Urteil des OVG Niedersachsen vom 13.05.2014

OVG Lüneburg: ausweisung, hauptsache, vorläufiger rechtsschutz, härte, lebensgemeinschaft, montenegro, einreise, entwöhnungstherapie, befristung, wiederholungsgefahr

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Zu den Voraussetzungen für die einstweilige
Erteilung einer Betretenserlaubnis an einen
ausgewiesenen Ausländer zur Aufrechterhaltung von
Kontakten zu im Bundesgebiet lebenden
Familienangehörigen
OVG Lüneburg 8. Senat, Beschluss vom 13.05.2014, 8 ME 39/14
§ 11 Abs 2 S 1 AufenthG, Art 6 GG, § 123 VwGO, § 146 Abs 4 VwGO
Tenor
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg -
Einzelrichter der 11. Kammer - vom 17. März 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens wegen Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die vorläufige Erteilung einer Betretenserlaubnis.
Der 1981 geborene Antragsteller ist montenegrinischer Staatsangehöriger und
1992 erstmals in das Bundesgebiet eingereist. Er ist verheiratet und Vater
zweier Kinder, des 2004 geborenen montenegrinischen Staatsangehörigen B.
und der 2005 geborenen deutschen Staatsangehörigen C.. Der Antragsteller
schloss weder die Schule noch eine Berufsausbildung ab und war mit seiner
Familie zur Lebensunterhaltssicherung auf öffentliche Leistungen angewiesen.
Zuletzt verfügte der Antragsteller über eine Niederlassungserlaubnis.
Nach wiederholten strafgerichtlichen Verurteilungen in den Jahren 1997 bis
2007, unter anderem wegen Diebstahls, Betruges und unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln, verhängte das Amtsgericht D. mit Urteil vom 7. Dezember
2010 wegen unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln in 404 Fällen,
davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Vergehen gegen das
Waffengesetz, sowie wegen Besitzes einer nicht geringen Menge von
Betäubungsmitteln gegen den Antragsteller eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren, die vollstreckt worden ist.
Mit Bescheid vom 26. März 2012 wies der Antragsgegner den Antragsteller mit
unbefristeter Wirkung aus dem Bundesgebiet aus, forderte ihn zur Ausreise
aus dem Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Haftende auf und drohte
ihm die Abschiebung nach Montenegro an. Zur Begründung machte der
Antragsgegner geltend, der Antragsteller habe aufgrund der letzten
strafgerichtlichen Verurteilung den Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 2
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AufenthG verwirklicht. Da er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG
besonderen Ausweisungsschutz genieße, sei die zwingende Ausweisung zur
Regelausweisung herabgestuft. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Hilfsweise
werde der Antragsteller im Ermessenswege ausgewiesen. Unter
Berücksichtigung der begangenen schwerwiegenden Straftaten und der
hohen Wiederholungsgefahr überwiege auch angesichts der bisherigen
Entwicklung des Antragstellers und der nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK
schutzwürdigen Bindungen an das Bundesgebiet, insbesondere an seine Frau
und die gemeinsamen Kinder, das öffentliche Ausweisungsinteresse. Die
gegen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage nahm
der Kläger zurück.
Mit weiterem Bescheid vom 18. September 2012 befristete der Antragsgegner
die Wirkungen seiner Ausweisungsverfügung vom 26. März 2012 auf die
Dauer von vier Jahren. Zur Begründung verwies er auf den einerseits
schwerwiegenden Ausweisungsanlass und die hohe, auch durch die bisher
nicht erfolgreich therapierte Betäubungsmittelabhängigkeit begründete
Wiederholungsgefahr sowie andererseits die familiären Bindungen des
Antragstellers zu seiner im Bundesgebiet lebenden Ehefrau und den
gemeinsamen Kindern. Auch die gegen diesen Bescheid vor dem
Verwaltungsgericht erhobene Klage nahm der Antragsteller zurück.
Nachdem der Antragsteller am 12. Dezember 2013 aus der Strafhaft entlassen
worden war, reiste er am 15. Januar 2014 aus dem Bundesgebiet aus und lebt
seitdem in Montenegro.
Am 16. Januar 2014 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner die
Erteilung einer Betretenserlaubnis für die Dauer von zwei Wochen, um den
Kontakt zu seinen im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen halten zu
können. Die mit der Trennung von seinen noch kleinen Kindern verbundenen
Härten könnten durch die Betretenserlaubnis gemildert werden.
Nach Anhörung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 5. Februar 2014
die Erteilung der Betretenserlaubnis ab. Es läge weder ein die Anwesenheit
des Antragstellers im Bundesgebiet erfordernder zwingender Grund vor, noch
eine unbillige Härte. Die aufgrund der Ausweisung eintretende Trennung des
Antragstellers von seinen im Bundesgebiet lebenden Angehörigen sei bereits
bei Erlass der Ausweisungsverfügung und der Befristungsentscheidung
berücksichtigt worden, habe das aufgrund der hohen Wiederholungsgefahr
bestehende öffentliche Ausweisungsinteresse aber nicht überwinden und
auch eine Befristung auf eine Dauer von weniger als vier Jahren nicht
rechtfertigen können. Zudem sei nach der Haftentlassung noch ein
Zusammenleben für die Dauer eines Monats ermöglicht worden. Weiterhin
gewünschte Kontakte könnten auch auf andere Weise realisiert werden, etwa
durch eine Reise der Familienangehörigen nach Montenegro.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht
Klage erhoben und um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht. Er hat
beantragt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung
vorläufig zur Erteilung einer Betretenserlaubnis für die Dauer von zwei Wochen
zu verpflichten. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom
17. März 2014 abgelehnt, da der Antragsteller weder einen Anordnungsgrund
noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Auch mit Blick auf
das nach Art. 6 GG schutzwürdige Interesse an einem familiären
Zusammenleben im Bundesgebiet liege angesichts der hohen Gefahr erneuter
strafrechtlicher Verfehlungen, der erst kurzen zeitlichen Trennung und der
Möglichkeit von Besuchen seiner Ehefrau und Kinder in Montenegro derzeit
eine unbillige Härte nicht vor.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein
erstinstanzliches Begehren unverändert weiter verfolgt und für die er die
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Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, da der Beschwerde des Antragstellers
die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1
ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg fehlt.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat es zu
Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung
vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller eine Betretenserlaubnis für die
Dauer von zwei Wochen zu erteilen. Der Antragsteller hat weder einen
Anordnungsgrund (1.) noch einen Anordnungsanspruch (2.) in einer den
Anforderungen des § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294
ZPO genügenden Weise glaubhaft gemacht.
1. Ein Anordnungsgrund ist gleichzusetzen mit einem spezifischen Interesse
gerade an der begehrten vorläufigen Regelung. Dieses Interesse ergibt sich
regelmäßig aus einer besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtsschutzgewährung
(vgl. Senatsbeschl. v. 19.10.2010 - 8 ME 221/10 -, juris Rn. 4;
Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: April 2013, § 123 Rn. 81). Dabei ist
einem die Hauptsache vorweg nehmenden Antrag im Verfahren nach § 123
Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise (vgl. zum grundsätzlichen Verbot der
Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes:
BVerwG, Beschl. v. 27.5.2004 - BVerwG 1 WDS VR 2.04 -, juris Rn. 3;
Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 19.7.1962 - I B 57/62 -, OVGE MüLü 18,
387, 388 f.) dann stattzugeben, wenn durch das Abwarten in der Hauptsache
für den Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare
Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in
der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Der besonderen Bedeutung der
jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven
Rechtsschutzes ist Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.4.2008 -
2 BvR 338/08 -, juris Rn. 3; Beschl. v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE
79, 69, 74; BVerwG, Beschl. v. 10.2.2011 - BVerwG 7 VR 6.11 -, juris Rn. 6;
Beschl. v. 29.4.2010 - BVerwG 1 WDS VR 2.10 -, Buchholz 310 § 123 VwGO
Nr. 28; Senatsbeschl. v. 12.5.2010 - 8 ME 109/10 -, juris Rn. 14;
Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im
Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl., Rn. 193 f. jeweils m.w.N.).
Hier erstrebt der Antragsteller eine solche Vorwegnahme der Hauptsache. Das
Ziel der von ihm begehrten Regelungsanordnung ist mit dem Ziel der noch bei
dem Verwaltungsgericht - 11 A 788/14 - anhängigen Verpflichtungsklage
identisch. Dem steht nicht entgegen, dass die im einstweiligen
Anordnungsverfahren erstrebte Regelung vorläufig wäre und unter der
auflösenden Bedingung des Ergebnisses des Klageverfahrens stünde. Denn
auch die bloße vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache vermittelt die mit dem
Klageverfahren erstrebte Rechtsposition und stellt den Antragsteller - ohne,
dass diese Rechtsstellung rückwirkend wieder beseitigt werden könnte -
vorweg so, als wenn er im Klageverfahren bereits obsiegt hätte (vgl. BVerwG,
Beschl. v. 14.12.1989 - BVerwG 2 ER 301.89 -, Buchholz 310 § 123 VwGO
Nr. 15; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 8.10.2003 - 13 ME 342/03 -,
NVwZ-RR 2004, 258 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 21.10.1987 -
12 B 109/87 -, NVwZ-RR 1988, 19; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O.,
Rn. 180 m.w.N.).
Der nach dem eingangs dargestellten Maßstab nur ausnahmsweise mögliche
Erlass einer solchen, die Hauptsache vorweg nehmenden
Regelungsanordnung kommt hier nicht in Betracht. Denn der Antragsteller hat
nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm ohne die Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht
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abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die
Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Er hat lediglich
auf die mögliche Dauer des Hauptsacheverfahrens verwiesen und geltend
gemacht, für diese Dauer sei ihm ein Abwarten unzumutbar. Nachvollziehbare
tatsächliche Umstände, aus denen sich eine solche Unzumutbarkeit ergeben
könnte, hat der Antragsteller indes nicht dargelegt. Sie sind für den Senat -
angesichts der Laufzeiten erstinstanzlicher Hauptsacheverfahren von deutlich
weniger als einem Jahr (vgl. Geschäftsbericht 2013 des Präsidenten des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, S. 7, veröffentlicht unter
www.oberverwaltungsgericht.niedersachsen.de) - unter Berücksichtigung der
sich aus Art. 6 GG ergebenden Schutzwirkungen für die Beziehung des
Antragstellers zu seiner im Bundesgebiet lebenden Ehefrau und den
gemeinsamen Kindern auch nicht offensichtlich. Abgesehen von dem
grundlegenden Interesse, die eheliche und familiäre Lebensgemeinschaft im
Bundesgebiet zu führen, sind diese derzeit nicht ersichtlich auf konkrete
Beistands- oder Unterstützungsleistungen des Antragstellers angewiesen, die
nur im Bundesgebiet erbracht werden könnten. Die eheliche und familiäre
Lebensgemeinschaft war vielmehr auch in den vergangenen Jahren, in denen
der Antragsteller seine Strafhaft verbüßte, von wohl regelmäßigen, aber bloßen
Besuchs- und Umgangskontakten geprägt. Weitergehende Beistands- oder
Erziehungsleistungen konnte der Antragsteller nicht erbringen. Ebenso fehlte
es an Beiträgen des Antragstellers zur Sicherung des Lebensunterhalts der
Familie. Die damit verbleibende Pflege von Kontakten ist jedenfalls für die
Dauer des Hauptsacheverfahrens zumutbar über Post, Telefon und E-Mail
sowie Besuche der Ehefrau und Kinder in Montenegro möglich.
2. Der Antragsteller hat auch das Bestehen eines (Anordnungs-)Anspruchs auf
Erteilung einer Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht
glaubhaft gemacht.
Nach dieser Bestimmung kann einem ausgewiesenen oder abgeschobenen
Ausländer auch während der Dauer eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes
nach § 11 Abs. 1 AufenthG ausnahmsweise erlaubt werden, das
Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine
Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte
bedeuten würde.
Zwingende Gründe können insbesondere in den persönlichen Verhältnissen
des Ausländers selbst begründet sein, etwa wenn er Termine bei Gerichten
oder Behörden wahrzunehmen hat; dabei können auch öffentliche Interessen
eine Rolle spielen (Nr. 11.2.5 Satz 1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum
Aufenthaltsgesetz - AVwV AufenthG - vom 26.10.2009, GMBl. S. 877;
vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 18.3.2010 - 1 B 45/10 -, juris Rn. 5 f.; Bayerischer
VGH, Beschl. v. 10.6.2009 - 19 C 09.1178 -, juris Rn. 4 f.; Niedersächsisches
OVG, Beschl. v. 20.2.2007 - 11 ME 386/06 -, NVwZ-RR 2007, 417;
Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Mai 2012, AufenthG § 11 Rn. 57 f.
m.w.N.). Eine unbillige Härte kann sich hingegen, ohne dass sie stets klar von
einem zwingenden Grund abgegrenzt werden könnte (oder müsste),
insbesondere mit Blick auf familiäre, verwandtschaftliche oder humanitäre
Verhältnisse ergeben, etwa wenn der Ausländer an einer wichtigen
Familienfeier oder Trauerfeier teilnehmen oder einen schwer erkrankten nahen
Familienangehöriger besuchen will (Nr. 11.2.5 Satz 2 AVwV AufenthG;
vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 22.12.2006 - 11 ME 393/06 -, juris
Rn. 12; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 27.1.2005 - 3 Bs 458/04 -, juris
Rn. 24; OVG Berlin, Beschl. v. 9.1.2001 - 8 SN 234.00 -, InfAuslR 2001, 169,
170; Hailbronner, a.a.O., § 11 Rn. 59 f.). Der zwingende Grund und auch die
unbillige Härte müssen dabei so gewichtig sein, dass sie eine zeitlich
begrenzte Durchbrechung der Sperrwirkung der Ausweisung oder
Abschiebung nach § 11 Abs. 1 AufenthG bei Abwägung der Umstände des
Einzelfalls gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. OVG Berlin, Beschl.
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v. 9.1.2001, a.a.O.).
Hieran gemessen erfüllt der Antragsteller die tatbestandlichen
Voraussetzungen für die Erteilung einer Betretenserlaubnis nicht. Das
Vorliegen zwingender Gründe hat er schon nicht geltend gemacht; das
Vorliegen einer unbilligen Härte hat er nicht glaubhaft gemacht.
Das private Interesse des Antragstellers, auch während des vierjährigen
Einreise- und Aufenthaltsverbotes in regelmäßigen Abständen den
unmittelbaren Kontakt zu seiner im Bundesgebiet lebenden Ehefrau und den
gemeinsamen Kindern zu pflegen, ist jedenfalls derzeit nicht so gewichtig,
dass es eine Durchbrechung der Sperrwirkung der Ausweisung rechtfertigen
könnte. Das private Interesse des Antragstellers genießt zwar den Schutz des
Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG, dieser vermittelt dem Antragsteller aber
keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise in das und Aufenthalt im
Bundesgebiet. Gefordert ist lediglich eine angemessene Berücksichtigung der
familiären Bindungen zu im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen bei
aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.6.2013 -
2 BvR 586/13 -, juris Rn. 12 m.w.N.). Diese geforderte angemessene
Berücksichtigung ist zunächst bei der bestandskräftigen Entscheidung über
die Ausweisung des Antragstellers aus dem Bundesgebiet (Bescheid
v. 26.3.2012, dort S. 3 f.) und bei der ebenfalls bestandskräftigen
Entscheidung über die Befristung der Wirkungen dieser Ausweisung
(Bescheid v. 18.9.2012) erfolgt. Auch unter Berücksichtigung der familiären
Bindungen des Antragstellers zu seinen im Bundesgebiet lebenden
Familienangehörigen ist die Ausweisung aus dem Bundesgebiet und das
damit verbundene, auf die Dauer von vier Jahren befristete Einreise- und
Aufenthaltsverbot verhältnismäßig, ohne dass es zur Wahrung der
Verhältnismäßigkeit des Rückgriffs auf die Betretenserlaubnis als mögliches
Remedurmittel (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 13.12.2005 - BVerwG 1 C 36.04 -,
juris Rn. 16) bedurft hätte. Gleichsam kommt der mit der Ausweisung nahezu
zwangsläufig verbundenen zeitweisen Aufhebung der ehelichen und familiären
Lebensgemeinschaft und den damit einhergehenden Härten für alle
betroffenen Familienmitglieder regelmäßig nicht ein solches Gewicht zu, dass
es eine Durchbrechung der Sperrwirkung der Ausweisung rechtfertigen
könnte. Es handelt sich vielmehr um die typischen Folgen, die jeden
ausgewiesenen Ausländer mit Bindungen an im Bundesgebiet verbleibende
Familienangehörige treffen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 1.4.2009 -
7 ME 233/08 -, Umdruck S. 3 f. V.n.b.). Etwas anderes mag ausnahmsweise
dann gelten, wenn nach der Entscheidung über die Ausweisung und die
Befristung von deren Wirkung eine kurzzeitige Änderung der tatsächlichen,
insbesondere der persönlichen Umstände eintritt, die dem privaten Interesse,
im Bundesgebiet eine eheliche oder familiäre Lebensgemeinschaft zu führen,
ein das öffentliche Interesse, den ausgewiesenen Ausländer vom
Bundesgebiet fernzuhalten, überwiegendes Gewicht verleiht. Bei einer
dauerhaften Änderung der tatsächlichen Umstände dürfte vorrangig eine
Anpassung der Befristungsentscheidung in Betracht kommen (vgl. zu dieser
Möglichkeit: Senatsurt. v. 14.2.2013 - 8 LC 129/12 -, juris Rn. 57).
Hier hat der Antragsteller eine auch nur kurzzeitige Änderung der tatsächlichen
Umstände indes nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ergibt sich aus
seinem Vorbringen eine signifikante Reduzierung der Gefahr erneuter
strafrechtlicher Verfehlungen nicht. Der Antragsteller beschränkt sich insoweit
lediglich darauf zu bestreiten, dass er in der Haft mit Betäubungsmitteln
gehandelt habe, dass er seit der Haftentlassung Betäubungsmittelmittel
konsumiert habe und dass er betäubungsmittelabhängig sei. Diese
Behauptungen erfüllen schon formal nicht die Anforderungen an die
Glaubhaftmachung im Sinne des § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit
§§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO. Sie widersprechen in weiten Teilen auch den
Äußerungen des Antragstellers im Verwaltungsverfahren und dem Akteninhalt.
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Der Antragsteller hat wiederholt angegeben, betäubungsmittelabhängig zu
sein. Die Vollstreckung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe ist im Hinblick
auf eine durchzuführende Entwöhnungstherapie ausgesetzt worden. Die
Deutsche Rentenversicherung hat mit Bescheid vom 10. Juli 2012 die
Durchführung einer stationären Entwöhnungstherapie bewilligt. Diese
Entwöhnungstherapie trat der Antragsteller im September 2012 an; sie sollte
bis zum Februar 2013 dauern. Er wurde aber bereits im November 2012 aus
der Therapie entlassen. Ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen des
Antragsgegners befindlichen ärztlichen Entlassungsberichts erkannte der
Antragsteller die Notwendigkeit einer Entwöhnungstherapie nicht an. Vielmehr
bestand der Verdacht, dass er in der Entwöhnungseinrichtung mit
Betäubungsmitteln handelt. Der Bezugstherapeut bescheinigte dem
Antragsteller eine schwere Drogenabhängigkeit und dringend eine erneute
Therapie. Die Durchführung einer solchen hat der Antragsteller indes bisher
nicht dargelegt. Aus seinem Vorbringen ergeben sich mithin keine
Anhaltspunkte für eine signifikante Änderung der tatsächlichen Umstände, die
seinem privaten Interesse, im Bundesgebiet eine eheliche oder familiäre
Lebensgemeinschaft zu führen, ein das öffentliche Interesse, den
ausgewiesenen Ausländer vom Bundesgebiet fernzuhalten, überwiegendes
Gewicht verleihen könnten.
Mangelt es damit schon an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11
Abs. 2 Satz 1 AufenthG für die Erteilung einer Betretenserlaubnis, kann der
Senat hier schließlich dahinstehen lassen, ob und aus welchen Gründen beim
Vorliegen dieser Voraussetzungen gleichwohl die Erlaubnis
ermessensfehlerfrei versagt werden könnte (vgl. hierzu Hailbronner, a.a.O.,
§ 11 Rn. 58 m.w.N.).
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 154
Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Kosten des
Prozesskostenhilfeverfahrens ergibt sich aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in
Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf
§§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.