Urteil des HessVGH vom 11.03.1993

VGH Kassel: aufschiebende wirkung, stand der technik, körperliche unversehrtheit, abgabe von elektrizität, verwaltungsakt, öffentliches unternehmen, post, vorläufiger rechtsschutz, öffentliche aufgabe

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 TH 768/92
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 2 Abs 2 GG, § 3 Abs 1
BImSchG, § 22 Abs 1 S 1
Nr 1 BImSchG, § 107 BauO
HE, § 2a Abs 1 S 1 FAG
(Schädliche Umwelteinwirkungen eines Sendemastes des
Mobilfunks und Richtfunks für die Bevölkerung -
gesundheitlicher Unbedenklichkeitsnachweis)
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Eigentümer des Hausgrundstücks in, Gemarkung, Flur,
Flurstück, der Antragsteller zudem Eigentümer des für eine Hühnerfreilandhaltung
mit z. Z. 50 Legehennen genutzten Grundstücks Flur 1, Flurstück 161, der
Außenbereichsgrundstücke Flur 2, Flurstücke 90 und 108 sowie Pächter der
Flurstücke 12 und 119 in der Flur 2. Er unterhält einen landwirtschaftlichen Betrieb
mit einer Betriebsfläche von z. Z. etwa 8 ha.
Unter dem 18.06.1991 erteilte der Antragsgegner zu 2) der Antragsgegnerin zu 1
b) gemäß § 107 HBO die Zustimmung zur Errichtung einer Funkübertragungsstelle
mit Antennenträger auf dem von der Beigeladenen gepachteten Grundstück Flur
2, Flurstück 114/116. Der etwa 44 m hohe Sendemast ist inzwischen errichtet,
aber noch nicht mit Antennen versehen worden und befindet sich etwa 90 m
nordwestlich des Hausgrundstücks der Antragsteller, die dort mit ihrer Familie
wohnen. Wegen der Verpachtung des Baugrundstücks ist noch ein Zivilrechtsstreit
zwischen der Antragsgegnerin zu 1 b) und der Beigeladenen anhängig.
Der Antragsteller legte unter dem 01.12.1991 (Bl. 15 der Gerichtsakte - GA -) mit
der Begründung Widerspruch gegen die Zustimmung vom 18.06.1991 ein,
elektromagnetische Feldstärken und sogenannte Mikrowellen könnten mit ihrer
Strahlenbelastung zu Zellkernirritationen und Zellveränderungen, zu
Temperaturerhöhungen im Körper mit der Folge einer Schwächung des
Immunsystems, zu dauerhaftem Unwohlsein und zu Schäden an der Erbsubstanz
führen, was ihn in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und im
Hinblick auf die landwirtschaftliche Nutzung in seinem Eigentumsrecht verletze. Im
übrigen sei er nach § 3 Abs. 1 BImSchG unzulässigen erheblichen Belästigungen
ausgesetzt.
Den Widerspruch des Antragstellers wies das Regierungspräsidium D mit
Widerspruchsbescheid vom 13.12.1991 (Bl. 27 in der Akte des anhängigen
Klageverfahrens beim VG Wiesbaden III/V E 5/92) als unzulässig mit der
Begründung zurück, das Land Hessen sei der falsche Adressat des eingelegten
Widerspruchs, verantwortlich für das Vorhaben als öffentlicher Bauherr sei allein
die Oberpostdirektion F Über die am 03.01.1992 anhängig gewordene
Anfechtungsklage des Antragstellers, der die Antragstellerin sich später
angeschlossen hat, ist noch nicht entschieden worden.
Der am 16.12.1991 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellte Eilantrag des
Antragstellers, dem die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 03.06.1992 (Bl. 396 GA
II) beigetreten ist, richtete sich zunächst nur gegen die Antragsgegnerin zu 1 b).
Nach richterlichen Hinweisen der Verwaltungsgerichte Frankfurt am Main und
Mainz sind die Antragsgegnerin zu 1 a) und der Antragsgegner zu 2) einbezogen
und der Rechtsstreit zuletzt an das Verwaltungsgericht Wiesbaden verwiesen
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und der Rechtsstreit zuletzt an das Verwaltungsgericht Wiesbaden verwiesen
worden.
Der Antragsteller, der unter dem 03.12.1991 (Bl. 22 GA I) auch Widerspruch gegen
die Antragsgegnerin zu 1 b) eingelegt und vorgerichtlich erfolglos einen Baustop
begehrt hatte, hat zur Begründung des Eilantrags geltend gemacht, die
Zustimmung der oberen Bauaufsichtsbehörde nach § 107 HBO sei ein
Verwaltungsakt. Dem Widerspruch komme deshalb aufschiebende Wirkung zu. Im
übrigen wiederholt er die im Widerspruch bereits gerügte Verletzung von
Grundrechten und nachbarschützenden immissionsschutzrechtlichen Vorschriften.
Um die Strahlenbelastung für die Nachbarschaft zu verringern, sei es notwendig,
die Anlage in größerer Entfernung von Wohngebieten zu errichten und nicht
unmittelbar am Ortsrand. Die rechtswidrige Fortführung der Bauarbeiten stelle
eine Mißachtung des Suspensiveffekts durch faktischen Vollzug dar. Der Eilantrag
richte sich auch gegen die Antragsgegnerin zu 1 b) als öffentlich-rechtlicher
Bauherrin, weil der Antragsgegner zu 2) als obere Bauaufsichtsbehörde die
Beachtung des Suspensiveffekts im Hoheitsbereich der Antragsgegnerin zu 1 b)
als selbständigem Verwaltungsträger nicht durchsetzen könne.
In der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug vom 06.03.1992 hat der
Antragsteller erklärt (Bl. 228 GA I), sein Antrag richte sich nach den Hinweisen der
Verwaltungsgerichte Frankfurt am Main und Mainz gegen die Antragsgegnerin zu 1
b) und den Antragsgegner zu 2).
Der Antragsteller hat im ersten Rechtszug beantragt (Bl. 229 GA I),
ihm einstweiligen Rechtsschutz gegen die Errichtung und den Betrieb eines
Sendemastes als Funkübertragungsanlage in der Stadt L, Gemarkung R, Flur 2,
Flurstück 114/116 zu gewähren.
Die Antragsgegner haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin zu 1 a) hat geltend gemacht, sie sei nicht passiv legitimiert.
Bauherr und Betreiber sei die Antragsgegnerin zu 1 b).
Die Antragsgegnerin zu 1 b) hat erklärt, gemäß § 1 Fernmeldeanlagengesetz -
FAG - obliege ihr die öffentliche Aufgabe der Telekommunikationsversorgung der
Bevölkerung in L. Dafür seien der Bau und Betrieb der Funkanlage unbedingt
erforderlich. Sie trägt weiter vor, die Zustimmung nach § 107 HBO beinhalte die
bauordnungsrechtliche Genehmigung zum Errichten eines Antennenträgers und
seine grundsätzliche Nutzbarkeit als Rundfunkempfangsstelle, Richtfunk- und
Mobilfunksender, nicht aber die konkrete Nutzung. Letztere erfolge aufgrund der
Zulassung durch das Zentralamt für Zulassungen im Fernmeldewesen (ZZF) in S,
jetzt umbenannt in Bundesamt für Zulassungen in der Telekommunikation (BZT).
Die Funkübertragungsstelle sei sicherheitstechnisch völlig unbedenklich. Von ihr
gingen keine gesundheitlichen Gefährdungen aus, zumal den strengen
Anforderungen des Entwurfs der DIN VDE 0848 vom Oktober 1991 (Bl. 114 ff. GA I)
genügt sei. Die Antragsgegnerin zu 1 b) legt dazu Berechnungen vor, aus denen
sich ergebe, daß jede Gefahr auszuschließen sei (Bl. 107 ff. GA I).
Der Antragsgegner zu 2) ist der Ansicht, er sei nicht der richtige Antragsgegner.
Nach § 107 Abs. 8 HBO habe allein der öffentliche Bauherr dafür einzustehen, daß
bauliche Anlagen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entsprächen. Ansprüche
Dritter könnten deshalb nur gegen den öffentlichen Bauherrn gerichtet werden.
Die Beigeladene hat sich im ersten Rechtszug dem Antrag des Antragstellers
angeschlossen.
Sie trägt vor, bei Abschluß des Gestattungs- bzw. Pachtvertrages sei sie arglistig
getäuscht worden. Die Antragsgegnerin zu 1 b) habe nur unzureichend bzw.
mangelhaft informiert und die gesundheitlichen Gefahren verschwiegen.
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat dem Eilantrag mit Beschluß vom
06.03.1992 stattgegeben und den Antragsgegner zu 2) verpflichtet, die
Antragsgegnerin zu 1 b) nachdrücklich auf die Unzulässigkeit des Weiterbauens an
dem streitigen Vorhaben hinzuweisen sowie die Antragsgegnerin zu 1 b), die
Bauarbeiten an dem Vorhaben sofort einzustellen. Das Verwaltungsgericht hat die
Zustimmung als Verwaltungsakt angesehen, gegen den der Widerspruch
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Zustimmung als Verwaltungsakt angesehen, gegen den der Widerspruch
aufschiebende Wirkung entfalte. Die Widerspruchsbefugnis sei gegeben, zumal
auch die Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung Gesundheitsgefahren
nicht völlig ausgeschlossen hätten.
Die Antragsgegnerin zu 1 b) hat gegen den ihr am 20.03.1992 zugestellten
verwaltungsgerichtlichen Beschluß am selben Tage und der Antragsgegner zu 2)
gegen den ihm am 24.03.1992 zugestellten Beschluß am 02.04.1992 (Bl. 278, 286
GA II) Beschwerde eingelegt.
Die Antragsgegnerin zu 1 b) macht geltend, der Antrag sei unzulässig, soweit er
sich gegen den Antragsgegner zu 2) richte. Die Zustimmung nach § 107 HBO
berühre den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Im übrigen fehle für den
Eilantrag gegen die Zustimmung der oberen Bauaufsichtsbehörde die
erforderliche Antragsbefugnis. Die Verletzung nachbarschützender Vorschriften
des Baurechts sei weder gerügt noch sonst ersichtlich. Grundrechtlich geschützte
Positionen des Antragstellers seien durch die Zustimmung allenfalls mittelbar
berührt. Eine schwere und unerträgliche Beeinträchtigung des Eigentums sei nicht
ersichtlich, und das Maß des Unerheblichen überschreitende
Gesundheitsgefährdungen seien nicht erkennbar. Funkübertragungsanlagen
gehörten wie vergleichbare Quellen elektromagnetischer Strahlung zum Bild des
täglichen Lebens, die zwar niemand als "gesund" ansehen würde, die aber keine
nennenswerten Gesundheitsbelastungen mit sich brächten und die deshalb als
"nicht gesundheitsbelastend" akzeptiert würden, so zum Beispiel Rundfunk- und
Fernsehsender sowie eine Vielzahl von Haushaltsgeräten wie Fernseher und
Mikrowellengeräte. Diese Strahlungsquellen seien als sozialadäquat hinzunehmen.
Nach § 80 a Abs. 3 VwGO sei das Verwaltungsgericht nicht berechtigt gewesen,
unmittelbar gegenüber dem Bauherrn Maßnahmen wie den ausgesprochenen
Baustop zu treffen. Das Gericht hätte nach § 123 VwGO im Rahmen eines
einstweiligen Anordnungsverfahrens die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage
prüfen müssen, die nicht gegeben seien. Nach den in Europa und der übrigen Welt
geltenden Maßstäben sei hier eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen. In
diesem Zusammenhang wird auf eine Feldstärkenberechnung vom 25.02.1992 (Bl.
307 GA II) verwiesen, darüber hinaus auf eine gemäß der Verfügung 95/1992 (VfG
95/1992) des Bundesministers für Post und Telekommunikation (BMPT) vom
01.07.1992 (Amtsblatt BMPT 12/92, S. 275 - Bl. 535 GA III) erlassene
Bescheinigung des Bundesamts für Post und Telekommunikation (BAPT) vom
07.07.1992 (Bl. 538 GA III) mit einem Datenblatt Sicherheitsabstand (Bl. 539 GA
III), wo für den Expositionsbereich 2 mit zeitlich unbegrenztem Personenaufenthalt
für den streitbefangenen Standort Lorch 3 (Ransel) ein Sicherheitsabstand von
3,60 m bestimmt ist. Mit diesen Berechnungen aufgrund der technischen Regeln
des Verbandes deutscher Elektrotechniker (VDE) einschließlich des Entwurfs der
DIN VDE 0848 Teil 2 vom Oktober 1991 sei die Sicherheit der
Funkübertragungsanlage nachgewiesen. Gemäß § 1 der Zweiten
Durchführungsverordnung zum Energiewirtschaftsgesetz (II. DVO EnWG) vom
14.01.1987 (BGBl. I S. 146) stellten die VDE-Regeln die bei der Errichtung und
Unterhaltung von Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung und Abgabe von Elektrizität
einzuhaltenden anerkannten Regeln der Technik dar. Die VDE-Regeln seien eine
Art "antezipiertes Sachverständigengutachten" bzw. ein "normkonkretisierendes
technisches Regelwerk", das als sicherer Anhaltspunkt für die Beurteilung etwa
gesundheitsgefährdender Einwirkungen gelte. Die vom Antragsteller vorgelegten
Gutachten enthielten rein private Stellungnahmen, die keinen Anlaß gäben, von
den Grenzwerten der VDE-Kommission abzuweichen. Dazu wird im einzelnen auf
eine Stellungnahme der Oberpostdirektion F - Gebietsvertretung Mobilfunk - mit
mehreren Anlagen hingewiesen (Bl. 484 GA III).
Baurechtlich seien nachbarschützende Bestimmungen nicht verletzt,
insbesondere nicht das Gebot der Rücksichtnahme. Gegen rein optische
Beeinträchtigungen werde kein Nachbarschutz gewährt. Abstandsrechtlich gingen
von Fernmeldetürmen oder -masten keine Wirkungen wie von Gebäuden aus, was
das Hessische Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft,
Forsten und Naturschutz (HMLWLFN) in einem Schreiben vom 16.05.1991 - VIII A
4-61 a 02/23-153/91 - (Bl. 540 GA III) für den Außenbereich bestätigt habe.
Mangels verletzter nachbarschützender Vorschriften des Baurechts fehle den
Antragstellern bereits die Klage- und Antragsbefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2
VwGO, zumal auch die Funktionsweise von einzelnen Antennen und die von diesen
ausgehenden Wirkungen im Hinblick auf die ausschließliche post- und
fernmelderechtliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 73 Nr. 7
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fernmelderechtliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 73 Nr. 7
GG und die alleinige Verwaltungskompetenz des Bundes für das Post- und
Fernmeldewesen gemäß Art. 87 Abs. 1 GG nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen
Prüfung der Länder sei. Das Verfahren für die Zulassung von Funkanlagen habe
der Bundesminister für Post und Telekommunikation gemäß § 2 a FAG durch
Rechtsverordnung abschließend geregelt und zusätzlich die Amtsblattverfügung
vom 01.07.1992 erlassen. Die Zulassung durch das BAPT dürfe nur erteilt werden,
wenn durch den Betrieb der zu errichtenden Funkanlage Personen nicht
geschädigt oder gefährdet werden. Eine Gesundheitsgefährdung der Antragsteller
sei hier ausgeschlossen.
Der Antragsgegner zu 2) macht zur Begründung seiner Beschwerde ebenfalls
geltend, der Eilantrag sei unzulässig. Der Zustimmungsbescheid sei jedenfalls
gegenüber Dritten kein Verwaltungsakt im Sinne des § 80 a VwGO, so daß ein
entsprechender Eilantrag gegen die Zustimmungsbehörde nicht statthaft sei. Die
Unzulässigkeit des Eilantrags folge auch aus der fehlenden Klagebefugnis, da
nachbarschützende Vorschriften, namentlich das Gebot der Rücksichtnahme, nicht
verletzt seien. Nach den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission vom
04.02.1992 (Bundesanzeiger Nr. 43 S. 1538 ff.) könne bei Einhaltung der im VDE-
Entwurf vorgeschriebenen Grenzwerte davon ausgegangen werden, daß beim
derzeitigen Kenntnisstand allenfalls im unmittelbaren Umfeld von etwa 2 - 3 m der
Funkübertragungsanlage eine gesundheitliche Gefahr bestehe.
Die Antragsgegnerin zu 1 b) und der Antragsgegner zu 2) beantragen sinngemäß,
den Beschluß des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 6. März 1992 - III/V H 85/92
- aufzuheben und die Anträge abzulehnen.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Die Antragsteller halten beide Beschwerden für unzulässig. Der Antragsgegnerin
zu 1 b) fehle das erforderliche Rechtsschutzinteresse, weil sie durch eine
Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses keinerlei nennenswerten Vorteile
erlangen könne. Dies beruhe darauf, daß weitere unmittelbare und mittelbare
Grundstücksnachbarn ebenfalls Widerspruch gegen die Zustimmung vom
18.06.1991 eingelegt hätten, über die noch nicht entschieden worden sei. Diese
selbständigen anderweitigen Rechtsbehelfe entfalteten eigenständig eine
aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO. In Folge des Suspensiveffekts
könne die Antragsgegnerin zu 1 b) selbst dann die Bauarbeiten nicht fortsetzen,
wenn ihre Beschwerde Erfolg haben sollte. Dabei sei zu beachten, daß das
Hessische Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten
und Naturschutz für geplante sowie für bereits genehmigte Sendeanlagen ein
Gutachten über die gesundheitliche Unbedenklichkeit gefordert habe, was bisher
nicht geschehen sei.
Für die Beschwerde des Antragsgegners zu 2) fehle ebenfalls das
Rechtsschutzinteresse. Als Widerspruchsbehörde sei der Antragsgegner zu 2)
immer Adressat eingelegter Widersprüche, wovon er die Bauherrin zu unterrichten
und sie aufzufordern habe, von der Bauerlaubnis keinen Gebrauch zu machen.
Was das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner zu 2) aufgegeben habe, sei eine
geringfügige Verpflichtung, die lediglich deklaratorischen Charakter habe.
Die Beschwerden seien auch unbegründet. Die Zustimmung sei ein
Verwaltungsakt, so daß die zulässigen Widersprüche und Klagen aufschiebende
Wirkung hätten. Für die Eilanträge sei die Antragsbefugnis gegeben. Schon das
Verwaltungsgericht habe ausgeführt, daß keiner der Antragsgegner die
befürchteten Rechtsverletzungen habe ausschließen können. Es sei vielmehr in
der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug allseits ausdrücklich
zugestanden worden, daß gesundheitsschädigende Auswirkungen auf die
Antragsteller denkbar und möglich seien. Den Einwirkungen auf Körper und
Gesundheit seien sie ständig, dauerhaft und unentrinnbar ausgesetzt. Der
subjektiven Rechtsverletzung stehe auch die nur behauptete, aber nicht erwiesene
Einhaltung der einschlägigen Grenzwerte des Entwurfs der DIN VDE 0848 Teil 2
vom Oktober 1991 nicht entgegen. Dieses technische Regelwerk habe keine
absolute, quasi gesetzliche Geltung. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts stellten DIN-Normen auch Vereinbarungen
interessierter Kreise dar, die eine bestimmte Einflußnahme auf das
Marktgeschehen bezweckten. Den Anforderungen, die an die Neutralität und
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Marktgeschehen bezweckten. Den Anforderungen, die an die Neutralität und
Unvoreingenommenheit gerichtlicher Sachverständiger zu stellen seien, genügten
sie deswegen nicht. Dazu, daß auch bei Beachtung der maßgeblichen Grenzwerte
Gesundheitsgefahren durch den Betrieb der streitbefangenen Senderanlage nicht
ausgeschlossen seien, legen die Antragsteller mehrere gutachtliche
Stellungnahmen vor. Sie tragen weiter vor, bei der im D-Netz eingesetzten
digitalen Übertragungstechnik würden niederfrequent gepulste Hochfrequenzen
(900 MHz) abgestrahlt, die zu einer veränderten Calcium-Ausscheidung im Gehirn
führten. Die aus wissenschaftlicher Sicht zu hoch liegenden Grenzwerte
berücksichtigten die Wirkung gepulster Strahlung auf biologische Systeme nicht.
Bei einer Inbetriebnahme der Sendeanlage sei mit erheblichen
Gesundheitsgefährdungen und im einzelnen voraussehbaren Gesundheitsschäden
zu rechnen.
Der nach den §§ 80, 80 a VwGO, nicht nach § 123 VwGO zulässige Eilantrag sei
wegen der Mißachtung des Suspensiveffekts durch faktischen Vollzug auch
begründet. Hilfsweise wird geltend gemacht, daß im übrigen auch der Erlaß einer
einstweiligen Anordnung geboten wäre, zumal bei einer Interessenabwägung zu
berücksichtigen sei, daß die Antragsgegnerin zu 1 b) nicht zwingend auf die
wohngebietsnahe Plazierung des Sendemastes angewiesen sei. Außerhalb eines
besonders gefährdeten Nahbereichs mit einem Radius von 3 km um Wohngebiete
böten sich Alternativstandorte an. Eine wohngebietsferne Installation dränge sich
von den örtlichen Gegebenheiten förmlich auf, wovon jedoch aus wirtschaftlichen
Gründen abgesehen worden sei. Die ortsnahe Errichtung der Sendeanlage sei von
der Stromversorgung her kostengünstiger.
Dem Antragsgegner zu 2) sei der Vorwurf zu machen, daß er unter Verstoß gegen
den Untersuchungsgrundsatz des § 24 HessVwVfG den entscheidungserheblichen
Sachverhalt nicht sachgerecht und vollständig ermittelt und bewertet habe. Ein
Unbedenklichkeitsgutachten sei bisher nicht vorgelegt worden. Die Prüfung der
immissionsschutzrechtlichen Voraussetzungen nach § 22 BImSchG sei auch nicht
wegen der weiteren Zulassung des Sendebetriebs durch das ZZF (jetzt BZT) in S
entbehrlich. Diese Prüfung sei nicht anlagenbezogen, sondern erfolge nach Art
einer Typenmusterprüfung, also pauschal, und prüfe Gefahren für Dritte nur dann,
wenn die Anlage von einem Privaten betrieben werde, was hier nicht der Fall sei.
Zur besonderen persönlichen Gefährdungslage der Antragstellerin wird schließlich
nachgetragen, daß sie Trägerin eines künstlichen Hüftgelenks sei, dieses Implantat
auch Metallteile enthalte und ihm deshalb eine besondere Leiterfunktion
zukomme.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls (Bl. 280 GA II),
die Beschwerden zurückzuweisen.
Ihrer Ansicht nach ist die Zustimmung ein Verwaltungsakt, der hier rechtswidrig
sei, weil der Antragsgegner zu 2) seiner Prüfungspflicht in dem notwendigen
Umfang nicht nachgekommen sei. Bei einer Interessenabwägung seien die
gesundheitlichen Belange der Bürger vorrangig gegenüber der
Telekommunikationsversorgung. Die Antragsgegnerin zu 1 b) habe selbst
öffentlich darauf hingewiesen, daß die Strahlenschutzkommission noch
Forschungsbedarf sehe und das Bundesumweltministerium weitere Forschungen
fördere. Insgesamt habe der Antragsteller alle wesentlichen Voraussetzungen für
die Anwendbarkeit des § 80 a VwGO dargelegt. Es wäre Aufgabe der
Antragsgegnerin zu 1 b) gewesen, einen Standort auszusuchen, der nicht zu nahe
an der Wohnbebauung liege. Der streitbefangene Sendemast diene nicht der
Vermeidung nennenswerter Engpässe in der Versorgungsstruktur im Bereich L.
Dem Senat liegen drei Hefter Unterlagen vor, die den streitbefangenen
Sendemast betreffen, ebenso die Gerichtsakte des beim Verwaltungsgericht
Wiesbaden noch anhängigen Klageverfahrens III/V E 5/92. Diese Beiakten sind
Gegenstand der Beratung gewesen. Auf ihren Inhalt wird ebenso wie auf die
gewechselten Schriftsätze der Beteiligten ergänzend Bezug genommen.
II. Die Beschwerden der Antragsgegnerin zu 1 b) und des Antragsgegners zu 2)
sind mit der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung des
verwaltungsgerichtlichen Ausspruchs und der gerichtlichen Feststellung der
aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller zurückzuweisen. Dabei ist zu
beachten, daß der ursprünglich auch gegen die Antragsgegnerin zu 1 a) gerichtete
Eilantrag im Beschwerdeverfahren nicht anhängig geworden ist.
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Die Beschwerden sind zulässig. Ein Beschwerdeinteresse ist in beiden Fällen
gegeben. Die Antragsgegnerin zu 1 b) ist durch den angefochtenen
verwaltungsgerichtlichen Beschluß an einer Fortführung der Bauarbeiten gehindert.
In diesem Zusammenhang ist es unbeachtlich, ob noch weitere
Grundstückseigentümer aus der näheren Umgebung des streitbefangenen
Sendemastes ebenfalls Widerspruch gegen die Zustimmung eingelegt haben.
Jedenfalls würde ein Erfolg der Antragsgegnerin zu 1 b) in diesem
Beschwerdeverfahren ihre Rechtsposition zur weiteren Ausnutzung der
Zustimmung verbessern, womit ein Beschwerdeinteresse gegeben ist.
Der Antragsgegner zu 2) ist ebenfalls einem belastenden, seine Handlungsfreiheit
einschränkenden verwaltungsgerichtlichen Ausspruch in einem Eilverfahren
ausgesetzt. Auch wenn die Belastung mit der Pflicht, die Antragsgegnerin zu 1 b)
auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Zustimmung
hinzuweisen, verhältnismäßig geringfügig sein mag, stellt diese dem
Antragsgegner zu 2) nach einer intensiven verwaltungsgerichtlichen Erörterung im
angefochtenen Eilbeschluß auferlegte Handlungsanweisung mindestens rechtlich
eine Belastung mit Auswirkungen für zukünftige Fälle dar. Die Anerkennung der
aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs bzw. einer Klage muß im
Rechtsmittelzug auch in der Sache gerichtlich überprüfbar sein, zumal der
Eilrechtsschutz der Antragsteller insoweit in erster Linie auf die
Verwaltungsaktqualität der Zustimmung und die zwischen den Beteiligten streitige
aufschiebende Wirkung gestützt wird.
Die Beschwerden sind jedoch unbegründet und mit der Maßgabe zurückzuweisen,
daß die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die Zustimmung
vom 18.06.1992 festgestellt wird (vgl. dazu Kopp, VwGO, Komm., 9. Aufl. 1992, §
80 Rdnr. 75).
Eine Auslegung des ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung im
ersten Rechtszug allgemein auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Errichtung
und den Betrieb des streitbefangenen Sendemastes gerichteten Eilantrags der
Antragsteller ergibt, daß ihrem Sicherungsbegehren gegen die faktische
Vollziehung (vgl. dazu Kopp, a.a.O., § 80 Rdnrn. 10 und 75) der Antragsgegnerin zu
1 b) mit dem gerichtlichen Feststellungsausspruch ausreichend genügt wird. Die
Antragsteller streiten mit den Beschwerdeführern im wesentlichen um die
Zulässigkeit des Widerspruchs und damit seine aufschiebende Wirkung (vgl. zu
diesem Zusammenhang Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im
Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl. 1986, Rdnrn. 512 ff.), weshalb eine
entsprechende gerichtliche Feststellung ihren mit dem Eilverfahren verfolgten
rechtlichen Interessen hinreichend entspricht. In bezug auf die Antragsgegnerin zu
1 b) als öffentlicher Bauherrin ist dabei von Bedeutung, daß seit Inkrafttreten des
4. VwGOÄndG der Widerspruch eines Nachbarn gegen eine Zustimmung nicht nur
zur aufschiebenden Wirkung gegenüber der Zustimmungsbehörde führt, sondern
auch gegenüber dem öffentlichen Bauherrn (vgl. Hess. VGH, Beschluß vom
30.01.1991 - 4 TG 3243/90 - NVwZ 91, 592 = DÖV 91, 745 = HessVGRspr. 91, 50).
Eines ausdrücklichen Bau- und Nutzungsstops bedürfen die Antragsteller hier
nicht, weil die nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebundene
Antragsgegnerin zu 1 b) nach ihren eigenen Angaben eine gerichtlich festgestellte
aufschiebende Wirkung respektieren wird. So hat sie in ihrem Schriftsatz vom
16.01.1992 (Bl. 83 GA I) zum Suspensiveffekt eines Widerspruchs erklärt, man
könne nicht erwarten, daß der durch den Verwaltungsakt Begünstigte selbst die
Vollziehung aussetze und Maßnahmen zur Sicherung der Rechte eines Dritten
ergreife, ohne daß eine Behörde oder ein Gericht die Berechtigung des
Widerspruchs geprüft habe. Dies gelte auch dann, wenn der Begünstigte selbst
eine Behörde sei. Die Antragsgegnerin zu 1 b) hat damit zu erkennen gegeben,
daß sie eine gerichtliche Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines zulässigen
Drittwiderspruchs beachtet und daraus von selbst entsprechende rechtliche und
tatsächliche Konsequenzen zieht.
Gegenüber dem Antragsgegner zu 2) kommt mehr als ein Feststellungsausspruch
zur Interessendurchsetzung der Antragsteller schon deshalb nicht in Betracht, weil
bauaufsichtliche Baueinstellungsverfügungen nach § 102 HBO bei Vorhaben des
Bundes und der Länder nach § 107 Abs. 8 Satz 2 HBO gesetzlich ausgeschlossen
sind.
Der Parteibeitritt der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren stellt eine gemäß §
91 VwGO analog zulässige subjektive Antragserweiterung dar (vgl. Kopp, a.a.O., §
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91 VwGO analog zulässige subjektive Antragserweiterung dar (vgl. Kopp, a.a.O., §
91 Rdnr. 7). Die als Feststellungsanträge auszulegenden Eilanträge nach § 80 Abs.
5 VwGO sind zulässig, insbesondere statthaft. Das Verwaltungsgericht hat
zutreffend ausgeführt, daß die gemäß § 107 Abs. 1 Satz 1 HBO erfolgte
Zustimmung der oberen Bauaufsichtsbehörde zu dem streitbefangenen
Sendemast einen Verwaltungsakt darstellt (vgl. Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches
Baurecht, 2. Aufl. 1990, Band II, S. 67; Finkelnburg/Jank, a.a.O. Rdnr. 897;
Rasch/Schaetzell, HBO, Komm., Stand: 8/1992, § 107 Anm. zu Abs. 7/8; Simon,
BayBauO, Komm., Stand: 10/1991, Art. 86 Rdnr. 6).
Die Zustimmung ist trotz der Beteiligung zweier staatlicher Institutionen kein
Verwaltungsinternum, sondern eine hoheitliche behördliche Einzelfallregelung auf
öffentlich-rechtlichem Gebiet mit unmittelbarer Außenwirkung im Sinne des § 35
Satz 1 HVwVfG. Sie beinhaltet wie und anstelle einer Baugenehmigung ein Bau-
und Nutzungsrecht für das jeweilige Vorhaben. Zur Klarstellung sei darauf
hingewiesen, daß auch schon die frühere Rechtsprechung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs die Verwaltungsaktqualität der bauaufsichtlichen
Zustimmung bejaht hatte (vgl. Urteil vom 25.01.1963 - OS IV 19/62 -; Beschluß
vom 15.01.1964 - B IV 1/64 -, DÖV 1964, 783). Allerdings war in diesen unter der
Geltung des § 80 Abs. 1 VwGO 1960 ergangenen Entscheidungen einem
Widerspruch keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, weil man von einem
feststellenden und nicht von einem vollziehbaren oder rechtsgestaltenden
Verwaltungsakt ausging. Nunmehr ist in der Neufassung des 4. VwGOÄndG vom
17.12.1990 (BGBl. I S. 2809) ausdrücklich geregelt, daß die aufschiebende Wirkung
von Widerspruch und Anfechtungsklage auch feststellende und Verwaltungsakte
mit Doppelwirkung erfaßt.
Die Antragsteller sind widerspruchs- und antragsbefugt. Sie haben zulässige
Anfechtungsklagen gegen die Zustimmung vom 18.06.1991 erhoben. Sie können
im Eilverfahren entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch diesen
Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das fehlende Vorverfahren für
die Antragstellerin ist unschädlich, weil seine Durchführung nach der kurzhändigen
Zurückweisung des Widerspruchs ihres Ehemannes durch die
Widerspruchsbehörde als unzulässig nunmehr eine bloße Förmelei wäre.
Die Antragsteller machen zunächst immissionsschutzrechtlich relevante
schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BImSchG geltend, die die Zustimmungsbehörde hätte prüfen müssen. Die
einschlägige landesrechtliche Norm ist § 107 Abs. 4 Satz 2 HBO, wonach die obere
Bauaufsichtsbehörde u. a. die Übereinstimmung zustimmungsbedürftiger
Vorhaben mit Vorschriften, die dem Schutze Dritter dienen, festzustellen hat.
Dieses Gebot bezieht sich nicht nur auf drittschützende baurechtliche
Bestimmungen, wie etwa das Abstandsrecht, sondern auch auf
immissionsschutzrechtliche Vorschriften (vgl. Simon, BayBauO, Kommentar,
Stand: 2/1991, Art. 86 Rdnr. 20; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Rdnr. 33
vor § 22 BImSchG m.w.N.). Dabei kommt den Vorschriften zur Abwehr schädlicher
Umwelteinwirkungen im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG
nachbarschützender Charakter zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.07.1986 - 4 C 31.84
- BVerwGE 74, 315 = DÖV 1987, 293 und vom 03.04.1987 - 4 C 41.84 - NVwZ
1987, 884; Hess. VGH, Urteil vom 04.07.1985 - 3 OE 22/82 - UPR 1986, 354).
Landesrechtlich ist für das Verhältnis von Bau- und Immissionsschutzrecht § 2
Abs. 4 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Bundes-
Immissionsschutzgesetz vom 24.01.1991 (GVBl. I S. 27) zu beachten, wonach die
Bauaufsichtsbehörde zuständig ist für Anordnungen nach § 24 BImSchG im
Rahmen von Baugenehmigungs-, Bauanzeige- und Zustimmungsverfahren (vgl.
Hess. VGH, Beschluß vom 28.07.1977 - IV TG 42/77 - ESVGH 27, 225). Nunmehr
ist § 2 Abs. 3 der VO vom 24.01.1991 (GVBl. I S. 27) i.d.F. vom 03.01.1992 (GVBl. I
S. 4) maßgeblich.
Als physikalische Phänomene unterfallen die bei dem streitbefangenen
Sendebetrieb im C-Netz und D-Netz des Mobilfunks sowie der
Richtfunkübertragung entstehenden elektrischen und magnetischen Wellen bzw.
nichtionisierenden Strahlen den Vorschriften des
Bundesimmissionsschutzgesetzes nach den Begriffsbestimmungen für
Immissionen und Emissionen nach § 3 Abs. 2 und 3 BImSchG. Dazu zählen
insbesondere die Mikrowellen (Jarass, DVBl. 1983, 725, 726 1. Sp. o.), die vom
streitbefangenen Standort aus mit Frequenzen von 450 MHz im C-Hetz, 900 MHz
im D1-Netz und 14,613 GHz im Richtfunk eingesetzt werden sollen (vgl. Datenblatt
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im D1-Netz und 14,613 GHz im Richtfunk eingesetzt werden sollen (vgl. Datenblatt
Sicherheitsabstand Bl. 539 GA III). Zum Mikrowellenbereich elektromagnetischer
Strahlung zählen Frequenzen von 300 MHz bis 300 GHz (vgl. Leitgeb, Strahlen,
Wellen, Felder, Stuttgart, New York, 1990, S. 135 Tab. 4). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1
BImSchG sind Strahlen von den Vorschriften des
Bundesimmissionsschutzgesetzes nur im Zusammenhang mit radioaktiven
Stoffen ausgenommen worden, die den Vorschriften des Atomgesetzes oder einer
hiernach erlassenen Rechtsverordnung unterliegen, soweit es sich um den Schutz
vor den Gefahren der Kernenergie und der unterschiedlichen Wirkung ionisierender
Strahlen handelt.
Soweit das hier einschlägige Gebot des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG,
immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten
und zu betreiben, daß schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach
dem Stand der Technik vermeidbar sind, bzw. nach dem Stand der Technik
unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt
werden, nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BImSchG bei Anlagen, die nicht gewerblichen
Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen
Verwendung finden, Einschränkungen unterliegt, greifen diese hier nicht ein. Nach
§ 1 Abs. 2 PostVerfG ist die Antragsgegnerin zu 1 b) als öffentliches Unternehmen
ein Teil der Deutschen Bundespost, der nach § 1 Abs. 1 Satz 3 in Wahrnehmung
ihres öffentlichen Auftrags im nationalen und internationalen Bereich
unternehmerische und betriebliche Aufgaben des Post- und Fernmeldewesens
obliegen. Die Antragsgegnerin zu 1 b) ist ein wirtschaftliches Unternehmen, das
sich beim Aufbau mindestens deutschlandweiter Mobilfunknetze und beim Vertrieb
der Endgeräte auch im wirtschaftlichen Wettbewerb mit anderen Anbietern
befindet.
Die zwingende Beachtung der Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes
und der auch immissionsschutzbezogenen landesbaurechtlichen Bestimmung des
§ 107 Abs. 4 Satz 2 HBO ist auch nicht verfassungsrechtlich dadurch
ausgeschlossen, wie die Antragsgegnerin zu 1 b) meint, daß der Bund gemäß Art.
73 Nr. 7 GG die ausschließliche Gesetzgebung für das Post- und Fernmeldewesen
hat und die Bundespost gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG in bundeseigener
Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt wird. Als Teil der öffentlich-
rechtlich organisierten Bundespost ist die Antragsgegnerin zu 1 b) nicht nur an das
spezielle Postrecht gebunden, sondern nach Art. 20 Abs. 3 GG als Teil der
vollziehenden Gewalt auch an das übrige Bundesrecht und an das Landesrecht,
wenn es, wie hier, vom Landesgesetzgeber in Wahrnehmung seiner
Gesetzgebungskompetenz verfassungskonform erlassen worden ist (vgl. BVerwG,
Urteil vom 20.01.1989 - 4 C 15.87 - NuR 1989, 345; Urteil vom 30.07.1976 - IV A
1.75 - DÖV 1976, 749, 750 m.w.N.; Salzwedel NuR 1984, 165). Die
immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen und ihre verfahrensmäßig
vorgeschriebene Beachtung im Baugenehmigungs- bzw. Zustimmungsverfahren
sind Bestandteil des vom Bundes- und Landesgesetzgeber entwickelten
Instrumentariums zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor
schädlichen Umwelteinwirkungen.
Das Postrecht geht den baurechtlichen und immissionsschutzrechtlichen
Bestimmungen mithin nicht generell, aber auch nicht mit verdrängender Wirkung
spezialgesetzlich vor. Das Post- und Fernmeldeanlagenrecht regelt keinen Schutz
der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Gefahren, erheblichen Nachteilen
und erheblichen Belästigungen durch nichtionisierende Strahlen bzw.
elektromagnetische Felder. Anders als das Bundesimmissionsschutzgesetz nach §
3 Abs. 1 BImSchG umfaßt das Verfahren für die Zulassung von Funkanlagen nach
§ 2 a Abs. 1 Satz 1 und 2 FAG und die dazu erlassene Verordnung über die
Zulassung von Telekommunikationseinrichtungen
(Telekommunikationszulassungsverordnung - TKZulV) vom 22.03.1991 (BGBl. I S.
756) i.d.F. vom 28.09.1992 (BGBl. I S. 1678) nicht den allgemeinen
Personenschutz der Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinwirkungen von
Funkübertragungsstellen der Antragsgegnerin zu 1 b) an einem bestimmten
Standort. Dies hat die Antragsgegnerin zu 1 b) in der mündlichen Verhandlung im
ersten Rechtszug auf Befragen auch selbst eingeräumt, als sie erklärte, die
sogenannte Zulassung durch das Zentralamt in S (vgl. § 5 Satz 1 TKZulV:
Zentralamt für Zulassungen im Fernmeldewesen - ZZF -, jetzt Bundesamt für
Zulassungen in der Telekommunikation - BZT) stelle nur eine sogenannte
Typmusterprüfung des Gerätes als solchem dar, keine spezielle, auf Ransel
bezogene Prüfung bzw. Zulassung. Zwar setzt die Zulassung nach § 2 a Abs. 1
Satz 2 FAG u. a. voraus, daß durch den Betrieb der zuzulassenden Einrichtung
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Satz 2 FAG u. a. voraus, daß durch den Betrieb der zuzulassenden Einrichtung
Personen nicht geschädigt oder gefährdet werden, § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 TKZulV
beschränkt den Personenschutz als Voraussetzung für die Zulassung aber auf die
Sicherheit der Benutzer und die Sicherheit des Personals der Betreiber von
öffentlichen Übertragungswegen, Festanschlüssen oder Wählanschlüssen. Ein
Schutz der Allgemeinheit oder der Nachbarschaft wird im übrigen auch nicht von §
4 Abs. 1 Nr. 3 TKZulV gewährleistet, weil die dort geforderte elektromagnetische
Verträglichkeit nur die Funktionsfähigkeit der Einrichtung in bezug auf
Gerätesicherheit, eigene Störfestigkeit und hinnehmbare Störbeeinflussung
anderer Einrichtungen umfaßt und nicht den Personenschutz als
elektromagnetische Umweltverträglichkeit. Dasselbe gilt im übrigen für das Gesetz
über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten (EMVG) vom 09.11.1992
(BGBl. I S. 1864), nach dessen Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 7 die
elektromagnetische Verträglichkeit die Fähigkeit eines Gerätes ist, in der
elektromagnetischen Umwelt zufriedenstellend zu arbeiten, ohne dabei selbst
elektromagnetische Störungen zu verursachen, die für andere in dieser Umwelt
vorhandene Geräte unannehmbar wären.
Nach alledem können sich die Antragsteller für die nach § 42 Abs. 2 VwGO
erforderliche Klagebefugnis grundsätzlich auf § 107 Abs. 4 Satz 2 HBO i.V.m. der
möglichen Verletzung drittschützender immissionsschutzrechtlicher Vorschriften
berufen, ohne daß postrechtliche oder der Gerätesicherheit dienende Vorschriften
vorgehen und bau- und immissionsschutzrechtliche Prüfungsanforderungen
verdrängen.
Für die Zulässigkeit von Widerspruch und Klage können sich die Antragsteller auch
auf eine mögliche Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auf
körperliche Unversehrtheit berufen. Angesichts nicht gesicherter Erkenntnisse
über die Wirkung elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder auf
das biologische System lassen sich gesundheitliche Beeinträchtigungen auch bei
einer Entfernung des Wohn- und Betriebsanwesens der Antragsteller von 90 m
nicht ausschließen (vgl. für einen zulässigen Widerspruch bei 200 m Abstand vom
Antennenträger, OVG Lüneburg, Beschluß vom 23.10.1992 - 1 M 3938/92 - ZUR
1993, 40 - L -; zum anders gelagerten Sachverhalt einer sofort vollziehbaren
Zustimmung vgl. z. B. OVG Lüneburg, Beschluß vom 02.12.1992 - 1 M 3997/92 -
und BayVGH, Beschluß vom 15.12.1992 - 14 Cs 92.3208 -). Darüber hinaus sind
die Antragsteller Eigentümer und Pächter weiterer Grundstücke in einem Abstand
zwischen 30 m und 150 m zum streitbefangenen Sendemast, die sie
landwirtschaftlich bearbeiten. Die Antragstellerin trägt darüber hinaus ein mit
metallischen Teilen versehenes Hüftimplantat, worin ein zusätzliches Risiko liegt.
Ausweislich des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses (vgl. dort S.
22) haben die Antragsgegner selbst in der mündlichen Verhandlung im ersten
Rechtszug Gesundheitsgefahren für die Antragsteller nicht völlig ausgeschlossen.
Diese Aussage liegt auf der Linie einer auch international geführten
wissenschaftlichen Diskussion, die nicht abgeschlossen und bei allgemein
anerkanntem hohen Forschungsbedarf auf verschiedene ungeklärte Problemfelder
gestoßen ist (siehe z. B. Leitgeb, Strahlen, Wellen, Felder, Stuttgart, New York,
1990, S. 151 ff.; Empfehlung der Strahlenschutzkommission "Elektrische und
magnetische Felder im Alltag" vom 18./19.04.1991 - Bundesanzeiger Nr. 144 vom
06.08.1991, S. 5206 sowie Empfehlung vom 12./13.12.1991 "Schutz vor
elektromagnetischer Strahlung bei Mobilfunk - Bundesanzeiger Nr. 43 vom
03.03.1992, S. 1538; Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen
Bundestages vom 10.04.1992 "Schutz vor elektromagnetischer Strahlung bei
Mobilfunk", bearbeitet von Herkommer und Maigre; Gutachten von Dr. L. von
Klitzing für die Untersuchungsstelle für Umwelttoxikologie des Landes Schleswig
Holstein von 1992 "Wirkung elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer
Felder auf den Menschen, unter besonderer Berücksichtigung athermischer
Effekte"; Professor E. David "Biologische Wirkung elektromagnetischer Felder",
Vortrag auf der Informationsveranstaltung "Elektromagnetische
Umweltverträglichkeit" im BAPT, 09.03.1992; Die Grünen, Dokumentation: Hearing
"Gesundheitsgefahren durch elektromagnetische Strahlung", 25.09.1992,
Hessischer Landtag; Niedersächsische Landesregierung, Antwort vom 24.04.1992
- Nds. LT-Dr. 12/3123 - auf eine Kleine Anfrage zu gesundheitlichen Auswirkungen
von elektromagnetischen Feldern; Kongreß Brennpunkt "Elektro-Smog" vom 22.
bis 24.09.1992 in Köln, Tagungsmappe; Prof. Käs, Anm. zu VG Stade vom
06.02.1992 in: DWW 1992, 117; Dr. Braun-von Gladiß "Biologische Effekte
funktechnischer Anlagen", Amelinghausen, 1992; Andreas Kühne, "Mikrowellen -
Hinweise auf Gesundheitsgefährdungen -", Verden/Aller, o. J.; Die Grünen,
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Hinweise auf Gesundheitsgefährdungen -", Verden/Aller, o. J.; Die Grünen,
Dokumentation: Hearing "Elektrosmog", 28.01.1992, Nds. Landtag u. a. mit den
Beiträgen von Dr. Brüggemeier "Stand der Forschung bei der Fragestellung
möglicher gesundheitlicher Auswirkungen von elektrischen und magnetischen
Feldern im Alltag" und Ute Boikat "Biologische Wirkung elektromagnetischer
niederfrequenter Strahlung"; Wulf - Dietrich Rose "Elektrosmog Elektrostreß, Köln
1990; Michael Shallis, "Elektroschock - Über unsere elektrische Natur", Frankfurt
am Main, 1992; Prof. Irnich "Auswirkung des Mobilfunks auf den Menschen" - Bl.
520 ff. GA II).
Im Rahmen des Eilverfahrens braucht dieser wissenschaftlichen und rechtlichen
Diskussion auch im Zusammenhang mit den im Prozeß vorgelegten gutachtlichen
Äußerungen im einzelnen nicht weiter nachgegangen zu werden, auch nicht
hinsichtlich der von den Antragstellern zusätzlich noch geltend gemachten
nachbarrechtlich relevanten Verletzung des baurechtlichen Gebots der
Rücksichtnahme aus § 35 BauGB. Im Ergebnis kommt es darauf für den begehrten
Feststellungsausspruch nicht mehr entscheidend an, weshalb weitere Klärungen
dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben können.
Für Hessen sei nur noch auf den Erlaß des Hessischen Ministeriums für
Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz vom
15.04.1992 an die drei hessischen Regierungspräsidien (Az.: VIII 11-64 a 16-4/92)
hingewiesen. In einem in diesem Erlaß in Bezug genommenen Bescheid vom
14.04.1992 an die Antragsgegnerin zu 1 b) bittet das Ministerium um einen
entsprechenden Nachweis durch ein Gutachten einer dafür geeigneten, d. h.
betreiberunabhängigen Stelle (ggf. der zuständigen Gesundheitsbehörde) zur
Klärung der Frage der gesundheitlichen Gefährdung.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß die Feststellung der aufschiebenden
Wirkung der Klage der Antragsteller in der Sache bedeutet, daß die nach Art. 20
Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebundene Antragsgegnerin zu 1 b) nicht
berechtigt ist, die Bauarbeiten an dem Funkturm in R fortzusetzen und ihn in
Betrieb zu nehmen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.