Urteil des HessVGH vom 12.08.2008
VGH Kassel: aufschiebende wirkung, satzung, quelle, zivilprozessrecht, verwaltungsrecht, immaterialgüterrecht, grundstück, beitragsbemessung, beitragssatz, schlechterstellungsverbot
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 B 1314/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 11 KAG HE
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Gießen vom 27. Mai 2008 - 2 G 3738/07 - wird
zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren
auf einen Betrag von 1.602, - Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts, mit dem dieses die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2007
über einen Kläranlagenbeitrag angeordnet hat, ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Senat hat - auch unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren allein zu
überprüfenden dargelegten Beschwerdegründe der Antragsgegnerin (§ 146 Abs. 4
Satz 6 VwGO) - wie das Verwaltungsgericht ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des streitigen Beitragsbescheides, die es nach der im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO entsprechend
anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO rechtfertigen, die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin anzuordnen.
Das Verwaltungsgericht hat die Regelung über den Beitragsmaßstab für den
Beitrag für die Abwasserbehandlungsanlage in § 2 Abs. 3a Abwasserbeitrags- und
Gebührensatzung - AbwBGS - der Antragsgegnerin vom 3. Dezember 2004
beanstandet, nach der der Abwasserbeitrag nach der Grundstücksfläche unter
Zugrundelegung einer Höchstbemessungsgrenze pro Grundstück von 1000 m²
bemessen wird. Letzteres sei mit dem Grundsatz eines angemessenen
Vorteilsausgleichs nicht vereinbar, weil Grundstücke mit einer über 1000 m²
hinausgehenden Grundstücksfläche in nicht gerechtfertigter Weise gegenüber
kleineren Grundstücken bevorzugt würden. Diese Auffassung zieht auch die
Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung im Kern nicht in Zweifel. Sie
wendet sich vielmehr gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, aufgrund der
in der Satzung vorgesehenen rechtswidrigen Flächenbegrenzung sei die gesamte
Beitragsregelung über den Beitrag für die Abwasserbehandlungsanlage
unwirksam. Insofern geht der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin davon aus, der
Satzungsgeber hätte, wenn er die Unwirksamkeit der
Flächenbegrenzungsregelung gekannt hätte, die gleiche Regelung ohne diese
Begrenzung getroffen, so dass weiterhin eine ausreichende satzungsrechtliche
Grundlage für den streitigen Bescheid vorhanden sei. Eine im Nachhinein
angestellte Kalkulation habe außerdem ergeben, dass auch bei Zugrundelegung
der gesamten Grundstücksflächen keine Überdeckung des beitragsfähigen
Aufwandes eintrete.
Dieses Vorbringen entkräftet die ernstlichen Zweifel an der Wirksamkeit der
satzungsrechtlichen Beitragsregelung über den Beitrag für die
Abwasserbehandlungsanlage in § 2 Abs. 3a AbwBGS nicht. Vielmehr ist nicht
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Abwasserbehandlungsanlage in § 2 Abs. 3a AbwBGS nicht. Vielmehr ist nicht
sicher davon auszugehen, dass der Satzungsgeber bei Wissen um die
Unwirksamkeit der Flächenbegrenzung die gleiche Regelung ohne diese getroffen
hätte. Auch insofern teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts. Die
getroffene Regelung zeigt, dass der Satzungsgeber hinsichtlich größerer
Grundstücke eine zu hohe Belastung durch Beiträge für die
Abwasserbehandlungsanlage befürchtete. Insofern bestünde für ihn bei einer
Neuregelung etwa die Möglichkeit, durch die Einführung einer
Tiefenbegrenzungsregelung für in den Außenbereich hineinragende
Innenbereichsgrundstücke oder auch für Außenbereichsgrundstücke den nach § 11
Abs. 5 KAG maßgeblichen Vorteil, d.h. die baulich nutzbare Fläche, pauschaliert zu
bestimmen. Zum anderen hat der Satzungsgeber bei Zugrundelegung der
verminderten Fläche der Grundstücke mit einer Fläche von über 1000 m² und der
Festsetzung eines bestimmten Beitragssatzes zum Ausdruck gebracht, dass er
Einnahmen in der sich daraus ergebenden Höhe anstrebt. Bei Beibehaltung des
Beitragssatzes und Zugrundelegung der Gesamtflächen auch der Grundstücke mit
einer Größe von über 1000 m² ergäbe sich aber ein höheres gesamtes
Beitragsvolumen, was etwa bei einer rückwirkenden Satzungsänderung mit dem
Schlechterstellungsverbot des § Abs. 2 Satz 3 KAG nicht zu vereinbaren wäre.
Der Senat weist anlässlich des Beschwerdeverfahrens allerdings noch auf weitere
Bedenken in der Regelung über den Beitragsmaßstabs für den Teilbetrag für die
öffentliche Abwasserbehandlungsanlage in der Satzung der Antragsgegnerin hin.
So ist etwa nicht erkennbar, inwieweit ein zeitlich gestaffelter, der Höhe nach
unterschiedlicher Beitragssatz den Anforderungen einer ordnungsgemäßen
Globalkalkulation im Ergebnis genügen kann. Zweifel können auch bestehen,
inwieweit der reine Grundflächenmaßstab noch den Anforderungen an eine
vorteilsgerechte Beitragsbemessung genügt. Anknüpfungspunkt muss insofern
der voraussichtlichen Umfang der Inanspruchnahme der Einrichtung sein (vgl. zu
den Bedenken gegen die Verwendung des reinen Grundflächenmaßstabs:
Driehaus [Hrsg.], Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2008, § 8 Rdnr 878).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die
Höhe des Streitwerts auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 47
Gerichtskostengesetz - GKG -.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4 in
Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.