Urteil des HessVGH vom 09.03.1988

VGH Kassel: mitwirkungsrecht, naturschutz, öffentliches recht, angemessene frist, materielles recht, nichtigkeit, rechtsverordnung, rechtlich geschütztes interesse, allgemeines verwaltungsrecht

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 N 3703/87, 3 N
3735/87
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 47 Abs 2 VwGO, § 20g
Abs 6 BNatSchG, § 29 Abs
1 BNatSchG, § 34 Abs 2
NatSchG HE, § 1 Abs 2
VwVfG HE
Nichtigkeit der Verordnung über die Bestandsregulierung
von Rabenvögeln wegen Verletzung der Mitwirkungsrechte
anerkannter Naturschutzverbände
Gründe
I.
Die Antragsteller sind nach § 29 BNatSchG anerkannte Naturschutzverbände. Sie
wenden sich gegen die von der Hessischen Landesregierung am 28.07.1987
gemäß § 20 g Abs. 6 Satz 1 und 2 BNatSchG erlassene und am 25.08.1987
verkündete Verordnung (VO) über die Bestandsregulierung von Rabenvögeln
(GVBl. I S. 156). Gemäß § 1 VO dürfen Jagdschutzberechtigte und mit deren
Erlaubnis Jagdgäste abweichend von § 20 f Abs. 1 Nr. 1
BNatSchG Vögel der Arten Rabenkrähe, Eichelhäher und Elster außerhalb
befriedeter Bezirke und außerhalb der Brutzeit vom 1. April bis zum 15. Juli töten,
sofern die obere Jagdbehörde feststellt, daß der Schutz der heimischen Tierwelt
oder die Abwendung erheblicher landwirtschaftlicher Schäden dies erfordert. Die
Verordnung tritt am 31.03.1988 außer Kraft. Ihre Geltungsdauer kann von dem für
das Jagdwesen zuständigen Minister jeweils um ein Jahr verlängert werden.
Mit Schreiben vom 13.07.1987 unterrichtete der Hess. Minister für Landwirtschaft,
Forsten und Naturschutz die Mitglieder des gemäß § 34 HeNatG bei der oberen
Naturschutzbehörde gebildeten Landesnaturschutzbeirats über den
Verordnungsentwurf. Zusätzlich wurde darauf hingewiesen, sollte eine
Stellungnahme zu dem Verordnungsentwurf beabsichtigt sein, werde diese
umgehend erbeten, da eine unverzügliche Veröffentlichung der Verordnung
vorgesehen sei. Gemäß Formularschreiben vom 20.07.1987 erfolgte die
Übersendung von drei Ausfertigungen der Verordnung an den Hess.
Ministerpräsidenten - Staatskanzlei - mit der Bitte, die Verkündung im Gesetz- und
Verordnungsblatt zu veranlassen. Am 21.07.1987 ging im Hess. Ministerium für
Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz ein am 16.07.1987 datiertes Schreiben
von Herrn Willy Hauer ein, der Vorsitzender der Antragstellerin zu 1 und
Vorsitzender des Landesnaturschutzbeirats ist.
Er teilte u.a. mit, er lasse zur Zeit prüfen, inwieweit hinsichtlich der Nichtanhörung
der nach § 29 BNatSchG anerkannten Naturschutzverbände ein Abweichen vom
geltenden Recht vorliege. Weiter heißt es in diesem Schreiben: "Ungefragt möchte
ich Ihnen im Namen der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz
mitteilen, daß wir die Wiedereinführung einer Jagdzeit für die drei Rabenvogelarten
kategorisch ablehnen. Zur Begründung verweise ich wiederum auf die
Stellungnahmen der Vogelschutzwarte und des Deutschen Bundes für
Vogelschutz."
Das dem Antragsteller zu 2 zugehörige Mitglied des Landesnaturschutzbeirats
sprach sich mit am 23.07.1987 im Ministerium eingegangenem Schreiben vom
22.07.1987 inhaltlich gegen den Verordnungsentwurf aus, rügte zugleich eine nicht
rechtzeitige Unterrichtung des Beirats und ebenso wie der 1. Vorsitzende des
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rechtzeitige Unterrichtung des Beirats und ebenso wie der 1. Vorsitzende des
Antragstellers zu 2 mit Schreiben vom 22.07.1987, eingegangen am 27.07.1987,
die fehlende Verbandsbeteiligung. Zuvor hatten sich ein Arbeitskreis bzw. ein
Kreisverband der Antragsteller aus Kassel mit einer am 29.06.1987 im Ministerium
eingegangenen Stellungnahme gegen eine Bejagung von Rabenvögeln
ausgesprochen.
Mit Schreiben vom 21.08.1987 forderten sieben der in Hessen anerkannten
Naturschutzverbände, darunter die Antragsteller, unter Berufung auf ein
Anhörungsrecht einen Verordnungsentwurf zur Stellungnahme an. Mit
ministeriellem Schreiben vom 15.09.1987 erhielten sie die Mitteilung, die
Verordnung sei am 26.08.1987 in Kraft getreten, sowie eine nähere Erläuterung
der Entscheidung. Es heißt dort, das Verfahren nach § 34 Abs. 2 HeNatG werde als
gewahrt betrachtet. Andererseits habe eine Stellungnahme des Antragstellers zu
2 bereits im April 1987 vorgelegen, und habe somit frühzeitig in die Überlegungen
und Erörterungen einbezogen werden können. Darüber hinaus übersandte die
Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in Kassel u.a. den Antragstellern eine
Informationsschrift mit dem Titel "Zur Bejagung häufiger Rabenvogelarten aus
ökologischer und naturschutzfachlicher Sicht".
Mit ihren am 30.11.1987 bzw. am 03.12.1987 gestellten Normenkontrollanträgen
machen die Antragsteller geltend, ihr Anhörungsrecht nach § 29 Abs. 1 Nr. 1
BNatSchG sei verletzt worden. Die zu spät erfolgte fachliche Information ändere
nichts daran, daß die genannten Rechtfertigungsgründe zur Bestandsregulierung
der drei Rabenvogelarten sachlich in wesentlichen Teilen nicht haltbar seien.
Rabenkrähe, Elster und Eichelhäher begrenzten ihre Populationsdichte auf
natürliche Weise. Die drei Rabenvögel bedrohten auch keine einzige Vogelart in
ihrem Bestand. Sie richteten auch keine nennenswerten Schäden in der
Landwirtschaft an. Solche Schäden seien nur für die seit langem unter Naturschutz
stehende Saatkrähe in der Umgebung ihrer Brutkolonien belegt.
Rechtlich stelle die Verletzung des Mitwirkungsrechts als eines subjektiv-
öffentlichen Rechts einen nach § 47 VwGO beachtlichen Nachteil dar. Das anstelle
der Verbandsklage bundesrechtlich eingeräumte Mitwirkungsrecht gewähre eine
selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition, die nicht nur der
Ordnung des Verfahrensablaufs, sondern einer qualifizierten, sachkundigen
Mitwirkung der einem strengen Anerkennungsverfahren unterzogenen
Naturschutzverbände diene. Die Mitwirkung solle die inhaltliche Richtigkeit der
behördlichen Entscheidung fördern.
Der Verstoß gegen § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG führe als wesentlicher
Verfahrensmangel zur Nichtigkeit der angegriffenen Norm. Die generelle Jagdzeit
von 8 1/2 Monaten für die drei Rabenvogelarten verstoße materiell-rechtlich gegen
Art. 9 der EG-Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten
(79/409/EWG) vom 02.04.1979 (Amtsblatt L 103 S. 1). Den betroffenen
Rabenvögeln werde nicht der erforderliche Mindestschutz für eine ausreichende
Nist-, Brut- und Aufzuchtszeit nach Art. 7 der EG-Richtlinie gewährt. Die
Ausnahmen vom allgemeinen Tötungsverbot seien nicht auf das strikt Notwendige
begrenzt und nicht mit ausreichenden Kontrollen versehen. Im übrigen liege ein
Verstoß gegen § 20 g Abs. 6 BNatSchG vor. Soweit die Landesregierung nach
dieser Vorschrift die Kompetenz zum Erlaß einer Rechtsverordnung, wie hier, nicht
auf oberste Landesbehörden übertragen habe, hätte sie selbst prüfen müssen, ob
die Voraussetzungen für Ausnahmevorschriften gegeben seien. Dies sei nicht
geschehen. § 1 VO stelle keine Ausnahmevorschrift dar, sondern eine reine
Kompetenznorm. Die Delegation der Feststellung der Eingriffsvoraussetzungen an
die obere Jagdbehörde bedeute eine unzulässige Ausschaltung der Beteiligung der
anerkannten Naturschutzverbände. Unter Verletzung des Formzwangs der
Rechtsverordnung seien nachgeordnete Verwaltungsbehörden zum Erlaß
allgemeiner Ausnahmevorschriften ermächtigt worden. Seitens der
Landesregierung sei es zu einer "Flucht aus Kompetenz und Form" gekommen.
Die Antragsteller beantragen,
festzustellen, daß die Verordnung der Hessischen Landesregierung über die
Bestandsregulierung von Rabenvögeln vom 28. Juli 1987 (GVBl. I S. 156) nichtig ist.
Der Antragsgegner beantragt,
die Normenkontrollanträge abzulehnen.
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Seiner Ansicht nach sind die Antragsteller nicht antragsbefugt. Eine Verletzung
des Mitwirkungsrechts nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG liege nicht vor. Die
Landesregierung sei keine für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige
Behörde, noch überhaupt eine Behörde, sondern Verfassungsorgan. Der Wortlaut
des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sei nicht zufällig gewählt worden. Vielmehr sei
absichtlich auf den Kompetenzbereich der Naturschutzbehörden und nicht auf die
Reichweite des Naturschutzrechts wie beispielsweise in § 31 BNatSchG Bezug
genommen worden. Der Wortlaut des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG könne auch
nicht dahingehend verstanden werden, daß jede mit Naturschutz und
Landschaftspflege befaßte Behörde einbezogen sein solle. Der
Bundesgesetzgeber trenne sehr deutlich zwischen Naturschutzbehörden und
anderen Behörden, wie sich aus § 3 LBNatSchG ergebe. Auch der Sinn und
Zweck der Vorschrift lasse keine andere Auslegung zu. Als Ausnahmevorschrift sei
§ 29BNatSchG eng auszulegen. Die Naturschutzverbände hätten nicht an allen
Rechtssetzungsakten unter der Gesetzesebene mitwirkensollen.Hilfsweise wird
vorgetragen, selbst wenn den Antragstellern bei der streitbefangenen Verordnung
Gelegenheit zur Stellungnahme hätte gegeben werden müssen, führe ein
Verfahrensverstoß hier nicht zur Nichtigkeit der Norm. § 29 BNatSchG räume den
Verbänden jedenfalls nur ein eingeschränktes Recht zur Mitwirkung ein, das nicht
dem Schutz subjektiver Rechtspositionen der anerkannten Naturschutzverbände,
sondern allein der Artikulation und Repräsentation öffentlicher
Naturschutzinteressendiene.Höchsthilfsweise und vorsorglich weist der
Antragsgegner darauf hin, die Auffassung von Ossenbühl (NJW 1986, 2805,2812)
zu einer Fehlerquellenlehre für untergesetzliche Normen werde nicht geteilt.
Insbesondere könne nicht nachvollzogen werden, welche Verfahrensregeln nicht
abstrakt geeignet sein sollen, die materielle Richtigkeit des
Entscheidungsergebnisses zu fördern, sehe man einmal von
Verkündungsvorschriften ab, deren Verletzung ohnehin die Nichtigkeit einer Norm
nach sich zögen. Suche man zutreffenderweise in Fällen wie dem vorliegenden
eine Lösung in Analogie zum Verwaltungsverfahrensrecht, ergebe sich, daß die
Norm nicht nichtig sei. Wäre es bei einem vergleichbaren Verwaltungsakt
unterlassen worden, den anerkannten Verbänden Gelegenheit zur Stellungnahme
zugeben, beispielsweise im Falle des § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG, hätte dies
jedenfalls nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts in entsprechender Anwendung
des § 44 Abs. 3 Nr. 3 und 4HessVwVfG geführt.
Insgesamt sei nicht unbeachtlich, daß die Auffassung und Interessenlage der
Antragsteller bis ins einzelne bekannt und inhaltlich in die Überlegungen in jeder
Beziehung eingestellt worden seien. Eine förmliche Beteiligung hätte zu keinem
anderen Ergebnis geführt. Im übrigen sei der Naturschutzbeirat der obersten
Naturschutzbehörde beteiligt worden, dessen Vorsitzender gleichzeitig 1.
Vorsitzender der Antragstellerin zu 1 sei. Insoweit bedürfe es schon einer sehr
formalen Betrachtungsweise, um einen inhaltlichen Informationsmangel zu
unterstellen.
Dem Senat liegen zwei Hefter des Antragsgegners mit Aufstellungsunterlagen
über die streitbefangene Verordnung vor, ebenso drei geheftete Vorgänge der
Antragsteller mit 26 Anlagen sowie die Broschüre von Bauer/Thielke "Gefährdete
Brutvogelarten in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin".
Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der Beratung gewesen. Auf ihren Inhalt
wird ebenso wie auf den übrigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
II.
Die den gleichen Gegenstand betreffenden Parallelverfahren werden gemäß § 93
Satz 1 VwGO im Einverständnis mit den Beteiligten zur gemeinsamen
Entscheidung verbunden.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 47 Abs. 6 Satz 1 VwGO durch Beschluß, denn
der Senat hält eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die zulässigen Normenkontrollanträge sind begründet.
Die Anträge sind statthaft, denn die Antragsteller wenden sich im Wege der
Normenkontrolle gegen eine Rechtsverordnung und damit gegen eine im Range
unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, deren Gültigkeit vom Hess.
VGH gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 11 Abs. 1 HessAG/VwGO
überprüft werden kann.
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Die Antragsteller sind antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede
natürliche oder juristische Person einen Normenkontrollantrag stellen, die durch
die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung einen Nachteil erlitten hat. Unter
einem solchen Nachteil ist die Beeinträchtigung subjektiv-öffentlicher Rechte,
rechtlich geschützter Interessen oder abwägungserheblicher privater Belange zu
verstehen.
Die Antragsteller haben als nach § 29 Abs. 2 BNatSchG anerkannte
Naturschutzverbände (vgl. BT-Dr. 9/1385 S. 9) einen Nachteil erlitten. Ihr gemäß §
29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG i.V.m. § 35 Abs. 1 und 2 HeNatG bestehendes
Anhörungs- und Mitwirkungsrecht bei der Vorbereitung von Rechtsverordnungen
ist verletzt worden. Der in den genannten Vorschriften geregelten Verpflichtung
der Behörden zur Anhörung entspricht nach einhelliger Auffassung in
Rechtsprechung und Literatur ein subjektiv-öffentliches Recht der
Naturschutzverbände (vgl. Hess. VGH, B. v. 27.08.1982 - II TH 34/82 - NuR 1983,
22; VG Frankfurt am Main, B. v. 14.07.1982, NuR 1983, 28; VG Saarlouis, H. v.
30.09.1986, NuR 1987, 39; VG Sigmaringen, U. v. 21.01.1987, NuR 1987, 233;
Kodal/Krämer, Straßenrecht, 4. Aufl., S. 963; Hoppe/Schlarmann, Rechtsschutz bei
der Planung von Straßen, z. Aufl., Rdnr. 126 b; Künkele/Heiderich,
Naturschutzgesetz Baden-Württemberg, § 51, 7; Fickert BayVBl. 1978, 681, 690;
Rehbinder, NVwZ 1982, 666; Sening, NuR 1983, 146).
Dieses den Naturschutzverbänden als eigenes Recht zustehende Verfahrensrecht
ist rechtsschutzbewehrt und prozessual durchsetzbar. Die Verfahrensvorschrift
des § 29 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. § 35 Abs. 1 und 2 HeNatG ist von solcher
Qualität, daß sie nicht nur der Ordnung des Verfahrensablaufs, insbesondere einer
umfassenden Information der Verwaltungsbehörde dient, sondern den Verbänden
in spezifischer Weise und unabhängig vom materiellen Recht eine eigene
selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition im Sinne eines
Anspruchs auf ordnungsgemäße Beteiligung an einem Verwaltungsverfahren
gewähren will (vgl. zum subjektiven Rechtsschutz durch Vorschriften über das
Verwaltungsverfahren BVerwG, U. v. 14.12.1973, BVerwGE 44, 235, 239 f.; U. v.
22.02.1980 - DVBl. 1980, 996; U. v. 15.01.1982, NuR 1982, 260). Das mit einer
eigenen Schutzfunktion zugunsten der Verbände ausgestattete Verfahrensrecht
auf Mitwirkung besteht unabhängig vom materiellen Recht, da den Verbänden ein
materielles Recht, etwa auf die inhaltliche Durchsetzung bestimmter
naturschutzrechtlicher Maßnahmen, nicht zusteht. Gleichwohl hat der Gesetzgeber
das den Verbänden zustehende Verfahrensrecht in besonderer Weise ausgestaltet
und befestigt.
So geht schon aus der Entstehungsgeschichte des § 29 BNatSchG (vgl. BT-Dr.
7/5251, S. 13) hervor, daß ein formelles Mitwirkungsrecht anstelle der auf die
Überprüfung von Gesetzgebungsinhalten ausgerichteten, damals von
verschiedenen Seiten während des Gesetzgebungsverfahrens geforderten
Verbandsklage eingeräumt worden ist. Das Mitwirkungsrecht sollte statt einer
Inhaltsüberprüfung auf eine Verfahrensbeteiligung beschränkt., nicht aber die
Rechtsschutzmöglichkeit als solche im ganzen genommen werden. Der
Gesetzgeber wollte unterhalb des Verbandsklagerechts dem freiwilligen
Naturschutz eine wirkungsvolle Repräsentation ermöglichen. Mit § 29 BNatSchG
hat er anerkannt, daß die Naturschutzverbände aufgrund ihrer jahrzehntelangen
praktischen Erfahrungen in der Lage sind, fachkundige, planungsfördernde
Vorschläge zu machen. Sie können auf Experten und mit der Situation vor Ort
vertraute Personen zurückgreifen und fachliche Anliegen kontinuierlich vertreten.
Zugleich sollte der Planungsprozeß durchsichtiger und damit für die Öffentlichkeit
kontrollierbarer werden (vgl. Soell in Salzwedel, Hrsg., Grundzüge des
Umweltrechts, Berlin 1982, S. 562 f.). Die Leistungskraft des freiwilligen
Naturschutzes sollte im staatlichen Entscheidungsprozeß im Sinne pluralistischer
Balance verschiedene Interessen und Erkenntnisse wirkungsvoll repräsentiert sein.
Der im Anerkennungsverfahren gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 3 BNatSchG überprüften,
nicht nur vorübergehend ausgeübten Aktivität der Verbände sollte ein Weg in eine
geordnete Verfahrensbeteiligung geebnet werden. Unabhängig vom materiellen
Recht und dem inhaltlichen Ausgang des staatlichen Entscheidungsprozesses
sollte es gerade bei einem beschränkten, aber auch befestigten und nicht jedem
beliebigen Verband zustehenden Mitwirkungsrecht bleiben.
Die besondere Stärke des in einem qualifizierten Anerkennungsverfahren
erworbenen Mitwirkungsrechts zeigt sich auch daran, daß es gemäß § 29 Abs. 5
BNatSchG nur dann entfallen kann, wenn es zu einem Widerruf der Anerkennung
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BNatSchG nur dann entfallen kann, wenn es zu einem Widerruf der Anerkennung
kommt. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn die Voraussetzungen für die
Erteilung der Anerkennung nachträglich wegfielen. § 29 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG
regelt ausdrücklich, daß das Mitwirkungsrecht mit der "unanfechtbaren" Aufhebung
der Anerkennung endet. Der Gesetzgeber des BNatSchG hat der Beendigung des
Mitwirkungsrechts mithin besondere, ins einzelne gehende Vorschriften gewidmet.
Dieser Umstand unterstützt die Auffassung, daß der Behörde eine Nichtbeachtung
des Mitwirkungsrechts der Verbände nicht folgenlos an die Hand gegeben werden
sollte. Es wäre ein Handeln gegen eigenes früheres Verhalten, wenn der Staat
nach einem komplizierten Anerkennungsverfahren gesetzlich eine Mitwirkung in
Aussicht stellte, dieses Versprechen aber verwaltungsmäßig und gerichtlich nicht
einlösen würde. Rechte verlieren an Gehalt, wenn man gegen ihre Verletzung nicht
vorgehen kann. Das unter den strengen Voraussetzungen des § 29 Abs. 2
BNatSchG erworbene qualifizierte Beteiligungsrecht der Verbände, das mit dem
Recht zur Einsichtnahme in Sachverständigengutachten auch über ein bloßes
Anhörungsrecht hinausgeht und neben der sachverständigen Information der
Behörde auch ihrer Kontrolle und der anzustrebenden Richtigkeit der Entscheidung
dient, darf nicht zur Disposition der Behörde selbst stehen. Dies würde den
Gesetzeszweck verfehlen und das Mitwirkungsrecht leerlaufen lassen.
Insbesondere kann das Mitwirkungsrecht nicht durch die nachträgliche Feststellung
eines Verfahrensfehlers wirksam gesichert werden, weil die betroffene
Behördenentscheidung davon unberührt bliebe. Insoweit ist die prozessuale
Durchsetzung des Mitwirkungsrechts, sei es im Wege der Klage oder wie hier im
Normenkontrollverfahren, die logische Fortsetzung einer unterbliebenen
Verfahrensbeteiligung in einem anderen Stadium und mit anderen Mitteln. Dabei
hat es die Behörde ohne Schwierigkeiten selbst in der Hand, den Rechtsschutz der
Verbände durch rechtzeitige Beteiligung wieder in das Verwaltungsverfahren
vorzuverlagern, wo er nach der Gesetzeslage hingehört.
Soweit der z. Senat des Hess. VGH in seinem Beschluß vom 27.08.1982 (a.a.O.
und ihm folgend Bernatzky/Böhm, BNatSchG, Komm., § 29 Rdnr. 4) zwar ein
subjektiv-öffentliches Recht der Verbände nach § 29 Abs. 1 BNatSchG anerkennt,
im weiteren jedoch das Vorliegen einer durchsetzbaren Verfahrensposition
verneint hat, mit welcher die Verletzung des Mitwirkungsrechts gerichtlich geltend
gemacht werden könne, stellt sich diese im Rahmen eines einer Verbandsklage
nach § 36 HeNatG vorhergegangenen Eilverfahrens diskutierte Rechtsfolge
vorliegend im Rahmen des Nachteils nach § 47 Abs. 2 VwGO nicht in derselben
Weise. Im Rahmen des Nachteils ist nur beachtlich, ob ein subjektiv-öffentliches
Mitwirkungsrecht eines Verbandes bzw. ein rechtlich geschütztes Interesse oder
ein privater Verbandsbelang beeinträchtigt ist. Andererseits ist die Frage des
Klagerechts eines Verbandes bei Nichtbeteiligung in einem auf den Erlaß eines
Verwaltungsakts, vor allem eines Planfeststellungsbeschlusses oder seiner
Unterlassung, gerichteten Verfahrens nicht so unterschiedlich gelagert, daß die
dort vorgebrachten Argumente für das vorliegende Normenkontrollverfahren nicht
von Gewicht wären, wenn der Senat ihnen in der Sache auch nicht folgt.
Der Hess. VGH führt in dem genannten Beschluß vom 27.08.1982 unter Hinweis
auf § 29 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG i.V.m. den §§ 28 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 und
29 Abs. 2 VwVfG aus, es sei den anerkannten Naturschutzverbänden kein
uneingeschränktes Anhörungsrecht eingeräumt worden, obwohl es in den
Ausnahmefällen nicht überflüssig sei. Diese Auffassung ist zutreffend. Gleichwohl
ist die Einschränkung des Anhörungs- und Beteiligungsrechts ebenso wie im
Verwaltungsverfahrensrecht als abschließend anzusehen. Daß in gesetzlich näher
umschriebenen zwingenden Eil- und Notfällen von einer Anhörung abgesehen
werden kann, oder diese ganz unterbleibt, schließt es nicht nur nicht aus, sondern
spricht eher dafür, daß das Anhörungsrecht im übrigen besonders befestigt und
rechtsschutzbewehrt ist. Für eine verbandlicherseits ohnehin nicht durchsetzbare
bloße Informationsbefugnis zugunsten der Behörde wäre eine gesetzliche
Bezugnahme auf die differenzierten Ausnahmetatbestände der §§ 28 und 29
VwVfG entbehrlich gewesen. Gegen eine klageweise Durchsetzung des
Anhörungsrechts nach § 29 Abs. 1 BNatSchG spricht im übrigen auch nicht, daß es
an anderer Stelle stärkere Beteiligungsrechte im Verfahren gibt, wie etwa gemäß §
66 VwVfG im förmlichen Verwaltungsverfahren wo die Ausnahmen von der
Anhörungspflicht nach § 28 Abs. 2 und 3 VwVfG auch nicht über § 63 Abs. 2 VwVfG
anwendbar sind (vgl. Kopp, VwVfG, Komm., 4. Aufl. 1986, § 66 Rdnr. 1).
Soweit in dem genannten Beschluß des z. Senats des Hess. VGH weiter
ausgeführt worden ist, der Sinn des Anhörungsrechts erfordere es nicht, es
(außerhalb der gesetzlichen Ausnahmen) ausnahmslos zu gewähren und den
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(außerhalb der gesetzlichen Ausnahmen) ausnahmslos zu gewähren und den
vorgesehenen Verwaltungsakt als mitwirkungsbedürftig aufzufassen, ist diese
Auffassung nicht überzeugend. Dies bezieht sich insbesondere auf die
Begründung, es gebe keinen vernünftigen Grund, um anzunehmen, daß in Fällen,
in denen nach Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens ohne Anhörung der
Naturschutzverbände die Planfeststellung im Interesse des Naturschutzes
abgelehnt werde, die Entscheidung wegen der unterlassenen Anhörung
rechtswidrig sein solle. Dazu ist zu sagen, daß ein sich an den gesetzlichen
Zielvorgaben orientierendes Naturschutzverständnis nicht in einem puristischen
Sinne als bloße Eingriffsverhinderung betrachtet werden kann. Gemäß § 1 Abs. 2
BNatSchG sind die Naturschutzbelange untereinander und gegen die sonstigen
Anforderungen der Allgemeinheit an Natur und Landschaft abzuwägen. Ein
Abwägungsgebot ist etwa auch in den §§ 8 Abs. 3 BNatSchG, 2 Abs. 2 und 6 Abs. 2
HeNatG angesprochen. Es kann daher nicht von vornherein ausgeschlossen
werden, daß eine Mitwirkung der anerkannten Naturschutzverbände dazu führt,
sich auch für ein flächenbeanspruchendes notwendiges Objekt, gegebenenfalls
unter Auflagen für einen Ausgleich oder Ersatzmaßnahmen, auszusprechen, um
vielleicht als wertvoller eingeschätzte Alternativflächen schonen zu können.
Insoweit ist zu beachten, daß der rein konservierende Naturschutz, wie er dem
Reichsnaturschutzgesetz von 1935 zugrundelag, in der heutigen Zeit mehr als ein
aktiver, gestaltender Naturschutz verstanden wird, wie sich dies im Gebot des § 1
BNatSchG zeigt, Natur und Landschaft im besiedelten und unbesiedelten Bereich
nicht nur zu schützen und zu pflegen, sondern auch zu entwickeln (vgl. dazu Hess.
VGH, U. v. 24.10.1985 - III OE -141/82 - UPR 1986, 190 = NuR 1986, 254).
Angesichts der vielfältigen Vernetzung der natürlichen Gegebenheiten ist einem
abwägenden Naturschutz möglicherweise mit einer Ablehnung eines bestimmten
Projekts an einem isolierten Standort nicht ausreichend gedient, so daß auch in
einem solchen Fall eine Verbandsanhörung sachgerecht sein kann und gerichtlich
durchsetzbar sein muß. Gerade für Planfeststellungsbeschlüsse ist zu sagen, daß
der Bundesgesetzgeber mit § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG mehr als eine bloße
Informationsbeschaffung zugunsten der Behörde im Blick hatte. Die erst 1976
getroffene Regelung wäre sonst nämlich nicht erforderlich gewesen, denn nach
den planfeststellungsrechtlichen Vorschriften bestand für die in Rede stehenden
Verbände grundsätzlich auch schon vorher die Möglichkeit, eigene
Stellungnahmen und Vorschläge in Form von Bedenken und Anregungen im
Rahmen des Anhörungsverfahrens vorzubringen (vgl. OVG Koblenz, U. v.
30.10.1984 -7 A 30/84 - NVwZ 1986, 321, 322).
Soweit in dem genannten Beschluß vom 27.08.1982 weiter ausgeführt ist, den
Verbänden komme nicht die Stellung von Verfahrensbeteiligten, sondern nur von
Äußerungsberechtigten zu, wie3 N 3703/87 u. 3735/87 -15
dies in § 13 Abs. 3 VwVfG angesprochen ist, steht dem die zu § 29 BNatSchG
hinzuzunehmende Regelung des § 35 HeNatG entgegen, wo in Absatz 1 Satz 2
ausdrücklich von "beteiligungsberechtigten Verbänden" die Rede ist. Auch die in §
29 Abs. 1 zusätzlich zum Äußerungsrecht eingeräumte Befugnis zur
Einsichtnahme in die einschlägigen Sachverständigengutachten weist in der
Intensität der Mitwirkung über ein bloßes Mitwirkungsrecht auf der Grundlage des
eigenen Erkenntnisstandes und der eigenen bzw. der treuhänderisch
wahrgenommen Interessen hinaus.
Auch die Formulierung der in § 29 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG geregelten
Mitwirkungsfälle "bei der Vorbereitung" spricht nicht gegen eine
Verfahrensbeteiligung der Verbände mit eigenen, durchsetzbaren
Mitwirkungsrechten.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht (B. v. 25.10.1979 - 2 N 1.78 - BVerwGE 59,
48) für ein anderes Rechtsgebiet (auf Vorlage des 1. Senats des Hess. VGH, B. v.
01.06.1977 - I N 1/77 - DVBl. 1977, 137) entschieden hat, daß eine
Rechtsverordnung zur Regelung beamtenrechtlicher Verhältnisse nicht deshalb
nichtig sei, weil bei ihrer Vorbereitung die Spitzenorganisationen der zuständigen
Gewerkschaften entgegen § 110 HBG nicht beteiligt worden seien, sind die
Entscheidungsgründe nicht zwingend auf den vorliegenden Fall zu übertragen.
Zwar bezieht § 110 HBG wie § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG das Beteiligungsrecht auf
die "Vorbereitung" der entsprechenden Rechtsvorschriften (vgl. dazu auch Hess.
VGH, B. v. 27.08.1982, (a.a.O. ein von der bloßen Vorbereitung abzutrennendes
eigentliches Rechtssetzungsverfahren ist für die hier streitbefangene Verordnung
gesetzlich aber nicht zusätzlich ausgeformt oder sonst vorgeschrieben. Anderes
gilt etwa für das Verfahren zur Aufstellung eines Bauleitplanes. Das
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gilt etwa für das Verfahren zur Aufstellung eines Bauleitplanes. Das
Beteiligungsgebot für die Vorbereitungsphase einer Rechtsverordnung bedeutet,
daß die Beteiligung in der Zeitspanne erfolgen muß, die zwischen dem Stadium
reiner Vorerwägungen und demjenigen der abschließenden Willensbildung durch
die die Regelung vorbereitenden Behörden liegt (OVG Koblenz, U. v. 30.06.1969 -
DVBl. 1970, 690). Darin liegt eine Verstärkung, keine Abschwächung des
Mitwirkungsrechts, weil es in der Phase des eigentlichen, anfänglich noch nicht
festgelegten Willensbildungsprozesses wirksam werden soll. Das Teilhaben an der
Meinungsbildung des Normgebers soll vor der Vorlage verabschiedungsreifer
Entwürfe zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem das letztentscheidende Staatsorgan
für ein Überdenken und eine Berücksichtigung der vorgetragenen Auffassung der
Verbände noch offen ist (OVG Koblenz, U. v. 30.10.1984, (a.a.O.)
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 110 HBG ist in ihrer
weiteren Begründung deshalb hier nicht einschlägig, weil § 29 Abs. 1 BNatSchG im
Gegensatz zum Beamtenrecht keine weiten Begriffe verwendet, so daß ein
vergleichbares Problem für die Rechtssicherheit der Normgeltung nicht besteht.
Der abschließende Katalog des Mitwirkungsrechts ist in § 29 Abs. 1 im einzelnen
näher beschrieben und klar abgegrenzt, und erfaßt nicht etwa alle "allgemeinen
Regelungen" wie § 110 HBG. Durch das spezielle Anerkennungsverfahren kann
auch nicht wie für "Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften" unklar
sein, wem das Mitwirkungsrecht im Einzelfall zusteht und wem nicht.
Wird der Träger des Anhörungsrechts einmal durch das vorgeschaltete behördliche
Anerkennungsverfahren klar bestimmt, ist bei § 110 HBG eine allgemeine
gesetzliche Zuweisung erfolgt, die den Träger des Anhörungsrechts von der
jeweiligen Satzungs- und Organisationslage der zuständigen Gewerkschaften
abhängig macht. Nach alledem ist die zu einer Spezialvorschrift des
Beamtenrechts ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht auf
das naturschutzrechtliche Mitwirkungsrecht der anerkannten Verbände nach § 29
Abs. 1 BNatSchG i.V.m. § 35 Abs. 1 und 2 HeNatG übertragbar.
Ein bei Verletzung des Mitwirkungsrechts bestehender Nachteil scheitert hier auch
nicht daran, daß die streitbefangene Verordnung nicht von einer für Naturschutz
und Landschaftspflege zuständigen Behörde im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1
BNatSchG erlassen worden wäre. Die hessische Landesregierung ist im
Zusammenhang dieser Regelung als eine solche Behörde zu betrachten.
Im Bundesrecht gibt es keinen eindeutigen, für alle Rechtsgebiete einheitlich
geltenden Behördenbegriff. Dies gilt auch für das Naturschutzrecht. Das
Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 10, 20, 48) faßt den Begriff der Behörden weit
und versteht darunter "eine in den Organismus der Staatsverwaltung
eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln, die
mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet dazu berufen ist, unter
öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm
geförderter Zwecke tätig zu sein". Noch weiter geht § 1 Abs. 4 VwVfG = § 1 Abs. 2
HessVwVfG, wonach im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts Behörde jede
Stelle ist, "die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt" (vgl. weiter zum
Behördenbegriff Erichsen-Martens, Hrsg., Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl.
1983, § 56 III 1; Wolff, Verwaltungsrecht Bd. II, 4. Aufl. 1976, § 76 I).
Die Stellung als Regierungsorgan schließt nicht von vornherein jede
Behördeneigenschaft der Landesregierung aus. Auch sie kann materielle
Verwaltungstätigkeit ausüben. So ernennt sie beispielsweise nach Art. 108 HV die
Landesbeamten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist oder eine
Übertragung auf andere Stellen stattgefunden hat (vgl. dazu Wolff, (a.a.O. § 76 I d
Anm. 6). Im Personalvertretungsrecht gibt es u.a. in Personalangelegenheiten der
Beamten nach einem Beschluß der Einigungsstelle eine Entscheidungsmöglichkeit
der Landesregierung nach § 60 b Abs. 5 Nr. 1 HPVG. Zur Verwaltungstätigkeit der
Exekutive als zweiter Gewalt zählt nach der Gewaltenteilung und der
Rechtsquellenlehre auch der Erlaß von Rechtsverordnungen (vgl. Art. 118 HV).
Soweit Wolff, (a.a.O. § 76 I d Anm. 7, im Rahmen eines engeren Behördenbegriffs
Zweifel daran hat, ob der Erlaß von Verordnungen nicht nur als
Verwaltungstätigkeit, sondern auch als behördliche Tätigkeit anzusehen ist, wird
die Frage eines weiten oder engen Behördenbegriffs von § 29 Abs. 1 Nr. 1
BNatSchG selbst beantwortet. Dort ist gerade von Verordnungen und anderen im
Range unter dem Gesetz stehenden Rechtsvorschriften die Rede, die von
Behörden erlassen werden. Somit liegt dieser Vorschrift ein weiter Behördenbegriff
zugrunde, der es nicht ausschließt, auch die hessische Landesregierung in diesem
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zugrunde, der es nicht ausschließt, auch die hessische Landesregierung in diesem
Zusammenhang als Behörde anzusprechen.
Die hessische Landesregierung ist auch im Sinne und im Rahmen dieser Vorschrift
als eine für Naturschutz und Landschafts- 4pflege zuständige Behörde anzusehen.
Die Landesregierungselbst ist keine der nach § 30 HeNatG gesetzlich bestimmten
Naturschutzbehörden. Dies schließt aber nicht aus, daß ihr bundesrechtlich
unmittelbar geltend (vgl. § 4 Satz 3 HeNatG)in § 20 g Abs. 6 BNatSchG eine
Regelungskompetenz auf dem Gebiet des Naturschutzes eingeräumt worden ist,
und die Wahrnehmung dieser Kompetenz in behördlicher Funktion erfolgt.
Bundesrechtlich kann eine Verordnungskompetenz durch Gesetz gemäß Art. 80
Abs. 1 Satz 1 GG außer auf die Bundesregierung odereinen Bundesminister auch
nur auf Landesregierungen delegiert werden. Der Wortlaut der unmittelbar
geltenden bundesrechtlichen Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG wird
danach nicht abschließend vom Wortlaut und der Regelungsreichweite der
Behördenregelung des § 30 HeNatG ausgefüllt oder vorgeprägt. Der Wortlaut des
§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG schließt es ein, eine Landesregierung im Sinne dieser
Vorschrift als eine für den Naturschutz zuständige Behörde anzusehen. Dabei ist
von Bedeutung, daß § § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG gerade nichtausdrücklich von
Naturschutzbehörden spricht, sondern von für Naturschutz und Landschaftspflege
zuständigen Behörden.
Die Entstehungsgeschichte der nachträglich in den Regierungsentwurf
eingearbeiteten Norm (vgl. BT-Dr. 7/5171 S. 10 und BT-Dr. 7/5251 S. 13) ist zu der
vorliegenden Frage unergiebig, soweit sie aus den vorliegenden Unterlagen belegt
ist.
Soweit der Antragsgegner von der Gesetzessystematik her Bedenken dagegen
erhoben hat, eine Landesregierung im Sinne des § 29 BNatSchG als eine für den
Naturschutz zuständige Behörde anzusehen, greifen diese Bedenken nicht durch.
Dabei spricht der Hinweis auf § 31 BNatSchG, wo für Befreiungen nicht auf den
Kompetenzbereich der Naturschutzbehörden, sondern auf die Reichweite des
Naturschutzrechts Bezug genommen worden ist, eher für eine Erstreckung des
naturschutzrechtlichen Behördenbegriffs auf die Landesregierung im Sonderfall
des § 20 g Abs. 6 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Wäre die Landesregierung
nämlich nicht zugleich als für den Naturschutz und die Landschaftspflege
zuständige Behörde für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG
anzusehen, gäbe es im Bereich der naturschutzrechtlich nach § 20 g Abs. 6
BNatSchG möglichen allgemeinen Ausnahmevorschriften mangels für eine
Befreiung zuständiger Behörden keine Befreiungsmöglichkeit. Dies stünde im
Widerspruch zu § 31 Abs. 1 BNatSchG, wonach Befreiungen im Rahmen des
gesamten Naturschutzrechts vorgesehen sind. § 20 g Abs. 6 BNatSchG berechtigt
die Landesregierung zu allgemeinen Ausnahmevorschriften durch
Rechtsverordnung und verpflichtet sie nicht, nachgeordnete Naturschutzbehörden
zu Befreiungen zu ermächtigen. Wenn über die Ausnahme hinaus Befreiungen
aufgrund des § 31 Abs. 1 BNatSchG aber möglich sein müssen, kann dies nur
bedeuten, daß die Landesregierung selbst als für eine Befreiung zuständige
Behörde im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG anzusehen ist. .Damit steht es
nicht im Widerspruch, sondern stimmt es vielmehr überein, eine Landesregierung
auch im Rahmen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG im Bereich
naturschutzrechtlicher Sonderkompetenzen (wie § 20 g Abs. 6 BNatSchG) als eine
für den Naturschutz zuständige Behörde zu betrachten.
Soweit § 3 BNatSchG Aufgaben der Naturschutzbehörden anspricht, klärt diese
Vorschrift den Begriff der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen
Behörden nicht selbst, sondern setzt ihn voraus. Damit ist die Vorschrift für die
Lösung des vorliegenden Auslösungsproblems nicht unmittelbar von Bedeutung.
Soweit, worauf der Antragsgegner hinweist, in § 3 Abs. 1 und 2 BNatSchG deutlich
zwischen Naturschutzbehörden sowie anderen Behörden und öffentlichen Stellen
unterschieden wird, ändert dies nichts an der Notwendigkeit, darüber zu
entscheiden, auf welcher Seite die Landesregierung im Rahmen des § 29 Abs. 1
Nr. 1 BNatSchG in Verbindung mit der Sonderkompetenz nach § 20 g Abs. 6
BNatSchG einzuordnen ist. § 3 Abs. 1 und 2 BNatSchG unterscheidet Behörden,
die im Rahmen des Naturschutzes Durchführungskompetenzen haben, von
solchen, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Verwirklichung der Ziele des
Naturschutzes und der Landschaftspflege lediglich zu unterstützen haben. Nimmt
man die Alleinentscheidungskompetenz der Landesregierung im Rahmen des § 20
g Abs. 6 BNatSchG in den Blick, ist sie eher den durchführenden Behörden nach §
3 Abs. 1 als den unterstützenden Behörden nach § 3 Abs. 2 BNatSchG
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3 Abs. 1 als den unterstützenden Behörden nach § 3 Abs. 2 BNatSchG
zuzuordnen. Folgerichtig hat der BayVGH in seinem Urteil vom 22.07.1985 - Nr. 9
N 84 A. 1336 - NuR 1986, 77 - über die in § 37 Abs. 2 BayNatschG aufgeführten
staatlichen Behörden hinaus auch kommunale Gebietskörperschaften als für den
Naturschutz zuständige Behörden i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG angesehen,
soweit sie nach § 45 BayNatschG für den Erlaß diesbezüglicher
Rechtsverordnungen zuständig sind.
Soweit § 20 g Abs. 6 BNatSchG für Ausnahmen von den Schutzvorschriften für
besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten selbst zwischen den nach
Landesrecht im Einzelfall zuständigen Behörden auf der einen Seite und den für
allgemeine Ausnahmeregelungen durch Rechtsverordnungen zuständigen
Landesregierungen auf der anderen Seite unterscheidet, spricht dieser
Gesichtspunkt ebenfalls nicht dagegen, die Landesregierung als eine für
Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde im Sinne des § 29 Abs. 1
Nr. 1 BNatSchG anzusehen. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß das nicht auf
Einzelfallregelungen, sondern nur auf allgemeine untergesetzliche
Rechtsvorschriften bezogene Mitwirkungsrecht jedenfalls dann immer bestünde,
wenn eine Landesregierung ihre Befugnis nach § 20 g Abs. 6 Satz 1 BNatSchG
durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden übertrüge. Aus
abgeleitetem Recht wären diese dann zum Erlaß allgemeiner
Ausnahmevorschriften berechtigt, aber auch zur Anhörung der anerkannten und in
ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührten Verbände verpflichtet. Dieser
Gesichtspunkt spricht dafür, den Behördenbegriff des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG
nicht organisatorisch, sondern funktionell aufzufassen. Wer im Sinne dieser
Vorschrift allgemeine untergesetzliche Rechtsvorschriften erlassen darf, soll die
einschlägig berührten Verbände anhören müssen. Es wäre systematisch
unbefriedigend, wenn das Mitwirkungsrecht jeweils davon abhängen sollte, ob die
Landesregierung eine allgemeine Ausnahmevorschrift selbst erläßt oder diese
Entscheidung gemäß § 20 g Abs. 6 Satz 2 BNatSchG auf eine oberste
Landesbehörde überträgt. Das der Arbeitsentlastung der Landesregierung
dienende Delegationsrecht enthält nicht zugleich einen entsprechenden Vorbehalt
für die Ausübung des verbandlichen Mitwirkungsrechts. Das Mitwirkungsrecht
besteht unabhängig davon, auf welcher Delegationsstufe eine Rechtsverordnung
erlassen wird. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG läßt hinreichend klar erkennen, daß der
jeweilige Verordnungsgeber gemeint und gefordert ist. Es entspricht auch dem
Sinn und Zweck des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, beim Erlaß allgemeiner
Rechtsvorschriften unabhängig davon, auf welcher Stufe dies geschieht, eine
gleichmäßige, u.U. auch gegenläufige. Verbandsansichten einbeziehende
Verbandsbeteiligung sicherzustellen. Andernfalls gelangte man im vorliegenden
Fall zu dem in sich widersprüchlichen Ergebnis, daß beim Erlaß der Verordnung
durch die Landesregierung eine Verbandsanhörung entbehrlich war, während sie
im Falle einer Verlängerung, zu der gemäß § 3 Nr. 1 Satz 2 VO der für das
Jagdwesen zuständige Minister ermächtigt worden ist, zwingend erfolgen müßte.
Insgesamt rechtfertigen die beiden Bleichgelagerten Sachverhalte
verfahrensrechtlich keine unterschiedliche Behandlung.
Die hiernach gebotene gesondert vorzunehmende unmittelbare Beteiligung (vgl.
OVG Koblenz, (a.a.O. der Antragsteller hat hier nicht stattgefunden. Den
tatsächlichen Umständen läßt sich nichts dafür entnehmen, das Mitwirkungsrecht
als gewahrt anzusehen, ohne daß die gesetzlichen Verzichtsvoraussetzungen der
§§ 28 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 und 29 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 2
BNatSchG vorlägen. Zwar ist von verschiedenen Seiten ein Interesse an der
Bejagung der drei Rabenvogelarten geltend gemacht worden. Der Antragsgegner
hat eine besondere Eilbedürftigkeit aber selbst nicht angenommen, und nach Lage
der Akten ist dafür auch nichts hinreichend ersichtlich.
Soweit der Antragsgegner darauf hinweist, die eine Bejagung der Rabenvögel
ablehnenden Stellungnahmen der Antragsteller seien seit langem bekannt
gewesen und in die Entscheidungsfindung einbezogen worden, im übrigen habe
der 1. Vorsitzende der Antragstellerin zu 1 als Vorsitzender des
Landesnaturschutzbeirats vorzeitige Kenntnis vom Verordnungsentwurf gehabt, ist
damit insgesamt eine ausreichende verbandliche Anhörung nicht erfolgt.
Die Unterrichtung des Landesnaturschutzbeirats kann und konnte eine
ordnungsgemäße Anhörung der Verbände nicht erübrigen. Die Pflicht der
jeweiligen Naturschutzbehörde zur Unterrichtung der zugehörigen
Naturschutzbeiräte gemäß § 34 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HeNatG betrifft zwar auch die
Vorbereitung von Rechtsverordnungen und damit dieselbe Rechtsmaterie wie § 29
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Vorbereitung von Rechtsverordnungen und damit dieselbe Rechtsmaterie wie § 29
Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Die Rechtsposition der Naturschutzbeiräte nach § 34
HeNatG ist aber deutlich schwächer ausgebildet als das Mitwirkungsrecht der
Verbände nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 und 2
HeNatG. Der Pflicht der Behörde zur rechtzeitigen Unterrichtung der Beiräte und
deren Befugnis nach § 34 Abs. 2 Satz 2 HeNatG, Anträge stellen zu können und
auf Verlangen gehört werden zu müssen, stehen auf der anderen Seite stärkere
Beteiligungsrecht der anerkannten Naturschutzverbände gegenüber. Ein
wesentlicher Unterschied besteht vor allem in dem zusätzlichen Recht der
Verbände nach § 29 Abs. 1 zur Einsicht in die einschlägigen
Sachverständigengutachten. Die Gelegenheit zur Äußerung ist darüber hinaus
antragslos zu gewähren. Dabei präzisiert § 35 Abs. 1 Satz 2 HeNatG das
Mitwirkungsrecht, was nach § 29 Abs. 1 BNatSchG zugelassen und zu beachten ist,
dahin, daß den Verbänden eine angemessene Frist zu ihrer Information und
Äußerung einzuräumen ist.
Die unterschiedliche Ausgestaltung und Zielrichtung des Unterrichtungsrechts der
Beiräte und des Beteiligungsrechts der Verbände verbietet es allgemein und im
vorliegenden Fall, die Unterrichtung des Landesnaturschutzbeirats zugleich als
eine den Verbänden eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme anzusehen,
auch wenn die Beiratsmitglieder zugleich Verbandsmitglieder sind. Im übrigen ist
die mit ministeriellem Schreiben vom 13.07.1987 erfolgte Unterrichtung des
Landesnaturschutzbeirats, der schon mit Schreiben vom 20.07.1987 die
Übersendung von Ausfertigungen der Verordnung zwecks Verkündung an die
Hessische Staatskanzlei nachfolgte, ebensowenig rechtzeitig im Sinne des § 34
Abs. 2 Satz 2 HeNatG erfolgt, wie den Verbänden eine angemessene Frist für ihre
Information und Äußerung bei der Vorbereitung der Verordnung eingeräumt
worden ist.
Daß dem mit der Vorbereitung der Verordnung vertrauten Landesministerium
allgemein die ablehnende Haltung der Vogelschutzverbände zur Bejagung von
Rabenvögeln bekannt war, ebenso allgemeine Stellungnahmen .der Verbände und
nachgeordneter Arbeitskreise und Kreisverbände wie auch nach Abschluß der
ministeriellen Vorarbeiten eingegangene Äußerungen von den Antragstellern
zugehörigen Mitgliedern des Landesnaturschutzbeirats, darunter des 1.
Vorsitzenden der Antragstellerin zu 1, ändert nichts daran, daß den anerkannten
Naturschutzverbänden eine zeitlich und inhaltlich angemessene Gelegenheit zur
Stellungnahme bei der konkreten Aufstellung der streitbefangenen Verordnung
nicht gegeben worden ist.
Soweit der Arbeitskreis Kassel der Antragstellerin zu 1 und der Kreisverband Kassel
des Antragstellers zu 2 mit am 29.06.1987 beim Antragsgegner eingegangenem
Schreiben eine Stellungnahme über die BUND-Geschäftsstelle Nordhessen
abgegeben haben, weist zwar der Briefkopf auf die Landesverbände beider
Antragsteller hin, gleichwohl ist die Stellungnahme den Landesverbänden der
Antragsteller nicht zurechenbar (vgl. zur Stellungnahme der Kreisgruppe eines
Verbandes OVG Koblenz, U. v. 30.10.1984, (a.a.O. Die bürotechnische
Verwendung des Briefkopfs der Landesverbände ändert nichts daran, daß die
Kreisgruppen hier nicht ausdrücklich oder stillschweigend im Namen des
Landesverbandes aufgetreten sind. Im Schreiben selbst fehlt auch ein Bezug zum
konkreten Rechtssetzungsverfahren. So wird in der Einleitung deutlich, daß sich die
Kreisgruppen lediglich auf Informationen aus der Presse stützen.
Das Schreiben des 1. Vorsitzenden Willy Bauer der Antragstellerin zu 1, der
zugleich Vorsitzender des Landesnaturschutzbeirats ist, vom 16.07.1987 kann
ebenfalls nicht als umfassen-23, de Verbandsstellungnahme nach einer
angemessenen Frist gewertet werden. Herr Bauer hat zwar im Namen der
Antragstellerin zu 1 in Kenntnis des Verordnungsentwurfs eine Jagdzeit für die drei
Rabenvogelarten abgelehnt. Es ist aber kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß
damit eine abschließende Verbandsstellungnahme gemeint gewesen ist. Vielmehr
enthält dieses Schreiben zugleich Zweifel daran, ob eine ordnungsgemäße
Anhörung der Verbände erfolgt ist.
Die Verletzung des Mitwirkungsrechts der Antragsteller ist auch nicht unter
Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 46 VwVfG unbeachtlich. Zwar war
die allgemeine Grundeinstellung der Vogelschutzverbände, zur Bejagung von
Rabenvögeln dem Antragsgegner bekannt, es steht aber nicht fest, daß in der
Vorbereitungsphase der streitbefangenen Rechtsverordnung von den
Antragstellern nichts hätte mehr vorgetragen werden können oder sollen, was
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Antragstellern nichts hätte mehr vorgetragen werden können oder sollen, was
möglicherweise auf das Ergebnis von Einfluß hätte sein können.
Der Nachteil der Antragsteller ist auch "durch" die streitbefangene Verordnung
entstanden. Die Ursächlichkeit der Norm selbst für den Nachteil und nicht nur
eines Fehlers im Verfahren ihrer Entstehung ist zu bejahen. Das Inkrafttreten der
Verordnung mit ihrer Verkündung beendete jedenfalls die Vorbereitungsphase des
Entstehens der Norm. In dieser Vorphase waren die in ihrem satzungsgemäßen
Aufgabenbereich berührten Naturschutzverbände, zu denen die Antragsteller als
Vogelschutzverbände gehören, zu beteiligen. Nach dem Inkrafttreten der Norm ist
eine Beteiligung nicht mehr möglich (vgl. Bickel, HeNatG, Komm., 1981, § 36 Rdnr.
4). Sie ist auch nicht wie bei einem Verwaltungsakt nachholbar. Eine auf die
Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtbeteiligung gerichtete Klage könnte bei
Wiederholungsgefahr das Mitwirkungsrecht allenfalls in künftigen Fällen sichern.
Das Vorhandensein der in Kraft getretenen Norm besiegelt als nicht
hinwegzudenkendes Ereignis die Nichtbeteiligung der Antragsteller und schneidet
ihnen auch einen möglichen Eilrechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO ab (vgl. dazu
Hess. VGH, B. v. 07.09.1982 - II TG 40/82 -ESVGH 32, 263). Damit wird auch der
Grundrechtsbereich des Art. 19 Abs. 3 und 4 GG berührt.
Die nach alledem zulässigen Normenkontrollanträge haben auch in der Sache
Erfolg. Die Nichtbeteiligung der Antragsteller als betroffener, anerkannter
Naturschutzverbände führt schon für sich allein zur Nichtigkeit der
Rechtsverordnung.
Ob das Unterlassen der vorgeschriebenen Beteiligung der anerkannten Verbände
in jedem Fall ohne weiteres zur Nichtigkeit der verfahrensfehlerhaft erlassenen
Verordnung führt, hat der BayVGH in seinem Urteil vom 22.07.1985, - Nr. 9 N 84
A. 1336 NuR 1986, 77 offengelassen. Nach seiner Ansicht mußte jedenfalls in dem
dort zu entscheidenden Fall, in dem es um die Änderung einer
Landschaftsschutzverordnung ging, der Verfahrensfehler zur Nichtigkeit der
Verordnung führen. Zur Begründung wird ausgeführt, es könne nicht
ausgeschlossen werden, daß zumindest einer der zu beteiligenden Verbände
schwerwiegende ökologische Folgen für ein Waldstück nach Errichtung eines
geplanten Gemeindezentrums in etwa so dargestellt hätte, wie sie der im
gerichtlichen Verfahren zugezogene Sachverständige geschildert habe. Angesichts
der äußerst knappen Abstimmungsverhältnisse im Kreistag bei der letzten
Beschlußfassung über die angegriffene Verordnung habe nicht ausgeschlossen
werden können, daß bei Vermeidung des Verfahrensfehlers die erforderliche
Mehrheit nicht erreicht, d.h. die Änderungsverordnung nicht erlassen worden wäre.
Vom Boden dieser Entscheidung aus ist einzelfallabhängig ein Kausalitätsvorbehalt
zu beachten. Es kommt dann bei der Fehlerfolge darauf an, ob der
Verfahrensverstoß auf die inhaltliche Entscheidung von Bedeutung gewesen ist
oder hätte sein können. Dies ist ein Rechtsgedanke, den das
Verwaltungsverfahrensgesetz in § 46 für die Gültigkeit von Verwaltungsakten
unterhalb der Nichtigkeit nach § 44 VwVfG aufgegriffen hat. Danach führen isolierte
Verfahrensfehler nicht zur Aufhebung von Verwaltungsakten, wenn keine andere
Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.
Nimmt man im vorliegenden Verfahren in den Blick, wie unterschiedlich die
verschiedenen Interessen und geltend gemachten wissenschaftlichen und
rechtlichen Erkenntnisse sind, ist davon auszugehen, daß eine ordnungsgemäße
Beteiligung der in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich besonders berührten
Vogelschutzverbände hilfreich und für die Entscheidungsfindung und das
endgültige Ergebnis in Verordnungsform von Bedeutung hätte sein können. Die
Antragsteller haben mehrere vogelschutzrechtliche Problempunkte, insbesondere
mit europarechtlichen Bezügen, angesprochen, die nicht ohne weiteres von der
Hand zu weisen sind. So halten sie eine Bejagungszeit von 8 1/2 Monaten mit
einer angemessen geschützten Brut-, Nist- und Aufzuchtzeit für nicht vereinbar
und damit Artikel 7 der EG-Richtlinie des Rates über die Erhaltung der wildlebenden
Vogelarten (79/409/EWG) für verletzt. Nach ihren Angaben fehlen in der
Verordnung die für die Zulassung von Ausnahmen nach Art. 9 Abs. 2 der
genannten EG-Richtlinie erforderlichen Kontrollbestimmungen. Im übrigen ist daran
zu denken, daß die Antragsteller mit Erfolg darauf hätten hinwirken können, daß in
der Verordnung selbst die tatbestandlichen Voraussetzungen für
Ausnahmevorschriften nach § 20 g Abs. 6 BNatSchG näher behandelt worden
wären. In Übereinstimmung mit der genannten Entscheidung des BayVGH führen
diese Überlegungen, die die Einzelfallumstände besonders berücksichtigen, zur
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diese Überlegungen, die die Einzelfallumstände besonders berücksichtigen, zur
Nichtigkeit der streitbefangenen Rechtsverordnung.
In einem anderen Fall hat der BayVGH (in seinem rechtskräftigen
Normenkontrollbeschluß vom 08.06.1984 - Nr. 9 N 81 A. 1521 - BayVBl. 1985, 87)
zum Anhörungsgebot nach § 46 Abs. 3 Satz 2 BayNatschG entschieden, daß eine
naturschutzrechtliche3 N 3703/87 u. 3735/87 -27
Rechtsverordnung unwirksam ist, weil die betroffenen Fachbehörden und -stellen,
wozu auch die nach § 29 Abs. 1 BNatSchG mitwirkungsbefugten Verbände zählten,
nicht angehört worden seien.
Einen anderen Weg geht eine neuere allgemeine Fehlerquellenlehre für
untergesetzliche Normen, an der sich der Senat orientiert. Mit Ossenbühl, NJW
1986, 2805, 2811 ist davon auszugehen, daß nicht jeder Verfahrens- und
Formfehler in einem Normaufstellungsverfahren zur Nichtigkeit der Norm führt
(vgl. für Gesetzgebungsverfahren BVerfGE 31, 47, 53; 34, 9, 25). Soweit Ossenbühl
zwischen Form- und Verfahrensvorschriften trennt, die verfassungsrechtlich
geboten sind, und solchen, die der freien Disposition des Gesetzgebers
unterliegen, die er also in Geltung setzen, von denen er aber auch ebenso gut
absehen kann, ist hier davon auszugehen, daß das verbandliche Mitwirkungsrecht
keine verfassungsgebotene Verfahrensvorschrift ist. Deshalb ist es nicht von der
Verfassung her geboten, daß ein diesbezüglicher Rechtsfehler einer richterlichen
Kontrolle zugeführt und korrigiert werden kann. Ossenbühl (a.a.O. S. 2812)
unterscheidet bei den disponiblen Verfahrensvorschriften zwischen wesentlichen
und unwesentlichen Verfahrensfehlern. Die Wesentlichkeit bestimme sich nach
dem Schutzzweck der betreffenden Form- oder Verfahrensvorschrift. Sei die
Verfahrensregel abstrakt geeignet, die materielle Richtigkeit des
Entscheidungsergebnisses zu fördern, handele es sich um eine wesentliche
Verfahrensnorm, deren Verletzung die Ungültigkeit der Norm nach sich ziehe.
Verstöße gegen unwesentliche Verfahrensvorschriften wirkten sich hingegen auf
die Rechtsbeständigkeit der Norm nur aus, wenn sie offenkundig seien.
Unter Bezugnahme auf die beim Nachteil dargelegten Überlegungen des Senats
ist beim Mitwirkungsrecht der Verbände von einer verfahrensrechtlichen Vorschrift
auszugehen, die nicht nur der Ordnung des Verfahrensablaufs dient (vgl. BVerwGE
44, 235, 239), sondern die die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung über eine
Rechtsverordnung fördern soll. Die Einsichtnahme in die
Sachverständigengutachten soll gewährleisten, daß die selbst als sachverständig
eingestuften Verbände in qualifizierter Weise der Entscheidungsfindung zuarbeiten
können. Daß hier eine selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche
Rechtsposition gewährt werden sollte, d.h. ein wirksamer Anspruch der Verbände
auf die ordnungsgemäße Beteiligung an einem eingeleiteten
Verwaltungsverfahren, wenn auch ohne ein eigenes materielles Recht, zeigt vor
allem die Entstehungsgeschichte des § 29 BNatSchG (vgl. BT-Dr. 7/5251, S. 13).
Aus ihr geht hervor, daß das formelle Mitwirkungsrecht statt der auf die
Überprüfung von Gesetzgebungsinhalten ausgerichteten, damals von
verschiedenen Seiten während des Gesetzgebungsverfahrens geforderten
Verbandsklage geregelt worden ist. Das Mitwirkungsrecht sollte statt einer
Inhaltsüberprüfung auf eine Verfahrensbeteiligung beschränkt, nicht aber die
Rechtsschutzmöglichkeit als solche im ganzen genommen und den Behörden eine
folgenlose Rechtsverletzung ermöglicht werden.
Nach alledem führt die Verletzung des Mitwirkungsrechts nach § 29 Abs. 1 Nr. 1
BNatSchG schon allein zur Nichtigkeit der angefochtenen Verordnung (vgl. auch
BVerfGE 10, 221, 227, wo die Richtanhörung von Sachverständigen eine Norm
nichtig machte; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 1986, S. 306 f. geht davon
aus, daß bei gesetzlich vorgeschriebener Beteiligung ein diesbezüglicher
Verfahrensfehler in aller Regel nur zur Nichtigkeit der Norm führen könne).
Im übrigen läßt der Senat die von der streitbefangenen Verordnung aufgeworfenen
Rechtsfragen offen, weil es darauf im Ergebnis nicht mehr entscheidend ankommt.
Der Senat sieht deshalb davon ab, auf Rechtsfragen näher einzugehen, die durch3
N 3703/87 u. 3735/87 -29
europäische und bundesdeutsche Artenschutzregelungen, möglicherweise auch
jagd- und tierschutzrechtliche Aspekte aufgeworfen werden. Dasselbe gilt für
kompetenzrechtliche Fragen, die mit der Übertragung von
Feststellungsbefugnissen auf die obere Jagdbehörde nach § 1 VO verbunden sind.
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Die Voraussetzungen für die Vorlage der Sache an das Bundesverwaltungsgericht
gemäß § 47 Abs. 5 VwGO liegen nicht vor. Angesichts der Tatsache, daß die weit
überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, wie dargelegt, beim
Mitwirkungsrecht nach § 29 Abs. 1 BNatSchG von einem subjektiv-öffentlichen
Recht der Verbände ausgeht, das nicht folgenlos verletzt werden darf, sieht der
Senat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Für die Verfahren 3 N 3703/87 und 3 N 3735/87 beträgt der Streitwert bis zur
Verbindung jeweils 6.000,-- DM.
3 N 3703/87 u. 3735/87 -30
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.