Urteil des OVG Niedersachsen vom 15.05.2013

OVG Lüneburg: zuwendung, klagerücknahme, vertretener, rückforderung, beteiligter, einfluss, bindungswirkung, genehmigung, datenschutz, abhängigkeit

1
2
3
4
5
6
Zur Festsetzung eines nach Verfahrensabschnitten
gestaffelten Streitwertes
Soweit die gerichtliche Streitwertfestsetzung nach §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 32 Abs.
1 RVG auch für die Bemessung der wertabhängigen Rechtsanwaltsgebühren
bindend ist und eine abweichende Gegenstandswertfestsetzung mangels
Vorliegens der Voraussetzungen des § 33 RVG nicht in Betracht kommt, kann
ein berechtigtes Interesse anwaltlich vertretener Beteiligter bestehen, den
Streitwert nach Verfahrensabschnitten gestaffelt festzusetzen.
OVG Lüneburg 8. Senat, Beschluss vom 15.05.2013, 8 OA 74/13
§ 40 GKG, § 52 Abs 1 GKG, § 52 Abs 3 GKG, § 68 GKG
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Beschwerde eine Herabsetzung des vom
Verwaltungsgericht für das erstinstanzliche Klageverfahren festgesetzten
Streitwertes.
Mit ihrer am 21. September 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die
vollständige Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 24. August 2011
begehrt. Mit diesem Bescheid hatte die Beklagte ihren vorausgegangenen
Bescheid vom 17. Dezember 2007 über die Gewährung einer Zuwendung in
Höhe von bis zu 305.800 EUR widerrufen und die bereits ausgezahlte
Zuwendung in Höhe von 24.861,09 EUR nebst Zinsen zurückgefordert. Mit
Schriftsatz vom 23. November 2011, eingegangen beim Verwaltungsgericht am
selben Tage, hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie den Bescheid vom 24. August
2011 nur noch hinsichtlich der Rückforderung in Höhe von 24.861,09 EUR
anfechte. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am
6. März 2013 hat die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 24. August 2011
aufzuheben, soweit darin der Widerruf des Zuwendungsbescheides vom
17. Dezember 2007 hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 24.861,09 EUR
und die Rückforderung dieses Betrages verfügt worden ist.
Mit Urteil vom 6. März 2013 hat das Verwaltungsgericht das Klageverfahren
eingestellt, soweit die Klägerin ihre Klage zurückgenommen hat. Im Übrigen hat
das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des
Verfahrens auferlegt. Mit Beschluss vom 6. März 2013 hat das
Verwaltungsgericht den Streitwert des Klageverfahrens auf 305.800 EUR
festgesetzt.
Mit ihrer Beschwerde vom 18. April 2013 begehrt die Klägerin die Herabsetzung
des Streitwertes für das erstinstanzliche Klageverfahren auf einen Betrag in
Höhe von 24.861,09 EUR.
II.
Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang begründet.
Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der
Verwaltungsgerichtsbarkeit der Streitwert nach Ermessen anhand der sich aus
dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden, aber objektiv zu beurteilenden
Bedeutung der Sache zu bestimmen (vgl. Senatsbeschl. v. 10.3.2010 -
7
8
9
10
Bedeutung der Sache zu bestimmen (vgl. Senatsbeschl. v. 10.3.2010 -
8 OA 25/10 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 22.6.2009 - 3 K 8/09 -
, juris Rn. 7; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., GKG, § 52 Rn. 8 m.w.N.).
Betrifft der Antrag der Klägerin eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf
gerichteten Verwaltungsakt, ist nach § 52 Abs. 3 GKG deren bzw. dessen Höhe
maßgebend. Abzustellen ist dabei stets auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der
den Rechtszug einleitenden Antragstellung; streitwerterhöhende oder -
mindernde Umstände des unveränderten Streitgegenstandes bleiben
unberücksichtigt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.5.2011 - 9 S
1167/11 -, NVwZ-RR 2011, 918; Senatsbeschl. v. 8.3.2006 - 8 LA 2/06 -, juris
Rn. 16; Binz/Dorndörfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 2. Aufl., § 40 Rn. 1).
Soweit nach diesem Streitwert im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren
wertabhängige Gerichtsgebühren bemessen werden, besteht regelmäßig keine
Notwendigkeit, etwaige Reduzierungen des Streitwertes in verschiedenen
Verfahrensabschnitten durch die gerichtliche Wertfestsetzung nachzuvollziehen.
Denn die Entstehung der wertabhängigen Gerichtsgebühren orientiert sich nicht
an Verfahrenshandlungen des Gerichts oder Verfahrensabschnitten. Die
wertabhängigen Gerichtsgebühren im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren
sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG vielmehr in vollem Umfang schon mit
Einreichung der Klageschrift entstanden und fällig, mithin allein nach dem für
diesen Zeitpunkt festgesetzten Streitwert zu bemessen. Eine nur teilweise
Klagerücknahme oder teilweise Erledigung des Verfahrens wirkt sich insoweit,
dies zeigen auch die Regelungen in Nrn. 5111, 5113, 5115 KV GKG
("Beendigung des gesamten Verfahrens", vgl. Hartmann, a.a.O., KV GKG
Nr. 5111 Rn. 1, Nr. 1211 Rn. 3 m.w.N.), auf die Höhe der wertabhängigen
Gerichtsgebühren nicht aus.
Soweit darüber hinaus die gerichtliche Streitwertfestsetzung nach §§ 23 Abs. 1
Satz 1, 32 Abs. 1 RVG auch für die Bemessung der wertabhängigen
Rechtsanwaltsgebühren bindend ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.8.2005 -
1 BvR 46/05 -, NJW 2005, 2980) und eine abweichende
Gegenstandswertfestsetzung mangels Vorliegens der Voraussetzungen des
§ 33 RVG nicht in Betracht kommt, kann hingegen ein berechtigtes Interesse
anwaltlich vertretener Beteiligter bestehen, den Streitwert nach
Verfahrensabschnitten gestaffelt festzusetzen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen,
Beschl. v. 13.6.2012 - 12 E 486/12 -, juris Rn. 9; Bayerisches LSG, Beschl.
v. 14.9.2011 - L 2 U 298/11 B -, juris Rn. 9 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl.
v. 20.5.2008 - L 16 B 87/07 KR -, juris Rn. 14 f.; Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl.,
§ 32 Rn. 63). Denn die wertabhängigen Rechtsanwaltsgebühren entstehen im
verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren nicht schon mit der Klageeinreichung
in vollem Umfang. Vielmehr können neben der allgemeinen Verfahrensgebühr
weitere Gebühren in Abhängigkeit von weiteren Verfahrenshandlungen und -
abschnitten zu späteren Zeitpunkten entstehen und fällig werden (vgl. etwa die
Terminsgebühr nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3, Nr. 3104 f. VV RVG oder
die Einigungsgebühr nach Teil 1 Vorbemerkung 1 Nr. 1000, 1003 f. VV RVG). In
Anbetracht der Bindungswirkung nach §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 32 Abs. 1 RVG ist
es daher geboten, streitwertrelevante Änderungen des Streitgegenstandes, die
Einfluss auf die Höhe solcher erst während des laufenden gerichtlichen
Verfahrens entstehenden wertabhängigen Rechtsanwaltsgebühren haben,
schon bei der gerichtlichen Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG
zu berücksichtigen und nach Verfahrensabschnitten gestaffelte Streitwerte
festzusetzen.
In Anwendung dieser Grundsätze ist der Streitwert vom Verwaltungsgericht für
den mit der Klageerhebung beginnenden Verfahrensabschnitt zunächst
zutreffend auf 305.800 EUR festgesetzt worden und die Beschwerde der
Klägerin insoweit unbegründet.
Ausweislich der Klageschrift vom 21. September 2011 hatte die Klägerin
beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2011 aufzuheben. Mit
diesem Bescheid hatte die Beklagte ihren vorausgegangenen Bescheid vom
11
17. Dezember 2007, mit dem der Klägerin eine Zuwendung bis zur Höhe von
305.800 EUR gewährt worden war, vollständig widerrufen und die bereits in
Höhe von 24.861,09 EUR ausgezahlte Zuwendung zurückgefordert. Der
hiergegen von der Klägerin mit der Beschwerde erhobene Einwand, sie habe im
Schriftsatz vom 23. November 2011 klargestellt, den Widerrufs- und
Rückforderungsbescheid vom 24. August 2011 nur in Höhe eines Teilbetrages
von 24.861,09 EUR angefochten zu haben, rechtfertigt eine Herabsetzung des
festgesetzten Streitwertes bereits auf den Zeitpunkt der Klageerhebung nicht.
Denn entgegen der Behauptung der Klägerin hat diese mit dem Schriftsatz vom
23. November 2011 nicht lediglich ihr aus der Klage vom 21. September 2011
erkennbares Begehren klargestellt. Vielmehr hat sie, hierauf hat das
Verwaltungsgericht im Urteil vom 6. März 2013 zutreffend hingewiesen, ihre
Klage gegen den Widerrufsbescheid hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von
280.938,91 EUR erst mit Wirkung zum 23. November 2011 zurückgenommen.
Für den nachfolgenden Verfahrensabschnitt ab dem 24. November 2011 ist der
Streitwert in Anwendung der dargestellten Grundsätze hingegen auf einen
Betrag in Höhe von 24.861,09 EUR zu reduzieren. Die Klägerin hat ein
berechtigtes Interesse daran, die durch die teilweise Klagerücknahme bewirkte
Änderung des Streitgegenstandes schon bei der gerichtlichen
Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG zu berücksichtigen. Denn
die gerichtliche Streitwertfestsetzung ist nach §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 32 Abs. 1
RVG auch für die Bemessung der wertabhängigen Rechtsanwaltsgebühren
bindend. Eine abweichende Gegenstandswertfestsetzung ist mangels
Vorliegens der Voraussetzungen des § 33 RVG nicht möglich und jedenfalls die
wertabhängige Terminsgebühr nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3, Nr. 3104 VV
RVG ist erst nach der teilweisen Klagerücknahme entstanden.