Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 04.06.2003

OVG NRW: bautiefe, vorbescheid, anbau, grundstück, garage, form, gebäude, einheit, abgrenzung, ermessen

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 3557/02
Datum:
04.06.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 A 3557/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 10 K 4792/99
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 40.903,35 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e: I. Die Klägerin begehrt die Erteilung eines planungsrechtlichen
Bauvorbescheids für die Errichtung eines 8-Familien-Wohnhauses auf dem in ihrem
Eigentum stehenden, westlich der Q. straße in E. gelegenen Grundstück Gemarkung M.
Flur 1 Flurstück 673.
1
Die tatsächlich vorhandene, nicht von Geltungsbereich eines Bebauungsplans erfasste
Bebauung an der Westseite der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Q. straße stellt sich
wie folgt dar:
2
Rd. 400 m südlich bzw. rd. 100 m nördlich der Zufahrt zum Grundstück der Klägerin
führen von der Q. straße die Straße In den C. bzw. der M. I. weg nach Westen. Zwischen
diesen Straßen verläuft westlich der Q. straße die Straße X. , die wegen ihres
geschwungenen Verlaufs unterschiedliche Abstände zu der gradlinigen Q. straße
aufweist. Im südlichen Bereich bis zu den bogenförmig aneinander gebauten Häusern
X. 30-34 beträgt der Abstand zwischen 80 und gut 110 m, während sich die Straße X. im
weiteren Verlauf nach Norden ab dem Doppelhaus X. 26/28 - hier beträgt der Abstand
zwischen den Straßen gut 90 m - immer weiter von der Q. straße entfernt; bei der
Einmündung in den M. I. weg erreicht sie einen Abstand von rd. 190 m zur Q. straße .
3
Dieses in Nord-Süd-Richtung insgesamt 500 m langen Geviert ist rundum praktisch
lückenlos straßennah bebaut, wobei die Bebauung unterschiedlich weit in das
Hintergelände hinein reicht. Im südlichen Teil des Gevierts bis zu der Bebauung X. 30-
34 reicht die der Straße X. zugeordnete Bebauung mit Wohnhäusern stellenweise (X.
30-34, 36-44 und 46-50) bis 40 bzw. 50 m und die der Q. straße zugeordnete Bebauung
mit Wohnhäusern stellenweise (Q. straße 28-28b) gleichfalls bis 50 m in den inneren
Bereich des Gevierts hinein. In dem auch das Grundstück der Klägerin erfassenden
nördlichen Teil des Gevierts ab der Bebauung X. 30-34 reicht die Straßenrandbebauung
mit Wohnhäusern nebst Anbauten an allen Straßen (X. , M. Hellweg, Q. straße ) mit
wenigen Ausnahmen zumeist nur 20 bis 25 m in das Hintergelände hinein, in dem sich
einzelne Gartenhäuser und andere Nebenanlagen (z.B. Garagen oder Lagerschuppen)
befinden.
Unter dem 23. Februar 1996 war der Klägerin vom Beklagten ein planungsrechtlicher
Vorbescheid für die Errichtung eines größeren Wohnhauses auf dem rückwärtigen, mit
einer rd. 3 m breiten und gut 40 m langen Zufahrt an die Westseite der Q. straße
angebundenen Teil des heutigen Flurstücks 673 erteilt worden. Eine Verlängerung
dieses von der Klägerin nicht ausgenutzten Vorbescheids lehnte der Beklagte mit
Bescheid vom 29. April 1998 ab, gegen den die Klägerin erfolglos Widerspruch erhob.
Ihre Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Verlängerung des Vorbescheids (10 K
1780/99 VG Gelsenkirchen) hat die Klägerin am 21. Februar 2002 zurückgenommen.
4
Mit weiterer Bauvoranfrage 12. September 1998 reichte die Klägerin beim Beklagten
Pläne und eine Berechnung zum Maß der baulichen Nutzung für ein geändertes
Vorhaben ein und beantragte einen entsprechenden planungsrechtlichen Vorbescheid.
Dieses im vorliegenden Verfahren strittige Objekt soll bei einer Grundfläche von 27,32 x
10,12 m insgesamt 3-4 Vollgeschosse aufweisen und mit einer maximalen Bautiefe von
gut 50 m etwas weniger weit von der Q. straße enden als das früher vorgesehene
Wohnhaus. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. Dezember 1998 ab,
weil sich das strittige Vorhaben wegen seines Standorts nicht in die Eigenart der
näheren Umgebung einfüge. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies
die Bezirksregierung Arnsberg mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 1999 als
unbegründet zurück.
5
Die Klägerin hat am 27. September 1999 Klage erhoben, zu deren Begründung sie sich
insbesondere auf das weiter südlich gelegene Gebäude Q. straße 28- 28b berief, das für
den Vorbescheid vom 23. Februar 1996 noch als Vergleichsobjekt herangezogen
worden war.
6
Die Klägerin hat im Verfahren I. Instanz folgende Anträge gestellt:
7
1. Der Beklagte wird verpflichtet, den Ablehnungsbescheid vom 07.12.1998 in der
Bauakte 63/2-3-23873 des Bauordnungsamtes E. in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 23.08.1999 der Bezirksregierung Arnsberg aufzuheben.
8
2. Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag auf Erlass eines Bauvorbescheids vom
18.09.1998 in der Bauakte 63/2-3-23873 durch den Dipl.-Ing. Architekt L. -G. X. zu
bewilligen.
9
3. Hilfsweise: Der Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid des Bauordnungsamtes E.
vom 7.12.1998 zur Bauakte 63/2-3-23873 in der Form des Widerspruchsbescheides
10
vom 23.08.1999 ermessensfehlerfrei zu erlassen.
Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und
den Beklagten zur Erteilung des beantragten Vorbescheids verpflichtet, weil seiner
Auffassung nach der Baukomplex Q. straße 28-28b mit einer Bautiefe von 53 m die
maßgebliche Umgebung mitpräge und Vorbild für das von der Klägerin geplante
Mehrfamilienhaus sei.
13
Auf den Zulassungsantrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 14. Januar
2003, dem Beklagten zugestellt am 22. Januar 2003, die Berufung zugelassen. Der
Beklagte hat fristgerecht einen Berufungsantrag gestellt und die Berufung begründet. Er
trägt insbesondere vor, die maßgebliche Umgebung für das strittige Vorhaben erstrecke
sich nur auf den nördlichen Bereich des Gevierts, der im Süden mit den Häusern X. 28
und - diesem schräg gegenüber - Q. straße 48 ende. In diesem Bereich seien die
Hauptgebäude ausschließlich als Straßenrandbebauung errichtet. Ein Vorbild für die
von der Klägerin geplante Hinterlandbebauung sei nicht vorhanden.
14
Der Beklagte beantragt,
15
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
16
Die Klägerin beantragt,
17
die Berufung zurückzuweisen.
18
Sie meint insbesondere, der Baukomplex Q. straße 28-28b präge den vorgesehenen
Standort ihres Mehrfamilienhauses mit, weil keine trennenden Elemente zwischen
diesen Gebäudestandorten vorhanden seien.
19
Der Berichterstatter des Senats hat am 8. April 2003 eine Ortsbesichtigung durchgeführt.
Auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird verwiesen.
20
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte 10 K 1780/99 VG
Gelsenkirchen, der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, Lichtbilder und
Pläne sowie den Widerspruchsvorgang der Bezirksregierung Arnsberg ergänzend
Bezug genommen.
21
II.
22
Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a VwGO durch
Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Sach- und Rechtslage ist im Ortstermin des
Berichterstatters des Senats mit den Beteiligten eingehend erörtert worden, namentlich
auch im Hinblick auf die hier entscheidungserhebliche Frage des Einfügens hinsichtlich
des Tatbestandsmerkmals "Grundstücksfläche, die überbaut werden soll". Die
Beteiligten haben hinreichend Gelegenheit gehabt, ihre Standpunkte hierzu darzulegen,
23
und die Klägerin hat dies mit ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 26. Mai 2003 auch
genutzt.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit dem Haupt-(Verpflichtungs-)begehren, das
der Sache nach darauf abzielt, den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen
Bescheide zur Erteilung des beantragten Vorbescheids zu verpflichten, zu Unrecht
stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten
planungsrechtlichen Vorbescheids, weil das zur Genehmigung gestellte Vorhaben
bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
24
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich unstreitig nach § 34
BauGB, weil es nicht im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans, wohl
aber innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils errichtet werden soll.
Unproblematisch ist auch das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung
hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale "Art und Maß der baulichen Nutzung" sowie
"Bauweise". Strittig ist lediglich, ob sich das Vorhaben auch hinsichtlich des
Tatbestandsmerkmals "Grundstücksfläche, die überbaut werden soll", in die Eigenart
der näheren Umgebung einfügt. Diese Frage ist - mit dem Beklagten und entgegen der
Wertung des Verwaltungsgerichts - zu verneinen.
25
Entscheidend für die Frage des Einfügens nach dem genannten Tatbestandsmerkmal
ist hier die räumliche Abgrenzung der maßgeblichen Umgebung, in deren Eigenart sich
das strittige Vorhaben einfügen muss. Dabei ist die maßgebliche Umgebung nicht für
alle Tatbestandsmerkmale des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB identisch, vielmehr kann die
maßgebliche Umgebung je nach dem betrachteten Tatbestandsmerkmal des § 34
BauGB durchaus unterschiedlich sein.
26
Vgl.: Kuschnerus, Das zulässige Bauvorhaben, RdNr. 249.
27
Ferner kann gerade auch die Einheitlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit der Bebauung ein
Kriterium für die Abgrenzung der näheren Umgebung sein.
28
Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 29. April 1997 - 4 B 67.97 - BRS 59 Nr. 80.
29
Maßgeblich ist dabei insbesondere, inwieweit die Umgebung ihrerseits den
bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.
30
Vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 - BRS 33 Nr. 36.
31
Nach Maßgabe dieser Kriterien erfasst die maßgebliche Umgebung des Standorts des
strittigen Vorhabens nicht - wie das Verwaltungsgericht meint - den gesamten Bereich
des Gevierts, das von der Q. straße sowie den Straßen In den C. , X. und M. I. weg
umschlossen wird. Dieses ist hinsichtlich der näheren Umgebung für das Merkmal der
überbaubaren Grundstücksfläche vielmehr in zwei gesondert zu beurteilende Bereiche
aufzuteilen.
32
Diese Aufteilung folgt allerdings nicht aus den im Schriftsatz der Klägerin vom 26. Mai
2003 angeführten topografischen Gegebenheiten. Diese lassen in der Tat keine
städtebaulich relevante Zäsur erkennen, die einen Bereich der maßgeblichen
Umgebung von einem rechtlich anders zu wertenden Bereich trennt.
33
Zu den hierfür einschlägigen Aspekten vgl. etwa: BVerwG, Beschluss vom 20. August
1998 - 4 B 79.98 - BRS 60 Nr. 176.
34
Entscheidend ist hier jedoch das bereits angesprochene Kriterium der Einheitlichkeit
bzw. Unterschiedlichkeit der Bebauung. Aus dessen Anwendung folgt nach dem
Eindruck in der Örtlichkeit, den der Berichterstatter des Senats vor Ort gewonnen und
dem Senat vermittelt hat und der durch das umfangreiche dem Senat vorliegende
Lichtbild- und Kartenmaterial verdeutlicht wird, dass die Bebauung des genannten
Gevierts in einen südlichen und einen nördlichen Bereich aufzuteilen ist, die jeweils
einheitliche Strukturen aufweisen, die die beiden Bereiche eindeutig unterschiedlich
prägen.
35
Der südliche Bereich von der Straße In den C. bis zu der gedachten Linie vom
Baukomplex X. 30-34 zu den Gebäuden Q. straße 46 bzw. 48, der in etwa die Form
eines länglichen Rechtecks aufweist und auch den von der Klägerin sowie dem
Verwaltungsgericht als "Vergleichsobjekt" gewerteten Baukomplex Q. straße 28-28b
umfaßt, ist geprägt durch eine praktisch flächendeckend erscheinende Bebauung mit -
dem äußeren Anschein nach nahezu ausschließlich - Wohnhäusern nebst zugehörigen
Nebenanlagen. Sowohl die der Straße X. als auch die der Q. straße zugeordneten
Wohnhäuser reichen dabei teilweise bis gut 50 m in das Hintergelände hinein und damit
jeweils bis zur Mitte dieses Rechtecks bzw. sogar darüber hinaus. Die den beiden
Straßen zugeordneten Wohnhäuser sind praktisch ineinander verzahnt und lassen
damit den gesamten Bereich die Rechtecks als mit Hauptgebäuden bebaut erscheinen
mit der Folge, dass nahezu jeder Standort dieses Bereichs als nach § 34 BauGB
überbaubar zu werten ist.
36
Demgegenüber öffnet sich von der gedachten Linie vom Baukomplex X. 30-34 zu den
Gebäuden Q. straße 46 bzw. 48 in Richtung Norden ein sich bis zur
Straßenrandbebauung des M. Hellwegs kontinuierlich verbreiternder, etwa
dreieckförmiger unbebauter Freiraum, der von weniger weit in das Hintergelände hinein
reichender Straßenrandbebauung umschlossen ist. In diesen als Einheit erscheinenden
Freiraum, der in Nord-Süd-Richtung auf rund 200 m Länge eine Breite von 50 bis weit
über 100 m aufweist, sind lediglich einige wenige kleinere, eindeutig als Nebenanlagen
zu qualifizierende bauliche Anlagen eingestreut. Diese lassen den gesamten Freiraum
in seiner Einheit als nicht mit Hauptgebäuden bebaubares Hintergelände erscheinen,
denn eine rückwärtige Bebauung mit einem Hauptgebäude fügt sich nach der
bebaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn
im hinteren Bereich der umliegenden Grundstücke nur Nebenanlagen vorhanden sind.
37
So ausdrücklich: BVerwG, Beschluss vom 6. November 1997 - 4 B 172.97 - BRS 59 Nr.
79.
38
Als Nebenanlagen in diesem Sinne sind insbesondere auch die Baukörper auf dem
dem Antragsgrundstück benachbarten Flurstück 356 zu qualifizieren, bei denen es sich
nach den örtlichen Feststellungen des Berichterstatters des Senats um einen
eingeschossigen, derzeit zu Lagerzwecken genutzten Schuppen (vergleichbar einer
größeren Garage) sowie eine Garage handelt.
39
Der Umstand, dass in dem etwa dreieckförmigen nördlichen Bereich des Gevierts die
Straßenrandbebauung mit Wohnhäusern unterschiedliche Bautiefen aufweist, steht der
Qualifizierung des Hintergeländes, zu dem auch das von der Klägerin zur Bebauung
40
vorgesehene Flurstück 673 - abgesehen von der schmalen Zufahrt zur Q. straße -
gehört, als nicht nach § 34 BauGB mit Hauptnutzungen bebaubares Hintergelände nicht
entgegen. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob auch der schmale rückwärtige Anbau an
das Gebäude Q. straße 64, der zu Wohnzwecken genutzt wird, noch zu dem als
überbaubar zu qualifizierenden Bereich der Straßenrandbebauung gehört oder ob er
wegen seiner gleichsam als einzelner Finger in das Hintergelände vordringenden
Singularität als nicht-prägender Fremdkörper zu werten ist.
Zu den Kriterien für die Annahme eines nicht- prägenden Fremdkörpers vgl.
grundlegend: BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 23.86 - BRS 50 Nr. 75.
41
Selbst wenn man diesen Anbau als mitprägend werten würde, ließe sich daraus zu
Gunsten des Vorhabens der Klägerin nichts herleiten. Der Anbau weist von der Q.
straße aus gesehen lediglich eine maximale Bautiefe von rd. 35 m auf und endet damit
noch deutlich vor dem Standort des strittigen Vorhabens, das erst in einer Tiefe von
deutlich über 40 m beginnen und mit einer Bautiefe von deutlich über 50 m enden soll.
42
Hat das strittige Vorhaben nach alledem kein Vorbild in der maßgeblichen Umgebung,
erweist es sich auch nicht deshalb trotz Überschreitung des aus der maßgeblichen
Umgebung abzuleitenden Rahmens - ausnahmsweise - als zulässig, weil es keine
bodenrechtlich relevanten Spannungen hervorrufen würde.
43
Zu diesem Kriterium vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -
BRS 33 Nr. 36.
44
Solche bodenrechtlichen Spannungen sind hier vielmehr zu bejahen, weil das den
Rahmen überschreitende Vorhaben wegen der von ihm ausgehenden Vorbildwirkung
für weitere Hinterlandbebauung die gegebene Situation in negativer Hinsicht in
Bewegung und damit in Unordnung bringt.
45
Vgl.: BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1994 - 4 C 13.93 - BRS 56 Nr. 61.
46
Es liegt auf der Hand, dass bei Zulassung des strittigen Vorhabens die konkrete Gefahr
weiteren Vordringens von Hauptgebäuden in das hier maßgebliche Freigelände
besteht, indem vergleichbare Bauwünsche für das bereits mit Nebenanlagen bebaute
Flurstück 356, aber auch für weitere Hinterlandbebauung etwa auf den tief in das
Hintergelände hineinreichenden, nördlich des strittigen Grundstücks gelegenen
Flurstücken 603 bis 425 zu erwarten sind und schwerlich verhindert werden können.
47
Erweist sich nach alledem die Klage mit dem Haupt-(Verpflichtungs-)begehren als
unbegründet, ist auch für die mit dem Hilfsantrag begehrte Neubescheidung kein Raum.
Dieser Antrag geht von der - unzutreffenden - rechtlichen Einschätzung aus, die
planungsrechtliche Beurteilung von Vorhaben nach § 34 BauGB stehe im Ermessen der
Bauaufsichtsbehörde. Dies trifft nicht zu. Liegen für ein bestimmtes Vorhaben die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 34 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BauGB vor, besteht -
vorbehaltlich der bauordnungsrechtlichen Prüfung - ein Rechtsanspruch auf
planungsrechtliche Zulassung des Vorhabens. Ist - wie hier - eines der
Tatbestandsmerkmale der genannten Vorschrift hingegen zu verneinen, so ist der
Bauantrag bzw. die Bauvoranfrage abzulehnen. Ein Ermessen ist der
Bauaufsichtsbehörde insoweit nicht eröffnet.
48
Der Berufung des Beklagten war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1
VwGO stattzugeben.
49
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO.
50
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
51
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
52