Urteil des OVG Niedersachsen vom 17.06.2013

OVG Lüneburg: öffentliche bekanntmachung, satzung, gemeinde, öffentliche sicherheit, mangel, landwirtschaft, rüge, ausweisung, raumordnung, ausarbeitung

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Regionales Raumordnungsprogramm - Teilbereich
Windenergie - Normenkontrollverfahren -
Ein Unternehmen der Windenergie, welches Nutzungsrechte an einem oder
mehreren Grundstücken im Plangebiet erworben hat und von nachteiligen
raumordnerischen Zielfestlegungen betroffen ist, ist auch dann
antragsbefugt, wenn es seine Nutzungsvorstellungen noch nicht
abschließend konkretisiert hat.
Die Planerhaltung für ein nach altem Landesrecht abgeschlossenes, aber
nach dem 30. Juni 2009 in Kraft getretenes RROP richtet sich im Grundsatz
nach § 12 Abs. 5 ROG. Ein Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf die aus
seiner Sicht günstigere Regelung für die Geltendmachung der Verletzung von
Vorschriften nach altem Landesrecht berufen.
Zur Abgrenzung von Mängeln im Abwägungsvorgang und
Abwägungsergebnis.
OVG Lüneburg 12. Senat, Urteil vom 17.06.2013, 12 KN 80/12
§ 233 Abs 2 BauGB, § 5 Abs 10 RaumOG ND 2007, § 5 Abs 7 RaumOG ND 2007, §
10 Abs 1 RaumOG ND 2007, § 28 Abs 2 RaumOG, § 12 Abs 5 RaumOG, § 47 Abs 2
S 1 VwGO
Tatbestand
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen den
Teilbereich Windenergie des Regionalen Raumordnungsprogramms 2011 des
Antragsgegners (im Folgenden: RROP 2011). Dieser beinhaltet die Regelung,
dass außerhalb der festgelegten Vorrangstandorte für Windenergienutzung die
Errichtung raumbedeutsamer Windenergieanlagen nicht zulässig ist.
Der Antragsgegner leitete am 28. Februar 2008 durch öffentliche
Bekanntmachung der allgemeinen Planungsabsichten das
Aufstellungsverfahren für ein Regionales Raumordnungsprogramm ein. In der
Zeit vom 3. Februar bis zum 30. April 2010 lagen ein Entwurf des RROP (Stand:
Sept. 2009), seine Begründung und der Umweltbericht öffentlich aus. In dem
Entwurf waren insgesamt zehn Vorranggebiete für die Windenergienutzung
dargestellt. Dazu zählte auch der Vorrangstandort S 2, der eine Erweiterung der
im Flächennutzungsplan der Gemeinde H. dargestellten Vorrangfläche („I.“)
östlich der Ortschaft J. vorsah.
Die Antragstellerin nahm zu diesem Entwurf des RROP wie folgt Stellung:
„Die geplante Windparkerweiterung in J. bewerten wir als sehr positiv. Die
geplanten Erweiterungsflächen liegen mindestens 700m von den nächsten
Wohngebäuden entfernt. Im nördlichen Bereich grenzt nur der Wald an.
Die Umgebung ist zudem durch die Autobahn sowie die bestehenden vier
Windenergieanlagen technisch vorbelastet.
Wir haben die Schallimmissionen der planbaren 3 WEA (z.b. Typ K. V90,
Repower 92) mit 150m Gesamthöhe bereits überprüft. Sie würden die
Ansprüche, welche die TA- Lärm vorgibt, voll erfüllen.
(…)
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Die Bewohner sind die bereits bestehenden Anlagen schon gewöhnt. Das
sind alles Aspekte, die Bewohner und Gemeinde positiv in die Zukunft
blicken lassen daher möchten wir uns für die Erweiterung des Windparks
J. aussprechen.“
Nach Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen überarbeitete der
Antragsgegner den Entwurf zum RROP. Er erhöhte u. a. den zur Ermittlung der
Vorrangflächen zugrunde gelegten Pauschalabstand zu Wohnbauflächen und
gleichgestellten Nutzungen von 550 m auf 800 m. Zugleich reduzierte er den
Pauschalabstand zu Straßen von 150 m auf 40 m und verzichtete auf einen
zunächst vorgesehenen Mindestabstand zwischen Windparks von 2,5 km. Im
Ergebnis führten diese Änderungen dazu, dass die von der Antragstellerin für
die Errichtung von Windenergieanlagen in Aussicht genommene
Erweiterungsfläche des bestehenden Windparks bei J. als Vorrangfläche für die
Windenergie entfiel.
Die Antragstellerin äußerte sich zu dem erneut öffentlich ausgelegten zweiten
Entwurf des RROP (Stand: Dez. 2010) nicht.
Nach Abschluss des zweiten Beteiligungsverfahrens änderte der Antragsgegner
seine Planungen erneut. In dem Kapitel zur Windenergie strich er auf Anregung
der betroffenen Gemeinden das Ziel, die Bebauung des Standortes H 7 nur im
Rahmen des „Repowering“ als Ersatz für Windenergieanlagen eines
benachbarten Standortes (H 3) zuzulassen. Weitere Änderungen erfolgten in
den Kapiteln 2.1 (Zentrale Orte), 2.3 (Siedlungsstruktur, Wohnstandorte und
Standorte der gewerblichen Wirtschaft) und 3.7 (Landwirtschaft/Forstwirtschaft).
Der überarbeitete Entwurf sah weiterhin die Darstellung von insgesamt zehn
Vorrangflächen für die Windenergie mit einer Fläche von insgesamt 499,7 ha
vor. Das gesamte Leistungspotenzial bezifferte der Antragsgegner auf 99,9 bis
166,5 MW. Der Bestimmung der Vorrangflächen lag ausweislich der
Begründung des RROP 2011 u. a. folgendes methodisches Vorgehen
zugrunde: In mehreren Prüfungsschritten legte der Antragsgegner
Schutzabstände zu den freizuhaltenden Flächen fest, u. a. 800 m zu
Wohnbauflächen, 40 m zu klassifizierten Straßen und 180 m zur
Haupteisenbahnstrecke. Der Antragsgegner führte zur Begründung u. a. aus,
dass alle Siedlungsflächen zunächst wie allgemeine Wohngebiete und
Kleinsiedlungsgebiete behandelt würden, in denen gemäß der TA Lärm nachts
ein Richtwert von 40 dB(A) einzuhalten sei. Aus Vorsorgegründen werde dieser
Richtwert dabei unabhängig vom Gebietstyp auch Wohnnutzungen im
Außenbereich zugestanden. Damit solle der besonderen Siedlungsstruktur der
L.-Siedlungen im Plangebiet Rechnung getragen werden. Als Ausgangsgröße
der Lärmbelastung würden die Emissionen einer modernen 3 MW-
Windenergieanlage des Typs K. V-90 zugrunde gelegt. Würden zwei Anlagen in
gleicher Entfernung zu Siedlungsflächen aufgestellt, wäre zur Einhaltung eines
Immissionswertes von 40 dB(A) ein Abstand von etwa 760 m erforderlich. Um
auch Schallimmissionen weiter entfernt stehender Anlagen sowie
Vorbelastungen zu berücksichtigen, werde aus Vorsorgegründen ein Abstand
von 800 m zu Siedlungsflächen in Ansatz gebracht. In einem weiteren
Prüfungsschritt übernahm der Antragsgegner - mit einer Ausnahme - in den
Flächennutzungsplänen der Gemeinden dargestellte Sondergebiete
„Windenergie“ in die Potenzialflächenanalyse, auch soweit diese Flächen zuvor
ganz oder teilweise ausgeschlossen worden waren. Die nach Anwendung der
Ausschlusskriterien verbleibenden elf Potenzialflächen untersuchte der
Antragsgegner jeweils nach im Einzelnen genannten Kriterien (u. a.
naturschutzfachliche Bedeutung, voraussichtliche Auswirkungen auf das
Landschaftsbild) und schloss daraufhin eine Potenzialfläche insgesamt sowie
die Teilfläche einer weiteren als ungeeignet aus.
Der Kreistag des Antragsgegners beschloss das RROP am 22. Juni 2011 als
Satzung. Das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft,
Verbraucherschutz und Landesentwicklung genehmigte die Satzung am 23.
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August 2011. Die öffentliche Bekanntmachung der Genehmigung und der
Auslegung des RROP 2011 erfolgte am 27. Oktober 2011. Die
Bekanntmachung enthielt folgenden Hinweis:
„Es wird gem. § 12 Abs. 5 ROG darauf hingewiesen, dass eine nach § 12
Abs. 1 Nr. 1 und 2 ROG beachtliche Verletzung der dort bezeichneten
Verfahrens- und Formvorschriften, eine unter Berücksichtigung von § 12
Abs. 2 ROG beachtliche Verletzung des § 8 Abs. 2 S. 1 ROG, nach § 12
Abs. 3 ROG beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs sowie eine
nach § 12 Abs. 4 ROG beachtliche Verletzung der Vorschriften über die
Umweltprüfung bei der Aufstellung des Regionalen
Raumordnungsprogramms 2011 unbeachtlich werden, wenn sie nicht
innerhalb eines Jahres schriftlich gegenüber dem Landkreis Osterholz
unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend
gemacht worden sind. Darüber hinaus wird gem. § 10 Abs. 1 NROG darauf
hingewiesen, dass eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften
des NROG bei der Aufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms
2011 unbeachtlich wird, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres schriftlich
gegenüber dem Landkreis Osterholz geltend gemacht worden ist. Die
Jahresfrist beginnt in allen vorgenannten Fällen mit dieser öffentlichen
Bekanntmachung.“
Die Antragstellerin hat am 23. März 2012 einen Normenkontrollantrag gegen die
Satzung vom 22. Juni 2011, Teilbereich Windenergie, gestellt. Sie hat ihren
Antrag in der Antragsschrift vom 22. März 2012 zunächst als „fristwahrend“
bezeichnet und sich auf Ausführungen zur Zulässigkeit ihres Antrags
beschränkt. Für die Antragsbefugnis reiche es nach gefestigter obergerichtlicher
Rechtsprechung aus, dass ein Antragsteller die ernsthafte Absicht dartue, in
dem von der Zielfestlegung betroffenen Gebiet eine immissionsschutzrechtliche
Genehmigung für eine Windenergieanlage zu beantragen. Sie plane seit
Längerem, im Bereich der Gemeinde H. die Genehmigung für die Errichtung und
den Betrieb für drei Windenergieanlagen zu beantragen. Hierfür habe sie sich
bereits langfristige Nutzungsrechte an den Grundstücken gesichert. Da die für
die Windenergieanlagen vorgesehenen Flächen außerhalb des Vorranggebiets
S 2 lägen, sei sie - die Antragstellerin - zu ihrem Nachteil von der Ausweisung
als Ziel der Raumordnung über die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3
BauGB zumindest mittelbar betroffen. Der Errichtung von drei weiteren
Windenergieanlagen stünden andere immissionsschutzrechtliche oder
naturschutzrechtliche Belange nicht entgegen.
Nach Gewährung von Akteneinsicht durch den Antragsgegner unter dem 24.
Mai 2012 hat die Antragstellerin mit Schriftsätzen vom 21. Januar, 29. April und
14. Juni 2013 ihre Ausführungen zur Zulässigkeit des Normenkontrollantrags
ergänzt und ihren Antrag in der Sache begründet. Ihrer Antragsbefugnis stehe
nicht entgegen, dass sie den Standortsicherungsvertrag mit den
Niedersächsischen Landesforsten im Verfahren gekündigt habe. Der Nachweis
eines im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (fort-)bestehenden
Nutzungsrechts an den jeweils zur Bebauung vorgesehenen Grundstücken sei
nicht erforderlich. Sie habe mit der Grundeigentümerin zudem abgestimmt, im
Fall einer positiven Planung des Antragsgegners bzw. wenn das RROP für
unwirksam erklärt werde, den Vertrag zu erneuern. Darüber hinaus habe sie in
den Jahren 2009 und 2010 mit weiteren Eigentümern - in Kopie vorgelegte -
Verträge über die Nutzung von Grundstücken im Plangebiet geschlossen. Diese
Verträge seien weiterhin rechtswirksam. Auf die Frage, ob der
Windenergienutzung an den von ihr - der Antragstellerin - geplanten und
ursprünglich im RROP vorgesehenen Vorrangstandorten andere
immissionsschutzrechtliche oder naturschutzrechtliche Belange
entgegenstünden, komme es bei einer Normenkontrolle nicht
entscheidungserheblich an. Auch der Flächennutzungsplan der Gemeinde H.,
der ein Vorranggebiet mit Ausschlusswirkung an anderer Stelle ausweise, lasse
ein Rechtsschutzbedürfnis an einem Normenkontrollantrag nicht entfallen. Es
sei bereits fraglich, ob der Senat die maßgebliche 74. und 79. Fortschreibung
des Flächennutzungsplans überhaupt zu prüfen habe. Jedenfalls sei der
Flächennutzungsplan unwirksam. Die Gemeinde H. habe bei dessen
Fortschreibung die Vorgaben an die abschnittsweise Ausarbeitung eines
schlüssigen Planungskonzepts nicht beachtet. Der Normenkontrollantrag sei
begründet. Das RROP 2011 sei formell fehlerhaft. Der Antragsgegner hätte ein
weiteres Beteiligungsverfahren durchführen müssen. Er habe den zweiten
Entwurf des RROP (Stand: Dez. 2010) in seinen Grundzügen geändert, indem
er das ursprüngliche Ziel 4.2.1 - 02, wonach die Bebauung des Standorts H 7
nur im Rahmen des „Repowering“ zulässig gewesen sei, gestrichen und auf
eine Festlegung zum „Repowering“ vollständig verzichtet habe. Der
Antragsgegner habe ferner aufgrund ministerieller Bedenken Änderungen in
anderen Kapiteln (Zentrale Orte, Siedlungsstruktur u. a.,
Landwirtschaft/Forstwirtschaft) vorgenommen. Die Satzung sei zudem materiell
fehlerhaft. Der Antragsgegner habe bei der Ausarbeitung des RROP 2011 nicht
die Vorgaben beachtet, die nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 13.12.2012 - 4 CN 1.11, 2.11 -, DVBl. 2013,
517) bei der Abwägung und der abschnittsweisen Ausarbeitung eines
Planungskonzepts einzuhalten seien. Der Antragsgegner habe nicht
nachvollziehbar zwischen den harten und weichen, einer Abwägung
zugänglichen, Tabuzonen unterschieden. Abwägungsfehlerhaft sei zudem,
dass der Antragsgegner Flächen nach seinen eigenen Kriterien zunächst
ausgeschlossen, die in den Flächennutzungsplänen der Gemeinden als
Konzentrationszonen ausgewiesenen Flächen in einem späteren Arbeitsschritt
aber ungeprüft wieder als Vorranggebiete übernommen habe. Die Anwendung
der Ausschlusskriterien müsse für das gesamte Plangebiet und alle
Konzentrationszonen einheitlich erfolgen. Der Antragsgegner hätte sich mit den
in den Flächennutzungsplänen ausgewiesenen Vorrangstandorten
differenzierter auseinandersetzen müssen. Es liege ein Abwägungsausfall vor.
Ferner sei die Planung abwägungsfehlerhaft, weil der Antragsgegner der
Wohnnutzung im Außenbereich denselben Schutz gewährt habe wie
allgemeinen Wohngebieten. Die Einhaltung eines Immissionswerts von 40 dB(A)
könne nach der TA Lärm und der dazu ergangenen Rechtsprechung im
Außenbereich aber nicht beansprucht werden. Es sei dem Antragsgegner
vorliegend auch nicht um Immissionsschutz zugunsten der Bewohner
gegangen, sondern um den Schutz einer bestimmten Siedlungsstruktur. Dann
hätte der Antragsgegner aber allen Bewohnern im Außenbereich diesen Schutz
gewähren müssen. Hinzu komme, dass der vom Antragsgegner aus Gründen
des Schallschutzes ermittelte Abstand zu Einzelhäusern im Außenbereich den
Vorgaben im Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für den ländlichen
Raum, Ernährung und Verbraucherschutz vom 26. Januar 2004 (303-32346/8.1)
widerspreche. Moderne Windenergieanlagen seien in der Lage, bei einem
geringeren Abstand als 800 m zu Wohnhäusern die nächtlichen Grenzwerte von
45 dB(A) einzuhalten. Mit dem Recht des Plangebers, aus Vorsorgegründen
pauschale Abstände zu geschützten Nutzungen festzusetzen, lasse sich die
Vorgehensweise des Antragsgegners nicht rechtfertigen. Ein besonderer
Schutzbereich für Wohnnutzungen im Außenbereich bedürfe es ferner nicht,
weil im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren sichergestellt sei,
dass die maßgeblichen Immissionswerte eingehalten würden. Die im RROP
2011 vorgesehenen Abstände von 40 m zu Straßen sowie 180 m zur
Haupteisenbahnstrecke seien ebenfalls fachlich nicht gerechtfertigt und
abwägungsfehlerhaft. Nach dem Bundesfernstraßengesetz und dem
Landesstraßengesetz sei allein zu Bundesautobahnen, die im Plangebiet nur
eine untergeordnete Rolle spielten, ein Abstand von 40 m einzuhalten.
Sicherheitsbedenken könnten im Übrigen durch geeignete
Nebenbestimmungen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren
überwunden werden. Es existierten keine gesetzlichen Regelungen und kein
technisches Regelwerk, die den zulässigen Abstand von Windenergieanlagen
zu Eisenbahnstrecken regelten. Nach der Handlungsempfehlung der
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hessischen Landesregierung sei ein geringerer Abstand ausreichend. Nach
alldem hafteten dem Plan relevante Abwägungsfehler an. Die Fehler seien
weder nach bundes- noch landesrechtlichen Planerhaltungsvorschriften
unbeachtlich. § 12 Abs. 5 ROG finde nach der ausdrücklichen Regelung des §
28 Abs. 2 ROG auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. § 28 Abs. 2 ROG
solle zwar im Interesse der Bestandskraft sicherstellen, dass
Raumordnungspläne der Länder, die vor dem Inkrafttreten des ROG auf
Grundlage des Landesrechts in Kraft getreten seien, anhand von § 12 Abs. 1 bis
4 ROG auf ihre Wirksamkeit überprüft werden könnten. § 28 Abs. 2 ROG bringe
jedoch nicht § 12 Abs. 5 ROG auf Raumordnungspläne der Länder zur
Anwendung, deren Verfahren - wie hier - vor dem 30. Juni 2009 förmlich
eingeleitet und nach den bis zum 29. Juni 2009 geltenden
Raumordnungsgesetzen von Bund und Ländern abgeschlossen worden seien.
Dies werde u. a. deutlich bei einem Vergleich mit der Regelung des § 233
BauGB, die für § 28 ROG Vorbild gewesen sei. Für beide Regelungen gelte,
dass für die Geltendmachung von Fehlern bei Plänen, die vor Inkrafttreten einer
Gesetzesänderung in Kraft getreten oder - wie hier - nach altem Recht
eingeleitet und fortgeführt worden seien, das frühere Recht fortgelte. Maßgeblich
seien hier danach die Vorschriften des NROG in der zum Zeitpunkt der
öffentlichen Bekanntmachung der Planungsabsichten des Antragsgegners
geltenden Fassung des Gesetzes vom 7. Juni 2007. Abgesehen davon liege ein
Abwägungsausfall vor, der nach altem und neuem Recht stets beachtlich sei. Im
Übrigen habe sie - die Antragstellerin - selbst die einjährige Rügefrist (des § 12
Abs. 5 ROG) mit ihrer Antragsschrift vom 22. März 2012 gewahrt. Sie habe in der
Antragsschrift hinreichend deutlich gemacht, dass die Planung des
Antragsgegners mangelbehaftet sei, der Ausweisung der Fläche des Windparks
J. fachliche Belange nicht entgegenstünden und die Fläche auszuweisen
gewesen sei. Dem RROP hafteten im Übrigen auch Mängel des
Abwägungsergebnisses selbst an, die zur Unwirksamkeit des Plans führten. Die
Gründe, insbesondere auch für den Ausschluss der Vorrangfläche, auf dem sie -
die Antragstellerin - Windenergieanlagen errichten wolle, könnten den geringen
Anteil der ausgewiesenen Konzentrationsfläche nicht ausreichend begründen.
Die Antragstellerin beantragt,
die am 22. Juni 2011 durch den Kreistag beschlossene Satzung des
Antragsgegners über die Feststellung des Regionalen
Raumordnungsprogramms Landkreis Osterholz, bekannt gemacht in
der Regionalausgabe des M. am 27. Oktober 2011, hinsichtlich des
Teilbereichs für Windenergie (Ziff. 4.2.1) für unwirksam zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er trägt vor, der Normenkontrollantrag sei unzulässig und unbegründet. Die
Antragstellerin sei nicht antragsbefugt. Sie habe keine ernsthafte Absicht
dargelegt, in dem von der Zielfestsetzung betroffenen Gebiet eine
immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Windenergieanlagen zu
beantragen. Mit der Kündigung des Standortsicherungsvertrags mit den
Niedersächsischen Landesforsten im Zeitraum zwischen dem ersten und
zweiten Beteiligungsverfahren im Jahr 2010 habe die Antragstellerin eindeutig
zum Ausdruck gebracht, dass sie von einer Planung wieder Abstand genommen
habe. Sie habe nach Überarbeitung des Entwurfs des RROP die Möglichkeit,
hierzu im Rahmen der zweiten Öffentlichkeitsbeteiligung Stellung zu nehmen,
nicht genutzt und stattdessen ihre Planung verworfen. Anträge auf Erteilung
einer Genehmigung oder eines Vorbescheids habe die Antragstellerin nicht
gestellt. Auch die im Verfahren vorgelegten Verträge belegten ernsthafte
Planungsabsichten nicht. Für zwei der nunmehr geplanten Windenergieanlagen
stünden der Antragstellerin Nutzungsrechte in dem erforderlichen Umfang nicht
zur Verfügung. Die Antragstellerin habe auch kein Rechtsschutzbedürfnis an
einer Normenkontrolle, weil ihr Vorhaben selbst bei unterstellter Unwirksamkeit
des RROP nicht genehmigungsfähig wäre. Der Flächennutzungsplan der
Gemeinde H. entfalte über die Ausweisung von Vorranggebieten an anderer
Stelle Ausschlusswirkung. Für einen der in Aussicht genommenen Standorte sei
die Erschließung nicht ausreichend gesichert. Es liege ferner ein Verstoß gegen
die Grenzabstandsbestimmungen des § 5 NBauO vor, weil der Rotor einer der
Anlagen eine im Eigentum der Gemeinde H. befindliche öffentliche
Verkehrsfläche überschreiten würde. Das Vorhaben stehe zudem im
Widerspruch zu der Maßgabe, dass bauliche Anlagen nicht auf mehreren
unterschiedlichen Baugrundstücken gelegen sein dürften (§ 4 Abs. 3 NBauO),
und gefährde wegen zu befürchtender Gefahren durch Eisfall die öffentliche
Sicherheit im Sinne von § 3 Abs. 1 NBauO. Der Normenkontrollantrag sei auch
unbegründet. Die Antragstellerin mache eine Verletzung der
Verfahrensvorschriften sowie Mängel des Abwägungsvorgangs geltend. Diese
Fehler seien jedenfalls unbeachtlich, weil sie nicht innerhalb der Rügefrist von
einem Jahr gemäß § 12 Abs. 5 ROG gerügt worden seien. Das RROP 2011
habe nach der Überleitungsvorschrift des § 28 Abs. 1 ROG noch nach den
Verfahrensvorschriften des NROG a. F. beendet werden können, die
Planerhaltungsvorschriften richteten sich gemäß § 28 Abs. 2 ROG für den nach
dem 30. Juni 2009 in Kraft getretenen Plan aber nach § 12 ROG. Bei
Inkraftsetzung des Raumordnungsplans sei auf die Voraussetzungen für die
Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen
hingewiesen worden. Eine Rüge im Sinne dieser Vorschrift sei bei ihm - dem
Antragsgegner - nicht fristgemäß eingegangen. Die Antragsschrift vom 22. März
2012 sei ihm am 29. März 2012 zugegangen. Eine Begründung, aus der sich
konkrete Mängel ergeben hätten, sei nicht Bestandteil dieses Antrags gewesen.
Die Antragsbegründung sei ihm erst am 28. Januar 2013 übersandt worden.
Den behaupteten Abwägungsausfall begründe die Antragstellerin nicht. Er - der
Antragsgegner - habe sich im Verfahren ausführlich mit der Abgrenzung der
Vorranggebiete beschäftigt. Die vom Kreistag beschlossenen
Abwägungssynopsen behandelten auf über 180 Seiten die im Verfahren
eingebrachten Anregungen zur Windenergie. Die von der Antragstellerin
behaupteten Fehler lägen im Übrigen nicht vor. Eine erneute Beteiligung der
Öffentlichkeit sei nicht erforderlich gewesen. Gemessen an dem komplexen
Regelungsgehalt des RROP sei der Verzicht auf die Kopplung einer Bebauung
des Vorranggebiets H 7 an ein „Repowering“ von untergeordneter Bedeutung.
Grundzüge der Planung seien auch unter Berücksichtigung der NROG-
Arbeitshilfe des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft,
Verbraucherschutz und Landesentwicklung nicht berührt. Die Änderungen in
den von der Antragstellerin genannten Kapiteln (Zentrale Orte, Siedlungsstruktur
u. a., Landwirtschaft/Forstwirtschaft) beruhten im Wesentlichen auf einer
fehlerhaften Einordnung der Festlegungen in die raumordnerische Systematik.
Am materiellen Regelungsgehalt hätten sich keine maßgeblichen Änderungen
ergeben. Auch wenn er - der Antragsgegner - explizit zwischen harten und
weichen Tabuzonen unterschieden hätte, hätten sich die gleichen
Potenzialflächen ergeben. Dem Beschlussgremium sei aufgrund des
Verfahrenslaufs in der Sache klar gewesen, welche Ausschlusskriterien rechtlich
zwingend und welche Kriterien einer Abwägung zugänglich gewesen seien. Er -
der Antragsgegner - habe die in den Flächennutzungsplänen der Gemeinden
dargestellten Windenergieflächen nicht ungeprüft übernommen. Diese Flächen
seien - bis auf eine Ausnahme - zwar im Rahmen der Potenzialflächenanalyse
wieder in die weitere Betrachtung einbezogen worden. Er - der Antragsgegner -
habe dann aber eine Einzelfallbetrachtung eines jeden einzelnen Standorts
vorgenommen. Nach der Rechtsprechung könne der Planungsträger der „Kraft
des Faktischen“ dadurch Rechnung tragen, dass er bereits errichtete Anlagen in
sein Auswahlkonzept einbeziehe. Planerische Aussagen seien zudem nicht
unbesehen an der TA Lärm zu messen. Das Recht des Plangebers, über die
Grenzen des Zumutbaren hinaus aus Vorsorgegründen pauschale Abstände
festzulegen, sei in der Rechtsprechung anerkannt. Der Schutzabstand zu der
Wohnbebauung im Außenbereich trage im konkreten Fall der besonderen
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Siedlungsstruktur im Kreisgebiet Rechnung. Besonders im Ostkreis befänden
sich sog. L.-Siedlungen, die im Zuge der Hannoverschen Moorkolonisation im
18. und 19. Jahrhundert entstanden seien. Sie befänden sich in der Regel im
baurechtlichen Außenbereich. Wegen ihrer besonderen Bedeutung sollten die
Siedlungen mit Blick auf die Vorsorgeabstände mit einer Wohnbebauung im
Innenbereich gleichgestellt werden. Um wiederum nicht zu einer
Ungleichbehandlung mit der weiteren Wohnbebauung im Außenbereich zu
kommen, seien die gleichen Abstände für alle Wohnnutzungen zugrunde gelegt
worden. Auch eine Differenzierung zwischen der Wohnnutzung im Innen- und
Außenbereich hätte nicht zwangsläufig dazu führen müssen, dass mehr
Potenzialflächen zur Verfügung gestanden hätten. Die Abstände zu Straßen und
zur Haupteisenbahnstrecke seien fachlich gerechtfertigt. Die Schutzabstände
bezögen sich ohnehin nur auf klassifizierte Straßen. Das RROP orientiere sich
dabei an der Anbauverbotszone an Autobahnen. In der Rechtsprechung seien
weitaus größere Vorsorgeabstände zu Verkehrsflächen anerkannt. Der Abstand
zur Haupteisenbahnstrecke gehe auf eine konkrete Anregung der N. GmbH
zurück. Die von der Antragstellerin behaupteten Fehler hätten auch nicht dazu
geführt, dass der Windenergie nicht substanziell Raum verschafft worden sei.
Die privaten Interessen seien im Rahmen der Abwägung in genügendem Maße
berücksichtigt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des
Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die in ihren
wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
I. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Eine Normenkontrolle ist nach § 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO nur zulässig, wenn ein Antragsteller geltend machen kann, durch
die Satzung oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in
absehbarer Zeit verletzt zu werden. Für die Geltendmachung einer
Rechtsverletzung ist es ausreichend, wenn ein Antragsteller hinreichend
substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen
lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem
subjektiven Recht verletzt wird. Die Verletzung eines derartigen subjektiven
Rechts kann dabei auch aus einem Verstoß gegen das in § 7 Abs. 2 ROG
enthaltene Abwägungsgebot folgen. Dieses Gebot hat hinsichtlich solcher
privater Belange drittschützenden Charakter, die für die Abwägung erheblich
sind. Antragsbefugt ist also, wer sich auf einen abwägungserheblichen privaten
Belang berufen kann. Haben - wie hier - raumordnerische Zielfestlegungen etwa
infolge § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nachteilige Wirkungen für die Rechtsstellung
von Privaten, sind deren Belange bei der Abwägung zu berücksichtigen
(BVerwG, Urt. v. 13.11.2006 - 4 BN 18.06 -, NVwZ 2007, 229). Antragsbefugt
sind danach neben den Eigentümern von Grundstücken innerhalb des
Plangebiets die dinglich und obligatorisch hinsichtlich dieser Grundstücke
Nutzungsberechtigten (BVerwG, Beschl. v. 7.4.1995 - 4 NB 10.95 -, NVwZ-RR
1996, 8; vgl. auch Sächs. OVG, Urt. v. 19.7.2012 - 1 C 40/11 -, SächsVBl. 2013,
40; OVG Meckl.-Vorp., Urt. v. 20.5.2009 - 3 K 24/05 -, juris). Unternehmen der
Windenergiewirtschaft, die ohne eigenes Grundeigentum in einer
Ausschlusszone Windenergieanlagen errichten wollen, können antragsbefugt
sein, wenn sie etwa durch Abschluss eines hinreichend gesicherten
Nutzungsvertrags mit einem Grundeigentümer dinglich oder obligatorisch an
einem Grundstück im Plangebiet berechtigt sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.6.2012
- 4 BN 37.11 -, RdL 2013, 27; Urt. d. Sen. 12.12.2012 - 12 KN 311/10 -, DVBl.
2013, 446 u. v. 9.10.2008 - 12 KN 35/07 -, NdsVBl. 2009, 107; vgl. auch Gatz,
Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, Rn. 517 f.). So liegt
der Fall auch hier. Die Antragstellerin hat mit privaten Grundeigentümern zwei
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Nutzungsverträge über die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen
auf Grundstücken in der Ausschlusszone (Anlagen 5 und 6 zum Schriftsatz vom
29.4.2013 (?) - Eingang bei Gericht per Fax am 11.6.2013 -) sowie einen Vertrag
über die Gewährung von „Abstands- und Rotorrechten“ geschlossen (Anlage 7
zu diesem Schriftsatz). Dass diese in den Jahren 2009 und 2010
geschlossenen Verträge unwirksam sein könnten, trägt der Antragsgegner nicht
vor und ist auch sonst nicht ersichtlich. In Anbetracht dessen ist für dieses
Verfahren ohne Belang, dass die Antragstellerin einen weiteren
Standortsicherungsvertrag mit den Niedersächsischen Landesforsten im
Aufstellungsverfahren gekündigt hat. Unerheblich ist ferner, dass die
Antragstellerin ihre Planungen bisher nicht weiter konkretisiert bzw. im Verfahren
unterschiedliche Standorte für die Errichtung von Windenergieanlagen im
Plangebiet benannt hat. Allein die Beschränkung der ihr vertraglich zustehenden
Grundstücksnutzung durch die Ausweisung von Vorrangflächen für die
Windenergienutzung an anderer Stelle lassen es jedenfalls möglich erscheinen,
dass sie in ihren subjektiven Rechten verletzt wird.
Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin
nach erneuter Auslegung des zweiten Entwurfs des RROP (Stand: Dez. 2010)
keine weitere Stellungnahme abgegeben hat. Nach § 5 Abs. 7 NROG in der für
dieses Verfahren maßgeblichen Fassung vom 7. Juni 2007 (NROG a. F.)
können Stellungnahmen, die nicht rechtzeitig abgeben worden sind, u. a. (nur
dann) unberücksichtigt bleiben, wenn die vorgebrachten Belange dem
Planungsträger nicht bereits bekannt sind. So liegt der Fall aber hier. Die
Antragstellerin hatte dem Antragsgegner im Rahmen der ersten
Öffentlichkeitsbeteiligung zu dem vorangegangenen Entwurf des
Raumordnungsverfahrens (Stand: Sept. 2009) in der Sache mitgeteilt, dass sie
beabsichtige, auf aus ihrer Sicht geeigneten Flächen im Plangebiet
Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben. Der Umstand, dass die
Antragstellerin zu dem zu ihren Lasten geänderten zweiten Entwurf des RROP
geschwiegen hat, rechtfertigte für sich genommen dagegen noch nicht die
Annahme, die Antragstellerin habe ihre Planungsabsichten endgültig
aufgegeben und die darauf bezogene Stellungnahme sei hinfällig. Diesen
Schluss hat offenbar auch der Antragsgegner im Verfahren selbst nicht
gezogen. Er hat die Stellungnahme der Antragstellerin im ersten
Beteiligungsverfahren vielmehr in die Abwägungssynopse als Anlage zur
Beschlussfassung über das RROP 2011 aufgenommen und damit zum
Gegenstand seiner Abwägungsentscheidung gemacht.
Der Antragstellerin fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Das
Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur, wenn die Aufhebung des Plans für einen
Antragsteller offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringt
und die Inanspruchnahme des Gerichts daher als nutzlos erscheint
(Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 18. Aufl., § 47 Rn. 89 m. w. N.). Das ist hier
aber nicht der Fall. Hätte der Antrag der Antragstellerin Erfolg, führte dies
jedenfalls zu einer Verbesserung ihrer Rechtsposition, und zwar unabhängig
davon, ob die Windkraftnutzung auf den in Aussicht genommenen Flächen
durch einen kommunalen Flächennutzungsplan ausgeschlossen ist (so bereits
Urt. d. Sen. v. 12.12.2012 - 12 KN 311/10 -, a. a. O.). Ob die Errichtung und der
Betrieb von Windenergieanlagen an den bisher genannten Standorten auch in
der Sache zu genehmigen wären, bedarf in diesem Verfahren ebenfalls keiner
Entscheidung. Diese Frage bleibt einem möglichen Genehmigungsverfahren
vorbehalten. Nur wenn ein Antragsteller seinem Ziel, das Grundstück baulich zu
nutzen, auf unabsehbare Zeit selbst dann nicht näherkommen kann, wenn der
Plan für unwirksam erklärt wird, liegt ein Rechtsschutzbedürfnis für einen
Normenkontrollantrag nicht vor (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.3.1998 - 4 CN 6.97 -,
NVwZ 1998, 733). Vorliegend vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die
Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von
Windenergieanlagen auf den vorgesehenen Grundstücken schon im Grundsatz
ausgeschlossen werden kann. Der mögliche Widerspruch zu den
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Grenzabstandsbestimmungen (§ 5 NBauO), dem Überbauverbot (§ 4 Abs. 4
NBauO) wie auch die von dem Antragsgegner behauptete Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit erscheinen jedenfalls durch eine entsprechende Auswahl
des Standorts der Windenergieanlagen auf den Grundstücken, der Gestaltung
der Anlage und gegebenenfalls aufgrund von Vereinbarungen mit den
Eigentümern der Nachbargrundstücke ausräumbar. Auch eine hinreichende
Erschließung des Vorhabens ist nach Aktenlage jedenfalls nicht erkennbar
unmöglich.
II. Der Antrag, die Satzung über die Feststellung des RROP 2011 hinsichtlich
des Teilbereichs Windenergie für unwirksam zu erklären, hat aber in der Sache
keinen Erfolg.
1. Formelle Fehler beim Zustandekommen der Satzung sind unbeachtlich und
liegen im Übrigen nicht vor.
Die Antragstellerin rügt die unterlassene Durchführung eines weiteren
Beteiligungsverfahrens nach erneuter Änderung des zweiten Entwurfs des
RROP. Ein solcher Verfahrensfehler ist jedenfalls unbeachtlich. Es kann
dahinstehen, ob mit Blick auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften eines
hier nach (altem) Landesrecht abgeschlossenen Verfahrens die
Planerhaltungsvorschriften des § 10 Abs. 1 NROG a. F. oder des zum Zeitpunkt
der Bekanntmachung des RROP 2011 in Kraft getretenen § 12 Abs. 5 ROG
einschlägig sind. Der Antragsgegner hat mit der Bekanntmachung des RROP
2011 unter Bezugnahme auf die genannten Vorschriften jeweils auf die
Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften und
auf die damit verbundenen Rechtsfolgen hingewiesen. Die
Planerhaltungsvorschriften des § 10 Abs. 1 NROG a. F. und § 12 Abs. 5 ROG
stimmen jedenfalls insoweit überein, als Verfahrensfehler innerhalb eines Jahres
seit der Bekanntmachung des Raumordnungsplans schriftlich geltend zu
machen sind. Diese Ausschlussfrist hat die Antragstellerin nicht eingehalten.
Unmittelbar bei dem Antragsgegner hat die Antragstellerin eine fehlerhafte
Öffentlichkeitsbeteiligung zu keinem Zeitpunkt gerügt. Auch der bei Gericht
eingegangene und dem Antragsgegner innerhalb der Jahresfrist übersandte
Normenkontrollantrag genügte den Anforderungen an eine schriftliche Rüge im
Sinne der genannten Vorschriften nicht. Die Rüge soll den Planungsträger in die
Lage versetzen, das Vorbringen auf der Grundlage gezielter Informationen
sachgerecht zu prüfen und frühzeitig, also gegebenenfalls auch ohne
Verwaltungsstreitverfahren, den Verfahrensfehler beheben zu können (so
bereits zum ROG 1998 Reitzig, in: Bielenberg u.a., Raumordnungs- und
Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Sept. 2008, § 10 Rn.
63; vgl. auch Spannowsky, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, § 12 Rn. 78).
Die Antragstellerin hat ihren Normenkontrollantrag zunächst „fristwahrend“
erhoben und sich auf Ausführungen zur Zulässigkeit des Antrags beschränkt.
Dass das Verfahren zur Aufstellung des RROP aus ihrer Sicht fehlerhaft
gewesen sein könnte, hat die Antragstellerin in der Antragsschrift vom 22. März
2012 nicht einmal ansatzweise dargelegt. Der Schriftsatz vom 21. Januar 2013,
in dem die Antragstellerin eine fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung erstmals in
der Sache rügt, ist dem Antragsgegner dagegen nicht innerhalb der Jahresfrist
zugegangen.
Davon abgesehen liegen formelle Fehler auch nicht vor. Nach § 5 Abs. 10
NROG a. F. ist die Beteiligung (der Öffentlichkeit) erneut durchzuführen, wenn
der Entwurf eines Raumordnungsplans, der Gegenstand der Beteiligung nach
den Absätzen 4 bis 9 gewesen ist, in seinen Grundzügen geändert wird. Die
Grundzüge der Planung bilden das dem Plan zugrunde liegende Leitbild
(BVerwG, Urt. v. 29.1.2009 - 4 C 16.07 -, BVerwGE 133, 98). Dieses wird in der
Regel durch Festlegungen mit Zielqualität geprägt, ohne dass jede Festlegung
mit Zielqualität zu den Grundzügen der Planung zu rechnen wäre (so zu der
inhaltlich übereinstimmenden Formulierung des § 10 Abs. 1 Satz 4 ROG Runkel,
in: Spannowsky/Runkel/Goppel, a. a. O., § 10 Rn. 39 m. w. N.). Wann eine
29
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Planänderung die Grundzüge der Planung berührt, lässt sich nicht abstrakt
bestimmen, sondern hängt von der jeweiligen Planungssituation ab (BVerwG,
Urt. v. 16.12.2010 - 4 C 8.10 -, BVerwGE 138, 301). Vorliegend hat der
Antragsgegner nach der zweiten Öffentlichkeitsbeteiligung das Ziel 4.2.1 - 02,
wonach die Bebauung des Vorranggebiets H 7 nur im Rahmen des
„Repowering“ als Ersatz für an anderer Stelle bereits errichtete
Windenergieanlagen zulässig sein soll, gestrichen. Das dem Plan zugrunde
liegende Leitbild war von dieser Änderung nicht betroffen. Der Antragsgegner
hatte in dem zuvor ausgelegten Entwurf des RROP (Stand: Dez. 2010) von
vornherein nur die Bebauung eines einzelnen Vorranggebiets an ein
„Repowering“ geknüpft. Diese Koppelung beruhte zudem nicht auf
grundsätzlichen Erwägungen des Antragsgegners, sondern der Nähe dieser
Fläche zu der Potenzialfläche H 3 (vgl. Bewertung dieses Standorts auf S. 186
des Entwurfs des RROP, Beiakte K). Darüber hinaus hat die Antragstellerin nicht
dargelegt und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Änderungen in
anderen Kapiteln die Grundzüge der Planung berühren. Der Antragsgegner hat
insoweit Festlegungen des zuvor ausgelegten Entwurfs des RROP klargestellt,
vermeintliche Fehler korrigiert und im Einzelnen auch neu eingeordnet, ohne
den materiellen Gehalt dieser Regelungen zu ändern.
2. Das RROP 2011 ist nicht materiell rechtswidrig.
a) Die von der Antragstellerin geltend gemachten Mängel im
Abwägungsvorgang sind jedenfalls unbeachtlich.
Die Planerhaltung richtet sich hier nach § 12 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ROG. Die
Raumordnung ist nach der Änderung des Grundgesetzes im Zuge der
Föderalismusreform (Gesetz zur Änderung des GG v. 28.8.2006, BGBl. I S.
2034) Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 31
GG). Der Bund hat mit dem Gesetz zur Neufassung des
Raumordnungsgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften vom 22.
Dezember 2008 von dieser Kompetenz, die Raumordnung in den Ländern auch
unmittelbar selbst zu regeln, Gebrauch gemacht. Die Verfahrensregelungen und
materiellen Bestimmungen des ROG gehen daher den seinerzeit geltenden
landesrechtlichen Regelungen vor, soweit die Überleitungsvorschriften im
Raumordnungsgesetz das Landesrecht nicht ausdrücklich für anwendbar
erklären. Das ist hier aber nicht der Fall. Die Überleitungsvorschrift des § 28 Abs.
1 ROG erfasst allein Verfahrensvorschriften (Spannowsky, in:
Spannowsky/Runkel/Goppel, a. a. O., § 28 Rn. 3). Die Abgrenzung der
Planerhaltungsvorschriften des Bundes und der Länder erfolgt nach § 28 Abs. 2
ROG durch eine Stichtagsregelung. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 ROG sind die
Planerhaltungsvorschriften des § 12 Abs. 1 bis 4 ROG rückwirkend auf
Raumordnungspläne der Länder entsprechend anzuwenden, die vor dem
30. Juni 2009 auf der Grundlage der Raumordnungsgesetze der Länder in Kraft
getreten sind. Ergänzend sind die der Planerhaltung dienenden Vorschriften in
den Raumordnungsgesetzen der Länder über die form- und fristgerechte
Geltendmachung und über die Rechtsfolgen einer nicht form- und fristgerechten
Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, von
Mängeln der Abwägung und von sonstigen Vorschriften weiterhin anzuwenden
(§ 28 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 ROG). Nicht erfasst wird von dieser Vorschrift
(früheres) Landesrecht, welches erweiterte Möglichkeiten, Mängel geltend zu
machen, vorsah. Im Interesse der Planerhaltung sollen nach dem Willen des
Gesetzgebers nur die über das Bundesrecht hinausgehenden landesrechtlichen
Planerhaltungsvorschriften nicht ausgeschlossen werden (Spannowsky, in:
Spannowsky/Runkel/Goppel, a. a. O., § 28 Rn. 14). Dieser Zielrichtung folgend
hat der Bundesgesetzgeber in § 28 Abs. 2 Satz 2 ROG klargestellt, dass bereits
nach Landesrecht unbeachtlich gewordene Fehler bei der Aufstellung von
Raumordnungsplänen, Verfahrens- und Formfehler sowie Fehler im
Abwägungsvorgang, unbeachtlich bleiben. Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 ROG
dient nach ihrem Regelungsgehalt und dem Willen des Gesetzgebers (vgl.
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Begründung d. Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 16/10292, S. 30) der Erhöhung der
Bestandskraft von Raumordnungsplänen. Einen ausdrücklichen
Anwendungsbefehl von landesrechtlichen Planerhaltungsvorschriften, die - wie
hier - überhaupt keine Fristen für die Geltendmachung der Verletzung von
Abwägungsmängeln vorsahen, für ein nach altem Recht abgeschlossenes und
nach dem 30. Juni 2009 in Kraft getretenes Raumordnungsprogramm enthält
das Raumordnungsgesetz des Bundes demnach nicht. Nach alldem bleibt es
bei dem Grundsatz, dass das weitergehende Bundesrecht - hier § 12 Abs. 5
ROG - die frühere landesrechtliche Regelung des NROG verdrängt hat.
Dem kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass § 28 ROG
der Überleitungsvorschrift des § 233 BauGB nachempfunden sei und nach §
233 Abs. 2 Satz 3 BauGB für die Geltendmachung von Fehlern bei
Flächennutzungsplänen und Satzungen, die vor Inkrafttreten einer
Gesetzesänderung in Kraft getreten oder - wie hier - nach altem Recht
eingeleitet und fortgeführt worden seien, das frühere Recht einschließlich der
Fristen fortgelte (so zu § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB Löhr, in:
Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl., § 233 Rn. 4; Seifert, in:
Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 233 Rn. 3; differenzierter Stock, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: Sept. 2012, § 215 Rn. 65, wonach die
früheren Rügefristen auf Bebauungspläne, die gemäß § 244 Abs. 2 Satz 1
BauGB nach früherem Recht abgeschlossen worden sind, Anwendung finden).
Ob dieser Auslegung des § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB in der Sache
einschränkungslos zu folgen ist, bedarf in diesem Verfahren keiner
Entscheidung. Sie ist schon deshalb nicht auf Verfahren der Raumordnung
übertragbar, weil die Überleitungsvorschriften des ROG zwar an die des BauGB
angelehnt sind (Begründung d. Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 16/10292, S. 30),
ihr Wortlaut und Regelungsgehalt aber nicht identisch sind. Sowohl § 28 Abs. 2
Satz 1 Hs. 1 ROG als auch § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB ordnen eine
rückwirkende Anwendung der neu geregelten bzw. geänderten
Planerhaltungsvorschriften an. „Abweichend“ von § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB
regelt § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB, dass unter den genannten zeitlichen
Voraussetzungen die früheren Vorschriften über die Geltendmachung der
Verletzung von Vorschriften und von Mängeln der Abwägung „einschließlich
ihrer Fristen“ weiterhin anzuwenden sind. Danach besteht im Einzelfall auch
eine erweiterte Möglichkeit zur Geltendmachung von Fehlern fort (Löhr, in:
Battis/Krautzberger/Löhr, a. a. O., § 233 Rn. 4a; Lemmel, in: Berliner Kommentar
z. BauGB, 3. Aufl., Stand: April 2013, § 233 Rn. 6; Seifert, in:
Spannowsky/Uechtritz, a. a. O., § 233 Rn. 3). Davon unterscheidet sich die
Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 ROG in ihrem Wortlaut und ihrer
Zielrichtung. Sie erklärt früheres Landesrecht lediglich „ergänzend“ für weiterhin
anwendbar. Erfasst werden im Interesse der Planerhaltung daher - wie gesehen
- nur die weitergehenden landesrechtlichen Planerhaltungsvorschriften. Die
Antragstellerin beruft sich dagegen auf eine aus ihrer Sicht günstigere
Rechtslage, weil die landesrechtlichen Vorschriften des NROG a. F. überhaupt
keine Fristen für die Geltendmachung von Abwägungsmängeln vorsahen.
Die Planerhaltungsvorschriften des ROG unterscheiden zwischen Mängeln im
Abwägungsvorgang und Mängeln im Abwägungsergebnis. Mängel im
Abwägungsvorgang sind nach § 12 Abs. 3 Satz 2 ROG nur erheblich, wenn sie
offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Ein
hiernach beachtlicher Mangel des Abwägungsvorgangs muss innerhalb eines
Jahres seit Bekanntmachung des Raumordnungsplans schriftlich gegenüber
der zuständigen Stelle unter Darlegung des die Verletzung begründenden
Sachverhalts geltend gemacht worden sein; anderenfalls wird er, wenn bei
Inkraftsetzung des Raumordnungsplans auf die Voraussetzungen für die
Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen
hingewiesen worden ist, unbeachtlich (§ 12 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ROG). Ein
Mangel im Abwägungsergebnis ist demgegenüber stets beachtlich; er führt
unabhängig vom Vorliegen weiterer Mängel der Abwägung zur Unwirksamkeit
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des Plans (so zu der inhaltlich übereinstimmenden Vorschrift des § 215 Abs. 1
BauGB BVerwG, Urt. v. 22.9.2010 - 4 CN 2.10 -, BVerwGE 138, 12). Zum
Abwägungsvorgang gehören die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials
sowie die Gewichtung und Einstellung dieser Belange in die Abwägung. Das
Abwägungsergebnis ist dagegen der durch die Abwägung gewonnenen
Norminhalt des Plans (vgl. Spannowsky, in: Spannowsky/Runkel/Goppel,
a. a. O., § 12 Rn. 61; Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht,
3. Aufl., Rn. 133 ff.; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a. a. O., § 1 Rn. 187).
Die Ausarbeitung eines Planungskonzeptes für die Darstellung von
Konzentrationszonen ist danach auf der Ebene des Abwägungsvorgangs
angesiedelt (BVerwG, Beschl. v. 15.9.2009 - 4 BN 25.09 -, BauR 2010, 82).
Dazu gehört insbesondere auch die Unterscheidung zwischen den rechtlich und
tatsächlich zwingenden („harten“) Ausschlusskriterien und den einer Abwägung
zugänglichen („weichen“) Kriterien bei der Ermittlung der Potenzialflächen (so
auch ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 13.12.2013 - 4 CN 1.11, 2.11 -, a. a. O.).
Ebenso betreffen die von der Antragstellerin behauptete „ungeprüfte“
Übernahme von in den kommunalen Flächennutzungsplänen dargestellten
Vorrangflächen, die mangelnde Differenzierung zwischen Wohnnutzungen im
Außen- und Innenbereich sowie die aus Sicht der Antragstellerin fehlerhaften
Vorsorgeabstände zu Einzelwohnhäusern im Außenbereich und zu
Verkehrsflächen die Ermittlung und Gewichtung von Belangen im
Abwägungsvorgang. Die auf dieser Grundlage ermittelten Potenzialflächen hat
der Antragsgegner erst in einem weiteren Schritt einzelfallbezogen überprüft und
auf dieser Grundlage entschieden, welche Potenzialflächen oder Teile davon -
als Abwägungsergebnis - im RROP 2011 als Vorrangstandort ausgewiesen
werden sollen. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist schließlich auch der
von ihr behauptete Abwägungsausfall dem Abwägungsvorgang zuzuordnen
und wird daher ebenfalls von den Planerhaltungsvorschriften des § 12 ROG
erfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.9.2010 - 4 CN 2.10 -, a. a. O.). Soweit der Senat
in seinem Urteil vom 31. März 2011 (- 12 KN 187/08 -, BauR 2011, 1300) zu
§ 10 Abs. 2 NROG a. F. noch eine andere Auffassung vertreten hat, hält er
daran nicht mehr fest.
Die Antragstellerin hat die genannten Mängel im Abwägungsvorgang nicht
gemäß § 12 Abs. 5 Satz 1 ROG innerhalb eines Jahres gerügt. Das Gesetz
verlangt eine substantiierte und konkretisierte Rüge. Die Regelung soll
sicherstellen, dass der Planungsträger aufgrund gezielter Information in die Lage
versetzt wird zu prüfen, ob und wie sich der geltend gemachte Mangel beheben
lässt. Das schließt eine pauschale Rüge aus (so zu den inhaltlich
übereinstimmenden Vorschriften des § 215 Abs. 1 BauGB bzw. § 244 Abs. 2
BauGB a. F. BVerwG, Beschl. v. 11.11.1998 - 4 BN 50.98 -, NVwZ-RR 1999,
424; Beschl. v. 2.1.2001 - 4 BN 13.00 -, Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 17;
Beschl. v. 19.1.2012 - 4 BN 35.11 -, BauR 2013, 55; Stock, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a. a. O., § 215 Rn. 34). Diesen Anforderungen wird
die innerhalb der Jahresfrist bei dem Antragsgegner eingegangene
Antragsschrift vom 22. März 2012 nicht gerecht. Die Antragstellerin beschränkt
sich in diesem Schreiben auf Ausführungen zu ihrer Antragsbefugnis. Mit der
Aussage, sie sei von der Planung mittelbar betroffen, legt sie keinen Mangel
oder auch nur Sachverhalt dar, den der Antragsgegner hätte überprüfen
können. Die Schriftsätze vom 21. Januar, 29. April 2013 und 14. Juni 2013 sind
dagegen nicht innerhalb der Ausschlussfrist von einem Jahr bei dem
Antragsgegner eingegangen.
Ohne dass es in der Sache darauf ankommt, weist der Senat klarstellend darauf
hin, dass ein - hier unbeachtlicher - Mangel im Abwägungsvorgang nur vorliegen
dürfte, soweit der Antragsgegner im Abwägungsprozess nicht zwischen harten
und weichen Tabuzonen unterschieden hat. Im Übrigen ist der
Abwägungsvorgang nicht zu beanstanden.
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach sich eine
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Gemeinde in der Bauleitplanung - auf der ersten Stufe des Planungsprozesses -
den Unterschied zwischen harten und weichen Tabuzonen bewusst machen
und ihn dokumentieren muss (BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 - 4 CN 1.11, 2.11 -, a.
a. O.; im Ergebnis nunmehr auch Beschl. d. Sen. v. 16.5.2013 - 12 LA 49/12 -,
juris), gilt auch für die Raumplanung (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.4.2013 - 4 CN 2.12
-, juris). Der Antragsgegner hat im Planungsprozess aber nicht ausdrücklich
zwischen harten und weichen Tabuzonen differenziert. Die Begründung des
RROP 2011 sowie der Verfahrensablauf lassen auch nicht hinreichend
erkennen, dass sich der Antragsgegner gleichwohl dieser Unterscheidung
bewusst war. Soweit der Antragsgegner im Verfahren etwa den Schutzabstand
zur Wohnbebauung von 550 m auf 800 m erhöht hat, rechtfertigt dieses
Vorgehen für sich genommen nicht den Schluss, er habe einen Abstand von
550 m als rechtlich zwingend angesehen und im Übrigen die ihm bekannten
Spielräume ausgenutzt. Es begegnet schon Zweifeln, ob ein Abstand von 550 m
im Außenbereich überhaupt rechtlich zwingend ist. Jedenfalls legt die
Begründung des der Planung zugrunde liegenden Abstands von 800 m zu
Wohnbauflächen im RROP 2011 unter Hinweis auf die Immissionsrichtwerte der
TA Lärm nahe, dass der Antragsgegner bzw. die zur Entscheidung berufenen
Mitglieder des Kreistags auch insoweit davon ausgegangen sind, dass es sich
zumindest mit Blick auf reine und allgemeine Wohngebiete um ein hartes
Ausschlusskriterium handele. Ferner hat der Antragsgegner im Verfahren nicht
jedes einzelne Ausschlusskriterium geändert, so dass ein Rückschluss darauf,
ob sich der Antragsgegner der genannten Differenzierung tatsächlich bewusst
war, von vornherein nicht Betracht kommt. Es besteht nach Auffassung des
Senats auch die konkrete Möglichkeit, dass dieser Fehler auf das
Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sein kann (§ 12 Abs. 3 Satz 2 ROG).
Hätte sich das Beschlussgremium den Unterschied zwischen den rechtlich
zwingenden und den einer Abwägung zugänglichen Kriterien bewusst gemacht,
mithin auch die Reichweite des planerischen Spielraumes zutreffend erkannt,
hätte es im Ergebnis möglicherweise andere oder auch mehr Flächen
ausweisen können.
Ohne Erfolg beanstandet die Antragstellerin dagegen die „ungeprüfte“
Übernahme von in den Flächennutzungsplänen dargestellten Vorrangflächen.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass der
Planungsträger der Kraft des Faktischen dadurch Rechnung tragen kann, dass
er bereits errichtete Anlagen in sein Konzentrationszonenkonzept mit einbezieht
und sich bei der Gebietsabgrenzung an dem vorhandenen Bestand ausrichtet
(zuletzt Urt. d. Sen. v. 12.12.2012 - 12 KN 311/10 -, a. a. O.). Ein
Abwägungsfehler läge in diesem Zusammenhang nur vor, wenn die auf der
Ebene der Flächennutzungs- oder der Bebauungspläne in den
Verbandskommunen zum Ausdruck gekommenen Planvorstellungen tatsächlich
ungeprüft übernommen worden wären (Urt. d. Sen. v. 28.1.2010 - 12 KN 65/07 -,
BauR 2010, 1043; Urt. v. 31.3.2011 - 12 KN 187/08 -, a. a. O.). Das ist hier aber
nicht der Fall. Der Antragsgegner hat die in den Flächennutzungsplänen der
Gemeinden dargestellten Vorranggebiete - mit einer Ausnahme - zunächst nur in
die Potenzialflächenanalyse übernommen. Er hat sodann jeden dieser
Standorte einer Einzelfallbetrachtung unterzogen. Er hat dabei sowohl die
Vorbelastung als auch die - im Einzelfall gegebene - Unterschreitung der zuvor
festgelegten Schutzabstände in die Bewertung eingestellt (vgl. S. 181 ff. der
Begründung zum RROP 2011). Als Ergebnis dieser Einzelfallbetrachtung hat
der Antragsgegner ein in einem Flächennutzungsplan dargestelltes
Sondergebiet „Windenergie“ (Potenzialfläche H 3) für die Raumplanung wieder
ausgeschlossen.
Die von dem Antragsgegner gewählten Vorsorgeabstände zu
Einzelwohnhäusern von 800 m und zu Verkehrswegen von 40 m (klassifizierte
Straßen) bzw. 180 m (Eisenbahnstrecke) sind nicht zu beanstanden. Es ist
zulässig, Pufferzonen und pauschale Abstände zu geschützten Nutzungen
festzusetzen und auf eine konkrete Prüfung der Verträglichkeit einer
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Windenergienutzung an jedem einzelnen Standort zu verzichten.
Mindestabstände können dabei bereits im Vorfeld der Abwehr schädlicher
Umwelteinwirkungen festgelegt werden, sofern sie städtebaulich bzw.
raumordnungsrechtlich begründbar sind (BVerwG, Urt. v. 17.12.2002, - 4 C
15.01 -, BVerwGE 117, 287; vgl. auch Urt. d. Sen. v. 24.1.2008 - 12 LB 44/07 -,
juris; v. 9.10.2008 - 12 KN 35/07 -, a. a. O., u. v. 28.1.2010 - 12 KN 65/07 -, a. a.
O.). So liegt der Fall hier. Die genannten Abstände bewegen sich jeweils im
Rahmen des Anerkannten und Vertretbaren. Es begegnet auch keinen
durchgreifenden Bedenken, dass die von dem Antragsgegner festgelegten
Schutzabstände nicht zwischen den in der TA Lärm bzw. der BauNVO
aufgeführten Baugebietstypen unterscheiden. Die Begründung des
Antragsgegners, aufgrund der besonderen Siedlungsstruktur im Landkreis, vor
allem mit Blick auf die baurechtlich im Außenbereich gelegenen sog. L.-
Siedlungen, seien alle Siedlungsflächen gleich zu behandeln, ist jedenfalls
vertretbar. In der Sache hat der Antragsgegner den von ihm gewährten hohen
Schutz des Wohnens im Außenbereich zudem kompensiert, indem er Abstriche
beim Schutz allgemeiner und reiner Wohngebiete vorgenommen hat. Der
Schutzabstand von 800 m bleibt hinter dem im Falle einer Differenzierung im
Regelfall zulässigen Schutzabstand zur Wohnbebauung im Innenbereich von
1.000 m (so etwa Urt. d. Sen. v. 28.1.2010 - 12 KN 65/07 -, a. a. O.; vgl. schon
Empfehlungen zur Festlegung von Vorrang- oder Eignungsgebieten für die
Windenergienutzung v. 26.01.04 - 303-32346/8.1 -) zurück.
Ein Abwägungsausfall fällt dem Antragsgegner nicht zur Last. Der
Antragsgegner hat die in den Flächennutzungsplänen dargestellten
Vorranggebiete - wie gesehen - nicht ungeprüft übernommen, sondern einer
Einzelfallbetrachtung unterzogen. Er hat sich ferner in der dem Kreistag
vorliegenden Abwägungssynopse mit den Einwendungen der Träger öffentlicher
Belange und der Öffentlichkeit im Einzelnen auseinandergesetzt und die jeweils
getroffene Abwägungsentscheidung erläutert.
b) Die behaupteten Mängel im Abwägungsvorgang schlagen auch nicht auf das
Abwägungsergebnis durch.
Das Abwägungsergebnis ist nicht schon dann fehlerhaft, wenn die konkrete
Möglichkeit besteht, dass die Planung nach der erforderlichen Abwägung
anders ausgefallen wäre und der Abwägungsausfall damit im Sinne des § 12
Abs. 3 Satz 2 ROG auf das Abwägungsergebnis „von Einfluss" gewesen ist. Es
ist vielmehr erst dann zu beanstanden, wenn eine fehlerfreie Nachholung der
erforderlichen Abwägung schlechterdings nicht zum selben Ergebnis führen
könnte, weil anderenfalls der Ausgleich zwischen den von der Planung
berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen würde, der zur
objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Die Grenzen
der planerischen Gestaltungsfreiheit müssen überschritten sein (BVerwG, Urt. v.
11.4.2013 - 4 CN 2.12 -, a. a. O.; zu § 215 Abs. 1 BauGB BVerwG, Urt. v.
22.9.2010 - 4 CN 2.10 -, a. a. O.; vgl. auch Hoppe, in: Hoppe/Bönker/ Grotefels,
a. a. O., Rn. 121 ff.).
Gemessen daran ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die von der
Antragstellerin für eine Bebauung in Aussicht genommenen Flächen im RROP
2011 nicht als Vorranggebiet dargestellt hat. Dass diese Flächen auch im Falle
einer aus Sicht der Antragstellerin fehlerfreien Abwägung schlechterdings nicht
wegwägbar wären, trägt sie selbst nicht vor und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Dies gilt vorliegend umso mehr, weil schon die der Planung zugrunde liegenden
Schutzabstände von 800 m zu Wohnbauflächen, die hier zum
Flächenausschluss geführt haben, auf keine rechtlichen Bedenken stoßen. Der
Antragsgegner konnte als Träger der Regionalplanung - wie gesehen - einen
solchen Pauschalabstand zu Wohnbauflächen festsetzen und auf eine konkrete
Prüfung der Verträglichkeit einer Windenergienutzung an jedem einzelnen
Standort verzichten.
44 Der Antragsgegner hat die Konzentrationszonen auch so bemessen, dass der
Windenergie im Plangebiet insgesamt substanziell Raum verschafft wird. Eine
normative Gewichtungsvorgabe, derzufolge ein Planungsträger der
Windenergienutzung im Sinne einer speziellen Förderungspflicht bestmöglich
Rechnung zu tragen habe, ist der gesetzlichen Regelung in § 35 Abs. 3 Satz 3
BauGB nicht zu entnehmen. Eine gezielte (rein negative) Verhinderungsplanung
bzw. eine bloße Feigenblattplanung, die auf eine verkappte
Verhinderungsplanung hinausläuft, ist dem Plangeber jedoch verwehrt. Er muss
die in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB enthaltene Entscheidung des Gesetzgebers,
Windkraftanlagen im Außenbereich zu privilegieren, beachten und für die
Windenergienutzung im Plangebiet in substanzieller Weise Raum schaffen. In
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (etwa Urt. v. 13.3.2003 - 4
C 4.02 -, a. a. O.; Urt. v. 13.12.2012 - 4 CN 1.11, 2.11 -, a. a. O.) und des Senats
(Urt. v. 21.4.2010 - 12 LC 9/07 -, BauR 2010, 1556; Urt. v. 22.11.2012 - 12 LB
64/11 -, juris) ist geklärt, dass sich nicht abstrakt, z. B. durch Ermittlung des
prozentualen Anteils der Vorrang- oder Konzentrationsflächen für Windenergie
an der Gesamtfläche des Planungsraums, bestimmen lässt, wo die Grenze zur
unzulässigen "Negativplanung" verläuft. Maßgeblich sind vielmehr die
tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Planungsraum, so dass
Größenangaben - isoliert betrachtet - als Kriterium ungeeignet erscheinen. Das
Verhältnis der ausgewiesenen Fläche zur Gesamtfläche bzw. zu den zuvor
ermittelten Potenzialflächen kann aber als Indiz für eine Verhinderungsplanung
gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 13.12.2013 - 4 CN 1.11, 2.11 -, a. a. O.; VG
Hannover, Urt. v. 24.11.2011 - 4 A 4927/09 -, juris). Danach begegnet das
Abwägungsergebnis des Antragsgegners keinen rechtlichen Bedenken. Das
Verhältnis der ausgewiesenen Vorrangflächen (499,7 ha) an der Gesamtfläche
des Antragsgegners (65.073 ha) von 0,77 % bewegt sich noch im Rahmen
dessen, was der Senat in vorangegangenen Entscheidungen als (noch)
substanziell angesehen hat (Urt. v. 9.10.2008 - 12 KN 35/07 -, a. a. O.: 0,51 %;
Urt. v. 28.1.2010 - 12 KN 65/07 -, a. a. O.: 0,61 %). Die von dem Antragsgegner
im RROP 2011 dargestellten Vorrangflächen ergeben zudem ein
Leistungspotenzial von bis zu 166,5 MW und damit ein Mehrfaches der im
Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen (in der Fassung v. 8.5.2008) für
den Antragsgegner auch derzeit mindestens vorgesehenen Leistung von 50
MW. Davon abgesehen lassen auch die der Abwägungsentscheidung zugrunde
gelegten Parameter und das Vorgehen des Antragsgegners im
Planungsprozess Tendenzen einer von Fehlvorstellungen geleiteten
Verhinderungsplanung nicht erkennen. Die zur Ermittlung der Potenzialflächen
gewählten Schutzabstände liegen ausnahmslos im Bereich des Anerkannten
und Vertretbaren. Auf die zunächst vorgesehene und im Grundsatz zulässige
Festlegung eines Pauschalabstands zwischen Windparks von nach den
Empfehlungen der Landesregierung 5.000 m (Empfehlungen zur Festlegung
von Vorrang- oder Eignungsgebieten für die Windenergienutzung v. 26.01.04 -
303-32346/8.1 -) hat der Antragsgegner gänzlich verzichtet. Auch die
Einzelfallbetrachtung der auf dieser Grundlage ermittelten Potenzialflächen lässt
ein restriktives Vorgehen des Antragsgegners nicht erkennen. Im Ergebnis hat
der Antragsgegner von elf Potenzialflächen neun Flächen insgesamt sowie eine
Teilfläche als Vorranggebiete dargestellt. Er hat insoweit weit mehr als die Hälfte
der Gesamtfläche der elf Potenzialflächen (885,3 ha) ausgewiesen.