Urteil des OVG Niedersachsen vom 23.01.2014

OVG Lüneburg: verwarnung, die post, absolute frist, rechtskraft, bundesamt, erlass, marke, ordnungswidrigkeit, einfluss, verwertungsverbot

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Kostenfestsetzung für fahrerlaubnisrechtliche
Verwarnung
Die Fahrerlaubnisbehörde ist grundsätzlich nicht gehalten, vor einer
Verwarnung beim Kraftfahrt Bundesamt nachzufragen, ob nach dessen
Mitteilung nach § 4 Abs. 6 StVG weitere Eintragungen im
Verkehrszentralregister erfolgt sind.
OVG Lüneburg 12. Senat, Urteil vom 23.01.2014, 12 LB 46/13
§ 41 FeV, § 4 Abs 3 S 1 Nr 1 StVG, § 4 Abs 6 StVG, § 4 Abs 4 StVG
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts
Hannover - Einzelrichter der 9. Kammer - vom 21. November 2011 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags
abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Gebührenerhebung der Beklagten in Höhe
von insgesamt 20,99 EUR für eine Verwarnung, die wegen wiederholter
Verstöße gegen Verkehrsvorschriften erteilt worden war.
Nach einer fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr war dem Kläger durch
Urteil des Amtsgerichts F. vom 11. Juni 2001 die Fahrerlaubnis entzogen
worden (§§ 316, 69, 69a StGB). Am 11. März 2002 wurde ihm eine
Fahrerlaubnis der Klassen A, BE und C1E neu erteilt.
Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt unter dem 1. April 2011 der Beklagten
mitgeteilt hatte, dass eine unverbindliche Wertung nach Anlage 13 zu § 40
FeV ergebe, dass der Kläger nach dem beigefügten Auszug aus dem
Verkehrszentralregister insgesamt acht Punkte erreicht habe, verwarnte die
Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 11. Mai 2011 wegen wiederholter
Verkehrsverstöße (vom 21. Juni 2006 (1 Punkt), 15. August 2007 (3 Punkte),
7. Mai 2010 (1 Punkt) und 16. Januar 2011 (3 Punkte) und danach einem
Punktestand von 8). Dem Schreiben ist eine Übersicht über die vier
Verkehrsverstöße angefügt. Die Verwarnung enthält zudem eine
Kostenentscheidung, mit der für die Maßnahme eine Verwaltungsgebühr in
Höhe von 17,90 EUR und eine Zustellungsgebühr in Höhe von 3,09 EUR
(insgesamt 20,99 EUR) erhoben werden.
Der fristgerecht erhobenen Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht im
Wesentlichen mit folgender Begründung stattgegeben: Am Tag der
ausgesprochenen Verwarnung hätten sich für den Kläger nicht acht, sondern
vier Punkte ergeben. Mit Blick auf § 29 Abs. 6 Satz 1 und Satz 3 (richtig Satz 4)
StVG gelte zunächst mit Blick auf eine Eintragung der Ordnungswidrigkeiten
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eine Tilgung nach Ablauf von fünf Jahren jeweils gerechnet ab Eintritt der
Rechtskraft. Die Verkehrsverstöße vom 21. Juni 2006 (Rechtskraft 1.
September 2006, Tilgung nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVG 1. September
2008, Tilgung nach § 29 Abs. 6 Satz 4 StVG 1. September 2011) und 15. März
(richtig August) 2007 (Rechtskraft 7. November 2007, Tilgung nach § 29 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 StVG 7. November 2009, Tilgung nach § 29 Abs. 6 Satz 4 StVG
7. November 2012) seien indes nicht mehr verwertbar. Dem Kläger sei die
Fahrerlaubnis am 11. März 2002 neu erteilt worden. Aus § 29 Abs. 8 Satz 2
StVG sei zu folgern, dass nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen
Tilgungsfrist entspreche (hier bis 11. März 2007), eine Verwertung nur noch für
ein - hier nicht in Rede stehendes - Verfahren betreffend Erteilung oder
Entziehung einer Fahrerlaubnis erfolgen dürfe. Die Nichtverwertbarkeit der
Fahrerlaubnisentziehung am 11. Mai 2011 führe dazu, dass auch die von ihr
ausgehende Tilgungshemmung entfalle. Innerhalb dieser Fünfjahresfrist
eingetragene Ordnungswidrigkeiten dürften ebenfalls nicht mehr verwertet
werden.
Zur Begründung ihres Zulassungsantrags hat die Beklagte weitere
Ermittlungen vorgenommenen, die ergaben, dass im April 2011 zwei weitere
Ordnungswidrigkeiten (vom 10. Januar 2011 (1 Punkt) und - neben der
vorerwähnten - eine weitere vom 16. Januar 2011 (3 Punkte), insgesamt 4
weitere Punkte) im Verkehrszentralregister eingetragen wurden.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 20. Februar
2013 (12 LA 326/11) die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
wegen ernstlicher Zweifel an dessen Richtigkeit zugelassen.
Die Beklagte hat ihre Berufung wie folgt begründet: Das angefochtene Urteil
sei in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht unrichtig. Es gehe insofern von
einem unvollständigen Sachverhalt aus, als die im April 2011 eingetragenen
zwei weiteren Ordnungswidrigkeiten mit insgesamt vier Punkten
unberücksichtigt geblieben seien. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des
Bescheids sei auf den Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen. Das
Verwaltungsgericht habe bei seiner Beurteilung zudem die Reichweite des aus
§ 29 Abs. 8 Satz 2 StVG folgenden Verwertungsverbots verkannt. Dieses
Verwertungsverbot lasse die Tilgungshemmung des § 29 Abs. 6 StVG nicht
entfallen. Die Voraussetzungen der Tilgung lägen nicht vor. Bis zum Ablauf der
absoluten Tilgungsfrist (1. September 2011) und zur Tilgung der
strafrechtlichen Entscheidung (11. März 2012) seien auch die
Ordnungswidrigkeiten vom 21. Juni 2006 und vom 15. August 2007 zu
berücksichtigen. Insgesamt sei von 12 Punkten im Zeitpunkt der
ausgesprochenen Verwarnung auszugehen. Dass 12 und nicht - wie in der
Verwarnung angegeben - acht Punkte vorlägen, sei für die Rechtmäßigkeit der
Verwarnung ebenso wenig von Belang wie der Umstand, dass eine Teilnahme
an einem Aufbauseminar zu einer Punktereduzierung von zwei und nicht von
vier geführt hätte und die Auflistung der begangenen Ordnungswidrigkeiten
unvollständig gewesen sei. Das sei durch die vom Gesetzgeber formulierte
Punktespanne gedeckt. Von den nicht angeführten Verkehrsverstößen habe
sie - anders als der Kläger - nichts wissen können oder müssen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, es sei umstritten, auf welchen Zeitpunkt es ankomme.
Tatsächlich sei ein neuer Sachverhalt eingetreten. Die strafgerichtliche
Entscheidung des Amtsgerichts Alfeld aus 2001 sei inzwischen getilgt. Sie
könne nicht mehr zu einer Hemmung der Tilgungsfristen der
Bußgeldeintragungen führen. Hinsichtlich der vorhandenen Eintragungen gelte
§ 29 Abs. 6 Satz 4 StVG. Danach dürfe keine Eintragung älter als fünf Jahre
werden. Die Entscheidungen (wohl gemeint die Ordnungswidrigkeiten) aus
2006 und 2007 seien seit 2012 getilgt. Tilgungsfrist für die verbleibenden
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sieben Punkte sei der 22. April 2013 (gewesen).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des
Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist im Übrigen zulässig
und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage des Klägers
abweisen müssen. Die Kostenentscheidung in der Verwarnung der Beklagten
vom 11. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (vgl.
§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StVG werden Kosten (Gebühren und
Auslagen) für Amtshandlungen einschließlich Verwarnungen nach dem StVG
und den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften erhoben. § 6a
Abs. 2 StVG ermächtigt dazu, die gebührenpflichtigen Amtshandlungen sowie
die Gebührensätze für die einzelnen Amtshandlungen durch
Rechtsverordnung zu bestimmen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der u.a. auf § 6a
Abs. 2 StVG gestützten Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr
- GebOSt - ergeben sich die gebührenpflichtigen Tatbestände und die
Gebührensätze aus dem der Gebührenordnung als Anlage beigefügten
Gebührentarif für Maßnahmen im Straßenverkehr. Nach Gebührennummer
209 der Anlage (zu § 1) GebOSt beträgt die Gebühr für eine Verwarnung u.a.
nach dem Punktsystem (§ 4 Abs. 3 Nr. 1 und 2 StVG) 17,90 EUR. Nach § 2
Abs. 1 Nr. 1 GebOSt hat der Gebührenschuldner darüber hinaus als Auslagen
die Entgelte für Zustellungen durch die Post zu tragen (hier in Höhe von 3,09
EUR). Zur Zahlung der Kosten ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt verpflichtet,
wer die Amtshandlung veranlasst hat. Nach diesen Regelungen war die
Kostenerhebung gerechtfertigt.
Der Kläger hat die Amtshandlung veranlasst. Er ist zu Recht verwarnt worden.
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde den Inhaber
einer Fahrerlaubnis schriftlich darüber zu unterrichten, ihn zu verwarnen und
ihn auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 4 Abs.
8 StVG hinzuweisen, wenn sich im Punktsystem acht, aber nicht mehr als 13
Punkte, ergeben. Die Voraussetzungen der zitierten Vorschrift waren im
maßgeblichen Zeitpunkt der Verwarnung (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.9.2008 - 3 C
3.07 -, BVerwGE 132, 48, juris Rdn. 23) erfüllt.
Zu berücksichtigen sind die im Verkehrszentralregister nach § 28 Abs. 3 Nr. 1
bis 3 StVG zu erfassenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (vgl. § 4 Abs.
2 Satz 1 StVG). Abgesehen von der Trunkenheitsfahrt handelt es sich
insgesamt um nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 zu erfassende Ordnungswidrigkeiten.
Dazu gehören rechtskräftige Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit,
wenn gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mindestens 40 EUR
festgesetzt ist. Das war hier der Fall. Nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVG
beträgt die Tilgungsfrist bei Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit
grundsätzlich zwei Jahre. Die Tilgungsfrist beginnt dabei mit dem Tag der
Rechtskraft oder Unanfechtbarkeit der beschwerenden Entscheidung (§ 29
Abs. 4 Nr. 3 StVG). Sind allerdings im Register mehrere Entscheidungen nach
§ 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 9 StVG über eine Person eingetragen - wie hier nach Nr.
3, s.o. - ist gemäß § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG die Tilgung einer Eintragung
vorbehaltlich der Regelungen in den Sätzen 2 bis 6 erst zulässig, wenn für alle
betreffenden Eintragungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. Nach §
29 Abs. 6 Satz 4 StVG wird die Eintragung einer Entscheidung wegen einer
Ordnungswidrigkeit spätestens nach Ablauf von fünf Jahren getilgt. Wird eine
Eintragung getilgt, so sind auch die Eintragungen zu tilgen, deren Tilgung nur
durch die betreffende Eintragung gehemmt war (§ 29 Abs. 6 Satz 6 StVG).
Es ist von folgenden Taten und Daten auszugehen:
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Lfd.
Nr.
Tattag Eintritt der
Rechtskraft
= Til-
gungs-
beginn
Til-gung, §
29 Abs. 1
Satz 2 Nr.
1
Absolute
Frist § 29
Abs. 6
Satz 4
Tatsächliche
Tilgung § 29
Abs. 6 Satz
1
(unabhängig
von
Neuerteilung
der FE)
Art der Zuwiderhandlung
Geldbuße Punkte
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2006
01.09.2006 01.09.2008 01.09.2011 wegen
Verstoß zu
2:
07.11.
2009
Mobiltelefon
40 €
1
2
2007
07.11.2007 07.11.2009 07.11.2012
Geschwindigkeitsüberschreitung
um 32 km/h
85 €
3
3
2010
12.08.2010 12.08.2012 12.08.2015
Geschwindigkeitsüberschreitung
um 25 km/h
70 €
1
4
2011
15.03.2011 15.03.2013 15.03.2016
Geschwindigkeitsüberschreitung
außerorts um 27 km/h
90 €
3
5
2011
21.04.2011 21.04.2013 21.04.2016
Geschwindigkeitsüberschreitung
außerorts um 30 km/h
90 €
3
6
2011
22.04.2011 22.04.2013 22.04.2016
Geschwindigkeitsüberschreitung
außerorts um 23 km/h
80 €
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Wären - wie die Beklagte meint - alle Ordnungswidrigkeiten zu berücksichtigen,
wäre von 12 Punkten im Zeitpunkt der Verwarnung auszugehen. Die vom
Verwaltungsgericht aufgeworfene, von der Beklagten in Zweifel gezogene
Frage, ob aus § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG zu folgern sei, dass auch innerhalb der
Fünfjahresfrist (hier bis 11. März 2007) eingetragene Ordnungswidrigkeiten
nicht mehr verwertet werden dürften, kann offenbleiben. Gleiches gilt für die
weitere Frage, ob das Verwertungsverbot des § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG die
Tilgungshemmung des § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG entfallen lasse (vgl. dazu
Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 29 StVG
Rdn. 13). Selbst wenn danach die ersten beiden Eintragungen
unberücksichtigt bleiben müssten, wäre wegen der vier weiteren Eintragungen
von acht Punkten auszugehen.
Sofern die Verwarnung nicht unmittelbar beim Erreichen der 8-Punkte-Marke
erfolgt sein sollte, ist dies unschädlich. Entgegen der Auffassung des Klägers
wäre die Maßnahme auch nicht etwa deswegen als funktionslos und
rechtswidrig anzusehen. Vielmehr ist das Verwaltungsverfahren entsprechend
den gesetzgeberischen Vorgaben durchgeführt worden. Gemäß § 4 Abs. 6
StVG übermittelt das Kraftfahrt-Bundesamt zur Vorbereitung der Maßnahmen
nach Absatz 3 - wie hier einer Verwarnung - bei Erreichen der betreffenden
Punktestände (Absätze 3 und 4) den Fahrerlaubnisbehörden die vorhandenen
Eintragungen aus dem Verkehrszentralregister. Den Fahrerlaubnisbehörden
obliegt es dann gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 StVG, die nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis
3 StVG zu erfassenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu bewerten und
gegenüber den Fahrerlaubnisinhabern die in § 4 Abs. 3 StVG vorgesehenen
Maßnahmen zu ergreifen. Diese Entscheidungen haben die zuständigen
Stellen in eigener Verantwortung zu treffen; sie müssen dabei die Richtigkeit
der Punktebewertung eigenständig überprüfen (BVerwG, Urt. v. 25.9.2008 - 3
C 3.07 -, BVerwGE 132, 48, juris Rdn. 21 m.w.N.). Die - untergesetzliche -
Regelung in § 41 Abs. 1 FeV sieht hierzu ergänzend vor, dass die Verwarnung
unter Angabe der begangenen Verkehrszuwiderhandlungen zu erfolgen hat.
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In formeller Hinsicht ist das Verfahren hier nicht zu beanstanden. Das
Kraftfahrt-Bundesamt übermittelte der Beklagten unter dem 1. April 2011 bei
Erreichen der 8-Punkte-Marke die vorhandenen Eintragungen aus dem
Verkehrszentralregister. Diese überprüfte die Beklagte und verwarnte den
Kläger mit Schreiben vom 11. Mai 2011. Die Beklagte war nicht gehalten, vor
Erlass der Verwarnung erneut beim Kraftfahrt-Bundesamt nachzufragen, ob
zwischenzeitlich weitere Eintragungen erfolgt sind. Dabei kann dahinstehen,
ob - wie der Kläger meint - eine derartige Nachfrage mittlerweile technisch
ohne weiteres möglich wäre. Sie ist gesetzlich nicht vorgesehen und war hier
auch nicht aus besonderen Gründen geboten. Es kann offenbleiben, ob eine
solche Nachfrage etwa geboten sein kann, wenn zwischen Mitteilung des
Kraftfahrt-Bundesamtes und Erlass der Maßnahme durch die
Fahrerlaubnisbehörde erhebliche Zeit verstreicht. Ein solcher Fall liegt hier
nicht vor. Die Beklagte hat die Verwarnung innerhalb angemessener Frist nach
Erhalt der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes ausgesprochen. Zu
berücksichtigen ist auch, dass der Gesetzgeber - wie bereits angeführt - in § 4
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG eine Verwarnung für den Fall vorgesehen hat, dass
sich zwischen acht und 13 Punkten ergeben. Ungeachtet des vom Kläger
wiederholt bemühten Umstands, dass nach § 4 Abs. 4 Satz 1 StVG die
Teilnahme an einem Aufbauseminar unterschiedliche „Punkterabatte“ bewirkt
(bei einem Stand von nicht mehr als acht Punkten vier Punkte Abzug und bei
einem Stand von neun bis 13 Punkten zwei Punkte Abzug), hat der
Gesetzgeber diesem Gesichtspunkt kein derartiges Gewicht beigemessen,
dass er eine weitere Verwarnung an der Schwelle von acht zu neun Punkten
vorgesehen hat. Dieser Aspekt spricht dagegen anzunehmen, es bestehe ein
„Anspruch“ des Fahrerlaubnisinhabers darauf, unmittelbar beim Erreichen
der 8-Punkte-Marke verwarnt zu werden. Dagegen spricht weiter, dass die
Fahrerlaubnisbehörde keinen Einfluss auf die diesbezüglichen zeitlichen
Abläufe, insbesondere darauf hat, wann - wenn der Fahrerlaubnisinhaber neue
Verkehrszuwiderhandlungen begeht - Entscheidungen hierzu rechtskräftig und
im Verkehrszentralregister eingetragen werden.
Die Verwarnung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil darin nicht alle bis
zum 11. Mai 2011 rechtskräftig gewordenen und im Verkehrszentralregister
eingetragenen Verkehrszuwiderhandlungen angegeben sind. Die von § 41
Abs. 1 FeV vorgesehene Begründung ermöglicht es dem
Fahrerlaubnisinhaber zu erkennen, von welchen Verkehrszuwiderhandlungen
die Fahrerlaubnisbehörde bei Erlass ihrer Maßnahme ausgegangen ist. Aus
den dargelegten Gründen müssen die Angaben etwa in der Verwarnung nicht
den Eintragungen im Verkehrszentralregister entsprechen. Dass - wie hier -
nicht auch die zwischen der Übermittlung der Daten aus dem
Verkehrszentralregister und dem Erlass der Verwarnung noch rechtskräftig
gewordenen und eingetragenen Verkehrszuwiderhandlungen in der
Verwarnung angegeben sind, hat keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der
Maßnahme an sich. Der Schutz des Fahrerlaubnisinhabers zwingt nicht zu
einem anderen Ergebnis. Der Fahrerlaubnisinhaber weiß am ehesten, welche
weiteren Verkehrszuwiderhandlungen er begangen hat, zwischenzeitlich
rechtskräftig geworden und nicht in der Verwarnung angegeben sind. Der
Umstand, dass - wie erwähnt - nach § 4 Abs. 4 Satz 1 StVG die Teilnahme an
einem Aufbauseminar abhängig vom Punktestand unterschiedliche
„Punkterabatte“ bewirkt, mag, wie der Kläger meint, sich auf die Motivation
eines Fahrerlaubnisinhabers auswirken, beeinflusst die rechtliche Bewertung
indessen nicht. Für den Punktestand - und damit auch die Höhe des Abzugs -
ist gemäß § 4 Abs. 4 Satz 4 StVG das Ausstellungsdatum der
Teilnahmebescheinigung maßgeblich (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 25.9.2008 - 3
C 3.07 -, BVerwGE 132, 48, juris Rdn. 26 f.). Es kommt also ausschließlich
darauf an, welche mit Punkten zu bewertenden Verkehrsverstöße der
Betroffene zu diesem Zeitpunkt begangen hat (sog. Tattagprinzip).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr.
10, § 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht
vor.