Urteil des OVG Niedersachsen vom 25.09.2014

OVG Lüneburg: gewerbe, widerruf, niedersachsen, vervielfältigung, datenschutz, genehmigung, rücknahme, anwendungsbereich, bedürftigkeit, vertretung

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Erteilung einer Maklererlaubnis - Inaussichtstellen
der Restschuldbefreiung
OVG Lüneburg 7. Senat, Beschluss vom 25.09.2014, 7 PA 29/14
§ 34c Abs 1 S 1 Nr 1a GewO, § 34c Abs 2 GewO, § 287a InsO, § 291 InsO
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts
Osnabrück - 1. Kammer, Einzelrichter - vom 17. Februar 2014 geändert.
Dem Kläger wird für das Verfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe
bewilligt und Rechtsanwalt I. aus Hamburg zur Vertretung beigeordnet.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des
Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
vom 17. Februar 2014, mit dem dieses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
für das Klageverfahren abgelehnt hat, ist begründet.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 166 Absatz 1 Satz 1
VwGO iVm § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO voraus, dass der antragstellende
Verfahrensbeteiligte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in
Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig
erscheint. Die Voraussetzungen sind hier gegeben.
Der Kläger hat seine Bedürftigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht
hinreichend dargetan, nachdem er eine (weitere) Erklärung über die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 2 bis 4, 1
Abs. 1 PKHFV nachgereicht und seinen Vortrag, dass er wegen des Bezugs
von SGB II-Leistungen ein Klageverfahren beim Sozialgericht Osnabrück führe
und seinen Lebensunterhalt vorübergehend im Wesentlichen nur durch
Überbrückungsdarlehen bzw. Mietzinsstundungen seitens der Eltern seines
Lebenspartners bestreiten könne, durch eidesstattliche Versicherung vom
9. September 2014 glaubhaft gemacht hat.
Die Klage des Klägers, mit der dieser die Verpflichtung des Beklagten begehrt,
ihm eine Erlaubnis nach § 34c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. a) GewO (Maklererlaubnis)
zu erteilen bzw. den Beklagten zur Neubescheidung des Antrags vom 31. Mai
2013 zu verpflichten (vgl. dazu den Hilfsantrag vom 24.3.2014), hat nach
Maßgabe des Beschwerdevortrags hinreichende Aussicht auf Erfolg, wobei zu
berücksichtigen ist, dass die Anforderungen an dieses Erfordernis nicht
überspannt werden dürfen und die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu
dient, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren
der Prozesskostenhilfe zu verlagern (vgl. BVerfG, Beschl. vom 13.7.2005 - 1
BvR 175/05 -, FamRZ 2005, 1893).
Ob der Erteilung der begehrten Maklererlaubnis der Versagungsgrund der
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ungeordneten Vermögensverhältnisse im Sinne des § 34c Abs. 2 Nr. 2 GewO
wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens entgegensteht, erscheint entgegen
der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht eindeutig, jedenfalls nicht im
Sinne einer eindeutigen Bejahung dieser Frage. Das über das Vermögen des
Klägers geführte Insolvenzverfahren, auf welches sich der Beklagte und die
Vorinstanz in diesem Zusammenhang berufen haben, ist inzwischen in das
Restschuldbefreiungsverfahren übergegangen. Dem Kläger ist durch
rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 23. Mai 2014
gemäß § 291 InsO (a. F., vgl. nunmehr in § 287a InsO n. F.)
Restschuldbefreiung für die Zeit nach Ablauf der sechsjährigen
Wohlverhaltensperiode, welche am 25. November 2009 begonnen hat, in
Aussicht gestellt worden. Durch die Ankündigung der Restschuldbefreiung ist
ein Zustand erreicht, der eine Entschuldung des Schuldners - hier im
November 2015 - ernsthaft erwarten lässt. Die Restschuldbefreiung ist im
laufenden Insolvenzverfahren zunächst nur eine abstrakte Möglichkeit der
Schuldenbefreiung, die sich realisieren kann oder auch nicht. Die Möglichkeit
einer Schuldenbefreiung verdichtet sich aber zu einer konkreten Aussicht,
wenn das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung durch Beschluss
ankündigt (vgl. BGH, Beschl. vom 7.12.2004 - AnwZ (D) 40/04 -, NJW 2005,
1271; Beschl. vom 7.3.2005 - AnwZ (B) 7/04 -, NJW 2005, 1944; BVerwG, Urt.
vom 17.8.2005 - 6 C 15.04 -, NJW 2005, 3795; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt.
vom 8.12.2011 - 4 A 1115/10 -, GewArch 2012, 499). Dem Beschluss nach
§ 291 InsO (a. F.) kommt insoweit eine gesteigerte Ordnungsfunktion zu und er
stellt die Regelvermutung der ungeordneten Vermögensverhältnisse wegen
Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 34c Abs. 2 Nr. 2 GewO
durchgreifend infrage (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, aaO zu § 34d Abs. 2
Nr. 2 GewO).
Die weitere Frage, ob der Kläger aus anderen, unabhängig von dem
Restschuldbefreiungsverfahren zu betrachtenden Gründen in ungeordneten
Vermögensverhältnissen leben könnte, lässt sich derzeit ebenfalls nicht
eindeutig zu Lasten des Klägers beantworten. Der ablehnende Bescheid des
Beklagten vom 10. Dezember 2013 und der Beschluss des
Verwaltungsgerichts vom 17. Februar 2014 verhalten sich hierzu jedenfalls
nicht und das vorliegende Beschwerdeverfahren ist nicht darauf angelegt,
dieser Frage erstmalig unter eingehender Würdigung der aktuellen
wirtschaftlichen Lebensverhältnisse des Klägers nachzugehen. Zu den
Ausführungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 24. März 2014 ist
allerdings vorsorglich darauf hinzuweisen, dass er sich im Verfahren auf
Erteilung einer Erlaubnis nach § 34c Abs. 1 GewO nicht mit Erfolg auf § 12
GewO berufen kann. Wie sich dem Wortlaut dieser Vorschrift entnehmen lässt,
ist ihr Anwendungsbereich beschränkt auf Verfahren betreffend die
Untersagung eines Gewerbes oder die Rücknahme oder den Widerruf einer
Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die auf
ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist. Die Vorschrift ist
einer analogen Anwendung auf Verfahren, in denen um die Erteilung einer
Erlaubnis für ein noch nicht ausgeübtes Gewerbe gestritten wird, nicht
zugänglich (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 8.12.2011, aaO; Nds.
OVG, Beschl. vom 26.5.2014 - 7 PA 39/14 -). Nach der Gesetzesbegründung
hat die Vorschrift keine Bedeutung für Gewerbe, die der Schuldner - wie hier -
nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnen will (vgl.
BT-Drucks. 12/3803 S. 103).
Dass bei dem Kläger der Versagungsgrund der gewerberechtlichen
Unzuverlässigkeit im Sinne des § 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO vorliegt, erscheint
nach derzeitigem Erkenntnisstand ebenfalls nicht frei von Zweifeln. Der
Beklagte und ihm folgend das Verwaltungsgericht haben darauf hingewiesen,
dass der Kläger seine steuerlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten verletzt
habe. Er habe beim Finanzamt Osnabrück-Land Steuerrückstände in Höhe
von 8.628,25 EUR (Stand: 29.5.2013) entstehen lassen und
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Steuererklärungen verspätet bzw. nicht abgegeben. In Bezug auf die
Steuerrückstände spricht indes Erhebliches dafür, dass diese durch die in
Aussicht gestellte Restschuldbefreiung wegfallen; jedenfalls ist nicht
ersichtlich, dass es sich insoweit um ausgenommene Forderungen im Sinne
des § 302 InsO handelt. In Bezug auf das (sonstige) Steuerverhalten des
Klägers ist die entsprechende Mitteilung des Finanzamts Osnabrück-Land
vom 29. Mai 2013 im Übrigen nur wenig aussagekräftig. So ist z.B. unklar
geblieben, ob der Kläger seine Zahlungspflichten nur ausnahmsweise oder
aber wiederholt/nachhaltig verletzt haben soll. Auch in Bezug auf die
Steuererklärungspflichten „während der letzten 24 Monate“ heißt es nur
lapidar „immer verspätet“ sowie „die Jahressteuererklärungen liegen vor bis
einschließlich 2010“. Für die Annahme, der Kläger sei wegen Verletzung
seiner steuerlichen Pflichten unzuverlässig, sind diese Angaben zu dürftig.
Die Entscheidung über die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des
Klägers beruht auf § 166 VwGO iVm § 121 Abs. 2 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 166 VwGO iVm § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).