weit über das hinaus, was nach den vorstehenden Ausführungen
durch den Bestandsschutz gewährleistet werden sollte.
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Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002, a.a.O.; Beschluss vom 14. Februar 1992,
a.a.O.; OLG Frankfurt, Urteil vom 12. September 1996, a.a.O., S. 229.
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Die Zulassung des Totalaustausches im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5
AMNG bzw. mit Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes vom 09. August 1994 (BGBl. I S. 2071 (2082, 2086)) im Rahmen
des § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG würde im Übrigen eine erhebliche Belebung des
Handels mit Zulassungen von Arzneimitteln bewirken, die nicht mehr oder kaum noch
vertrieben werden, wobei der Erwerber sich allein an dem jeweiligen
Anwendungsbereich und der jeweiligen Therapierichtung des Arzneimittels orientieren
und sodann nach dem Erwerb dessen arzneilich wirksame Bestandteile vollständig
austauschen und im Wege der Änderungsanzeige folglich ein völlig anderes
Arzneimittel in den Verkehr bringen könnte. Die damit einhergehende Umgehung des
Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG kann schon aus den genannten
verfassungsrechtlichen Gründen nicht Zweck der gesetzlichen Regelung sein.
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Vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 12. September 1996, a.a.O., S. 229.
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Schließlich ist auch dem Einwand der Klägerin, für Monopräparate bestünden, wenn die
Zulässigkeit des Totalaustausches verneint würde, keine Änderungsmöglichkeiten nach
Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG, kein Gewicht beizumessen. Dieser Aspekt ist -
wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - vielmehr als Folge der Regelung
hinzunehmen.
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Dass das BGA bzw. später das BfArM in der Vergangenheit seine behördliche Praxis
auf die Annahme gestützt hat, ein Totalaustausch sei zulässig, vermag an der
dargelegten Rechtslage nichts zu ändern.
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b) Das streitbefangene Arzneimittel enthielt nach den Angaben im Kurzantrag bis zu der
am 27. Oktober 1993 angezeigten Änderung die arzneilich wirksamen Bestandteile
"Acetylsalicylsäure, Benzocain, Fluidextrakt aus Kamillenblüten und Menthol". Nach der
Änderung wies es ausschließlich den arzneilich wirksamen Bestandteil "Myrrhentinktur"
auf. Alle vor der Änderung enthaltenen arzneilich wirksamen Bestandteile sind mithin
durch einen - zuvor nicht enthaltenen - arzneilich wirksamen Bestandteil ersetzt worden.
Dieses lässt Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG - wie dargelegt - nicht zu.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 der
Zivilprozessordnung (ZPO).
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
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