Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.10.2009

OVG NRW (verwaltungsgericht, kläger, bezug, antrag, deutsch, ausdrücklich, bewertung, begründung, angabe, inhalt)

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 1772/07
Datum:
28.10.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 1772/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 8 K 2723/06
Tenor:
Der Antrag der Kläger zu 2. und 3. wird verworfen.
Der Antrag des Klägers zu 1. wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag der Kläger zu 2. und 3. ist schon deshalb unzulässig, weil das
Verwaltungsgericht ihre Klage als unzulässig abgewiesen hat und hierzu jede
Darlegung in der Zulassungsbegründung fehlt.
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Der Antrag des Klägers zu 1. ist unbegründet. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu
ernstlichen Zweifeln i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es vermag die – selbständig
tragende - Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu erschüttern, der Kläger zu 1. sei
nicht in der Lage, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen.
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Soweit gerügt wird, das Verwaltungsgericht habe entgegen der Rechtsauffassung des
Bundesverwaltungsgerichts grammatikalische Mängel mit in die Gesamtwürdigung
einbezogen, wird verkannt, dass das Bundesverwaltungsgericht grammatikalischen
Mängeln nicht von vornherein jede Bedeutung abgesprochen hat. So hat das
Verwaltungsgericht auf Seite 11, 3. Absatz, des Urteilsabdrucks in Übereinstimmung mit
der zum Teil wörtlich zitierten und ausdrücklich in Bezug genommenen Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt, dass "der Antragsteller ... weder über einen
‚umfassenden deutschen Wortschatz‘ verfügen" müsse "noch in ‚grammatikalisch
korrekter Form‘ bzw. ‚ohne gravierende grammatikalische Fehler‘ sprechen können ..."
müsse. Auf Seite 12, 1. Absatz, des Urteilsabdrucks hat es darüber hinaus ausgeführt,
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dass "Fehler in Satzbau, Wortwahl und Aussprache nicht schädlich sind, wenn sie nach
Art oder Zahl dem richtigen Verstehen nicht entgegenstehen". Auch nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können also gravierende und damit
grundlegende grammatikalische Defizite, soweit sie das Verstehen beeinträchtigen,
durchaus eine negative Bewertung der jeweiligen Sprachkompetenz rechtfertigen.
Nichts anderes ergibt sich aus dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen
Beschluss des beschließenden Gerichts vom 22. September 2005 – 2 A 4247/04 -, in
dem neben Verständnisschwierigkeiten auch "fehlende grammatische
Grundkenntnisse" als relevant angesehen worden sind.
In diesem Sinne, also in der Annahme grundlegender grammatikalischer Defizite, sind
die entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu verstehen, wobei diese
in der Bewertung ohnehin zurücktreten. Maßgebend für das Verwaltungsgericht sind
ausweislich der Entscheidungsgründe auf Seite 11, 3. Absatz, bis Seite 13, letzter
Absatz, des Urteilsabdrucks nicht die durchgängig festgestellten grammatikalischen
Mängel gewesen; vielmehr war für das Verwaltungsgericht im Rahmen der
Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der Angabe des Klägers zu 1. in seinem
Aufnahmeantrag, wonach er "wenig" Deutsch verstehe (Nr. 14.4 des Antragsformulars),
des Ergebnisses des Sprachtests vom 2. September 2002 und der persönlichen
Anhörung des Klägers zu 1. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. Januar
2007 entscheidend, dass bei dem Kläger zu 1. "die Fähigkeit zu einem einigermaßen
flüssigen Austausch in Rede und Gegenrede auf Deutsch und damit die nach dem
Gesetz erforderliche ‚Dialogfähigkeit‘ nicht festgestellt werden kann",
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vgl. zu dieser Anforderung: BVerwG, Urteil vom 4. September 2003 – 5 C
33.02 –, BVerwGE 119, 6 ff.; im Übrigen auch: BVerwG, Urteil vom 4.
September 2003 – 5 C 11.03 –, NVwZ 2004, 753,
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weil er "häufig längere Denkpausen eingelegt" und "zahlreiche der ihm gestellten,
einfach formulierten Fragen nicht verstanden" habe, "indem er viele Fragen
unbeantwortet ließ bzw. indem er, ohne die Frage verstanden zu haben, ersichtlich nur
auf ein Stichwort reagiert hat .... oder er hat vielfach Antworten gegeben, die am Inhalt
der Fragen vorbeigingen bzw. deren Inhalt und Sinn sich nicht erschließen lassen ...".
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Gegen diese Feststellungen und die hierzu gegebenen Erläuterungen in den
Entscheidungsgründen sind Einwände in der Begründung des Zulassungsantrags nicht
erhoben worden.
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Soweit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
geltend gemacht wird, fehlt es schon an der Darlegung einer abstrakten Rechtsfrage
oder einer verallgemeinerungsfähigen Tatsachenfrage, die entscheidungserheblich und
klärungsbedürftig sein soll.
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Die angefochtene Entscheidung weicht in der Bewertung grammatikalischer Defizite
weder ausdrücklich noch konkludent i.S.d § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von dem – in dem
angefochtenen Urteil ausdrücklich in Bezug genommenen - Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2003 – 5 C 11.03 –, a.a.O., ab. Zur
Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
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Schließlich bleibt auch die erhobene Verfahrensrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) ohne
Erfolg. Angesichts der eigenen Angabe des Klägers zu 1. in seinem Aufnahmeantrag
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sowie des wiederholt erbrachten Nachweises unzureichender deutscher Sprach-
kenntnisse drängten sich insoweit im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86
Abs. 1 VwGO) weitere Sachverhaltsermittlungen nicht auf.
Fehlt es – wie hier – in Bezug auf die selbständig tragende Begründung des
Verwaltungsgerichts, der Kläger zu 1. sei nicht in der Lage, ein einfaches Gespräch auf
Deutsch zu führen, an durchgreifenden Zulassungsgründen, kommt es auf den ebenfalls
selbständig tragenden Aspekt der Abstammung (einschließlich der vom
Verwaltungsgericht angenommenen Indizwirkung des Eintritts der Bestandskraft des die
Aufnahme des Vaters des Klägers zu 1. ablehnenden Bescheides vom 16. Januar 2006)
und die – vom Verwaltungsgericht ohnehin als wahr unterstellte - familiäre Vermittlung
deutscher Sprachkenntnisse sowie die hierzu erfolgten Darlegungen in der Begründung
des Zulassungsantrags nicht mehr an.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der
Streitwertfestsetzung – nach §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG unanfechtbar.
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4
VwGO).
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