Urteil des OVG Niedersachsen vom 22.11.2013

OVG Lüneburg: änderung der tatsächlichen verhältnisse, nicht störender gewerbebetrieb, zahl, genehmigung, ferienhaus, grundstück, anteil, gestatten, verfügung, haushalt

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Erhöhung der Bettenzahl eines Ferienhauses als
Nutzungsänderung
1. Von einer bloßen Nutzungsintensivierung in Abgrenzung zu einer gemäß
§ 59 Abs. 1 i. V. mit § 2 Abs. 13 NBauO 2012 grundsätzlich
genehmigungspflichtigen Nutzungsänderung ist nur dann auszugehen,
wenn eine bloße Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ohne
baurechtlich relevantes Zutun des Betreibers vorliegt (im Anschluss an
BVerwG, Urt. v. 29.10.1998 4 C 9.97 , juris Rn. 14).
2. Die Erweiterung der Bettenzahl eines Ferienhauses von sechs auf zehn
stellt eine Nutzungsänderung dar, die die Genehmigungsfrage neu aufwirft.
OVG Lüneburg 1. Senat, Beschluss vom 22.11.2013, 1 LA 49/13
§ 2 BauO ND, § 4 Abs 3 Nr 2 BauNVO, § 4 Abs 3 Nr 1 BauNVO, § 69 BauO ND, § 60
BauO ND, § 68 Abs 1 BauO ND, § 59 Abs 1 BauO ND
Gründe
I.
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Erhöhung der Bettenzahl ihres
in einem allgemeinen Wohngebiet gelegenen Ferienhauses von sechs auf
zehn baugenehmigungsfrei ist; hilfsweise begehren sie die Erteilung einer
entsprechenden Baugenehmigung bzw. Neubescheidung ihres Bauantrags.
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks E. -straße 19 im Ortsteil F. der
Beigeladenen. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans
Nr. 145 der Beigeladenen. Dieser Plan setzt das Grundstück als allgemeines
Wohngebiet fest.
Das nur rund 200 m vom Seedeich entfernt liegende Grundstück ist mit einer
Doppelhaushälfte bebaut, die die Kläger als Ferienhaus vermieten. Für diese
Nutzung liegt eine Baugenehmigung des Beklagten vom 1. Oktober 2007 vor,
die eine maximale Belegung mit sechs Personen (Anzahl der Schlafplätze)
gestattet.
Unter dem 14. September 2010 beantragten die Kläger eine Erweiterung der
Bettenzahl von sechs auf zehn. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit
Bescheid vom 20. Oktober 2011 und Widerspruchsbescheid vom 13.
Dezember 2011 ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass Ferienhäuser in
einem allgemeinen Wohngebiet nur ausnahmsweise zulässig seien. Sie
dürften deshalb nur eine erkennbar untergeordnete Bedeutung haben. Das sei
angesichts der Vielzahl bereits vorhandener Ferienhäuser und -wohnungen
nicht mehr der Fall. Die beabsichtigte Erweiterung gebe überdies anderen
Nutzergruppen Raum, die in einem Wohngebiet möglicherweise zu Störungen
führen könnten.
Die im Hauptantrag auf die Feststellung der Genehmigungsfreiheit und im
Hilfsantrag auf die Erteilung einer Baugenehmigung bzw. Neubescheidung
ihres Bauantrags gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Oldenburg mit
Urteil vom 12. Februar 2013 abgewiesen. Das Vorhaben sei
genehmigungsbedürftig, weil es gegenüber der genehmigten Nutzung die
Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit neu aufwerfe. Es sei im
allgemeinen Wohngebiet nicht gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 3
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BauNVO ausnahmsweise zulässig, weil es gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO
verstoße. Dem Baugebiet drohe ein „Umkippen“, da der typische Charakter
eines allgemeinen Wohngebietes durch eine vermehrte Zulassung von
Ferienwohnungen beeinträchtigt werde. Auf vier von insgesamt 26
Baugrundstücken seien zwischenzeitlich Ferienwohnungen für insgesamt 34
Gäste genehmigt worden. Zudem gebe es zwei ungenehmigte
Feriennutzungen, was insgesamt einen erheblichen Baudruck zeige. Überdies
stünden rund 92 Dauernutzern bei Vollbelegung mittlerweile 34 Feriennutzer
gegenüber. Sowohl die Zahl der zu Ferienzwecken genutzten Gebäude als
auch die Zahl der Feriengäste stünden einer Genehmigung entgegen.
Mit seinem Zulassungsantrag verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter; der
Beklagte verteidigt demgegenüber das verwaltungsgerichtliche Urteil.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen
Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2
Nr. 3 VwGO) und der Abweichung von obergerichtlichen Entscheidungen (§
124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegen nicht vor.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen, wenn ein
einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit
schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt wird, dass sich am
Ergebnis der Entscheidung etwas ändert. Das ist den Klägern nicht gelungen.
Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zu Recht entschieden, dass sie für ihr
genehmigungspflichtiges Vorhaben keine Baugenehmigung beanspruchen
können. Ihre Einwände überzeugen den Senat nicht.
Zu Unrecht wenden sich die Kläger zunächst gegen die Abweisung des auf
die Genehmigungsfreiheit des Vorhabens bezogenen Feststellungsantrags.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt eine Änderung der
genehmigten Nutzung und nicht bloß eine Nutzungsintensivierung vor. Diese
bedarf einer neuen Baugenehmigung, weil die neue Nutzung die
Variationsbreite der erteilten Genehmigung verlässt und eine Anwendung der
Vergünstigungsvorschrift des § 69 Abs. 4 Nr. 1 NBauO 2003 (§ 60 Abs. 2 Nr. 1
NBauO 2012) ausscheidet.
Bei der Erweiterung der Bettenzahl von sechs auf zehn handelt es sich um
eine grundsätzlich genehmigungspflichtige Nutzungsänderung i. S. von § 68
Abs. 1 i. V. mit § 2 Abs. 5 NBauO 2003 (§ 59 Abs. 1 i. V. mit § 2 Abs. 13
NBauO 2012) und nicht - wie die Kläger meinen - um eine bloße Intensivierung
einer bereits genehmigten Nutzung. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgericht zu der bundesrechtlichen Vorschrift des § 29 Abs.
1 BauGB ist von einer im Ausgangspunkt nicht genehmigungsbedürftigen
Nutzungsintensivierung nur dann auszugehen, wenn eine bloße Änderung der
tatsächlichen Verhältnisse - etwa eine veränderte Nutzerstruktur - ohne
baurechtlich relevantes Zutun des Betreibers dazu führt, dass eine Anlage
nunmehr bebauungsrechtlich anders zu beurteilen ist als bisher. Ändert der
Betreiber demgegenüber objektive, vor allem in Maß und Zahl ausdrückbare
Merkmale der baulichen Anlage, ist von einer Nutzungsänderung auszugehen
(vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.1998 - 4 C 9.97 -, juris Rn. 14 = NVwZ 1999, 417 =
BRS 60 Nr. 68; Beschl. v. 11.7.2001 - 4 B 36.01 -, juris Rn. 8 = BRS 64 Nr. 73).
Ein solcher Fall liegt mit der Erhöhung der Bettenzahl als des
charakteristischen Merkmals der Nutzungsintensität eines Ferienhauses vor.
Einer Veränderung der Nutzungsart als solcher sowie einer baulichen
Erweiterung des Gebäudes bedarf es in diesem Zusammenhang nicht.
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Dass die Variationsbreite der Baugenehmigung vom 1. Oktober 2007, die die
Bettenzahl ausdrücklich auf sechs beschränkt, bei einer Erweiterung auf zehn
Betten überschritten ist, versteht sich von selbst. Zehn Betten sind
offensichtlich nicht mehr unter den Begriff der sechs Betten zu subsumieren.
Das Vorhaben ist zugleich nicht nach § 69 Abs. 4 Nr. 1 NBauO 2003
genehmigungsfrei. Nach dieser Vorschrift bedarf die Nutzungsänderung einer
bauaufsichtsbehördlichen Genehmigung auch dann, wenn das öffentliche
Baurecht an die bauliche Anlage in ihrer neuen Nutzung andere
Anforderungen stellt. Das ist nach ständiger Senatsrechtsprechung bereits
dann der Fall, wenn die Zulässigkeit des gleichen räumlich-konkreten
Vorhabens je nach Nutzungszweck bei abstrakter Betrachtungsweise
unterschiedlich beurteilt werden kann. Zu fragen ist mit anderen Worten, ob
das Vorhaben trotz der zuvor betriebenen Nutzung erneut das Bedürfnis
auslöst, seine bauplanungs- oder -ordnungsrechtliche Zulässigkeit oder
(insbesondere) seine Nachbarverträglichkeit in einem
Baugenehmigungsverfahren präventiv prüfen zu lassen oder ob es nach Lage
der Dinge eines solchen Verfahrens nicht bedarf, weil eine abweichende
Beurteilung nicht einmal in Betracht kommt (vgl. Senat, Beschl. v. 16.10.2006 -
1 ME 171/06 -, juris Rn. 19 = NVwZ-RR 2007, 306 = BRS 70 Nr. 188; Beschl.
v. 30.3.2010 - 1 ME 54/10 -, juris Rn. 10 = NVwZ-RR 2010, 634).
Diese Auslegung entspricht der Zielsetzung des
Baugenehmigungsverfahrens, die Zulässigkeit von Baumaßnahmen präventiv
zu überprüfen. Die Auffassung der Kläger, dies führe zu einer Überforderung
der Bauaufsichtsbehörden, ist demgegenüber empirisch nicht belegt; sie liegt
angesichts der jahrzehntelangen und - soweit ersichtlich - unproblematischen
Anwendung der Vorschrift in der Praxis auch fern. Die von Klägerseite
herangezogenen Beispielsfälle sind demgegenüber nicht nach § 69 Abs. 4 Nr.
1 NBauO 2003 zu beurteilen. Stellt ein Handwerksbetrieb einen einzelnen
neuen Mitarbeiter ein, wird sich dies in aller Regel innerhalb der
Variationsbreite einer bereits erteilten Baugenehmigung bewegen (vgl. Senat,
Urt. v. 14.9.1993 - 1 L 35/91 -, juris Rn. 15 = NVwZ-RR 1994, 487 = BRS 55 Nr.
145). Führen bloß faktische Entwicklungen zu einem gesteigerten
Kundenaufkommen, liegt bereits keine Nutzungsänderung vor.
Nach den vorstehenden Maßgaben scheidet eine Anwendung des § 69 Abs. 4
Nr. 1 NBauO 2003 in diesem Fall aus. Die bauplanungsrechtliche und auch die
bauordnungsrechtliche Zulässigkeit eines Ferienhauses mit zehn Betten kann
angesichts der von einem solchen Haus bei typisierter Betrachtung
ausgehenden Störungen und auch aufgrund möglicherweise veränderter
bauordnungsrechtlicher Anforderungen etwa im Hinblick auf die erforderlichen
Einstellplätze (§ 47 NBauO 2003 = § 47 NBauO 2012) unterschiedlich beurteilt
werden. Soweit die Kläger demgegenüber einwenden, das Vorhaben sei
bereits als Ferienhaus genehmigt, sodass die grundsätzliche
Gebietsverträglichkeit feststehe, ändert dies nichts daran, dass gerade die
Ausweitung der Nutzung zu bewältigungsbedürftigen Konflikten führen kann.
Zu Recht hat der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, ein
Ferienhaus mit zehn Betten ziehe neue - typischerweise feierfreudige - Nutzer
wie Jugendgruppen, aber auch Kegelclubs, Stammtischrunden u. ä., an, die
den Außenwohnbereich gerade in der Hauptsaison nicht nur ausnahmsweise,
sondern vielmehr regelmäßig zu Zeiten nutzen werden, die mit der
umliegenden „normalen“ Wohnnutzung berufstätiger Menschen schwerlich zu
vereinbaren ist. Aus diesem Grund überzeugt auch der Einwand der Kläger
nicht, ausgehend von der Argumentation des Verwaltungsgerichts müsse man
sogar ein Wohnhaus als störend ansehen. Dass die Kläger selbst eine solche
potenziell störungsintensivere Nutzung - jedenfalls im Hinblick auf
Jugendgruppen - nicht wünschen, ist baurechtlich ohne Belang.
Ebenfalls zu Unrecht meinen die Kläger weiterhin, ihr Vorhaben sei
genehmigungsfähig, sodass es mindestens einer Neubescheidung ihres
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Bauantrags bedürfe.
Vorausschickend merkt der Senat an, dass das Vorhaben der Kläger - ein
fremdvermietetes Ferienhaus mit zehn Betten - mangels Teilbarkeit insgesamt
und nicht etwa - wie die Kläger offenbar annehmen - nur im Umfang der vier
hinzutretenden Betten zur baurechtlichen Prüfung ansteht (vgl. BVerwG, Urt. v.
15.11.1974 - IV C 32.71 -, juris Rn. 12 = BVerwGE 47, 185 = BRS 28 Nr. 34;
Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10.09 -, juris Rn. 13 = BVerwGE 138, 166 = BRS 76
Nr. 76). Die Genehmigungsfähigkeit eines solchen Vorhabens in
Wohngebieten gemäß §§ 3, 4 BauNVO wird entgegen der übereinstimmenden
Auffassung der Beteiligten in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bislang
einhellig verneint.
Bei der Nutzung als fremdvermietetes Ferienhaus handelt sich - wie auch die
Kläger einräumen - nicht um „Wohnen“ i. S. der vorgenannten Vorschriften (vgl.
BVerwG, Beschl. v. 13.9.1988 - 4 B 155.88 -, juris Rn. 2 = NVwZ-RR 1989,
173= BRS 48 Nr. 78; Urt. v. 11.7.2013 - 4 CN 7.12 -, juris Rn. 11; Senat,
Beschl. v. 18.7.2008 - 1 LA 203/07 -, juris Rn. 12 = NdsVBl 2009, 174 = BRS
73 Nr. 168). Auch die von dem Verwaltungsgericht erwogene Einordnung als
sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO
scheidet aus. Fremdvermietete Ferienhäuser sind Gegenstand der speziellen
Regelung in § 10 Abs. 4 BauNVO, sodass sie in der Regel nicht in den
Anwendungsbereich des allgemein die Zulässigkeit gewerblicher Nutzungen
regelnden § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO fallen (vgl. Senat, Urt. v. 24.7.2013 - 1 LB
245/10 -, juris Rn. 21 m. w. N. auch zur Rspr. des BVerwG). Atypische
Umstände, die eine andere Entscheidung ermöglichen könnten, sind nicht
ersichtlich.
Schließlich stellt die Vermietung von Ferienhäusern ebenso wie die von
Ferienwohnungen jedenfalls nach der Rechtsprechung keinen
Beherbergungsbetrieb i. S. v. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO dar (vgl. BVerwG,
Beschl. v. 8.5.1989 - 4 B 78.89 -, juris Rn. 3 = NVwZ 1989, 1060 = BRS 49 Nr.
66; OVG NRW, Urt. v. 17.1.1996 - 7 A 166/96 -, juris Ls. 2; offen gelassen von
Senat, Urt. v. 24.7.2013, a. a. O.; a. A. etwa Stock, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 4 BauNVO Rn. 114
Bearbeitung: Januar 2010>; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 3 Rn.
19). Kennzeichnend für einen Beherbergungsbetrieb ist nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass Räume ständig
wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt
werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig
gestalten können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.5.1989, a. a. O.). Diese
Voraussetzungen liegen bei Ferienwohnungen und -häusern, die nach ihrer
Ausstattung auf eine ausnahmslose Selbstversorgung der Feriengäste
ausgerichtet sind, nicht vor.
Selbst wenn man indes von einer Genehmigungsmöglichkeit gemäß § 31 Abs.
1 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 3 BauNVO ausgehen wollte, wäre das Vorhaben
nicht genehmigungsfähig. Ungeachtet der von dem Verwaltungsgericht nicht
behandelten Frage, ob das Vorhaben der Kläger nicht bereits bei typisierender
Betrachtung an dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der
Gebietsverträglichkeit scheitert (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.3.2002 - 4 C 1.02 -,
juris Rn. 11 ff. = BVerwGE 116, 155 = BRS 65 Nr. 63; Urt. v. 18.11.2010, a. a.
O., Rn. 19), steht ihm - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat
- jedenfalls § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO entgegen. Das Vorhaben widerspricht
bei einzelfallbezogener Betrachtung der Eigenart des Baugebiets. Die
dagegen erhobenen Einwände gestatten keine andere Betrachtung.
Im Ausgangspunkt unbestritten ist die - zutreffende - Annahme des
Verwaltungsgerichts, ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO liege vor,
wenn ein Gebiet in einen anderen Gebietstyp umzukippen bzw. seine typische
Eigenart zu verlieren droht (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.5.1988 - 4 C 34.86 -, juris Rn.
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19 = BVerwGE 79, 309 = BRS 48 Nr. 37). Dass dies hier der Fall ist, hat das
Verwaltungsgericht einerseits mit dem Verhältnis der Zahl der (potenziellen)
Feriengäste zur Zahl der Dauernutzer (UA S. 10-12) und andererseits mit dem
Verhältnis der Anzahl zu Ferienzwecken genutzter Grundstücke zur Anzahl
der allein Wohnzwecken dienenden Grundstücke begründet (UA S. 12).
Beides ist nicht zu beanstanden.
Frei von Rechtsfehlern ist zunächst die Einschätzung des
Verwaltungsgerichts, die Eigenart des Gebiets bestimme sich auch nach der
Zahl der Nutzer, mithin nach der Intensität der jeweiligen Nutzung. Ein
Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets kann sich gleichermaßen aus einem
übermäßig großen Anteil einer Nutzungsart an der Grundfläche des
Baugebiets, aber auch aus anderen Umständen, z.B. auch aus einem
Missverhältnis der Geschoßflächen oder der Zahl der eigenständigen
gewerblichen Betriebe im Verhältnis zu den vorhandenen Wohngebäuden,
oder auch erst aus mehreren solcher Merkmale zusammengenommen
ergeben. Erforderlich ist stets eine Bewertung aller für eine quantitative
Beurteilung in Frage kommenden tatsächlichen Umstände im einzelnen Fall
(vgl. BVerwG, Urt. v. 4.5.1988, a. a. O., bezogen auf ein Mischgebiet gemäß §
6 BauNVO). In diesem Sinne bauplanungsrechtlich relevant ist auch die
Bettenzahl (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 27.11.1987 - 4 B 230/87 u.a. -, juris
Rn. 3 = BauR 1988, 184 = BRS 47 Nr. 36).
Zu Unrecht bemängeln die Kläger, dass das Verwaltungsgericht die Zahl der
durchschnittlichen Dauernutzer pro Haushalt mit der Bettenzahl - mithin also
der maximalen Zahl der Feriengäste - verglichen hat und nicht von einer
durchschnittlichen Belegung mit Feriengästen ausgegangen ist. Der Senat
verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs. 2
Satz 3 VwGO auf die entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts
(UA S. 11-12) und macht sich diese zu eigen. Nur ergänzend ist anzumerken,
dass bauplanungsrechtlich diejenige Nutzung zu beurteilen ist, die genehmigt
ist bzw. zur Genehmigung ansteht. Die Hoffnung, eine Genehmigung werde
nicht ausgeschöpft, es werde also mit anderen Worten schon nicht so schlimm
kommen, ist ohne Bedeutung.
Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Kläger, die Grenze, ab der ein Baugebiet
(auch) von Ferienhäusern geprägt werde, liege jedenfalls nicht bei 25 Prozent,
sondern erst bei einem Anteil von 33 Prozent der Feriengäste an der
Gesamtbewohnerzahl. Abgesehen davon, dass eine derart schematische
Betrachtung den Maßgaben des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht gerecht
werden dürfte, wäre auch dieser Wert nach den Berechnungen des
Verwaltungsgerichts bei einer Genehmigung des Vorhabens der Kläger
(nahezu) erreicht. Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der
gebotenen Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls ergänzend auf die bei
dem Beklagten eingegangenen Nachbarbeschwerden abgestellt hat. Auch
dagegen ist nichts zu erinnern. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die
Beschwerden in allen ihren Einzelheiten zutreffen. Selbst wenn das nicht der
Fall sein sollte, sind sie Ausdruck des in einem allgemeinen Wohngebiet
unerwünschten städtebaulichen Konflikts zwischen der „normalen“
Wohnnutzung und der typischerweise andersartigen Nutzung durch
Feriengäste. Ob die Maßgaben der TA Lärm eingehalten werden, ist in diesem
Zusammenhang, nämlich bezogen auf das nach den Ausführungen des
Verwaltungsgerichts drohende Umkippen des Baugebiets, irrelevant.
Soweit die Kläger - bezogen auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts
zum Verhältnis der Anzahl zu Ferienzwecken genutzter Grundstücke zur
Anzahl der allein Wohnzwecken dienenden Grundstücke - ausführen, die
Relation ändere sich durch die bloße Erweiterung der Bettenzahl gerade nicht,
übersehen sie, dass Gegenstand der Beurteilung - wie eingangs erläutert -
nicht bloß die Erweiterung als solche, sondern das Gesamtvorhaben eines
Ferienhauses mit zehn Betten darstellt. Eben davon ist das Verwaltungsgericht
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zutreffend ausgegangen.
Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§
124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine
Rechtssache, wenn sie eine grundsätzliche, fallübergreifende Rechts- oder
Tatsachenfrage aufwirft, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Das
ist nur dann zu bejahen, wenn die Klärung der Frage durch die im erstrebten
Berufungsverfahren zu erwartende Entscheidung zur Erhaltung der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Fortentwicklung
des Rechts geboten erscheint. Eine solche Frage haben die Kläger nicht
bezeichnet.
Soweit die Kläger die Frage aufwerfen, ob eine Nutzungsintensivierung auch
dann als Nutzungsänderung anzusehen ist, wenn die Art der Nutzung als
solche gleich bleibt, ist diese Frage - bezogen auf § 29 Abs. 1 BauGB - in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend geklärt, dass
eine bloße Nutzungsintensivierung bei einer Änderung objektiver, vor allem in
Maß und Zahl ausdrückbarer Merkmale baulicher Anlagen nicht vorliegt (vgl.
BVerwG, Urt. v. 29.10.1998, a. a. O.). Dass dies nach dem für die Frage der
Genehmigungspflichtigkeit eines Vorhabens maßgeblichen Landesrecht
anders zu beurteilen sein könnte, legen die Kläger mit ihrem
Zulassungsvorbringen nicht dar.
Keiner weiteren Klärung bedarf auch die Frage, ob die intensivierte Nutzung
eines Vorhabens bereits dann anderen rechtlichen Anforderungen i. S. von §
69 Abs. 4 Nr. 1 NBauO 2003 unterliegt, wenn aufgrund der Intensivierung
weitergehende Störungen der Umgebung möglich erscheinen. Diese Frage ist
nach der bereits eingangs zitierten ständigen Rechtsprechung des Senats
zweifelsfrei zu bejahen (vgl. Senat, Beschl. v. 16.10.2006, a. a. O; Beschl. v.
30.3.2010, a. a. O.).
Nicht weiter klärungsbedürftig ist schließlich die Frage, ob die Prägung eines
allgemeinen Wohngebiets durch Ferienhäuser von der Anzahl der baulichen
Anlagen oder von einem Vergleich der Nutzerzahlen abhängt. Diese Frage
würde sich in einem Berufungsverfahren schon nicht stellen, weil die Nutzung
der Kläger nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auch dann gegen
§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO verstoßen würde, wenn man allein auf die Anzahl
der Anlagen abstellte. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
ist überdies geklärt, dass es auf eine Bewertung aller für eine quantitative
Beurteilung in Frage kommenden tatsächlichen Umstände im einzelnen Fall
ankommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.5.1988, a. a. O.). Das schließt die Bettenzahl
von Ferienhäusern und -wohnungen ein.
Keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich ist die Frage, ob die Obergrenze
für Ferienhäuser in einem allgemeinen Wohngebiet bei 25 Prozent oder bei 33
Prozent liegt. Wann die ausnahmsweise Zulassung von Nutzungen die
Eigenart eines Gebietes gefährdet, lässt sich nicht mathematisch bestimmen,
sondern hängt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO von allen Umständen des
Einzelfalls ab.
Die Berufung ist schließlich nicht wegen Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4
VwGO zuzulassen. Divergenz liegt - ausgehend vom Zulassungsvorbringen -
vor, wenn das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung einen
entscheidungserheblichen abstrakten Grundsatz tatsächlicher oder rechtlicher
Art aufgestellt hätte, der mit einem ebensolchen Grundsatz in einer
Entscheidung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bezeichneten Gerichte nicht
übereinstimmt. Einen solchen Grundsatz haben die Kläger nicht benannt.
Soweit die Kläger sinngemäß meinen, das Verwaltungsgericht habe entgegen
dem Senatsurteil vom 14. September 1993 (- 1 L 35/91 -, a. a. O.)
unberücksichtigt gelassen, dass nicht jede Nutzungsintensivierung die
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Genehmigungsfrage neu aufwerfe, sondern nur eine erhebliche Vergrößerung
der Nutzung, die dazu führe, dass eine neue Größenordnung erreicht werde,
mithin also Quantität in Qualität umschlage, trifft das offensichtlich nicht zu. Das
Verwaltungsgericht hat seinen diesbezüglichen Erwägungen ausdrücklich
vorangestellt, dass eine Nutzungsintensivierung eine Nutzungsänderung
darstellen könne und nicht etwa müsse. Davon ausgehend hat es weiter
ausgeführt, die hier vorliegende Aufstockung der Anzahl möglicher
Feriengäste sei planungsrechtlich relevant. Soweit der Senat demzufolge
tatsächlich den von den Klägern als solchen bezeichneten, der zitierten
Entscheidung aber kaum zu entnehmenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt
haben sollte, bewegte sich das Verwaltungsgericht in diesem Rahmen. Erst
recht hat es selbst keinen abweichenden abstrakten Grundsatz aufgestellt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht auch nicht von dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 1999 (- 4 C 6.98 -, juris =
BVerwGE 109, 314 = BRS 62 Nr. 86) ab. Der von den Klägern bezeichnete
Rechtssatz, die Problematik von Lärm aus einem Bauvorhaben werde durch
die TA Lärm abschließend abgearbeitet, sodass weitergehende
Anforderungen wie hier die Begrenzung der Nutzung nicht zulässig seien, ist
der vorgenannten Entscheidung schon nicht zu entnehmen. Sie bezieht sich
nicht auf die TA Lärm, sondern auf die 18. BImSchV
(Sportanlagenlärmschutzverordnung). Hinzu kommt, dass die Entscheidung
eine gänzlich andere Fragestellung betrifft, nämlich die Frage, ob ein
planungsrechtlich grundsätzlich zulässiges Vorhaben im Einzelfall daran
scheitert, dass es unzumutbaren Immissionen ausgesetzt ist. Im vorliegenden
Fall steht demgegenüber die planungsrechtliche Zulässigkeit als solche,
genauer die Gebietsverträglichkeit des Vorhabens gerade in Frage.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil
rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).