Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.07.2004

OVG NRW (verhältnis zu, eltern, einkünfte, höhe, beschwerde, erlass, verwaltungsgericht, rückzahlung, anordnung, trennung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 16 B 889/04
Datum:
23.07.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 B 889/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 L 4674/03
Tenor:
Die auf die Ablehnung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung bezogene Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den
Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 26. März 2004 wird
zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des gerichtskostenfreien
Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
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Die Beschwerde, über die im Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter
entscheidet (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO), bleibt ohne Erfolg.
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Bereits auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts fehlt es jedenfalls an der
Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, d.h. der Notwendigkeit, zur Vermeidung
wesentlicher Nachteile eine Regelung zugunsten der Antragstellerinnen zu treffen.
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Soweit es um die Verhältnisse vom 18. Dezember 2003 (Eingang des Antrags auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht) bis zum 31. Januar
2004 geht, führt bereits die Gegenüberstellung des im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes zu sichernden Lebensbedarfs der Antragstellerinnen einerseits und der
ihnen in diesem Zeitraum zur Verfügung stehenden Einkünfte andererseits zur
Verneinung eines Anordnungsgrundes. Nachdem die Antragstellerin zu 2. am 15.
Dezember 2003 das siebente Lebensjahr vollendet hatte, standen der Antragstellerin zu
1. - im Grundsatz - nur noch Regelsatzleistungen in Höhe von 296 Euro sowie die
Übernahme des auf sie entfallenden hälftigen Unterkunftskostenanteils in Höhe von
200,29 Euro zu. Da es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs.
1 Satz 2 VwGO jedenfalls bei erwachsenen Hilfesuchenden zur Vermeidung
wesentlicher Nachteile ausreicht, den sich auf 80% des Regelsatzes belaufenden
unabweisbaren Grundbedarf zu sichern,
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vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. April 2004 - 22 B 539/04 -, vom 28. Mai 2004 - 12 B
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2638/03 - und vom 16. Juni 2004 - 16 B 711/04 -,
beschränkte sich der berücksichtigungsfähige monatliche Hilfebedarf der Antragstellerin
zu 1. auf 437,09 Euro. Dem standen Einkünfte in Gestalt der Unfallrente (275,19 Euro),
des Kindergeldes (154 Euro) - die Anrechnungsfreiheit gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 5 BSHG
ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO gleichfalls außer Acht zu lassen -
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Juni 2001 - 16 B 476/01 -
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und des bis zum 31. Januar 2004 gewährten Wohngeldes (217 Euro), insgesamt 646,19
Euro, gegenüber. Die Antragstellerin zu 1. konnte mithin nicht nur ihren eigenen
unabweisbar notwendigen Bedarf decken, sondern sogar noch entsprechend § 11 Abs.
1 Satz 2 BSHG einen Überschussbetrag von 209,10 Euro an die Antragstellerin zu 2.
"weitergeben". Bei der Antragstellerin zu 2. standen einem monatlichen Bedarf von
363,29 Euro (Regelsatz 163 Euro, Unterkunftskostenanteil 200,29 Euro) rechnerisch der
Barunterhalt in Höhe von 249 Euro als Einkommen sowie der "weiterzugebende"
Überschuss der Antragstellerin zu 1. von bis zu 209,10 Euro gegenüber, so dass
gleichfalls kein offener Restbedarf verblieb.
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Seit dem 1. Februar 2004 stellt sich die Lage für die Antragstellerinnen insoweit anders
dar, als kein Wohngeld mehr gezahlt wird. Auf der Grundlage der oben genannten
Bedarfspositionen und Einkünfte und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des
Anordnungsverfahrens nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO errechnet sich für die
Antragstellerin zu 1. ein Fehlbedarf von 7,90 Euro und für die Antragstellerin zu 2. ein
Fehlbedarf von 143,29 Euro; dabei bleibt unberücksichtigt, dass möglicherweise den
Antragstellerinnen auch für diesen Zeitraum Wohngeld bewilligt wird.
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An einem Anordnungsgrund fehlt es aber trotz der ermittelten Fehlbeträge, weil die
Antragstellerinnen Vermögen einsetzen können. Nach ihren eigenen Einlassungen
verfügt die Antragstellerin zu 1. über 48 Fondsanteile vom Typ "UniGlobalTitans 50 A",
für die gegenwärtig - mit den üblichen Schwankungen - ein Rücknahmepreis von 25,31
Euro pro Stück erzielt werden kann, insgesamt also 1214,88 Euro. Wenngleich das
sozialhilferechtliche Schonvermögen für die Antragstellerinnen 1.534 Euro beträgt (vgl.
§ 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG sowie § 1 Abs. 1 Satz 1 der dazu erlassenen Verordnung),
können die Antragstellerinnen darauf verwiesen werden, zur Vermeidung der
Inanspruchnahme einstweiligen gerichtlichen Rechtschutzes diese Mittel vorläufig zur
Deckung des durch laufende Einkünfte nicht ausgeglichenen Bedarfs einzusetzen.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 1997 - 24 B 3122/96 - und vom 31. Mai
2000 - 16 B 757/00 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Januar 1992 - 6 S
2681/91 -, FEVS 43, 410 (413).
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Sonstige Gesichtspunkte, wegen derer ein Einsatz des bezeichneten Vermögens keine
realisierbare oder zumutbare Möglichkeit zur vorläufigen Selbsthilfe sein könnte, sind
weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich geworden.
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Auf die Frage, ob dem Hilfebegehren der Antragstellerinnen sonstiges Vermögen der
Antragstellerin zu 1. entgegengehalten werden kann, kommt es mithin für dieses
Verfahren nicht an. Den Antragstellerinnen wird insoweit jedoch zu bedenken gegeben,
dass ihre bisherige Darstellung der Vermögenslage in erheblichem Maße unplausibel
ist und dieser Mangel nicht allein durch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung
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der Antragstellerin zu 1. ausgeglichen wird. Es leuchtet beispielsweise nicht ein, warum
die Eltern der Antragstellerin allen ihren Kindern unter Vorwegnahme des Erbganges
50.000 DM zuwandten und allein die Zuwendung an die Antragstellerin mit einer wie
auch immer gearteten "Pflegeauflage" verbanden. Es verwundert, warum allein die sich
abzeichnende Trennung der Antragstellerin zu 1. von ihrem früheren Ehemann
dauerhaft dagegen gesprochen haben soll, eine etwaige Pflegezusage zugunsten ihrer
Eltern zu erfüllen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die 50.000 DM zunächst in vollem
Umfang an die Antragstellerin zu 1. ausgezahlt wurden, wenn doch die Eltern der
Antragstellerin zu 1. gegen sie angeblich einen Anspruch auf Rückzahlung eines
"Ausbildungsdarlehens" in Höhe von 40.000 DM hatten. Es ist durchgreifend
unglaubhaft, dass die Eltern eine im Rahmen des Üblichen liegende Berufsausbildung
ihrer (damals) 19-jährigen Tochter erst nach Vereinbarung eines
"Ausbildungsdarlehens" ermöglichten und der Antragstellerin überdies die Rückzahlung
dieses Darlehens in Zeiten erheblicher persönlicher und finanzieller Bedrängnis und
zudem ausgerechnet aus den Mitteln abverlangten, die ihr aufgrund des
krankheitsbedingten Scheiterns der solchermaßen geförderten Berufstätigkeit
zugeflossen waren. In diesem gesamten Zusammenhang trägt zur Unglaubhaftigkeit
des Antragsvorbringens bei, dass die Eltern der Antragstellerin zu 1. in anderer Hinsicht
im Verhältnis zu den Antragstellerinnen durchaus großzügig in Erscheinung getreten
sind, etwa durch das Zurverfügungstellen von Kraftfahrzeugen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 und 188 Satz 2 VwGO.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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