Urteil des OVG Niedersachsen vom 22.11.2012

OVG Lüneburg: gemeinde, abgrenzung, vorbescheid, befreiung, meldung, biologische vielfalt, ausweisung, windkraftanlage, windenergieanlage, bestimmtheit

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Immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid für eine
WKA
1. Lässt die planende Gemeinde die Frage, ob es sich bei einer Fläche um ein
faktisches Vogelschutzgebiet handelt, im Ergebnis offen, obwohl
hinreichende Anhaltspunkte für eine solche Einstufung vorliegen und
begründet sie alternativ, warum sie, selbst wenn es sich nicht um ein
faktisches Vogelschutzgebiet handelte, diese Fläche wegen ihrer
avifaunistischen Wertigkeit nicht als Vorrangfläche ausgewiesen hätte, so
liegt ein zur Unwirksamkeit des Flächennutzungsplanes führender
Abwägungsmangel nicht vor (wie Sen., Urt. v. 21.4. 2010, BauR 2010, 1550).
2. Die "Erklärung" zum besonderen Schutzgebiet nach Art. 4 Abs. 1
Vogelschutzrichtlinie (VRL), die nach Art. 7 der FFH-Richtlinie den Wechsel
des Schutzregimes auslöst, setzt eine endgültige rechtsverbindliche
Entscheidung mit Außenwirkung voraus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.6.2010,
NVwZ 2010, 1289).
3. Bei der Unterschutzstellung eines EU-Vogelschutzgebiets etwa durch
Festsetzung eines Landschaftsschutzgebiets handelt es sich um einen Akt
der Erfüllung einer durch § 32 Abs. 2 BNatSchG sowie durch Art. 4 Abs. 1, 2
VRL begründeten Rechtspflicht.
4. Zur Bestimmtheit einer Landschaftsschutzgebietsverordnung.
5. Zur Teilunwirksamkeit einer Landschaftsschutzgebietsverordnung für den
Fall der Rechtswidrigkeit der konkreten Grenzziehung in einem Teilbereich.
OVG Lüneburg 12. Senat, Urteil vom 22.11.2012, 12 LB 64/11
§ 35 Abs 1 Nr 5 BauGB, § 35 Abs 3 S 3 BauGB, § 9 Abs 1 BImSchG, § 20 Abs 2
BNatSchG, § 26 BNatSchG, § 32 Abs 2 BNatSchG, § 19 BNatSchGAG ND, Art 4
EGRL 147/2009, Art 4 EWGRL 409/79, EWGRL 43/92
Tatbestand
Der Kläger begehrte die Erteilung zunächst eines Bauvorbescheids, später
eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids für die Errichtung und den
Betrieb einer Windkraftanlage.
Am 22. Dezember 2003 stellte er bei der Beigeladenen eine Bauvoranfrage über
die planungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung einer Windkraftanlage des
Typs Enercon E-66/20.70 mit einer Nennleistung von 2.000 kW, einer
Nabenhöhe von ca. 65 m und einer Gesamthöhe von knapp unter 100 m. Die
Windkraftanlage soll auf dem Flurstück 27/3 der Flur 1 der Gemarkung G. im
Außenbereich der beigeladenen Gemeinde errichtet werden.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2004 teilte der Beklagte mit, dass er eine
Genehmigung nicht in Aussicht stellen könne. Dem Vorhaben stünden die
Darstellungen des rechtswirksamen Flächennutzungsplans in Gestalt der 16.
und 21. Änderung der Gemeinde H., die aus diesem Grund auch das
Einvernehmen versagt habe, entgegen. Die Anlage stelle einen Eingriff in die
Integrität des Landschaftsbildes dar. Zudem sei angesichts der Nähe des
Standortes zu Rast- und Brutvogelvorkommen davon auszugehen, dass auch
avifaunistische Belange betroffen seien.
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Unter dem 11. Mai 2006 erklärte der Kläger, seinen Antrag als Antrag auf
Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids gemäß § 9 BImSchG
weiterverfolgen zu wollen.
Am 14. Dezember 2006 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Zur
Begründung hat er geltend gemacht, weder die 16. und 21. noch die erst im
Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens in Kraft getretene 28. Änderung des
Flächennutzungsplans der Beigeladenen stünden seinem Vorhaben entgegen.
Insbesondere sei auch die 28. Änderung unwirksam, weil sie von falschen
Voraussetzungen, nämlich einem faktischen Vogelschutzgebiet und einer
möglichen Beeinträchtigung von Korn- und Wiesenweihen, ausgehe. Beides
liege aber nicht vor. Darüber hinaus sei auch der Umgang mit den
Einwendungen des Wohngrundstückseigentümers I. und seiner Mutter
abwägungsfehlerhaft. Wenn man davon ausgehe, dass die 28. Änderung der
Flächennutzungsplanung der Beigeladenen wirksam sei, so wäre die Klage
angesichts der Unwirksamkeit der zuvor geltenden 16. und 21. Änderung der
Flächennutzungsplanung jedenfalls bis zum Tag des Inkrafttretens der 28.
Änderung zulässig und begründet gewesen und dieses auf seinen (des Klägers)
Hilfsantrag festzustellen. Entgegenstehende Belange i. S. d. § 35 Abs. 3 BauGB
lägen nicht vor. Insbesondere stünden naturschutzfachliche Belange und die in
diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden artenschutzrechtlichen
Vorschriften dem Vorhaben nicht entgegen. Auch eine Störung der
Funktionsfähigkeit von Radaranlagen i. S. d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB
liege nicht vor.
Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte mit Bescheid vom 14.
März 2007 den Antrag des Klägers auf Erteilung des
immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids abgelehnt. Dies begründete er im
Wesentlichen mit entgegenstehenden Belangen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege. Der Standort liege in einem avifaunistisch außerordentlich
wertvollen Bereich. Der Bereich werde als Nahrungsfläche von allen drei im
Gebiet brütenden Weihenarten (Kornweihe, Wiesenweihe, Rohrweihe) genutzt.
In Abstimmung mit der Staatlichen Vogelschutzwarte sei im Zuge des
Beteiligungsverfahrens zur Meldung des Vogelschutzgebietes „Ostfriesische
Seemarsch zwischen Norden und Esens“ (V 63) ein Vorschlag zur
Gebietsabgrenzung erarbeitet worden. Danach lasse sich schlüssig
nachweisen, dass der beantragte Standort einen funktionalen Bezug für die
beiden hoch bedrohten Weihenarten Korn- und Wiesenweihe aufweise und
daher avifaunistisch höchst wertvoll sei. Zudem befinde sich der
Anlagenstandort innerhalb der 500 m-Abstandszone zum gemeldeten
Vogelschutzgebiet, deren Einhaltung aus naturschutzfachlicher Sicht
erforderlich sei. Darüber hinaus werde durch das Vorhaben massiv in die
Schönheit, Vielfalt und Eigenart eines bisher unbeeinträchtigten Bereichs des
Westerender Hammrich eingegriffen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 14. März 2007 aufzuheben und den
Beklagten zu verpflichten, ihm einen Vorbescheid gemäß § 9 BImSchG
bezogen auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung und
des Betriebs einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-70/18.70-E-
4 auf dem Flurstück 27/3 der Flur 1 der Gemarkung G. gemäß der
Voranfrage zu erteilen,
hilfsweise,
festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 14.
März 2007 rechtswidrig war und der Beklagte bis zum 16. Juli 2009,
weiter hilfsweise am 16. Juli 2009 verpflichtet war, ihm den beantragten
Vorbescheid zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage
des Typs Enercon E-70/18.70-E-4 auf dem antragsgegenständlichen
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Flurstück gemäß Antrag vom 22. Dezember 2003 in der Fassung vom
4. April 2007 zu erteilen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist dem Begehren des Klägers entgegengetreten und hat auf die im Verlauf
des Klageverfahrens in Kraft getretene 28. Änderung des
Flächennutzungsplans der Beigeladenen verwiesen. In dieser seien
Sonderbauflächen für Windenergie dargestellt. Das Vorhaben des Klägers liege
außerhalb dieser Flächen. Ferner liege der geplante Standort in einer
Entfernung von ca. 508 m zu dem gemeldeten Vogelschutzgebiet V 63 und die
Anlage würde mit ihrem Rotor in die vom Niedersächsischen Landkreistag
empfohlene 500 m-Pufferzone, die um Vogelschutzgebiete von
Windenergieanlagen freigehalten werden solle, hineinragen. Der Standort
befinde sich in einem faktischen Vogelschutzgebiet, weil dem Gebiet eine
herausragende Bedeutung als Nahrungshabitat für die zwei hoch bedrohten
Greifvogelarten Wiesen- und Kornweihe zukomme. Ferner widerspreche die
Errichtung der Anlage dem in § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verankerten
Tötungsverbot. Angesichts der Raumnutzung durch die Wiesen- und
Kornweihen müsse nämlich von einem „signifikant“ erhöhten Tötungsrisiko
ausgegangen werden. Gleiches gelte auch für die Rohrweihe und den
Mäusebussard. Zudem stehe der Belang der Funktionsfähigkeit von
Radaranlagen dem Vorhaben entgegen.
Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert und auch keinen Antrag
gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 11. August 2009 die Klage
abgewiesen. Der Hauptantrag, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger einen
immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zu erteilen, sei zulässig, aber
unbegründet. Dem im Verpflichtungsantrag enthaltenen Antrag auf Verpflichtung
des Beklagten zur Neubescheidung unter Berücksichtigung der
Rechtsauffassung des Gerichts bleibe ebenfalls der Erfolg versagt, weil dem
Begehren des Klägers der Vogelschutz als Unterfall des Naturschutzes
entgegenstehe und auch der Hilfsantrag, festzustellen, dass der Beklagte
verpflichtet war, dem Kläger „bis zum 16. Juli 2009, weiter hilfsweise am 16. Juli
2009“ den beantragten Vorbescheid zu erteilen, habe keinen Erfolg.
Zur Begründung hat es im Einzelnen ausgeführt: Das Verpflichtungsbegehren
des Klägers auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids über
den Standort der Anlage setze gemäß § 9 Abs. 1 BImSchG voraus, dass die in §
8 Satz 1 Nr. 3 BImSchG im Fall der Teilgenehmigung ausdrücklich
angesprochene vorläufige Gesamtbeurteilung ergebe, dass der Errichtung und
dem Betrieb der gesamten Anlage keine von vornherein unüberwindlichen
Hindernisse im Hinblick auf die Genehmigungsvoraussetzungen
entgegenstünden. Bei Vorhaben, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung
bedürften, dürfe ein Vorbescheid erst nach Durchführung der erforderlichen
Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt werden (vgl. § 13 UVPG). Es sei eine
standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3 c Satz 2 UVPG
erforderlich gewesen, da die Errichtung der von dem Kläger geplanten
Windkraftanlage nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der 4. BImSchV i.V.m. Nr. 1.6.3 des
Anhangs zu dieser Verordnung i.d.F. durch Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung
der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum
Umweltschutz vom 27. Juli 2001 Teil einer Windfarm mit drei bis weniger als
sechs Windkraftanlagen sei. Eine solche Vorprüfung sei jedoch nicht
durchgeführt worden, offenbar weil der Beklagte das Vorhaben des Klägers
schon aus anderen Gründen als nicht zulassungsfähig eingestuft habe. Da die
Feststellung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung als Ergebnis einer
standortbezogenen Vorprüfung durchzuführen sei, regelmäßig und auch hier
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nicht vom Gericht getroffen werden könne, weil dem Beklagten im Rahmen der
Vorprüfung ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum
eingeräumt sei, könne der Verpflichtungsantrag des Klägers keinen Erfolg
haben.
Auch der im Verpflichtungsantrag enthaltene Bescheidungsantrag des Klägers
sei unbegründet, weil dem Vorhaben der Belang des Vogelschutzes - hier der
Wiesenweihe - als Unterfall des Naturschutzes nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5
BauGB entgegenstehe.
Der Standort der geplanten Anlage liege zwar nicht im nachgemeldeten
Vogelschutzgebiet V 63, die Windkraftanlage berühre aber mit dem Rotor den
500 m-Schutzabstand, wobei schon fraglich sei, ob dieser Schutzabstand um
das Vogelschutzgebiet V 63 nicht auf 1.000 m ausgedehnt werden müsse.
Jedenfalls spreche Erhebliches dafür, dass es sich bei dem südlich an das
Vogelschutzgebiet V 63 anschließenden Gebiet bis zur Museumsbahn, in dem
die Anlage des Klägers errichtet werden solle, um ein faktisches
Vogelschutzgebiet handele mit der Folge, dass die Vogelschutzrichtlinie (VRL)
unmittelbar Anwendung finde. Zwar sei nach neuerer Rechtsprechung zu
beachten, dass angesichts des fortgeschrittenen mitgliedstaatlichen
Meldeverfahrens, durch das sich die Gebietsvorschläge eines Landes zu dem
von der Vogelschutzrichtlinie angestrebten zusammenhängenden Netz
verdichten (vgl. Art. 4 Abs. 3 VRL), besondere Darlegungsanforderungen an das
Vorliegen eines faktischen Vogelschutzgebietes bestünden. Diese besonderen
Darlegungsanforderungen seien angesichts der vorliegenden Stellungnahmen
von J. und den Ausführungen des Sachverständigen K. - auf beide geht das
Verwaltungsgericht im Einzelnen ein - jedoch wohl als erfüllt anzusehen. Im
Ergebnis komme es auf das Vorliegen eines faktischen Vogelschutzgebietes
jedoch nicht entscheidungserheblich an, da der Belang des Vogelschutzes in
seinen europarechtlichen Ausprägungen als Artenschutz in der Form des
Schutzes von Lebensraum und Lebensbedingungen der Tiere hier jedenfalls
über § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB zum Tragen komme. Bei der insoweit
gebotenen „nachvollziehenden“ Abwägung komme es auf die Schutzwürdigkeit
der betroffenen Vogelart und des betroffenen Lebensraums sowie die Intensität
und die Auswirkungen des Eingriffs an, denen das Interesse an der Realisierung
des privilegierten Vorhabens gegenüberzustellen sei. Im vorliegenden Fall
überwögen die entgegenstehenden Belange des Vogelschutzes das private
Interesse des Klägers an der Realisierung seines Vorhabens und das damit
einhergehende öffentliche Interesse an der Förderung erneuerbarer Energien.
Bei der Wiesenweihe handele es sich um eine europaweit bedrohte
Greifvogelart, die deutschlandweit mit einem Bestand von ca. 400 bis 450
Brutpaaren vorkomme. Diese verteilten sich als einzelne Populationen über die
gesamte Bundesrepublik, wobei in Niedersachsen ein Verbreitungsschwerpunkt
in Ostfriesland liege. In der Roten Liste Deutschland stehe die Art heute in der
Kategorie 2 (stark gefährdet). Sie zähle zu den im Anhang I zur
Vogelschutzrichtlinie aufgeführten Arten, für die die oben genannten
Schutzmaßnahmen der Vogelschutzrichtlinie zu treffen seien. Daneben sei sie
auch im Anhang A der EG-Artenschutzverordnung aufgeführt. Damit zähle sie
sowohl zu den besonders geschützten Arten im Sinne des § 10 Abs. 2 Nr. 10a)
BNatSchG als auch zu den streng geschützten Arten im Sinne des § 10 Abs. 2
Nr. 11a) BNatSchG. In Deutschland brüteten mit 400 - 450 Paare ca. 0,45 %
aller weltweit existierenden Paare. Die Brutplätze der Wiesenweihe lägen nach
den übereinstimmenden Äußerungen der Sachverständigen in den deichnahen
Getreidefeldern. Die von dem Kläger beantragte Anlage liege mit ihrem
geplanten Standort innerhalb des weitflächigen Grünlandbereiches, der als
Nahrungshabitat der Wiesenweihe anzusehen sei. Durch die geplante
Errichtung einer Windkraftanlage werde zur Überzeugung der Kammer in einer
Intensität in den hier betroffenen Lebensraum der Wiesenweihe eingegriffen, die
dazu führe, dass die Interessen des Klägers, die Windenergieanlage errichten
zu können, trotz Privilegierung zurücktreten müsse. Es deute sich zwar an, dass
es ein ausgeprägtes Meideverhalten der Wiesenweihen gegenüber
Windkraftanlagen nicht gebe, es verbleibe aber eine Erhöhung des
Vogelschlagrisikos, die unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit und
insbesondere wegen der geringen Population im hier betroffenen Bereich nicht
hinzunehmen sei. Zwar werde der einzige bislang bekannte Todfund einer
Wiesenweihe in der Zentralen Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im
Landesumweltamt Brandenburg (Stand: 2. Juni 2009) nicht mehr als
Vogelverlust an Windenergieanlagen in Deutschland geführt. Der Annahme
eines Vogelschlagrisikos stehe diese Tatsache aber nicht entgegen. Denn das
insoweit zur Verfügung stehende Datenmaterial beruhe ganz überwiegend auf
Zufallsfunden, nicht auf einer systematischen, zeitlich engmaschigen Suche, die
sicherstellen könnte, dass etwaige Kollisionsopfer gefunden werden, bevor sie
von Aasfressern beseitigt werden. Dem von der Kammer angenommenen
Vogelschlagrisiko stünden auch die Untersuchungen der L. in Schleswig-
Holstein, auf die sich der Kläger beziehe, nicht entgegen. Deren vorläufiges
Fazit enthalte sich insoweit einer Bewertung und versehe die Gefahr für die
Wiesenweihe während der Balz, bei Beuteübergaben und die Gefahren für
naive Jungvögel mit einem Fragezeichen. Die für 2008 angekündigten
Ergebnisse einer Untersuchung des Kollisionsrisikos während der Balzphase
und des Verhaltens von naiven Jungvögeln gegenüber Windparks lägen -
soweit ersichtlich - noch nicht vor und das Forschungsvorhaben scheine
insgesamt verlängert worden zu sein. In der Umweltverträglichkeitsstudie
bezüglich eines benachbarten Windparks vom August 2008 vertrete auch der
von dem Kläger benannte Sachverständige G. die Auffassung, dass ein
gewisses Risiko einer Kollision der Wiesenweihen mit den laufenden Rotoren
vor allem für Jungvögel und bei Schlechtwetterlagen nicht unterschätzt werden
dürfe. Der Sachverständige J. sehe für die Wiesenweihe ebenfalls „weiterhin ein
Kollisionsrisiko“. Für die Rohr- und die Kornweihe seien auch schon Kollisionen
dokumentiert. Dass für die Wiesenweihe entsprechende Feststellungen fehlten,
könne nach Auffassung von J. darauf zurückzuführen sein, dass diese Vögel
sehr selten seien und ihre Hauptgebiete in Deutschland auch nicht in Bereichen
lägen, in denen Windkraftanlagen gehäuft vorkommen. In ihrem
Hauptverbreitungsgebiet in einer Region in Bayern existierten keine
Windenergieanlagen. Für den räumlichen Bereich, um den es hier gehe, halte
der Sachverständige J. „das Kollisionsrisiko für klar erhöht, da dieser Bereich für
die Nahrungssuche dieser Art von großer Bedeutung ist.“ Hiernach bestehe zur
Überzeugung der Kammer die ernsthafte Besorgnis, dass von dem geplanten
Vorhaben des Klägers ein Vogelschlagrisiko ausgehe, das unter
Berücksichtigung der oben skizzierten Schutzwürdigkeit der Wiesenweihen und
des Lebensraumes auch im Bereich der hier beantragten Anlage als
entgegenstehender Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB
anzusehen sei. Nicht unberücksichtigt bleiben könne in diesem
Zusammenhang, dass die artspezifischen Abstände zu den Brutplätzen/Horsten
westlich M. sowohl nach dem NLT-Papier als auch nach den tierökologischen
Abstandskriterien Brandenburgs bezüglich der Anlage des Klägers nicht
eingehalten würden. Hinzu komme, dass im Bereich des geplanten Standorts
weitere zwei Windkraftanlagen geplant seien, so dass eine Summationswirkung
durch einen nicht auszuschließenden Barriereeffekt eintrete. Hierdurch würde
zur Überzeugung der Kammer in einem nicht unerheblichen Maße in die
dargestellte besondere Habitatfunktion der Grünländereien eingegriffen und
zudem das Vogelschlagrisiko erhöht. Der Sachverständige J. habe hierzu im
Rahmen der mündlichen Verhandlung bekräftigt, dass Wiesenweihen bei der
Nahrungssuche zwar zunächst den Bereich um den Horst herum absuchten.
Sollten sie in diesem Bereich aber nicht fündig werden, würden Wiesenweihen
die Thermik über dem Brutstandort ausnutzen und sich in größere Höhen
„hinaufschrauben“, um dann sturzflugartig zu den entfernt liegenden
Grünländereien zu gelangen. Bei dem Rückflug zum Horst würde die
Wiesenweihe sich in entsprechender Weise verhalten. Die Privilegierung nach §
35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB verleihe dem Vorhaben des Klägers zwar ein im
Vergleich zu sonstigen Vorhaben gesteigertes Durchsetzungsvermögen,
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berechtige ihn aber nicht, Windenergienanlagen an jedem ihm geeignet
erscheinenden Standort im Außenbereich zu errichten. Auch unter
Berücksichtigung der Privilegierung seines Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 5
BauGB sei es dem Kläger zuzumuten, wegen der Schutzwürdigkeit der
Wiesenweihe und des hier in Frage stehenden Lebensraums sowie des zur
Überzeugung der Kammer existierenden Vogelschlagrisikos auf die Errichtung
der Windenergieanlage zu verzichten. In Bezug auf das Vogelschlagrisiko bei
Greifvögeln seien weiterführende Erkenntnisse möglicherweise erst nach
Abschluss des voraussichtlich bis Ende 2010 dauernden Forschungsprojekts
des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu
erwarten. Dass das zuständige Ministerium insoweit offenkundig einen
Forschungsbedarf gesehen habe, der die Durchführung einer solchen
Untersuchung rechtfertigt, lege jedenfalls nahe, dass ein (erhebliches)
Vogelschlagrisiko bei Greifvögeln aufgrund des bisherigen Erkenntnisstands
gerade nicht von vornherein auszuschließen sei. Auf der Grundlage des
derzeitigen - im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - Forschungsstandes sei
mit der Errichtung und dem Betrieb der Windenergieanlagen demnach die reale
Gefahr einer zumindest teilweisen Beeinträchtigung der ökologischen Funktion
des Korridors zwischen den Brutplätzen westlich M. und dem - unbestritten -
bedeutenden Nahrungshabitat bis zur Bahnlinie Hage-Dornum verbunden;
zumindest bestehe gegenwärtig ein nicht näher quantifizierbares
Vogelschlagrisiko. Ob dem Vorhaben des Klägers weitere öffentliche Belange im
Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstünden (Verunstaltung des
Landschaftsbildes nach Nr. 5 bzw. Störung der Funktionsfähigkeit von
Radaranlagen nach Nr. 8) und/oder die Konzentrationsplanung der
Beigeladenen in der 28. Änderung des Flächennutzungsplanes greife, könne
vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Auch den Hilfsanträgen des Klägers bleibe der Erfolg versagt. (Dies wird im
Einzelnen begründet).
Der Kläger hat gegen das Urteil die vom Senat durch Beschluss vom 15. März
2011 (12 LA 288/09) wegen besonderer rechtlicher und tatsächlicher
Schwierigkeiten zugelassene Berufung fristgerecht eingelegt. Er macht zur
Begründung geltend: Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen,
dem Vorhaben stehe entgegen, dass ein „500 m-Schutzabstand“ zum
nachgemeldeten Teil des Vogelschutzgebiets anzunehmen sei, in dem Anlagen
nicht errichtet werden dürften. Das Verwaltungsgericht übersehe, dass die
Schutzgebietsabgrenzungen der gemeldeten Vogelschutzgebiete bereits
erhebliche Puffer enthielten zu den Bereichen, in denen die wertgebenden
Vogelarten tatsächlich vorhanden seien. Ein in allen Fällen am Rande eines
gemeldeten Vogelschutzgebietes zu diesem einzuhaltender (Mindest-)Abstand
sei ohnehin nicht begründbar. Maßstab sei zunächst § 34b NatSchG als
Ausprägung der in Artikel 4 Abs. 4 Satz 1 EU-Vogelschutzrichtlinie normierten
Verpflichtung gewesen und sei nunmehr § 34 BNatSchG in der seit dem 1. März
2010 geltenden Fassung. Danach dürfe sein (des Klägers) Vorhaben nicht
geeignet sein, das europäische Vogelschutzgebiet erheblich zu beeinträchtigen.
Diese Voraussetzung sei hier erfüllt. Das Erweiterungsgebiet V 63 neu sei
ausweislich der Angaben des Parteigutachters der Beigeladenen ausschließlich
wegen der von ihm festgestellten Nahrungsflüge der Weihenarten in den
Gebietserweiterungsvorschlag des Landes Niedersachsen im Jahr 2007
aufgenommen worden. Diese reagierten aber nach inzwischen gesicherten
Erkenntnissen vollkommen unempfindlich auf Windenergieanlagen;
insbesondere bestehe unbestreitbar kein Meideverhalten. Die vom
Verwaltungsgericht zitierten Abstandempfehlungen des „NLT-Papiers“ und die
„Tierökologischen Abstandskriterien Brandenburgs“ beruhten nicht auf
fachlichen oder gar wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern seien
vollkommen willkürlich gegriffen. Anders als das Verwaltungsgericht
angenommen habe, handele es sich bei dem südlich an das nachgemeldete
Vogelschutzgebiet V 63 neu angrenzenden Gebiet auch nicht um ein faktisches
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Vogelschutzgebiet. Insoweit verweist der Kläger auf Stellungnahmen des
Diplom-Biologen N. sowie der Planungsgruppe Grün, die das methodische
Vorgehen Schreibers kritisieren. Die Bundesrepublik Deutschland habe mit der
Nachmeldung von Flächen, u. a. dem Bereich V 63 neu, dafür gesorgt, dass
auch in erheblicher Entfernung zu den Brutplätzen zusätzliche nur für die
Nahrungssuche aufgesuchte Flächen als Vogelschutzgebiet gemeldet worden
seien. Damit sei den Anforderungen der Vogelschutzrichtlinie genügt, weil damit
die „zahlen- und flächenmäßig“ geeignetsten Gebiete gemeldet worden seien.
Der EU-Vogelschutzrichtlinie könne nicht entnommen werden, dass jedes
geeignete Gebiet zu melden sei. Die Annahme, dem Vorhaben des Klägers
stehe der Belang des Vogelschutzes - hier der Wiesen- und Kornweihe - als
Unterfall des Naturschutzes nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen, sei
gänzlich unhaltbar. Die Wiesenweihe und die Kornweihe seien in der nationalen
Schlagopferkartei mit keinem Exemplar verzeichnet. Dies habe vor dem
Hintergrund, dass gerade in den Verbreitungsgebieten dieser Arten zahlreiche
Windenergieanlagen errichtet worden seien, mindestens eine Indizwirkung.
Auch die Zwischenergebnisse des Teilprojekts „Wiesen- und Kornweihe“
bestätigten, dass ein Kollisionsrisiko jedenfalls bei Nahrungsflügen nicht
bestehe. Der Kläger verweist insoweit ferner auf eine Stellungnahme der
Planungsgruppe Grün vom 16. Februar 2010, wonach sich im Falle der
Errichtung von drei - der in diesem sowie in zwei anderen anhängigen Verfahren
(12 LC 65/11; 12 LC 66/11) streitgegenständlichen - Windenergieanlagen die
Wahrscheinlichkeit einer Kollision einer Wiesenweihe mit einer der drei
Windenergieanlagen alle 137 Jahre und die Kollision mit einer Kornweihe alle
400 Jahre ergebe. Von einem irgendwie gearteten Meideverhalten gehe
ohnehin kein Biologe mehr aus. Auch andere Belange stünden seinem (des
Klägers) Vorhaben nicht entgegen. Insoweit verweise er auf seinen
erstinstanzlichen Vortrag.
Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens ist das Vogelschutzgebiet V 63 und V
63 neu „Ostfriesische Seemarsch zwischen Norden und Esens“ einschließlich
des „Nahrungsgebiets Weihen“ durch Verordnung vom 22. September 2011
(bekanntgemacht am 7.10.2011) zum Landschaftsschutzgebiet erklärt worden.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 der Verordnung ist es im Landschaftsschutzgebiet
u. a. untersagt, Fotovoltaikanlagen, Biogasanlagen und Windkraftanlagen zu
errichten. Der Kläger macht insoweit geltend, die
Landschaftsschutzgebietsverordnung (LSG-VO) sei unwirksam. Schon ihr
Geltungsbereich sei nicht zweifelsfrei bestimmbar. Während einzelne Hofstellen
und Hausgrundstücke schon nach der kartografischen Darstellung aus dem
Geltungsbereich ausgenommen seien, seien es andere bebaute und absolut
vergleichbare Hofstellen nicht. Der Grund für diese unterschiedliche Behandlung
sei nicht erkennbar. Ferner zeige eine Detailkarte, dass einzelne bereits seit fast
zwei Jahrzehnten betriebene Anlagen des Windparks Dornumergrode ohne
jeden sachlichen Grund nicht aus dem Geltungsbereich der LSG-VO
ausgenommen worden seien. Das gleiche gelte für die südlich der Landstraße
L5 gelegenen zwei Windenergiestandorte und die dortige Hofstelle sowie den
Standort der bestehenden Biogasanlage. Der räumliche Bereich des
Landschaftsschutzgebiets hätte so zugeschnitten werden müssen, dass auch
diese Flächen ausgegrenzt worden seien. Nur dieses entspreche der
zutreffenden und gebotenen Umsetzung des EU-Vogelschutzgebiets. Dass
dieses nicht der Fall sei, sei nur durch ein „Verrutschen“ infolge einer
Ungenauigkeit wegen des großen Maßstabs der Abgrenzung des EU-
Vogelschutzgebiets (von wohl 1:40.000) zu erklären. Sollte der
Rechtsauffassung des Beklagten zu folgen sein, wonach das
Biogasanlagengrundstück innerhalb des Geltungsbereichs der LSG-VO liege,
sei dies sachwidrig und willkürlich. Es sei insbesondere nicht zu erklären, warum
nur „Hofstellen und Hausgrundstücke“ und nicht alle bebauten Grundstücke aus
dem Geltungsbereich der LSG-VO ausgenommen worden seien. Zudem sei
nicht ersichtlich, welcher zeitliche Stand bei der Bestimmung der
ausgenommenen „einzelnen Hofstellen bzw. Hausgrundstücke“ maßgeblich
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sein solle und mit welchen Grenzen um die Hausgrundstücke und Hofanlagen
die Herausnahme geltend solle. Die gebotene Klarheit und Eindeutigkeit hätte
daher nur durch eine kartografische Darstellung hergestellt werden können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 11. August 2009 zu
ändern und den Bescheid des Beklagten vom 14. März 2007
aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, ihm einen
Vorbescheid gemäß § 9 BImSchG bezogen auf die
bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung und des Betriebs
einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-70 auf dem Flurstück
27/3 der Flur 1 der Gemarkung G. gemäß der Voranfrage zu erteilen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids den Beklagten zu
verpflichten, über den Antrag auf Erteilung eines
immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Er verteidigt mit umfangreicher Begründung das die Klage abweisende Urteil
des Verwaltungsgerichts und verweist zudem auf die
Landschaftsschutzgebietsverordnung. Das Grundstück, auf dem die geplante
Windenergieanlage errichtet werden solle, liege im Geltungsbereich dieser
Verordnung. Auch dies stehe der Erteilung des beantragten Vorbescheids mithin
entgegen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des
Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die ebenfalls beigezogenen Unterlagen
für die 16., die 21. und die 28. Änderung des Flächennutzungsplans der
Beigeladenen sowie für die Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets
„Ostfriesische Seemarsch zwischen Norden und Esens“ verwiesen, die mit
ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen
sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob sich
Bedenken daraus ergeben, dass der Kläger im Verwaltungsverfahren einen
immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für eine Anlage des Typs Enercon E-
66/20.70, im Klageverfahren dagegen beantragt hat, ihm den Vorbescheid für
das nach eigenen Angaben hinsichtlich der Immissionen vergleichbare
„Nachfolgemodell“ „Enercon E-70/18.70-E-4“ bzw. nach dem Antrag im
Berufungsverfahren für den Typ „Enercon E-70“ zu erteilen.
Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist unbegründet, weil das
Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.
I. Der Hauptantrag hat keinen Erfolg. Für die Beurteilung des Antrags des
Klägers auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für eine
Windkraftanlage kommt es auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt dieser
gerichtlichen Entscheidung an. Gemäß § 9 Abs. 1 BImSchG in der seit dem 1.
März 2010 geltenden Fassung (vgl. BGBl. I 2009, S. 2585 ff.) soll auf Antrag
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durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über
den Standort der Anlage entschieden werden, sofern die Auswirkungen der
geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes
Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides besteht. Vernünftige Gründe für
ein gestuftes Vorgehen und damit ein berechtigtes Interesse des Klägers
ergeben sich hier daraus, dass die Bindungswirkung des Vorbescheids
geeignet ist, sein Investitionsrisiko zu verringern, indem hinsichtlich des
Standortes eine verbindliche Klärung vorab erreicht werden kann. Eine
Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung des beantragten Vorbescheides setzt
jedoch voraus, dass derzeit die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 9
Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i. V. insbesondere mit dem Bauplanungsrecht
(vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.3.2004 - 9 A 33.03 -, BVerwGE 120, 246 und
Beschl. v. 13.12.2007 - 4 C 9.07 -, BVerwGE 130, 113) erfüllt sind. Dies ist hier
nicht der Fall.
1. Das Vorhaben des Klägers soll im Außenbereich des Gemeindegebiets der
Beigeladenen realisiert werden, so dass sich die bauplanungsrechtliche
Zulässigkeit nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB richtet. Danach darf ein Vorhaben,
das wie hier der Nutzung der Windenergie dient und deshalb im Außenbereich
privilegiert zulässig ist, u. a. dann nicht zugelassen werden, wenn öffentliche
Belange entgegenstehen. Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehen einem
Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 öffentliche Belange in der Regel auch dann
entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als
Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Die
Ausschlusswirkung nach dieser Vorschrift greift hier aufgrund der Ausweisung
von Sonderbauflächen für die Windenergienutzung in dem während des
erstinstanzlichen Verfahrens - am 17. Juli 2009 - in Kraft getretenen
Flächennutzungsplan der Beigeladenen in Gestalt der 28. Änderung.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl.
Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15.01 -, BVerwGE 117, 287; v. 13.3.2003 - 4 C 4.02 -,
BVerwGE 118, 33; v. 21.10.2004 - 4 C 2.04 -, BVerwGE 122, 109; v. 27.1.2005 -
4 C 5.04 -, BVerwGE 122, 364; v. 26.4.2007 - 4 CN 3.06 -, BVerwGE 128, 382;
v. 24.1.2008 - 4 CN 2.07 -, ZNER 2008, 88; Beschl. v. 12.7.2006 - 4 B 49.06 -,
ZfBR 2006, 679) und des erkennenden Senats (vgl. Urt. v. 13.6.2007 - 12 LB
25/07 -, ZfBR 2007, 693; Urt. v. 13.6.2007 - 12 LC 36/07 -, ZfBR 2007, 689; v.
9.10.2008 - 12 KN 35/07 -, ZfBR 2009, 150 und v. 21.4.2010 - 12 LB 44/09 -
BauR 2010, 1550) ist bei der Auslegung und Anwendung des § 35 Abs. 3 Satz 3
BauGB davon auszugehen, dass diese Vorschrift die Errichtung von
Windkraftanlagen im gemeindlichen Außenbereich unter einen
Planungsvorbehalt stellt, der sich an die Gemeinden als Träger der
Flächennutzungsplanung und - für raumbedeutsame Anlagen - an die Träger
der Raumordnungsplanung, insbesondere der Regionalplanung richtet. Dieser
Planungsvorbehalt setzt gebietsbezogene Festlegungen des Plangebers über
die Konzentration von Windkraftanlagen an bestimmten Standorten voraus,
durch die zugleich ein Ausschluss der Anlagen an anderer Stelle im Plangebiet
angestrebt und festgeschrieben wird. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verleiht
derartigen Festlegungen rechtliche Ausschlusswirkung gegenüber dem
jeweiligen Bauantragsteller und Vorhabensträger mit der Folge, dass Vorhaben
außerhalb der Konzentrationszonen in der Regel unzulässig sind. Dabei
bedingen die negative und die positive Komponente der festgelegten
Konzentrationszonen einander. Der Ausschluss der Anlagen in Teilen des
Plangebiets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers nur rechtfertigen,
wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle
gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein
schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen, das den
allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots
gerecht wird. Eine fehlerfreie Abwägung setzt insoweit voraus, dass eine
Abwägung überhaupt stattfindet, in sie das an Belangen eingestellt wird, was
nach Lage der Dinge berücksichtigt werden muss und die Belange gewichtet
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und gegeneinander in einer das Abwägungsergebnis tragenden Weise
abgewogen werden. Die Abwägung aller beachtlichen Belange muss sich dabei
auf die positiv festgelegten und die ausgeschlossenen Standorte erstrecken.
Eine normative Gewichtungsvorgabe, der zufolge ein Planungsträger der
Windenergienutzung im Sinne einer speziellen Förderungspflicht bestmöglich
Rechnung zu tragen habe, ist der gesetzlichen Regelung in § 35 Abs. 3 Satz 3
BauGB nicht zu entnehmen. Eine gezielte (rein negative) Verhinderungsplanung
bzw. eine bloße Feigenblattplanung, die auf eine verkappte
Verhinderungsplanung hinausläuft, ist dem Plangeber jedoch verwehrt. Er muss
die in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB enthaltene Entscheidung des Gesetzgebers,
Windkraftanlagen im Außenbereich zu privilegieren, beachten und für die
Windenergienutzung im Plangebiet in substantieller Weise Raum schaffen. Eine
Verhinderungsplanung liegt dabei nicht schon dann vor, wenn die Festlegung
von Konzentrationsflächen im Ergebnis zu einer Art Kontingentierung der
Anlagenstandorte führt. Der Gesetzgeber sieht es als berechtigtes öffentliches
Anliegen an, die Windenergienutzung zu kanalisieren und Fehlentwicklungen
entgegenzusteuern. Wo die Grenze einer unzulässigen Negativplanung verläuft,
lässt sich nicht abstrakt, sondern nur angesichts der tatsächlichen Verhältnisse
im jeweiligen Planungsraum bestimmen. Die Relation zwischen der
Gesamtfläche der Konzentrationszonen einerseits und der für die
Windenergienutzung überhaupt geeigneten Potenzialflächen andererseits kann
unter Umständen, muss aber nicht auf das Vorliegen einer
Verhinderungsplanung schließen lassen.
b) Die 28. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen genügt
diesen Anforderungen. Sie beruht insbesondere auf einem schlüssigen
gesamträumlichen Planungskonzept. Da im gesamten Gemeindegebiet
ausreichende Windgeschwindigkeiten für die Errichtung von Windkraftanlagen
gegeben sind, wurde der Planungsraum bei der Suche nach geeigneten
Konzentrationsflächen zunächst anhand von Ausschlusskriterien untersucht.
Dazu gehörten nach den Vorstellungen der planenden Gemeinde
Wohnbauflächen mit einem Schutzabstand von 1.000 m, gemischte Bauflächen
mit einem Schutzabstand von 700 m, Einzelhäuser mit einem Schutzabstand
von 400 m, Trassen mit Abständen von 30 m (Süßgas-Hochdruckleitungen),
100 m (Richtfunk), 120 m (elektrische Freileitungen größer 30 kV) bzw. 140 m
(Trassen der Bahn und klassifizierte Straßen) sowie naturbedeutsame Flächen
(geschützte Flächen nach dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz,
Vogelschutzgebiete sowie faktische Vogelschutzgebiete, FFH-Gebiete, Gebiete
mit hoher Bedeutung für Vögel und Fledermäuse, Gebiete mit hoher
ökologischer Bedeutung für den Moorschutz, Kompensationsflächen) mit
Schutzabständen von 200 bzw. 500 m, soweit erforderlich. Nach Herausnahme
danach ungeeigneter Bereiche ergaben sich insgesamt drei Potenzialflächen
unterschiedlicher Größe (nordwestlich Süderhammer Hof, ca. 2,8 ha;
Schafsieben, ca. 116,9 ha sowie südlich Ostergaste, ca. 25,2 ha), die einer
abschließenden Bewertung unterzogen wurden. Im Ergebnis sind alle drei
Gebiete als Sonderbauflächen ausgewiesen worden.
aa) Die Potenzialflächenermittlung leidet, anders als der Kläger meint, nicht
deshalb an einem erheblichen Mangel, weil die Beigeladene neben dem
ausgewiesenen Vogelschutzgebiet V 63 ("Ostfriesische Seemarsch zwischen
Norden und Esens") in seiner nachgemeldeten Ausdehnung noch eine weitere
Fläche wegen ihrer Bedeutung als Nahrungshabitatfläche für Wiesen- und
Kornweihen im Ergebnis als Ausschlussfläche behandelt hat. Diese
Entscheidung der Beigeladenen beruht im Wesentlichen auf verschiedenen in
der Begründung der 28. Flächennutzungsplanänderung zitierten oder in Bezug
genommenen Stellungnahmen von O..
Der Senat teilt dabei die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, welches
dargelegt hat, für die Frage der Wirksamkeit des Flächennutzungsplanes in
Gestalt der 28. Änderung könne im Ergebnis dahinstehen, ob es sich bei dieser
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"Erweiterungsfläche Weihen" um ein faktisches Vogelschutzgebiet handelt. Die
gegen diese Einschätzung seitens des Klägers vorgebrachten Einwände
überzeugen nicht.
Auch nach Auffassung des Senates kann letztlich offenbleiben, ob die Annahme
des Klägers zutrifft, bei dem betroffenen Gebiet "Erweiterungsfläche Weihen"
bzw. „Nahrungsfläche Weihen“ könne es sich entgegen der Einschätzung von J.
schon deshalb nicht um ein faktisches Vogelschutzgebiet handeln, weil die
Bundesrepublik Deutschland jedenfalls durch die Nachmeldung des Gebietes
"V 63 Erweiterung" bzw. „V 63 neu“ ihrer Meldepflicht nachgekommen sei, so
dass für die Annahme weiterer faktischer Vogelschutzgebiete kein Raum sei.
Ausweislich der in dem Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan zitierten
verschiedenen Stellungnahmen von P., auf die wegen der Einzelheiten Bezug
genommen wird, gab es im maßgeblichen Zeitpunkt der Aufstellung des Plans
erhebliche Anhaltspunkte für die Einstufung des "Erweiterungsgebiets Weihen"
bzw. der „Nahrungsfläche Weihen“ - wie bei der zum Gebiet V 63 ebenfalls
gerade wegen seiner Bedeutung für die Weihen im Jahre 2007 nachgemeldeten
"Nase" südlich der Ortschaften Q. - als faktisches Vogelschutzgebiet. Zwar trifft
es zu, worauf der Kläger in der mündlichen Verhandlung nochmals hingewiesen
hat, dass die Beigeladene zu den Anregungen 15 bis 18 und 20 in der
abschließenden Abwägung zum Feststellungsbeschluss zur 28.
Flächennutzungsplanänderung die Ausführungen von J., der den Bereich der
Nahrungsfläche Weihen als faktisches Vogelschutzgebiet betrachtet, eingerückt
und zu erkennen gegeben hat, dass sie diese Einschätzung teilt (vgl. S. 42 ff.,
110 ff.). Sie hat aber erkennen lassen, dass sie, auch wenn es sich bei dem
genannten Gebiet nicht um ein faktisches Vogelschutzgebiet handeln sollte, die
betroffene Fläche gleichwohl als Ausschlussfläche für die Windenergie bewerten
wollte.
Dies ergibt sich daraus, dass sie in der Begründung des
Flächennutzungsplanes (Teil A, S. 73) explizit ausgeführt hat:
"Unabhängig davon, ob das abgegrenzte Gebiet die Bezeichnung
"faktisches Vogelschutzgebiet" führt oder nicht, sieht die Gemeinde daher
den oben beschriebenen Bereich, der von seiner Bedeutung
angrenzenden Teilen des V 63 nicht nachsteht, als so wertvoll an, dass sie
die Flächen im Rahmen der Umweltvorsorge als Ausschlussflächen für die
Windenergie behandelt. Die Wertigkeit des abgegrenzten Bereichs
entspricht vollumfänglich des im Zuge der Meldung des VSG V 63
identifizierten Nahrungsgebiete(s) für Korn- und Wiesenweihe südlich der
Ortschaften Q., die seinerzeit zu einer Erweiterung der ursprünglich
vorgesehenen Abgrenzung des VSG V 63 führten. Nur somit kann für die
Wiesen- und Kornweihen der angrenzenden Vogelschutzgebiete 01 und
63 der regelmäßig aufgesuchte Nahrungshabitat als wesentlicher
Teillebensraum gesichert werden."
Im Ergebnis ist die Beigeladene bei ihrer Planung damit - wie die Gemeinde R. in
den vom Senat entschiedenen, den Beteiligten bekannten Verfahren 12 LB
44/09 (Urt. v. 21.4. 2010, BauR 2010, 1550) und 12 LC 9/07 (Urt. v. 21.4. 2010,
BauR 2010, 1556) - "zweispurig" vorgegangen. In erster Linie hat sie
angenommen, dass es sich bei dem Gebiet um ein faktisches
Vogelschutzgebiet handelt und daher das von ihr angelegte Ausschlusskriterium
"Vogelschutzgebiete sowie faktische Vogelschutzgebiete" (vgl. Begründung Teil
A, S. 41 ff., 46 ff. sowie die vom Kläger angeführte Stellungnahme auf die
Einwendungen Nr. 15 bis 18 und 20) einschlägig sei. Hilfsweise, d. h. um bei
den gerade hinsichtlich der rechtlichen und naturschutzfachlichen Einstufung als
faktisches Vogelschutzgebiet bestehenden Unwägbarkeiten auf der sicheren
Seite zu sein, hat die Beigeladene "unabhängig davon, ob das abgegrenzte
Gebiet die Bezeichnung "faktisches Vogelschutzgebiet" führt", dieses im
Rahmen der Umweltvorsorge als Ausschlussfläche für Windenergie behandelt.
Insoweit handelt es sich nicht um die Anlegung eines „neuen“
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Ausschlusskriteriums, welches über die in der Begründung des
Flächennutzungsplanes verwandten Kriterien hinausgeht, sondern vielmehr um
das (hilfsweise) "Wegwägen" einer sonst ggf. für die Windenergie zur Verfügung
stehenden Fläche. Dass ein solches alternatives Vorgehen
(Ausschlusskriterium/hilfsweises Wegwägen der genannten Fläche) seitens der
Beigeladenen nicht zu beanstanden ist, hat der Senat schon in den genannten
Urteilen in den Verfahren 12 LB 44/09 und 12 LC 9/07 dargelegt. Daran hält er
fest. Es gab im Zeitpunkt auch der Planung der Beigeladenen des vorliegenden
Verfahrens Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der betroffenen Fläche um ein
faktisches Vogelschutzgebiet handeln könnte. Diese ergaben sich insbesondere
aus den in der Planbegründung des Flächennutzungsplans zitierten
verschiedenen Stellungnahmen von J., der ausführlich und vertretbar begründet
hat, warum es sich nach seiner Auffassung (auch) bei diesem Gebiet um ein
faktisches Vogelschutzgebiet handelt. Die von J. ermittelte Nutzung als
Nahrungsraum der Wiesen- und Kornweihe hat dazu geführt, dass eine
außerhalb des ursprünglich gemeldeten Gebietes V 63 gelegene und als "Nase"
bezeichnete Fläche als EU-Vogelschutzgebiet nachgemeldet worden ist. Mithin
ist die Nutzung als Nahrungshabitat für Weihen von den zuständigen Behörden
offenbar als hinreichender Anlass für eine Meldung angesehen worden. Deshalb
ist der Umstand, dass ausweislich der von J. erstellten Karte diese Nutzung sich
im Laufe der Jahre 2007 und 2008 etwas nach Süden verlagert hat und in dem
Bereich der "Erweiterungsfläche Weihen" bzw. „Nahrungsfläche Weihen“
stattfindet, jedenfalls geeignet, ein Indiz dafür zu bilden, dass (auch) diese
Flächen die Anforderungen, die an ein faktisches Vogelschutzgebiet zu stellen
sind, erfüllen. Vor dem Hintergrund der bei der Einstufung als faktisches
Vogelschutzgebiet bestehenden erheblichen naturschutzfachlichen wie
rechtlichen Unsicherheiten musste die Beigeladene sich jedoch nicht darauf
verweisen lassen, diese Frage für ihre Planung abschließend zu beantworten
und damit das Risiko einzugehen, dass ihr Flächennutzungsplan in diesem
Punkt angreifbar wird. Sie durfte vielmehr alternativ beide Varianten in ihre
Planung einstellen und begründen, warum sie bei Verneinung eines faktischen
Vogelschutzgebietes zum gleichen Ergebnis gekommen wäre wie bei Annahme
eines solchen. Dieses gilt insbesondere, da die Bestimmung der
Ausschlussfläche „faktisches Vogelschutzgebiet“ und das Wegwägen einer
Potentialfläche wegen der avifaunistischen Wertigkeit vergleichbare Folgen
haben, nämlich dass in dem betreffenden Gebiet keine Anlagen errichtet werden
dürfen und stattdessen andere Flächen im Gemeindegebiet als Sondergebiete
ausgewiesen werden (müssen). Sowohl das Anlegen von Ausschlusskriterien
als auch das Wegwägen einzelner Potentialflächen steht dabei unter dem
Vorbehalt, dass die Planung die in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB enthaltene
Entscheidung des Gesetzgebers, Windenergieanlagen im Außenbereich zu
privilegieren, beachtet und für die Windenergienutzung im Plangebiet in
substanzieller Weise Raum schafft. Ist dies bei dem nach Bestimmung der
Ausschlussflächen und des Wegwägens von Potentialflächen gefundenen
Ergebnis nicht der Fall, so hat die Gemeinde sowohl die Bestimmung der
Ausschlussflächen als auch den Abwägungsvorgang nochmals kritisch
dahingehend zu hinterfragen, ob nicht ggf. weitere Flächen ausgewiesen
werden können. Letztlich haben sowohl Ausschlusskriterien als auch das
Wegwägen von Potentialflächen somit nur Einfluss darauf, wo im
Gemeindegebiet Vorranggebiete ausgewiesen werden sollen und damit die
Windenergieanlagen errichtet werden dürfen. Da diese Entscheidung aber
gerade in das weite Planungsermessen der Gemeinde fällt und in erster Linie
von dieser beantwortet werden soll, ist es zulässig, in Fällen wie dem
vorliegenden angesichts der vergleichbaren Folgen alternativ vorzugehen.
Dass die Beigeladene die sogenannte “Erweiterungsfläche Weihen“ bzw.
„Nahrungsfläche Weihen“ im Rahmen ihrer Flächennutzungsplanung als
avifaunistisch wertvoll eingestuft hat, ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
Insoweit wird auf die zitierten Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen.
Auch wenn der Kläger die von J. gefundenen Ergebnisse unter Bezugnahme
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auf Stellungnahmen des Dipl.-Biol. N. sowie der Planungsgruppe Grün (Dipl.-Ing.
K.) bezweifelt, begegnet es letztlich keinen durchgreifenden Bedenken, dass die
Beigeladene auf deren Grundlage zu der genannten Einstufung als
avifaunistisch wertvoll gelangt ist. Soweit es den westlichen Bereich betrifft, in
dem die hier streitgegenständliche Anlage errichtet werden soll, hat auch Dipl.-
Ing. K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausgeführt,
der Bereich der hohen Jagdaktivität der Weihen entwickle sich in diesem nach
Süden führenden Bereich gleichbleibend aus dem bisherigen Bereich des V 63
hinaus bis an die Bahnlinie heran. Es führt zu keinem anderen Ergebnis, dass er
ergänzend darauf verwiesen hat, das Schwergewicht der Aktivitäten sei im
Bereich der Horste bzw. im Deichvorland anzusiedeln und im Bereich südlich
der Grenze des V 63 seien schon Anlagen vorhanden, ohne dass erhebliche
Auswirkungen hätten festgestellt werden können, und er weiter in der
mündlichen Verhandlung zu den Verfahren 4 A 28/07 u. a. ausgeführt hat,
anders als J. schätze er die Bedeutung der "Erweiterungsfläche Weihen"
nördlich der Bahnlinie im östlichen Bereich als gering ein. Die sich insoweit
ergebenden Unsicherheiten bei den Einschätzungen zwangen die Beigeladene,
die sich vom Vorsorgegedanken leiten lassen darf und sich dessen ausweislich
der Begründung des Flächennutzungsplans auch bewusst war, nicht, das
betroffene Gebiet bei der Bestimmung der Ausschlussflächen außer Acht zu
lassen. Sie durfte vielmehr auf der Grundlage der von P. ermittelten und in die
Begründung des Flächennutzungsplanes (vgl. Teil A S. 55 ff.) übernommenen
Abbildungen zu den Weihenbeobachtungen in den Jahren 2006 bis 2008
annehmen, dass es sich bei dem Gebiet um einen deutlich überdurchschnittlich
von Weihen frequentierten Raum handelt. J. hat in den Jahren 2006 bis 2008
den betreffenden Raum mehrfach - zunächst im Auftrag des
Verwaltungsgerichts Oldenburg und dann für die Gemeinde H., die
Samtgemeinde S. sowie die Gemeinde R. - großflächig untersucht. Die
Kartierung beruht damit auf einer mehrjährigen und unabhängig von diesem
Verfahren ermittelten Datengrundlage. Die Einbeziehung der Sichtungen durch
den Beklagten in die Betrachtung begegnet dabei keinen Bedenken.
Die Kritik an dem von J. gewählten Verfahren durch die vom Kläger benannten
Sachverständigen N. und K. ist nicht geeignet, dessen Beobachtungen
durchgreifend in Frage zu stellen. Zwar trifft es zu, dass die genannte Kartierung
nicht dergestalt erfolgte, dass in gleicher Weise gerasterte Gebiete mit gleicher
Häufigkeit kartiert wurden. J. hat aber schon erstinstanzlich plausibel und
nachvollziehbar erläutert, dass eine solche Rasterung, wenn sie
aussagekräftige Ergebnisse erbringen solle, zu einem kaum zu vertretenden
Aufwand und zudem zu anderen Problemen bei der Auswertbarkeit führen
würde. Darüber hinaus hat er zutreffend darauf hingewiesen, dass auch in der
vom Kläger vorgelegten Untersuchung von K. und T. keine Rasterung
vorgenommen wurde. Die von der Planungsgruppe grün vorgelegten
"Untersuchungen zur Raumnutzung von Wiesen- und Kornweihen im Raum
Nesse 2009", auf die sich der Kläger ebenfalls bezieht, sind schon deshalb nicht
geeignet, die von der Beigeladenen vorgenommene Einstufung der
"Erweiterungsfläche Weihen" als avifaunistisch wertvoll in Zweifel zu ziehen, weil
sie über die Nutzung im maßgeblichen Zeitpunkt keine Aussage treffen. Die
Beigeladene konnte ihre im Rahmen der Aufstellung des
Flächennutzungsplanes in Gestalt der 28. Änderung vorgenommene Bewertung
der Fläche nämlich nur auf der Grundlage des im Zeitpunkt der
Beschlussfassung am 10. März 2009 vorliegenden Datenmaterials treffen. Die
Raumnutzungen der Weihen im Jahr 2009 waren seinerzeit aber naturgemäß
noch nicht bekannt. Ausweislich der erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen
datiert der erste „Zwischenstand“ vom 9. Juli 2009. Diese Untersuchungen
zwingen darüber hinaus aber auch nicht zu dem Schluss, dass die von J.
vorgenommene und von der Beigeladenen bei ihrer Planung berücksichtigte
Kartierung kein zutreffendes Bild für die Jahre 2006 bis 2008 liefert.
Auf das zwischen den Beteiligten streitige Meideverhalten und Schlagrisiko für
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die Korn- und die Wiesenweihe bei Windenergieanlagen kommt es für die Frage,
ob die Beigeladene das genannte Gebiet mit Blick auf die Nutzung als
Nahrungshabitat der Weihen als Ausschlussgebiet für die Windenergie
behandeln durfte, nicht an. Wie dargelegt, durfte die Beigeladene alternativ
(Ausschlussfläche faktisches Vogelschutzgebiet/Wegwägen wegen
avifaunistischer Wertigkeit) vorgehen. Da es bei gemeldeten wie faktischen
Vogelschutzgebieten eines konkreten Nachweises, dass die dort vorhandenen
Vogelbestände einem erhöhten Schlagrisiko unterliegen, nicht bedarf, ist ein
solcher Nachweis dementsprechend auch bei der Hilfserwägung nicht zu
fordern. Selbst wenn aber die Beigeladene die in der Begründung des
Flächennutzungsplanes zitierte Einschätzung von J., wonach ein Tötungsrisiko
der Weihen nicht ausgeschlossen werden könne und deshalb die Anlage eines
Windparks in dem Gebiet eine Verletzung des individuellen Tötungsverbots des
§ 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG a. F. darstelle (vgl. S. 72 der Begründung Teil A),
(mit) zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht hätte und diese Einschätzung
durch neuere Erkenntnisse überholt wäre, so hätte dies nicht die Unwirksamkeit
des Flächennutzungsplans in Gestalt der 28. Änderung zur Folge. Für die
Frage, ob der Rat der Beigeladenen die Fläche als Ausschlussgebiet behandeln
bzw. wegwägen durfte, ist nämlich - wie bereits ausgeführt - auf das im Zeitpunkt
der Beschlussfassung über die 28. Änderung des Flächennutzungsplanes am
10. März 2009 vorliegende Datenmaterial abzustellen. Auf der Grundlage des
damaligen Kenntnisstands sprach aber, wie das Verwaltungsgericht im
Einzelnen ausgeführt hat, vieles für eine Gefährdung der Wiesenweihe durch
Windenergieanlagen (vgl. zum Streitstand insoweit auch: OVG NRW, Urt. v.
13.12.2007 - 8 A 2810/04 -, ZUR 2008, 209). Jedenfalls gab es in Fachkreisen
eine dahingehende Vermutung, die Anlass für weitere Studien und
Aufklärungsbemühungen bot. Dies wird u. a. dadurch belegt, dass ein vom
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gefördertes,
am 1. April 2007 begonnenes Forschungsprojekt des Michael-Otto-Instituts im
NABU, welches sich in einem Teilprojekt "Wiesenweihe" insbesondere mit der
Frage einer möglichen Verdrängung von Brutpaaren und dem Kollisionsrisiko
befasst, seinerzeit gerade bis zum 31. Dezember 2010 verlängert worden war.
Die Endergebnisse liegen als Bericht noch immer nicht vor. Die auf der
homepage veröffentlichten Powerpoint-Präsentationen von der
Abschlusstagung am 8. November 2010 (vgl.
http://bergenhusen.nabu.de/forschung/greifvoegel/berichtevortraege/) deuten
jedoch darauf hin, dass für Wiesenweihen gerade bei Nahrungsflügen die
Kollisionsgefahr tatsächlich wohl geringer sein dürfte als zunächst
angenommen. Die die Wiesenweihe betreffenden ersten Teilergebnisse, die auf
einer internationalen Tagung am 21. und 22. Oktober 2008 beruhen und bisher
nur in englischer Fassung vorliegen, sind ebenfalls erst im Herbst 2009
veröffentlicht worden (vgl. S. 3 des auf der homepage befindlichen Berichts
“Birds of Prey and Wind Farms: Analysis of Problems and Possible Solutions”).
Demnach konnten auch sie von der Beigeladenen im Zeitpunkt der
Beschlussfassung im März 2009 noch nicht berücksichtigt werden. Darüber
hinaus heißt es dort auf Seite 34: “During hunting harriers flew at low heights,
mostly less than 5 m, but 5 % of the analysed flights in wind farms occurred at
the dangerous rotor swept height (30 - 100 m). So far, we have found no
differences in the flight height distribution inside and outside wind farms” (vgl. S.
34 des Berichts). Der Zwischenbericht steht der Annahme eines erhöhten
Schlagrisikos (auch) während der Jagd nicht entgegen.
Darüber hinaus hat die Beigeladene die diesbezügliche Stellungnahme von J.
nur als ein Argument neben etwa fachlichen Bewertungen der
Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten und der Vergleichbarkeit des
Gebietes mit den angrenzenden Teilen des Vogelschutzgebiets V 63 in der
erweiterten Ausdehnung angesehen (vgl. Begründung zur 28. Änderung, Teil A,
S. 73).
bb) Gleichfalls ist nicht zu beanstanden, dass die Beigeladene um das
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betroffene Gebiet noch einen Schutzabstand von 500 m gezogen hat. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15.01
-, BVerwGE 117, 287) und des Senats (vgl. Urt. v. 24.1.2008 - 12 LB 44/07 -,
juris; Urt. v. 9.10.2008 - 12 KN 35/07 -, NdsVBl 2009, 107) ist es im Rahmen der
Bauleitplanung zulässig, Pufferzonen und pauschale Abstände zu geschützten
Nutzungen festzusetzen und auf eine konkrete Prüfung der Verträglichkeit einer
Windenergienutzung an jedem einzelnen Standort zu verzichten. Dies gilt nicht
nur für Mindestabstände zu Siedlungsbereichen, die auf der Ebene der
Bauleitplanung bereits im Vorfeld der Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen
festgelegt werden können, sofern sie städtebaulich bzw. raumordnungsrechtlich
begründbar sind. Vielmehr dürfen auch Mindestabstände zu FFH-Gebieten und
EU-Vogelschutzgebieten in Ansatz gebracht werden, um eine Beeinträchtigung
dieser Gebiete hinreichend sicher ausschließen zu können (vgl. Urt. d. Sen. v.
9.10.2008 - 12 KN 35/07 -, a. a. O).
Dazu hat das Verwaltungsgericht in der den Beteiligten bekannten
Entscheidung (4 A 28/07 u. a.) zutreffend ausgeführt (UA S. 29 ff.):
"Die Zulässigkeit von Schutzzonen/Pufferabständen zu (faktischen)
Vogelschutzgebieten ergibt sich unmittelbar aus Art. 4 Abs. 4 der
Vogelschutzrichtlinie. Nach Satz 1 treffen die Mitgliedsstaaten geeignete
Maßnahmen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der
Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sich diese auf die
Zielsetzungen dieses Artikels erheblich auswirken, in den in den Absätzen
1 und 2 genannten Schutzgebieten zu vermeiden. Nach Satz 2 der
genannten Vorschrift bemühen sich die Mitgliedsstaaten ferner, auch
außerhalb dieser Schutzgebiete die Verschmutzung oder Beeinträchtigung
der Lebensräume zu vermeiden. Bei nach deutschem Recht förmlich unter
Natur- oder Landschaftsschutz gestellten Landschaftsteilen kann ebenfalls
schon eine Beeinträchtigung des Naturschutzes oder der
Landschaftspflege zur Unzulässigkeit eines Vorhabens führen. Die
Regelungen in einer Landschaftsschutzverordnung beziehen sich aber nur
auf die Grundstücke, die innerhalb der Grenzen eines
Landschaftsschutzgebietes liegen. Dies ergibt sich bereits aus der
Gesetzesformulierung. Die Bestimmung von Teilen von Natur und
Landschaft zu Landschaftsschutzgebieten beruht bundesrechtlich auf § 22
i.V.m. § 26 BNatSchG. Nach § 22 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BNatSchG
kann dabei auch die für den Schutz notwendige Umgebung einbezogen
werden (BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2008 - 4 B 28/08 -, BauR 2008,
1420 f, zitiert nach juris Rdnr. 6). Es entspricht zudem allgemeiner
Erfahrung, dass die äußeren Randzonen eines Schutzgebietes,
wenngleich auch in ihnen die mit einer Schutzgebietsausweisung
einhergehenden Verbote (§ 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG) gelten, stärkeren
Gefährdungen ausgesetzt sind als der innere Bereich. Der Schutzzweck
einer zu erlassenden Verordnung kann es deshalb erfordern, in das
Schutzgebiet eine Randzone einzubeziehen, deren Funktion es ist, das
Schutzgebiet als - quasi innen liegende - „Pufferzone“ zu sichern. Mit § 22
Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BNatSchG ist ausdrücklich klargestellt, dass in
ein Schutzgebiet auch die für den Schutz notwendige Umgebung
einbezogen werden kann (BVerwG, Urteil vom 5. Februar 2009 - 7 C N
1/08 -, NVwZ 2009, 719 ff, zitiert nach juris Rdnr. 31 m.w.N.).
Soweit der Kläger zur Stützung seiner Auffassung, jedenfalls die
Berücksichtigung einer Pufferzone käme nicht in Betracht, auf Gatz,
Rechtsfragen der Windenergienutzung, in DVBl. 2009, S. 737 (743)
verweist, kann der Auffassung des Klägers nicht gefolgt werden. Gatz
befasst sich an der genannten Stelle seiner Abhandlung mit der
Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes im Rahmen der
Vorhabenzulassung. Windenergieanlagen seien danach Projekte im Sinne
des § 34 Abs. 1 BNatSchG, wenn sie innerhalb der natürlichen
51
52
Lebensräume und Habitate eines FFH-Gebietes oder eines europäischen
Vogelschutzgebietes errichtet werden sollten. Sollten sie zwar in einem
Schutzgebiet, aber außerhalb der natürlichen Lebensräume oder Habitate,
also in Rand- oder Pufferzonen, oder außerhalb der Grenzen des
Schutzgebietes errichtet werden, erfüllten sie den Projektbegriff erst dann,
wenn sie geeignet seien, die eigentlichen Schutzobjekte allein oder im
Zusammenwirken mit etwaigen nachteiligen Beeinträchtigungen, die von
anderen Projekten ausgehen, in erheblichem Maße nachteilig zu
beeinflussen. ... In Brutrevieren und Rastflächen ausgewiesener
Vogelschutzgebiete seien Windenergienanlagen unzulässig. Wie es um
ihre Zulässigkeit außerhalb dieser Bereiche bestellt sei, hänge von den
Umständen des Einzelfalles ab, weil das Ausmaß der Auswirkungen von
Vogelart zu Vogelart unterschiedlich sei (S. 743). Hiernach bestreitet auch
Gatz die grundsätzliche Existenz von Rand- oder Pufferzonen nicht. Er
verortet sie - wie nach deutschem Recht angezeigt - in das jeweilige
Schutzgebiet. Demgegenüber meint der Kläger, dass es Schutzabstände
außerhalb der Schutzgebiete nicht geben könne. Dem kann in dieser
Absolutheit nicht gefolgt werden, zumal vorliegend zu berücksichtigen ist,
dass es sich sowohl bei dem nachgemeldeten Vogelschutzgebiet V 63 als
auch bei der nach Süden/Südosten ausgerichteten Erweiterungsfläche
noch nicht um nach innerstaatlichem Recht ausgewiesene Schutzgebiete
handelt. Bei dem Gebiet V 63 handelt es sich um ein faktisches
Vogelschutzgebiet und bei der Erweiterungsfläche nach den oben zitierten
Untersuchungsergebnissen jedenfalls um eine avifaunistisch wertvolle
Fläche. Maßgeblich kommt es hier auf die Frage an, ob und in welchem
Ausmaß die Beigeladene als planende Gemeinde im Rahmen ihrer
Flächennutzungsplanung unter Berücksichtigung des ihr zustehenden
Planungsermessens von Tabu- und Pufferzonen ausgehen durfte. Die
Möglichkeit, Tabu- und Pufferzonen festsetzen zu können, scheint im
Übrigen auch Gatz der Gemeinde im Rahmen der Standortsteuerung
durch eine Flächennutzungsplanung zuzugestehen. Er spricht zum einen
von „harten“ und „weichen“ Tabuzonen, die es der Gemeinde ermöglichen,
bei ihren Planungen „auf der sicheren Seite“ zu liegen (S. 738) und gesteht
den Gemeinden im Rahmen ihres planerischen Gestaltungsspielraums die
Befugnis zu, bestimmte Flächen zu „Tabu- und Pufferzonen“ zu erklären
(S. 740 l. Sp. oben).
Hiernach steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass den Gemeinden
im Rahmen ihrer Planungen grundsätzlich die Befugnis zusteht, aus
Vorsorgegesichtspunkten Pufferzonen festzusetzen.
Auch das Ausmaß der Pufferzone, ein 500 m-Abstand um das
avifaunistisch wertvolle Gebiet, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die
Gemeinde hat insoweit im Rahmen ihrer Planungen einen 500 m breiten
Schutzabstand zu dem Gebiet - analog zu dem bereits gemeldeten V 63-
Bereich - für erforderlich angesehen (S. 71 der Potentialstudie). Dies ist
nicht zu beanstanden, da sowohl das faktische Vogelschutzgebiet V 63 als
auch die Erweiterungsfläche noch nicht mit einem Puffer versehen sind.
Der Vorschlag V 63 spricht insofern bei den Hinweisen zur Abgrenzung
(Nr. 3) davon, dass „über die Kernzone hinausreichende
Schwerpunktbereiche der Vorkommen in das Gebiet integriert“ und auch
Areale in das Gebiet aufgenommen wurden, „die als essentielle
Nahrungsräume (Hervorhebungen durch die Kammer) der Wiesenweihe
angesehen werden können“. Dr. Schreiber hat im Rahmen seiner
Untersuchungen bzgl. der Erweiterungsfläche ebenfalls noch keinen Puffer
berücksichtigt, die Außengrenzen orientieren sich vielmehr „eng an den
dokumentierten Beobachtungspunkten der Art“ (s. Status der
Nahrungsflächen von Wiesen- und Kornweihe südlich und südwestlich
Nesse, Stand: 27.05.2008, S. 9 (Beiakte B); Sitzungsniederschrift S. 6
vorletzter Absatz).
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54
55
Bei der Frage, ob und in welchem Ausmaß eine Pufferzone berücksichtigt
werden sollte, ist in diesem Zusammenhang Folgendes zu beachten: Die
Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Vögel sind bisher nur
unvollständig untersucht (vgl. dazu insbesondere: Hötker/Thomsen/Köster
(Michael-Otto-Institut im NABU), Auswirkungen regenerativer
Energiegewinnung auf die biologische Vielfalt am Beispiel der Vögel und
der Fledermäuse - Fakten, Wissenslücken, Anforderungen an die
Forschung, ornithologische Kriterien zum Ausbau von regenerativen
Energiegewinnungsformen, Endbericht Dezember 2004; Antwort der
Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum Thema „Gefährdung
heimischer Greifvogel- und Fledermausarten durch Windkraftanlagen“, BT-
Drs. 15/5188). In dieser Lage, in der der verfügbare naturschutzfachliche
Kenntnisstand regelmäßig nur qualitative Risikoeinschätzungen
hervorbringen kann, können die in verschiedenen Bundesländern
entstandenen Arbeitspapiere ungeachtet dessen, dass gegen die darin
enthaltenen Aussagen im Einzelnen möglicherweise auch berechtigte
Kritik vorgebracht werden kann, als Beurteilungskriterien und
Orientierungshilfen jedenfalls zum Zweck einer Grobabschätzung
herangezogen werden. Dazu gehören insbesondere die „Tierökologischen
Abstandskriterien für die Errichtung von Windenergienanlagen in
Brandenburg“ (Stand: 1.6.2003) des Ministeriums für Landwirtschaft,
Umweltschutz und Raumordnung Brandenburg sowie die unter dem Titel
„Natur und Windenergie“ von einer Arbeitsgruppe des Nds. Landkreistages
(NLT) erarbeiteten Hinweise zur Berücksichtigung des Naturschutzes und
der Landschaftspflege sowie zur Durchführung der Umweltprüfung und
Umweltverträglichkeitsprüfung bei Standortplanung und Zulassung von
Windenergieanlagen (Stand: Juli 2007). Die in dem NLT-Papier
empfohlenen artspezifischen Abstände für Brut- und Gastvögel basieren
wiederum auf Empfehlungen des Bundesamtes für Naturschutz oder
Regelungen anderer Bundesländer (genannt wird Brandenburg), die
bezogen auf die Bedingungen in Niedersachsen modifiziert oder ergänzt
worden sind (vgl. NLT, S. 24 mit Fußnote 5).
Diese Arbeitspapiere enthalten zum einen Mindestabstände zu besonders
geschützten Gebieten für die Regional- und Bauleitplanung, die
Vorsorgeintentionen zum Schutz besonders geschützter Teile von Natur
und Landschaft sowie besonders oder streng geschützte Arten verfolgen.
So wird in dem NLT-Papier (S. 9) ein Mindestabstand von regelmäßig 500
m (aber 1.000 m zu Gastvogelräumen internationaler Bedeutung) zu
Gebieten des europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000“, soweit
zum Schutz von Vogel- oder Fledermausarten erforderlich, empfohlen. In
den Abstandskriterien Brandenburg (S. 3) wird ein Tabubereich in einem
Radius von 1 km ab Gebietsgrenze genannt (vgl. zum Vorstehenden: Nds.
Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 12. November 2008 - 12 LC 72/07 -,
juris Rdnr. 67 ff., insbesondere Rdnr. 70). Die Rechtsprechung hat
Schutzabstände (Pufferbereiche) von 500 m zu Gebieten mit hoher
Bedeutung für die Avifauna - wie hier - rechtlich nicht beanstandet (vgl.
Nds. Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Mai 2009 - 12 KN 49/07 -, juris
Rdnr. 35 ff.; Hess.VGH, Urteil vom 25. März 2009 - 3 C 594/08 N -, juris
Rdnr. 76 für „zunächst großzügige Pufferzonen um bestimmte Nutzungen
herum“; Nds. Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Oktober 2008 - 12 KN
35/07 -, Rdnr. 19 a.E. zu Mindestabständen von 500 m zu FFH-Gebieten
und EU-Vogelschutzgebieten; BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2008 - 4 CN
2/07 -, juris Rdnr. 15 zur Berechtigung des Planungsträgers „zunächst
relativ große Pufferzonen um bestimmte Nutzungen herumzulegen“).
Dieser Rechtsprechung zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Pufferzonen
und zum Ausmaß der Pufferzonen schließt sich die erkennende Kammer
an.
Mit der Darstellung eines 500 m-Pufferbereichs um die Erweiterungsfläche
56
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herum hat die Beigeladene ihren Gestaltungsspielraum im Rahmen ihrer
Planungen nicht überschritten. Dr. Schreiber hat im Rahmen der
mündlichen Verhandlung darüber hinaus deutlich gemacht, dass er bei
Abgrenzung des nach seiner Auffassung „vogelkundlich hochwertigen
Bereichs“ bei der Abgrenzung für beide Weihenarten sich auf „wichtige
Schwerpunktbereiche beschränkt habe“, er also keinen Puffer
miteinbezogen hat (S. 6 der Sitzungsniederschrift). Die Grenzen der
Erweiterungsfläche geben auch keinen Anlass zu der Annahme, dass die
vorgenommene Abgrenzung bereits einen Puffer enthielte, der es wegen
an der Gebietsgrenze vorhandener Siedlungen oder Windparks
ausschließen würde, dass ein zusätzlicher Puffer um die
Gebietsabgrenzung herum berücksichtigt werden dürfte."
Der Senat hat in seinen wiederholt zitierten Urteilen vom 21. April 2010 zu den
Verfahren 12 LB 44/09 (BauR 2010, 1550) und 12 LC 9/07 (BauR 2010, 1556)
dargelegt, dass er diese Einschätzung teilt. Die Beigeladene hat das Anlegen
eines Schutzabstands auch im vorliegenden Fall in vertretbarer Weise
typisierend mit Vorsorgegesichtspunkten begründet. Gegen diese Begründung
ist gerichtlich nichts zu erinnern. Sie verdeutlicht das Anliegen des
Planungsträgers, durch die Bestimmung der Ausschlussflächen und des Puffers
nicht nur den nachgewiesenen Gefahren Rechnung zu tragen, sondern eine
Beeinträchtigung der betroffenen Gebiete hinreichend sicher auszuschließen.
Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass J., auf den sich die Beigeladene
maßgeblich gestützt hat, in der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2009
vor dem Verwaltungsgericht in dem Verfahren 4 A 28/07 (= 12 LA 287/08)
ausgeführt hat, dass bei einer allein auf die Weihen bezogenen Betrachtung der
Puffer möglicherweise geringer ausfallen könne. Selbst wenn man davon
ausgeht, dass die Weihen nach derzeitiger Kenntnislage wohl der wesentliche
Grund für die Einstufung des Gebietes als avifaunistisch wertvoll waren, so ist zu
berücksichtigen, dass die Beigeladene - wie dargelegt in zulässiger Weise - das
Gebiet in erster Linie als faktisches Vogelschutzgebiet und lediglich hilfsweise
als avifaunistisch wertvoll als Nahrungsfläche eingestuft hat. Vor dem
Hintergrund, dass die "Erweiterungsfläche Weihen" damit als Erweiterung des
gemeldeten Vogelschutzgebietes V 63 und ebenso schützenswert angesehen
wurde, ist gegen die Anlegung eines einheitlichen, pauschalen Puffers von 500
m um das gesamte (faktische Vogelschutz-)Gebiet nichts zu erinnern und eine
konkrete Prüfung der Verträglichkeit einer Windenergienutzung an jedem
einzelnen Standort auf dieser Planungsebene nicht erforderlich. Dass sich die
Wertigkeit der Fläche nicht in der Bedeutung für Nahrung suchende Weihen
erschöpft, sondern in dem Gebiet auch die als wertgebend eingestuften Arten
Kiebitz, Blessgans und Graugans vorkommen, hat P. in der genannten
mündlichen Verhandlung ebenfalls plausibel ausgeführt. Darüber hinaus ist zu
berücksichtigten, dass unter Vorsorgegesichtspunkten ein größerer als der
zwingend gebotene Puffer gewählt werden darf.
Selbst wenn man aber annähme, dass die Beigeladene um das vornehmlich
wegen der Weihen als avifaunistisch wertvoll eingestufte Gebiet nur einen
deutlich geringeren Puffer als 500 m oder gar keinen hätte vorsehen dürfen,
würde dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Ein solcher Fehler hätte
nämlich nach Überzeugung des Senats keinen Einfluss auf das
Abwägungsergebnis gehabt. Auf das Abwägungsergebnis von Einfluss
gewesen im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB sind Mängel im
Abwägungsvorgang, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die
konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Planung anders
ausgefallen wäre. Eine solche konkrete Möglichkeit besteht immer dann, wenn
sich anhand der Planunterlagen oder erkennbarer oder nahe liegender
Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang
von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein könnte (BVerwG,
Beschl. v. 20.1.1992 - 4 B 71.90 -, NVwZ 1992, 663). Es kommt also einerseits
nicht auf den positiven Nachweis eines Einflusses auf das Abwägungsergebnis
58
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an. Auf der anderen Seite genügt aber auch nicht die (wohl stets zu bejahende)
abstrakte Möglichkeit, dass ohne den Mangel anders geplant worden wäre
(BVerwG, Beschl. v. 9.10.2003 - 4 BN 47.03 -, BauR 2004, 1130). Im
vorliegenden Fall hätten sich bei einer deutlichen Reduzierung oder einem
Wegfall der Pufferzone um das betroffene Gebiet ausweislich der Karte wohl
eine zusätzliche Potentialfläche östlich von U. sowie eine Vergrößerung der
nunmehr als Sonderbaufläche 2 ausgewiesenen Fläche nach Nordwesten
ergeben (vgl. Karte 6: Überlappung der Schutzbereiche). Die Beigeladene hat
sich - wie bereits mehrfach dargelegt - bei ihrer Planung vorrangig darauf
gestützt, dass es sich bei dem Nahrungshabitat der Weihen um ein faktisches
Vogelschutzgebiet handele und dieses nur hilfsweise als avifaunistisch wertvoll
eingestuft. Selbst wenn sie ihrer Planung zugrunde gelegt hätte, dass um
avifaunistisch wertvolle Flächen als solche ein pauschaler Abstand von 500 m
nicht schlechthin zulässig ist, sondern dieser konkret anhand der betreffenden
Vogelarten zu bestimmen wäre, spräche alles dafür, dass sie die innerhalb der
500 m-Zone gelegene Flächen gleichwohl weggewogen hätte, um angesichts
des "Risikos", dass es sich um ein faktisches Vogelschutzgebiet handelt, auf der
sicheren Seite zu sein. Zudem hat sie die streitige Fläche in der Qualität als mit
dem Vogelschutzgebiet V 63 in der nachgemeldeten Ausdehnung vergleichbar
erachtet, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt davon auszugehen ist, dass
sie jedenfalls im Wege der Abwägung im Ergebnis für einen einheitlichen Puffer
"gesorgt" hätte.
Die Bestimmung der Ausschlusszonen bzw. der zugrunde gelegte Puffer ist
auch mit Blick auf das gewonnene Ergebnis nicht zu beanstanden. Die
Beigeladene ist unter Anwendung der gewählten Auswahlkriterien zu einem
Abwägungsergebnis gelangt, wonach drei Sonderbauflächen mit einer Fläche
von insgesamt 144,9 ha ausgewiesen worden sind. Dadurch hat sie den als
Sonderbaufläche für Windenergie ausgewiesenen Bereich gegenüber ihrer
letzten Planung mit zunächst 52,6 ha deutlich erhöht (vgl. Teil B der Begründung
des Flächennutzungsplanes S. 51). Da das Gemeindegebiet ausweislich der
homepage 69,32 km², das entspricht 6.932 ha, groß ist, wird mithin ca. 2,1 %
des gesamten Gemeindegebietes als Sonderbaufläche dargestellt. In den
ausgewiesenen Gebieten sind bereits acht Anlagen errichtet worden und
können nach unwidersprochenem Vortrag der Beigeladenen je nach Anlagentyp
weitere sieben bis acht Windenergieanlagen errichtet werden, für die zum Teil
Anträge vorliegen. Angesichts dieser Werte kann nicht ernsthaft bezweifelt
werden, dass die Beigeladene durch die mit der 28. Änderung des
Flächennutzungsplans ins Werk gesetzten Planung der Windenergienutzung im
Plangebiet substanziell Raum verschafft hat. Somit bestand auch nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 24.1.2008 - 4 CN
2.07 -, NVwZ 2008, 559-560) kein Anlass, das gewählte methodische Vorgehen
zu hinterfragen und ggf. mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse insbesondere
das Anlegen von Ausschlusskriterien mit pauschalen Pufferzonen und
Mindestabständen im Hinblick auf eine großzügigere Flächenauswahl
abzuändern und kleinere Abstände genügen zu lassen.
cc) Die übrigen erstinstanzlich erhobenen Einwände des Klägers gegen die 28.
Änderung des Flächennutzungsplans tragen ebenfalls nicht. Insbesondere war
der Umgang der Beigeladenen mit den Einwendungen der
Wohnungsgrundstückseigentümer I. nicht abwägungsfehlerhaft. Es ist schon
nicht ersichtlich, dass die Planung - wie der Kläger geltend macht - zu einer
„vollständigen Einkreisung der Wohngebäude“ führt. Der Blick nach Westen
bleibt vielmehr weiterhin frei. Allerdings trifft es zu, dass neben den zum Teil
bereits bestehenden und planungsrechtlich abgesicherten Anlagen im Norden
und Osten durch die Ausweisung der Sonderbaufläche 3 nunmehr auch im
Süden der Wohngebäude Windenergieanlagen errichtet werden können. Dieses
ist jedoch seitens des Gerichts nicht zu beanstanden. Das mit der
Konzentrationsplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verfolgte Ziel der
Darstellung von Sonderbauflächen für die Windenergienutzung einerseits und
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der Ausschlusswirkung für das übrige Gemeindegebiet andererseits wird nur
dann von vornherein verfehlt, wenn die Fläche, die für die vorgesehene Nutzung
zur Verfügung stehen soll, für diesen Zweck schlechthin ungeeignet ist
(BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15.01 -, ZfBR 2003, 370). Es sind jedoch
keine tatsächlichen oder rechtlichen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die
von der Beigeladenen dargestellte Sonderbaufläche 3 für eine
Windenergienutzung schlechthin nicht geeignet ist. Schon die Anwendung der
von der Beigeladenen zugrunde gelegten Kriterien hat zu einem Schutzabstand
von 400 m für im Außenbereich gelegene Einzelhäuser - mithin auch das der
Familie I. - geführt. Die Beigeladene hat im Aufstellungsverfahren ferner
zutreffend darauf verwiesen, dass im immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahren für jede einzelne Anlage die Einhaltung der
Immissionswerte zu prüfen sein wird (vgl. Teil A zur Begründung der 28.
Flächennutzungsplanänderung, S. 25 sowie Abschließende Abwägung,
Feststellungsbeschluss Pkt. 17.03, S. 98). Es ist nicht ersichtlich und auch von
dem Kläger nicht substantiiert geltend gemacht, dass durch die - durch den
Flächennutzungsplan nicht vorweggenommene - Entscheidung über die
konkreten Standorte der Windenergieanlagen im Plangebiet sowie die in
Betracht kommenden Anlagentypen, insbesondere deren Höhe, dem
Nachbarschutz nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann. Auf den von
der Beigeladenen vorgebrachten Gesichtspunkt, Herr I. selbst habe die
Errichtung einer Windenergieanlage in einem geringeren Abstand als 400 m zu
seinem eigenen Wohnhaus beantragt, kommt es vor diesem Hintergrund nicht
an.
dd) Anders als der Kläger erstinstanzlich behauptet hat, gibt es auch keine
Anhaltspunkte dafür, dass Grund für die Ausweisung der Sonderbaufläche 1 bis
3 der Umstand war, dass der Beklagte dort Flächen angepachtet hatte. Wie
dargelegt begegnen die zur Ermittlung von Potentialflächen angelegten Kriterien
keinen Bedenken. Es ist auch nachvollziehbar, dass die Beigeladene alle in
rechtlich nicht zu beanstandender Weise ermittelten Potentialflächen tatsächlich
als Sonderbauflächen ausgewiesen hat, um ihrer Zielsetzung - der Förderung
der Windenergie - möglichst umfangreich Rechnung zu tragen (vgl. Teil B zur
Begründung der 28. Flächennutzungsplanänderung S. 43 ff.).
ee) Soweit der Kläger auf die Ausführungen im Aufstellungsverfahren verwiesen
hat, verhilft das seiner Klage ebenfalls nicht zum Erfolg. Dort hat er geltend
gemacht, die „Kompensationsflächen Grünlandentwicklung“ hätten deshalb
nicht als Ausschlussflächen behandelt werden dürfen, weil ihnen, da sich
Biotope noch nicht ansatzweise entwickelt hätten, keine besondere
avifaunistische Wertigkeit zukomme. Mit diesem Einwand hat sich die
Beigeladenen ausführlich auseinandergesetzt (vgl. Abschließende Abwägung,
Feststellungsbeschluss, Pkt. 15.06, S. 81 ff.). Sie hat dargelegt, dass die
Verlegung der Flächen, die zumeist durch Grundbucheintragungen gesichert
seien, nach aktueller Rechtslage nicht ohne weiteres möglich sei und sie sich
auf den aktuellen Bestand stützen müsse, da sie nicht berechtigt sei, privat
verursachte Kompensationsmaßnahmen zu missachten oder umzulegen.
Zudem würde eine Verlagerung bisher eingetretene Vegetationsentwicklungen
zunichte machen und die Kompensationsentwicklungen um Jahre
zurückwerfen. Mithin sei eine Verlegung der vorhandenen
Kompensationsflächen aus rechtlicher, finanzieller und ökologischer Sicht nicht
angezeigt. Diese Argumentation ist nicht zu beanstanden. Darüber hinaus wäre
demnach, selbst wenn die Flächen nicht als Ausschlussflächen hätten
behandelt werden dürfen, ein solcher Fehler für das Abwägungsergebnis nicht
kausal gewesen. Es hätte sich dann nämlich allenfalls eine (kleine) zusätzliche
Potentialfläche östlich von Terhalle bzw. südwestlich von Arle ergeben (vgl.
Karte 6: Überlappung der Schutzbereiche). Da die Beigeladene, als sie sich mit
den diesbezüglichen Einwendungen auseinandergesetzt hat, ausführlich und
nachvollziehbar begründet hat, dass und aus welchen Gründen sie an der
Ausweisung der betreffenden Flächen als Kompensationsflächen festhalten will,
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ist davon auszugehen, dass sie eine Potentialfläche an dieser Stelle mit der
gleichen Begründung jedenfalls weggewogen hätte.
Der seinerzeit ebenfalls erhobene, im gerichtlichen Verfahren gleichfalls nicht
vertiefte Einwand, die Abstände zu den Trassen seien rechtlich nicht geboten
bzw. jedenfalls zu groß, überzeugt ebenfalls nicht. Mit diesem Vortrag hat sich
die Beigeladene im Aufstellungsverfahren ebenfalls ausführlich
auseinandergesetzt (vgl. Abschließende Abwägung, Feststellungsbeschluss
Pkt. 15.01, S. 39 ff.). Die dortigen Ausführungen sind nicht zu beanstanden.
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene unter
Vorsorgegesichtspunkten einen größeren als den rechtlich gebotenen
Schutzabstand wählen durfte. Es ist ferner nicht erkennbar, dass eine
Verkleinerung oder gar ein Wegfall des Schutzabstandes zu den verschiedenen
Trassen zu der Ausweisung einer neuen oder Veränderung der festgestellten
Potentialflächen hätte führen können (vgl. Karte 6 Ausschlussflächen,
Überlappung der Schutzabstände).
c) Da somit Abwägungsmängel, die zur Feststellung der Unwirksamkeit der 28.
Flächennutzungsplanänderung der Beigeladenen führen, nicht vorliegen,
stehen dem - außerhalb der in dem Flächennutzungsplan ausgewiesenen
Sonderbauflächen "Windenergie" gelegenen - Vorhaben des Klägers öffentliche
Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegen. Die
Ausschlusswirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB tritt zwar nur in der Regel
ein, so dass in Ausnahmefällen eine Zulassung auch im sonstigen
Außenbereich in Betracht kommt. Die danach ermöglichte Feindifferenzierung,
die in ähnlicher Weise wie bei § 35 Abs. 1 BauGB auf eine nachvollziehende
Abwägung hinausläuft, verlangt aber, dass unter Berücksichtigung der
konkreten Gegebenheiten das private Interesse an der Errichtung einer
Windkraftanlage den öffentlichen Belangen der Nutzungskonzentration an
anderer Stelle gegenübergestellt wird. Dabei ist zu beachten, dass der zur
Prüfung gestellte Standort das gesamträumliche Planungskonzept der
Gemeinde nicht in Frage stellen darf; es muss sich um eine vom Plangeber so
nicht vorgesehene (atypische) Fallkonstellation handeln (vgl. BVerwG, Urt. v.
17.12.2002 - 4 C 15.01 -, BVerwGE 117, 287; Urt. v. 26.4.2007 - 4 C N 3 06 -,
juris; Senat, Urt. v. 15.5.2009 - 12 LC 53/07 -, NVwZ-RR 2009, 875). Eine vom
planerischen Regelfall abweichende Sonderkonstellation, die aus dem
planerischen Konzept der Beigeladenen herausfiele, ist hier nicht gegeben. Der
von dem Kläger zur Überprüfung gestellte im Bereich Westerende verortete
Anlagenstandort liegt in einem Bereich, der nach dem Planungskonzept der
Beigeladenen aus verschiedenen naturschutzfachlichen Gründen frei von
Windkraftanlagen bleiben soll (vgl. Karte 5: Ausschlussflächen Naturschutz). Die
Verwirklichung des Vorhabens würde dieses Konzept in unzulässiger Weise
unterlaufen.
2. Einem Anspruch des Klägers auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen
Vorbescheids gemäß § 9 BImSchG steht zudem § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5
BauGB in Verbindung mit der Landschaftsschutzgebietsverordnung
„Ostfriesische Seemarsch zwischen Norden und Esens“ des Beklagten vom 22.
September 2011 (LSG-VO) entgegen. Danach ist es in dem ausgewiesenen
Gebiet u. a. untersagt, Windkraftanlagen zu errichten (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 22).
Anders als der Kläger meint, ist die LSG-VO nicht unwirksam. Insbesondere ist
ihr Geltungsbereich weder zu unbestimmt noch sachwidrig oder willkürlich
bestimmt.
Das Landschaftsschutzgebiet umfasst neben dem gemeldeten EU-
Vogelschutzgebiet V 63 „Ostfriesische Seemarsch zwischen Norden und Esens“
in seiner erweiterten Ausdehnung die Fläche, die vom Beklagten und der
Beigeladenen wegen der hohen Bedeutung als Nahrungshabitat für die Weihen
als schützenswert angesehen wurde („Erweiterungsfläche Weihen“ bzw.
„Nahrungsgebiet Weihen“).
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Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erfüllt ein
Mitgliedstaat seine Ausweisungspflicht nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie
79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden
Vogelarten, kodifiziert als Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden
Vogelarten (VRL), nur dann rechtswirksam, wenn er die besonderen
Schutzgebiete "vollständig und endgültig" ausweist (EuGH, Urt. v. 6.3.2003 - C-
240/00 - Slg. 2003, I-2187). Die Erklärung muss das Gebiet Dritten gegenüber
rechtswirksam abgrenzen und nach nationalem Recht "automatisch und
unmittelbar" die Anwendung einer mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang
stehenden Schutz- und Erhaltungsregelung nach sich ziehen (EuGH, Urt. v.
27.2.2003 - C-415/01 - Slg. 2003, I-2081 Rn. 26). Hieraus ergibt sich nach
Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, dass die
"Erklärung" zum besonderen Schutzgebiet nach Art. 4 Abs. 1 VRL, die nach Art.
7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der
natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-RL)
den Wechsel des Schutzregimes auslöst, jedenfalls eine endgültige
rechtsverbindliche Entscheidung mit Außenwirkung darstellen muss (BVerwG,
Urt. v. 1.4.2004 - 4 C 2.03 -, BVerwGE 120, 276; Beschl. v. 3.6.2010 - 4 B 54.09
-, NVwZ 2010, 1289). Deren rechtliche Gestalt wird durch das Recht der
Mitgliedstaaten näher bestimmt. Nach § 32 Abs. 2 BNatSchG sind die
Europäischen Vogelschutzgebiete entsprechend den jeweiligen
Erhaltungszielen zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des
§ 20 Abs. 2 BNatSchG zu erklären. Die Schutzerklärung bestimmt den
Schutzgegenstand, den Schutzzweck, die zur Erreichung des Schutzzwecks
notwendigen Gebote und Verbote und, soweit erforderlich, die Pflege-,
Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen (§ 22 Abs. 2 Satz 1, § 32
Abs. 3 Satz 1 BNatSchG).
Soweit das Landschaftsschutzgebiet mit dem gelisteten EU-Vogelschutzgebiet
V 63 identisch ist, handelt es sich bei der Unterschutzstellung mithin um einen
Akt der Erfüllung einer durch § 32 Abs. 2 BNatSchG sowie durch Art. 4 Abs. 1, 2
VRL begründeten Rechtspflicht (vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer,
Umweltrecht, Bd. II, § 32 BNatSchG Rn. 9; J. Schumacher/A. Schumacher in
Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Auflage, § 32 Rn. 27).
Dass sich der Beklagte entschieden hat, darüber hinaus den als
„Erweiterungsfläche Weihen“ bzw. „Nahrungsgebiet Weihen“ bezeichneten
Bereich in den Geltungsbereich der Landschaftsschutzgebietsverordnung
einzubeziehen, begegnet keinen Bedenken.
Rechtsgrundlage der LSG-VO ist § 26 BNatSchG i. V. m. § 19 NAGBNatSchG.
Danach können Naturschutzbehörden Gebiete, in denen ein besonderer Schutz
der Natur und Landschaft erforderlich ist, um der in § 26 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3
genannten Ziele willen durch Verordnung als Landschaftsschutzgebiet
festsetzen. Dabei liegt es grundsätzlich im Normsetzungsermessen des
zuständigen Verordnungsgebers, ob ein Naturraum, der die Voraussetzungen
für eine Unterschutzstellung erfüllt, als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen
wird (BVerwG, Beschl. v. 13.3.2008 - 4 B 15.08 -, ZfBR 2008, 594 m. w. N.).
Die Voraussetzungen für die Festsetzung lagen vor. Die
Schutzgebietsausweisung soll nach § 2 Abs. 2 der LSG-VO der Erhaltung und
Entwicklung des Gebiets als Lebensstätten schutzbedürftiger Tier- und
Pflanzenarten und deren Lebensgemeinschaften sowie als naturgeprägte
Kulturlandschaft von besonderer Eigenart, Vielfalt und Schönheit und damit
einem zulässigen Ziel i. S. d. § 26 Abs. 1 BNatSchG dienen. Insbesondere soll
die Erhaltung und Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands für die
in Anhang I der VRL aufgeführten Vogelarten gewährleistet werden (§ 2 Abs. 5
LSG-VO). Dass das Gebiet allgemein dafür geeignet ist, wird auch vom Kläger
nicht in Frage gestellt. Wegen der Wertigkeit auch des „Nahrungsgebiets
Weihen“ wird zudem auf die obigen Darlegungen (vgl. unter II. 2.) verwiesen. Als
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weiteres Erhaltungsziel wird u. a. der Erhalt einer weiträumigen, unverbauten
und unzerschnittenen Landschaft genannt (vgl. § 2 Abs. 6 LSG-VO).
Die LSG-VO ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht wegen mangelnder
Bestimmtheit unwirksam. Gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 NAGBNatSchG werden der
geschützte Teil von Natur und Landschaft und der Geltungsbereich von
Vorschriften zeichnerisch in Karten bestimmt. Der Verordnung ist vorliegend eine
Karte im Maßstab 1:150.000 beigefügt, ferner werden die Örtlichkeiten im Text
der LSG-VO grob beschrieben (§ 14 Abs. 4 Satz 5). Darüber hinaus wird auf die
Übersichtskarte (1: 25.000) sowie Detailkarten (1:10.000) verwiesen, die von
jedermann eingesehen werden können. Dies reicht aus, um den insoweit
bestehenden Anforderungen zu genügen, wonach eine
Landschaftsschutzgebietsverordnung die Abgrenzung eines Schutzgebiets
entweder, wenn es sich mit Worten erfassen lässt, in ihrem Wortlaut umreißen
muss oder das Gebiet genau ersichtlich zu machen ist durch eine als Anlage im
Verkündungsblatt beigegebene Landkarte bzw. bei bloß grober Umschreibung
im Wortlaut durch Verweisung auf eine an einer genau zu benennenden
Amtsstelle niedergelegte und dort in den Dienststunden für jedermann
einsehbare Landkarte (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.1967 - 4 C 105.65 -, BVerwGE
26, 129; Beschl. v. 24.5.1995 - 4 NB 37.94 -, NuR 1995, 456 und Urt. v.
31.1.2001 - 6 CN 2.00 -, BVerwGE 112, 373).
Anders als der Kläger meint, genügt die Darstellung des Geltungsbereichs der
LSG-VO auch mit Blick auf die Verwendung der Begriffe „Hofstelle“ und
„Hausgrundstück“ in § 1 Abs. 3 Satz 5 den Bestimmtheitsanforderungen. Ein
Verstoß gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitende Erfordernis
angemessener Bestimmtheit einer Norm bei Verwendung sog. unbestimmter
Rechtsbegriffe liegt nur dann vor, wenn es wegen der Unbestimmtheit nicht
mehr möglich ist, objektive Kriterien zu gewinnen, die eine willkürliche
Handhabung durch die Behörden und die Gerichte ausschließen. Aus dem
Inhalt der Rechtsvorschrift muss sich mit ausreichender Bestimmtheit ermitteln
lassen, was von den pflichtigen Personen verlangt wird. Die
Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift oder einzelfallbezogene
Subsumtionsprobleme lassen noch nicht die rechtsstaatlich gebotene
Bestimmtheit entfallen (BVerfG, Beschl. v. 8.3.1983 - 2 BvL 27/81 - BVerfGE 63,
312). Das Ausmaß der geforderten Bestimmtheit lässt sich dabei nicht allgemein
festlegen. In erster Linie ist die Eigenart des zu regelnden Sachgebiets
maßgebend. Der Gesetzgeber ist zwar gehalten, seine Vorschriften so bestimmt
zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts
mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Er verfügt aber, wenn er vor der
Frage steht, ob er in einer Vorschrift unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet oder
sie ins Einzelne gehend fasst, über einen Gestaltungsspielraum, wobei nicht
zuletzt auch Erwägungen der praktischen Handhabung seine Entscheidung
beeinflussen dürfen. Insgesamt genügt es, wenn die Betroffenen die Rechtslage
anhand objektiver Kriterien erkennen und ihr Verhalten danach einrichten
können (BVerwG, Urt. v. 16.6.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110; OVG NRW,
Urt. v. 24.5.2006 - 20 A 1612/04 -, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 18.6.2002 - 8 ME
77/02 -, juris). Die Abgrenzung des Geltungsbereichs der
Landschaftsschutzgebietsverordnung anhand der verwendeten Kriterien
„Hofstelle“ und „Hausgrundstück“ ist hinreichend bestimmt. Insbesondere ist die
Verordnung unter diesem Aspekt einer willkürlichen Handhabung durch die
Behörden und die Gerichte nicht zugänglich (vgl. OVG Schl.-Holst., Beschl.
v.10.11.2009 - 1 LA 41/09 - NordÖR 2010, 79). Der Begriff der „Hofstelle“ wird
etwa auch verwandt in § 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c) und Abs. 4 Nr. 1 Buchst. e)
und f) BauGB, in § 69 Abs. 3 BewG, § 4 Abs. 2 GBO, § 1 Abs. 1 Satz 1 HöfeO, §
5 Abs. 1 Nds. RealvG. Das „Hausgrundstück“ findet sich z. B. in § 12 Abs. 3 Nr.
4 SGB II, § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII, § 9 Abs. 3 KredAAG. Was mit „Hofstelle“
bzw. „Hausgrundstück“ im Sinne der LSG-VO gemeint ist und wo die Grenzen
zu ziehen sind, ist dabei unter Einbeziehung des Schutzzwecks des Gebietes
und des Ziels der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 4 LSG-VO zu ermitteln. Dieses
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erschließt sich vor dem Hintergrund, dass daneben nur Ortslagen,
Geltungsbereiche von Bebauungsplänen, sowie Abgrenzungssatzungen
gemäß § 34 Abs. 4 BauGB von der Verordnung ausgenommen sind. Auch die
Abgrenzung der kartografisch vom Geltungsbereich ausgenommenen Ortslagen
etc. ist geeignet, Anhaltspunkte für die Bestimmung des Maßstabs zu liefern.
Ferner ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass die LSG-VO - wie
dargelegt - in einem wesentlichen Teil die sich aus Art. 4 der VRL und § 32 Abs.
2 BNatSchG ergebende Pflicht für das EU-Vogelschutzgebiet V 63 umsetzen
sollte. Insoweit hat das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und
Klimaschutz zu dem vergleichbaren Gebiet V 64 nachvollziehbar ausgeführt, die
Hofstellen und Hausgrundstücke seien für die für das Vogelschutzgebiet
wertbestimmenden Arten als Lebensraum nicht geeignet und es könne
ausgeschlossen werden, dass sich die auf den Hofstellen bzw.
Hausgrundstücken üblichen menschlichen Aktivitäten erheblich auf die
Population der wertbestimmenden Vogelarten auswirkten (vgl. Erlass v.
25.1.2010). Ausgehend von diesen Grundsätzen sind "Hofstelle“ und
„Hausgrundstück“ auch in ihrer konkreten Ausdehnung im Einzelfall ebenso
bestimmbar, wie es das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des Merkmals
„im Zusammenhang bebaute Ortsteile" angenommen hat (vgl. BVerwG, Urt. v.
16.6.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110).
Eine fehlende Bestimmtheit ergibt sich auch nicht daraus, dass in der LSG-VO
nicht explizit festgeschrieben ist, auf welchen Zeitpunkt für die Frage, ob eine
„Hofstelle“ oder ein „Hausgrundstück“ vorliegt, abzustellen ist. Wenn - wie hier -
kein gesonderter Zeitpunkt bestimmt ist, kann im Wege der Auslegung davon
ausgegangen werden, dass der Normgeber auf den Zeitpunkt der
Beschlussfassung abstellen will. Ob sich aus europarechtlicher Sicht gegen
diese Auslegung Bedenken ergeben, kann vorliegend dahinstehen. Dies könnte
allenfalls der Fall sein, wenn durch das Abstellen auf diesen Zeitpunkt einzelne
im Zeitpunkt der Meldung als EU-Vogelschutzgebiet - anders als bei der
Beschlussfassung - noch nicht vorhandene Hofstellen und Hausgrundstücke
nunmehr aus dem Geltungsbereich der LSG-VO herausfielen. Dies ist jedoch
nicht erkennbar.
Bedenken ergeben sich auch nicht daraus, dass der Beklagte bestimmte Teile
kartografisch aus dem Geltungsbereich ausgenommen hat, andere dagegen
nicht. Der Beklagte trägt unwidersprochen vor, die bereits kartografisch aus dem
Geltungsbereich ausgenommenen Flächen im Norden und südlich der
Landesstraße L 5 resultierten daraus, dass diese Gebiete bereits bei der
Meldung des Vogelschutzgebietes ausgenommen gewesen seien. Darüber
hinaus habe man sich an dem genannten Erlass des Niedersächsischen
Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz orientiert. Dieses ist rechtlich nicht zu
beanstanden.
Der Einwand des Klägers, es sei nicht erkennbar, warum etwa die Hofstelle des
Landwirtes B. V. kartografisch ausgenommen worden sei, andere vergleichbare
aber nicht und insoweit auf eine von ihm vorgelegte Karte (Anlage 2 zum
Schriftsatz vom 5.10.2012) verweist, überzeugt nicht. Der Beklagte hat insoweit
erläutert, man habe im Sinne der Übersichtlichkeit davon abgesehen, alle
Hausgrundstücke und Hofstellen grafisch kenntlich zu machen und sie
stattdessen verbal aus dem Geltungsbereich ausgenommen. Dies ist plausibel.
Um jede Hofstelle und jedes Hausgrundstück einen Kreis zu ziehen, würde den
Geltungsbereich der Verordnung nicht klarer beschreiben und eine verlässliche
Kenntnisnahme von Inhalt und Geltungsumfang eher erschweren. Dass
gleichwohl schon bei der Meldung des EU-Vogelschutzgebietes etwa die
Hofstelle V. grafisch ausgegrenzt wurde, dürfte darin begründet sein, dass diese
an der Außengrenze des LSG liegt und daher insoweit - wie bei anderen am
Rand gelegenen Hofstellen und Hausgrundstücken - eine Ausbuchtung
vorgesehen werden konnte, während die übrigen vom Kläger als vergleichbar
bezeichneten Hofstellen im Gebiet selbst liegen und daher nur als Inseln hätten
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dargestellt werden können. Selbst wenn man diesen Umstand aber nicht als
tragfähigen Grund für die unterschiedliche Behandlung ansähe, folgte daraus
schon deshalb nicht die Unwirksamkeit der Verordnung, weil die Art und Weise,
mittels derer die Hofstellen und Hausgrundstücke (grafisch oder durch die Norm
des § 1 Abs. 3 Satz 4 und 5) aus dem Geltungsbereich der LSG-VO
ausgenommen werden, nur eine Frage des methodischen Vorgehens, aber
ohne Einfluss auf den materiellen Regelungsgehalt ist, denn die Rechtsfolge
(keine Anwendung der LSG-VO) ist identisch.
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht als willkürlich
anzusehen, dass nicht alle bebauten Grundstücke aus dem Geltungsbereich
der LSG-VO ausgenommen wurden. Es kann dahinstehen, ob eine solche
Regelung vor dem Hintergrund, dass es sich - wie dargelegt - zu einem
erheblichen Teil um ein EU-Vogelschutzgebiet handelt, überhaupt zulässig
gewesen wäre. Selbst wenn man dies bejahte, so war ein solches Vorgehen
jedenfalls nicht geboten. Der Normgeber hat im Bereich des Naturschutzrechts -
wie dargelegt - ein "Normsetzungsermessen" und damit einen
„Handlungsspielraum“, der von der Sache her in erster Linie durch eine dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der
gegenüberstehenden Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes auf der
einen und der Nutzungsinteressen der von Nutzungsbeschränkungen
betroffenen Grundeigentümer auf der anderen Seite geprägt ist (vgl. BVerwG,
Beschl. v. 29.1.2007 - 7 B 68.06 -, NVwZ 2007, 589 m. w. N.). Es ist vor diesem
Hintergrund angesichts der unterschiedlichen Ausgangslage nicht zu
beanstanden, dass der Beklagte nicht alle bebauten Grundstücke dem
Geltungsbereich der LSG-VO entzogen hat, sondern nur Ortslagen,
Geltungsbereiche von Bebauungsplänen, Abgrenzungssatzungen gemäß § 34
Abs. 4 BauGB sowie Hofstellen und Hausgrundstücke. In dem bereits
angesprochenen Erlass des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz vom 25.
Januar 2010 ist - wie ausgeführt - in nicht zu beanstandender Weise die
Herausnahme von Hofstellen bzw. Hausgrundstücken aus dem
Geltungsbereich der Landschaftsschutzgebietsverordnung mit der Begründung
für gerechtfertigt erachtet worden, diese Bereiche seien für die für das
Vogelschutzgebiet wertbestimmenden Vogelarten als Lebensraum nicht
geeignet, und außerdem könne ausgeschlossen werden, dass sich die auf den
Hofstellen und Hausgrundstücken üblichen menschlichen Aktivitäten erheblich
auf den Schutzzweck auswirken. Diese Gesichtspunkte gelten aber nicht für alle
anderen bebauten Grundstücke in gleicher Weise. Darüber hinaus ist zu
berücksichtigen, dass die bestehenden Windenergieanlagen und auch die
Biogasanlage, auf die der Kläger verweist, Bestandsschutz genießen (vgl. § 6
Abs. 2 LSG-VO) und der Beklagte ferner durch die Befreiungstatbestände in § 4
Abs. 2 Nr. 8 bis 11 LSG-VO den Eigentümerinteressen Rechnung getragen hat.
Weiterhin hat der Beklagte im Rahmen der Abwägung (vgl. S. 218 der
Zusammenstellung und Abwägung der Stellungnahmen zum geplanten
Landschaftsschutzgebiet V 63) zu Recht darauf hingewiesen, dass
Biogasanlagen, die an der Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 6 BauGB
teilnehmen, ebenso weiter zulässig seien wie Photovoltaikanlagen auf Dächern
oder Kleinwindanlagen, wenn sie dem landwirtschaftlichen Betrieb dienten.
Insgesamt ist mithin den Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes auf der
einen und den Nutzungsinteressen der von Nutzungsbeschränkungen
betroffenen Grundeigentümer durch dieses Vorgehen hinreichend Rechnung
getragen worden.
Der Einwand des Klägers, der Geltungsbereich der LSG-VO sei gegenüber der
in einem großen Maßstab erfolgten Gebietsmeldung des EU-
Vogelschutzgebiets „verrutscht“, trifft nicht zu. Ausweislich der Anlage zur
Bekanntmachung des MU vom 28. Juli 2009 im Niedersächsischen
Ministerialblatt (vgl. S. 783) entspricht der Zuschnitt der LSG-VO vielmehr
insoweit dem gemeldeten und gelisteten EU-Vogelschutzgebiet V 63.
Insbesondere sind das Grundstück, auf dem sich die vom Kläger
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angesprochene Biogasanlage befindet sowie die Flächen südlich der
Landesstraße L5 schon dort nicht ausgenommen. Ob die gewählte Abgrenzung
in diesem Teilbereich sachgerecht ist, kann dahinstehen. Bedenken ergeben
sich insoweit vor dem Hintergrund, dass nach Angaben des NLWKN diese
Teilfläche gerade wegen der „dort befindlichen Windräder“ schon bei der
Meldung hinausgenommen werden sollte (vgl. E-Mail vom 7.11.2012),
tatsächlich aber nur ein Teil der in dem Windpark W. errichteten
Windenergieanlagen auf von dem Geltungsbereich der LSG-VO
ausgenommenen Flächen steht, während die übrigen gerade wieder im
gemeldeten Gebiet stehen. Selbst wenn aber bei der Meldung die Fläche nicht
sachgerecht abgegrenzt worden ist, kann dies der Klage nicht zum Erfolg
verhelfen. Da es sich insoweit um ein gemeldetes und in die Liste
aufgenommenes EU-Vogelschutzgebiet handelt, stand dem Beklagten bei der
Gebietsbestimmung kein Ermessen (mehr) zu, sondern war die
Unterschutzstellung - wie ausgeführt - insoweit als Akt der Erfüllung einer durch
§ 32 Abs. 2 BNatSchG begründeten Rechtspflicht zwingend (vgl. Gellermann, in:
Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, § 32 BNatSchG Rn. 9; J.
Schumacher/A. Schumacher, in: Schumacher/Fischer-Hüftle,
Bundesnaturschutzgesetz, 2. Auflage, § 32 Rn. 27). Zwar ist nach der
Rechtsprechung auch nach der Listung eines FFH-Gebietes (vergleichbares
dürfte für das hier in Rede stehende EU-Vogelschutzgebiet gelten) weiterhin
Raum für eine gerichtliche Überprüfung der Richtigkeit der Gebietsauswahl bzw.
-abgrenzung (BVerwG, Urt. v. 14.4.2010 - 9 A 5.08 -, BVerwGE 136, 291).
Soweit aber Zweifel bestehen, ob die Listung in den erfolgten Grenzen zu Recht
erfolgt ist, ist es dem nationalen Gericht nicht erlaubt, die Ausweisung zu
ignorieren, es wird vielmehr gehalten sein, ein Vorabentscheidungsersuchen
nach Art. 267 AEUV an den Europäischen Gerichtshof zu richten (vgl. BayVGH,
Urt. v. 25.9.2012 - 14 B 10.1550, juris unter Verweis u. a. auf EuGH, Urt. v.
23.4.2009 - C-362/06 P -, Slg 2009, I-2903). Darüber hinaus ist anerkannt, dass
die Identifizierung Europäischer Vogelschutzgebiete in den Bundesländern nur
einer eingeschränkten Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt,
weil Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL den Mitgliedstaaten einen fachlichen
Beurteilungsspielraum in der Frage eröffnet, welche Gebiete nach
ornithologischen Kriterien für die Erhaltung der in Anhang I der Richtlinie
aufgeführten Vogelarten „zahlen- und flächenmäßig“ am geeignetsten sind (vgl.
Beschl. d. Sen. v. 10.3.2010 - 12 ME 176/09 -, NVwZ-RR 2010, 431). Vor
diesem Hintergrund bestehen - ebenso wie für die Behauptung, es gebe ein
faktisches Vogelschutzgebiet, das unberücksichtigt geblieben sei und eine
„Lücke im Netz“ schließe (BVerwG, Beschl. v. 13.3.2008, Beschl. v. 13.3.2008 -
9 VR 9.07 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 33; Beschl. v. 14.4.2011 - 4 B
77.09 -, juris) - besondere Darlegungsanforderungen auch für die Rüge, ein
Gebiet sei zu Unrecht gemeldet worden. Es kann dahinstehen, ob die vom
Kläger erhobenen Einwände gegen die Abgrenzung des gelisteten EU-
Vogelschutzgebietes den insoweit bestehenden Substantiierungsanforderungen
genügen. Selbst wenn man sie als ausreichend ansähe und die Grenzziehung
der aus dem Anwendungsbereich der LSG-VO herausgenommenen „Insel“
nördlich von R. als aus ornithologischer Sicht nicht vertretbar erachtete, folgte
daraus nicht die Unwirksamkeit der gesamten Verordnung.
Es ist anerkannt, dass die Unbestimmtheit oder auch Sachwidrigkeit eines
Grenzverlaufs einer Landschaftsschutzgebietsverordnung in Randzonen oder
Teilbereichen nicht notwendig die Ungültigkeit der Norm auch für den eindeutig
in die Verordnung einbezogenen Bereich zur Folge hat. Vielmehr ist eine solche
LSG-VO nach den Grundsätzen über die Teilnichtigkeit von Normen dann nur
für den betroffenen, nicht genau bestimmbaren Bereich unwirksam (vgl. dazu:
Fischer-Hüftle/J. Schumacher/A. Schumacher, in: Schumacher/Fischer-Hüftle,
Bundesnaturschutzgesetz, 2. Auflage, § 22 Rn. 36). Teilnichtigkeit setzt einen
auf einen (räumlichen oder sachlichen) Teil der Norm beschränkten Fehler
voraus. Der fehlerbehaftete Teil darf mit dem gesamten restlichen Normgefüge
nicht so verflochten sein, dass dieses ohne den nichtigen Teil nicht sinnvoll
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bestehen bleiben kann (Grundsatz der Teilbarkeit). Daran fehlt es u. a., wenn
der verbleibende Teil der Rechtsordnung widerspricht, etwa eine unter
Gleichheitsaspekten unzureichende Regelung darstellt oder den gesetzlichen
Regelungsauftrag verfehlt. Ferner muss mit Sicherheit anzunehmen sein, dass
der Normgeber die Restbestimmung ohne den nichtigen Teil erlassen hätte
(BVerwG, Beschl. v. 8.8.1989 - 4 NB 2.98 -, NVwZ 1990, 159). Selbst wenn
demnach anzunehmen wäre, dass der räumliche Geltungsbereich des
Landschaftsschutzgebiets im Bereich der nördlich von R. gelegenen vom
Geltungsbereich ausgenommenen „Insel“ nicht sicher feststeht oder die Grenze
insoweit schon bei der Meldung zum EU-Vogelschutzgebiet „verrutscht wäre“,
führte dies bei Anwendung der genannten Grundsätze nicht dazu, dass die
LSG-VO insgesamt unwirksam ist. Da sich der restliche Schutzbereich aufgrund
der oben beschriebenen besonderen Gestalt - ("Inseln") - rein tatsächlich
abtrennen lässt und die Verordnung auch rechtlich in dem Sinne ohne Weiteres
teilbar ist, dass sie ohne den mit dem Rechtsmangel behafteten Teil einen
selbständigen Regelungsinhalt aufweist, zieht die beschriebene
Teilunwirksamkeit nicht die Gesamtunwirksamkeit der Verordnung nach sich.
Probleme bei der Bestimmung des genauen Grenzverlaufs anhand der Karte
haben lediglich zur Folge, dass innerhalb gewisser kleiner Grenzzonen Zweifel
über die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Landschaftsschutzgebiet
entstehen können. Wenn für diejenigen Randbereiche dann zweifelhaft
erscheint, ob sie zum Schutzgebiet gehören, ist nur für diese konkreten Gebiete
von der Unwirksamkeit des Landschaftsschutzgebietes auszugehen. Die
Unwirksamkeit erfasst jedoch nicht diejenigen Bereiche, die - wie hier der in
Aussicht genommene Anlagenstandort - nach der Karte eindeutig innerhalb des
Landschaftsschutzgebietes liegen (vgl. Thür. OVG, Urt. v. 15. 8.2007 - 1 KO
1127/05 -, ThürVGRspr 2008, 97; OVG NRW, Urt. v. 2.10.1997 - 11 A 4310/94 -,
NuR 1998, S. 329 ff.; Hess. VGH, Urt. v. 7.10.2004 - 4 N 3101/00 -, NuR 2005,
791; BVerwG, Beschl. v. 4.1.1994 - 4 NB 30.93 -, NVwZ-RR 1997, 608).
Da gegen die Wirksamkeit der LSG-VO - jedenfalls in ihren für den vorliegenden
Rechtsstreit relevanten Teilen - keine Bedenken bestehen, steht der Erteilung
des begehrten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids § 35 Abs. 3 Satz 1
Nr. 5 BauGB in Verbindung mit dem Verbot des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 LSG-
VO entgegen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Ausnahme von diesem
Verbot in Betracht kommen könnte. Zwar kann gemäß § 5 die zuständige
Naturschutzbehörde von den Verboten der Verordnung nach Maßgabe des § 67
BNatSchG in Verbindung mit § 41 NAGBNatSchG Befreiungen erteilen. § 67
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG setzt jedoch voraus, dass die Befreiung aus
Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher
sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist. Eine Befreiung kommt danach
nur in Betracht, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die
Befreiung auch erfordern. Das bedeutet zwar nicht, dass die Befreiung
schlechterdings das einzige denkbare Mittel für die Verwirklichung des
jeweiligen öffentlichen Interesses ist. Gründe des Wohls der Allgemeinheit
„erfordern“ eine Befreiung aber erst dann, wenn es zur Wahrnehmung des
jeweiligen öffentlichen Interesses vernünftigerweise geboten ist, mit Hilfe der
Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Demnach
ist mehr erforderlich, als dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie
förderlich, nützlich oder dienlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.6.1978 - 4 C 54.75 -,
BVerwGE 56, 72). Zudem müssen die recht verstandenen Gründe des
Gemeinwohls entgegenstehende Belange und Interessen „überwiegen“, was
nach Maßgabe der konkreten Gegebenheiten im Einzelfall zu entscheiden ist
(Beschl. d. Sen. v. 26.7.2011 - 12 LA 223/09 -, juris). Dafür reicht es nicht aus,
dass etwa die Stromgewinnung durch regenerative Energien (auch) im Interesse
der Allgemeinheit ist. Andere Gesichtspunkte, die eine Befreiung aus Gründen
des öffentlichen Interesses als notwendig erscheinen ließen, sind weder geltend
gemacht noch anderweitig ersichtlich. Eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 BNatSchG kommt ebenfalls bereits tatbestandlich nicht in Betracht. Diese
kann erteilt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu
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einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den
Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist. Da eine
Unzumutbarkeit „im Einzelfall“ vorausgesetzt wird, hat die Behörde bei der
Unzumutbarkeit die Bewertung durch den Normgeber zu beachten und
anzunehmen, dass dieser diejenigen Konsequenzen, die bei allen oder den
meisten Betroffenen vorherzusehen sind, für zumutbar hält. Insofern verhält es
sich nicht anders als bisher bei der Prüfung der „nicht beabsichtigten Härte“ (vgl.
Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, a. a. O., § 67 Rn. 14). Im
vorliegenden Fall scheidet die Erteilung einer Befreiung danach aus. Wie
dargelegt, verfolgt die Landschaftsschutzgebietsverordnung in Kenntnis des
streitgegenständlichen Antrags des Klägers auf Erteilung eines
immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids gerade auch den Zweck, im
betreffenden Gebiet die Errichtung von Windenergieanlagen, die unzweifelhaft
das Landschaftsbild maßgeblich prägen, zu verhindern. Würde man, wenn - wie
hier - keine Anhaltspunkte für (weitere) Besonderheiten vorliegen, annehmen, in
dem Verbot läge eine unzumutbare Härte für potentielle Betreiber solcher
Anlagen, so würde sich die Behörde in unzulässiger Weise über die
Interessenabwägung des Normgebers hinwegsetzen (vgl. Gatz,
Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, S. 285; Fischer-
Hüftle, a. a. O., § 67 Rn. 15). Von einer solchen Härte kann demnach nur
ausgegangen werden, wenn ein Verbot auf einen für die Norm atypischen
Sachverhalt Anwendung findet und die sich hieraus ergebenden
Rechtswirkungen gegenüber dem Normalfall nicht gerechtfertigt, unbillig oder
unangemessen erscheinen (vgl. Beschl. d. Sen. v. 26.7.2011 - 12 LA 223/09 -,
juris). Dies ist hier nach Lage der Dinge nicht anzunehmen.
Im Ergebnis steht dem Antrag des Klägers auf Erteilung eines
immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids mithin sowohl § 35 Abs. 3 Satz 3
BauGB in Verbindung mit dem Flächennutzungsplan in Gestalt der 28.
Änderung als auch § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB i. V. m. der LSG-VO
entgegen.
II. Auch der Hilfsantrag des Klägers, seinen Antrag auf Erteilung eines
Vorbescheids neu zu bescheiden, hat keinen Erfolg. Es kann insoweit
dahinstehen, ob die Gründe, aus denen der Antrag des Klägers seitens des
Beklagten abgelehnt wurde, die Entscheidung trugen. Der Vorbescheid ist
jedenfalls aus anderen erkennbar durchgreifenden Gründen zu versagen. Ihm
steht - wie dargelegt - sowohl der Flächennutzungsplan in Gestalt der 28.
Änderung als auch die LSG-VO entgegen.