Urteil des HessVGH vom 09.01.1992

VGH Kassel: aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, vollziehung, privates interesse, grundstück, wahrscheinlichkeit, ausnahme, verwaltungsakt, genehmigung, neubau

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 TH 2726/91
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80a Abs 3 VwGO, § 80a
Abs 2 VwGO, § 80 Abs 1
VwGO, § 80 Abs 2 Nr 4
VwGO, § 34 BauGB
(Anordnung der sofortigen Vollziehung einer
Teilbaugenehmigung für ein Bankverwaltungsgebäude)
Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer
Teilbaugenehmigung, die der Antragsgegner ihr für die Errichtung eines
Verwaltungsgebäudes erteilt hat.
Am 03.05.1991 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin eine
Teilbaugenehmigung für Erdarbeiten, Fundamente mit Bodenplatten und
Verlegung von Entwässerungsleitungen, gegen die die Beigeladenen Widerspruch
erhoben haben. Mit Bescheid vom 05.07.1991 lehnte der Antragsgegner den
Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der
Teilbaugenehmigung mit der Begründung ab, es könne nicht mit der für die
Anordnung der sofortigen Vollziehung geforderten erheblichen Wahrscheinlichkeit
davon ausgegangen werden, daß der Rechtsbehelf des Beigeladenen zu 1)
erfolglos bleiben werde. Den von der Antragstellerin gestellten Antrag auf
gerichtliche Anordnung des Sofortvollzugs der Teilbaugenehmigung hat das
Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 18.10.1991 mit der Begründung abgelehnt,
die Teilbaugenehmigung sei unter Verstoß gegen § 13 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG, der
nachbarschützenden Charakter habe, erteilt worden und daher rechtswidrig, wenn
nicht gar nichtig. Bei einem erkennbar rechtswidrigen Verwaltungsakt verbleibe es
bei der aufschiebenden Wirkung.
Gegen den ihr am 11.11.1991 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin am
25.11.1991 Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr Begehren auf Anordnung der
sofortigen Vollziehung der Teilbaugenehmigung weiter verfolgt.
Die die Antragstellerin betreffenden Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners
(eine Bauakte) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Wiesbaden III/2 G 493/91
und III/2 H 557/91 waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, denn das
Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der
sofortigen Vollziehung der Teilbaugenehmigung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Der vorläufige Rechtsschutz der Antragstellerin als Bauherrin, die von der ihr
erteilten Teilbaugenehmigung Gebrauch machen will, richtet sich nach § 80 a Abs.
3 i.V.m. Abs. 2 VwGO. Das Gericht kann danach auf Antrag des durch die
Baugenehmigung Begünstigten nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige
Vollziehung anordnen. Die gegen die erteilte Teilbaugenehmigung der
Antragstellerin vom 03.05.1991 eingelegten Widersprüche der Beigeladenen
haben nach § 80 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung. § 10
Abs. 2 BauGB-MaßnahmeG, wonach die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
gegen die bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens, das ausschließlich
Wohnzwecken dient, entfällt, findet auf das Verwaltungsgebäude der
Antragstellerin keine Anwendung.
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Der Senat vermag der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu folgen, daß
einem gerichtlichen Antrag nach § 80 a VwGO das Rechtsschutzbedürfnis fehlt,
wenn gleichzeitig ein entsprechendes Begehren bei der zuständigen Behörde
vorgebracht wurde. § 80 a VwGO sieht für den Begünstigten sowohl die Möglichkeit
einer Antragstellung bei der Behörde als auch bei Gericht vor. Beide Möglichkeiten
kann der Begünstigte ausschöpfen, denn andernfalls würde er im Falle der
Untätigkeit der Verwaltungsbehörde nach Stellung des Antrags auf Anordnung der
sofortigen Vollziehung Gefahr laufen, sein Recht auf Gewährung effektiven
Rechtsschutzes zu verlieren. Die Frage des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses
stellt sich für ihn erst dann, wenn seinem Begehren von der Behörde entsprochen
wird und er an seinem gerichtlichen Antrag weiter festhält.
Eine Anordnung des Sofortvollzugs aus Gründen des öffentlichen Interesses
kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Das von § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3
VwGO verlangte besondere öffentliche Interesse muß über das allgemeine
Interesse, das den angewendeten Rechtsnormen zugrunde liegt und über das
jedem Gesetz innewohnende Vollzugsinteresse hinaus gehen. Dazu ist der
Nachweis erforderlich, daß die alsbaldige Verwirklichung gerade dieses Vorhabens
im öffentlichen Interesse liegt, d. h. aus die Allgemeinheit berührenden,
überragenden Belangen eilbedürftig ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 22.11.1965,
DVBl. 1966, 273 (274); Simon, BayBauO, Stand: Feb. 1991, Art. 74, Rdnr. 72 a).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar hat die Antragstellerin geltend
gemacht, es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse an der alsbaldigen
Errichtung ihres Vorhabens, weil sie für einen großen Teil der Bevölkerung ihres
Einzugsgebiets Finanzdienstleistungen aller Art erbringe und für Kunden und
Mitarbeiter ein entsprechendes Raumangebot benötige, und ein Schreiben des
Magistrats der Stadt vom 17.04.1991 vorgelegt, wonach der Neubau der
Hauptverwaltung ein wichtiges Projekt für die Wirtschaftsstruktur der
strukturschwachen Stadt sowie der Region sei; dieses Vorbringen vermag jedoch
die Anordnung des Sofortvollzugs im öffentlichen Interesse nicht zu rechtfertigen.
Es handelt sich hier um ein allgemein bestehendes öffentliches Interesse an
Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur und der Sicherung von
Arbeitsplätzen, nicht jedoch um ein besonderes öffentliches Interesse, das gerade
die alsbaldige Verwirklichung des Verwaltungsgebäudes unausweichlich erscheinen
läßt.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Teilbaugenehmigung liegt auch nicht
im überwiegenden Interesse der Antragstellerin. Ein überwiegendes privates
Interesse eines Beteiligten liegt dann vor, wenn das eingelegte gegnerische
Rechtsmittel mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und zugleich
eine Fortdauer seiner aufschiebenden Wirkung dem anderen begünstigten
Beteiligten gegenüber unbillig erscheinen muß. Letzteres liegt regelmäßig vor,
wenn einem Bauwilligen die Nutzung seines Eigentums durch Gebrauch einer ihm
erteilten Genehmigung verwehrt wird, obgleich die Behörde nach sorgfältiger
Prüfung der Erfolgsaussichten einer vom Nachbarn angestrengten
Anfechtungsklage zu dem Ergebnis kommt, die Klage sei sachlich nicht
gerechtfertigt und müsse letzten Endes erfolglos bleiben. In diesem Fall hat das
Interesse des Nachbarn, an der Durchsetzung seines Abwehranspruchs nicht
durch die Schaffung vollendeter Tatsachen gehindert zu werden, gegenüber dem
Interesse des Bauherrn an der voraussichtlich rechtmäßigen Nutzung seines
Eigentums zurückzustehen.
Der von der Beigeladenen zu 1.) eingelegte Rechtsbehelf wird zwar mit erheblicher
Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben; der Widerspruch des Beigeladenen zu 2)
erscheint dagegen offensichtlich begründet. Nach § 98 HBO 1977 kann die
Ausführung eines bestimmten Teils der baulichen Anlage schon vor der
Baugenehmigung schriftlich genehmigt werden (Teilbaugenehmigung), wenn u. a.
der Teil der baulichen Anlage unter Berücksichtigung der Gesamtanlage den
öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Die Teilbaugenehmigung darf daher
nur erteilt werden, wenn das in den Grundzügen mitzubeurteilende und zu
prüfende Gesamtvorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht.
Die Teilbaugenehmigung ist nicht unter Verletzung von § 13 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG
erteilt worden. Zunächst einmal erscheint zweifelhaft, ob § 13 Abs. 2 Satz 2
HVwVfG im vorliegenden Fall überhaupt Anwendung findet. Er könnte gemäß § 1
Abs. 1 2. Halbs. HVwVfG durch § 95 Abs. 1 HBO verdrängt sein. § 95 HBO könnte
als abschließende Regelung einer Beteiligung der Nachbarn im
Baugenehmigungsverfahren konzipiert sein und gegenüber der allgemeinen
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Baugenehmigungsverfahren konzipiert sein und gegenüber der allgemeinen
Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG Vorrang haben (so Grosse-Suchsdorf-
Schmaltz-Wiechert, NdsBauO; 3. Aufl., § 72 Rdnr. 23 zur Nachbarbeteiligung in der
NdsBauO). Hierfür spricht, daß § 95 Abs. 1 HBO 1991 nunmehr die nachbarliche
Beteiligung erweitert hat. Danach ist die Anhörung der Nachbarn nicht nur
gefordert, wenn Befreiungen erteilt, sondern auch wenn Ausnahmen von
Vorschriften, die ihrem Schutz dienen, gewährt werden sollen. Einer
abschließenden Beantwortung dieser Rechtsfrage bedarf es jedoch im
vorliegenden Eilverfahren nicht, weil § 13 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG nicht verletzt ist.
Eine Verletzung dieser Bestimmung zum Nachteil des Beigeladenen St ist nicht
gegeben, weil dieser keinen Antrag auf Verfahrensbeteiligung gestellt hat. Die
Beigeladene S hat zwar einen derartigen Antrag gestellt, gleichwohl brauchte sie
nicht zum Verfahren beigezogen werden, weil der Ausgang des Verfahrens für sie
keine rechtsgestaltende Wirkung hat. Nicht jede Baugenehmigung, die gegenüber
dem Nachbarn ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung ist, hat gleichzeitig für ihn
rechtsgestaltende Wirkung. Sie hat als feststehender Verwaltungsakt Drittwirkung,
wenn sie auf einer nachbarschützenden Vorschrift beruht. Rechtsgestaltende
Drittwirkung hat sie jedoch nur dann, wenn sie zugleich eine Befreiung oder
Ausnahme von einer nachbarschützenden Norm enthält. In diesem Fall werden
durch eine Ermessensentscheidung die Rechte des Bauherrn erweitert und die des
Nachbarn beschränkt. Die Bauaufsichtsbehörde gestaltet in einem derartigen Fall
die Nachbarrechtsbeziehungen über das hinaus, was von der Norm selbst
grundsätzlich gewollt und gestaltet ist (vgl. Ortloff, NJW 1983, 961 (964)). Diese
Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil der Antragsgegner von
nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts
weder Befreiung erteilt noch Ausnahmen zugelassen hat.
Daß zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Antragsteller der Grenzverlauf der
Grundstücke Flurstück 572/2 (F Straße 19) und Flurstück 658/570 (F Straße 21)
streitig ist, hat auf die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung keinen
Einfluß. Die Beigeladene zu 1) wird dadurch nicht in Rechten aus
nachbarschützenden Vorschriften verletzt. Die Baugenehmigung wird nach § 96
Abs. 6 Satz 1 HBO 1977 unbeschadet der Rechte Dritter erteilt. Das bedeutet, daß
die Bauaufsichtsbehörden unabhängig von der privatrechtlichen Befugnis am
Grundstück und ohne daß sie dies auch zu prüfen brauchen, über den Bauantrag
entscheiden. Muß aber die Behörde die Erteilung der Baugenehmigung nicht
einmal bei unstreitig fehlendem Eigentum des Antragstellers von dem Nachweis
der Zustimmung des Grundeigentümers abhängig machen, dann ist sie erst recht
nicht gehalten, bei streitigem Grenzverlauf vor Erteilung der Baugenehmigung die
Grenzverhältnisse zu klären (vgl. OVG Saarland, Beschluß vom 04.04.1973, BRS
27 Nr. 132).
Die Beigeladenen können sich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auch nicht auf
eine Verletzung des § 34 BauGB stützen. Dieser Vorschrift kommt zwar - ebenso
wie bereits § 34 Abs. 1 BauGB - generell keine nachbarschützende Wirkung zu;
etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das in § 34 Abs. 1 BauGB einfachgesetzlich
im Begriff des Einfügens verankerte Rücksichtnahmegebot verletzt ist. Dieses
baurechtliche Rücksichtnahmegebot hat sowohl eine objektiv-rechtliche als auch
eine subjektiv-rechtliche Seite, die beide verletzt sein müssen, damit Drittschutz
gewährt werden kann. Bezüglich des objektiv-rechtlichen Rücksichtnahmegebots
gilt: Ein Vorhaben fügt sich in der Regel dann ein, wenn es sich innerhalb des aus
seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält. Es fügt sich jedoch trotz
Einhaltung des Rahmens dann nicht ein, wenn es an der gebotenen
Rücksichtnahme auf die sonstige, d. h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren
Nähe vorhandene Bebauung fehlen läßt. Andererseits kann sich ein Vorhaben
auch dann einfügen, wenn es den aus seiner Umgebung abgeleiteten Rahmen
überschreitet. In diesem Fall kommt es darauf an, daß das Vorhaben im Verhältnis
zu seiner Umgebung weder bewältigungsbedürftige Spannungen auslöst noch
vorhandene Spannungen verstärkt, durch die die gegebene Situation
verschlechtert, gestört, belastet oder in Bewegung gebracht wird (vgl. BVerwG,
Urt. v. 19.09.1986, BRS 46 Nr. 62; Beschluß des Senats vom 09.08.1991 - 3 TH
1565/91 -; Schlichter, Berl. Komm. z. BauGB, § 34 Rn 21).
Das Vorhaben der Antragstellerin fügt sich seiner Art nach in die Eigenart der
näheren Umgebung ein. Der für die nähere Umgebung maßgebliche Bereich reicht
so weit, wie sich die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens
auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter
des Baugrundstücks prägt. Dabei ist bei der Wiederbebauung eines
Innenbereichsgrundstücks auch die mitprägende Wirkung eines beseitigten
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Innenbereichsgrundstücks auch die mitprägende Wirkung eines beseitigten
Altbestandes und seiner Nutzung zu berücksichtigen (BVerwG, Urt. vom
19.09.1986, a.a.O.). Auf dem hier betroffenen Baugrundstück der Antragstellerin
befand sich ein Baubestand, der im Rahmen eines Fuhrunternehmens mit LKW's
genutzt worden ist.
Bei der Bestimmung des maßgeblichen Bereichs darf nicht nur diejenige
Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren
Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muß auch die
Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstücks insoweit berücksichtigt
werden, als auch sie noch prägend auf das Grundstück einwirkt. Der Senat vermag
der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Abgrenzung des Gebiets der
näheren Umgebung nicht zu folgen, die den Bereich zwischen F Straße, S weg und
Fr Straße zugrunde legt. Auch wenn es sich bei der F Straße um eine innerörtliche
Bundesstraße mit erheblichem Verkehrsaufkommen handelt, wirkt sich das
Vorhaben dennoch auch auf die ihm gegenüber liegenden Grundstücke der F
Straße sowohl von seiner Erscheinung als auch seiner Nutzung aus. Es sind daher
auch die Grundstücke F Straße 12 bis 20 zur hier maßgeblich näheren Umgebung
des Baugrundstücks hinzuzuzählen. Von prägender Wirkung des
Gebietscharakters zeigt sich damit eine Bebauung mit einem Rahmen vom
Mischgebiet bis zum Gewerbegebiet, in dem auch, und zwar auf dem Grundstück
des Instituts für Lehrerfortbildung (F Straße 20) ein Parkdeck vorhanden ist. In
einem derartigen Gebiet ist das Verwaltungsgebäude einer Bank, das zu den nach
§ 6 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO zulässigen Geschäfts- und Bürogebäuden gehört (vgl.
Fickert/Fieseler, BauNVO, 6. Aufl., § 4 a Rdnr. 19) einschließlich seines Parkdecks
seiner Art nach zulässig.
Hinsichtlich der Beurteilung des Einfügens in bezug auf das Maß der Nutzung hat
der Senat bereits Zweifel, ob das Vorhaben der Antragstellerin ein von den
Umgebungsbauten nach Geschoßzahl, Grund- und Geschoßfläche sowie Grund-
und Geschoßflächenzahl unterschiedliche Maße aufweist. Selbst wenn das der Fall
wäre, muß dadurch ein Einfügen nicht ausgeschlossen sein (vgl. BVerwG, Urteil
vom 19.09.1986, a.a.O.). Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es hier jedoch
rechtlich nicht an, denn auch bei einer Überschreitung des Maßes der baulichen
Nutzung erscheint das Vorhaben der Antragstellerin gleichwohl nicht rücksichtslos.
Der Neubau der Antragstellerin löst im Verhältnis zu seiner Umgebung keine
bewältigungsbedürftigen Spannungen aus, durch die die Situation verschlechtert,
belastet oder in Bewegung gebracht wird. Dabei kommt dem Umstand
entscheidende Bedeutung zu, daß auf dem Grundstück F Straße 21 bisher ein
Fuhrbetrieb mit Lastkraftwagen und damit ein störender Gewerbebetrieb (vgl.
Fickert-Fieseler, a.a.O., § 4 Rdnr. 21.4) vorhanden war. Damit waren für die
Grundstücke der Beigeladenen Störungen durch ab- und anfahrende
Kraftfahrzeuge sowie den sonstigen Geschäftsbetrieb verbunden, die durch die
Nutzung des nunmehr vorgesehenen Parkdecks nicht verstärkt werden.
Auch für eine Rücksichtslosigkeit gegenüber den Beigeladenen hinsichtlich der
Grundstücksflächen, die überbaut werden sollen, ergeben sich keine
Anhaltspunkte.
Die Teilbaugenehmigung ist jedoch offensichtlich rechtswidrig, weil das Vorhaben
im Bereich des Beigeladenen S, S weg 6 (Flurstück 391/2), gegen § 7 Abs. 4 HBO
1977 verstößt, der nachbarschützend ist. Danach sind im Bauwich eines Gebäudes
innerhalb einer Abstandsfläche von 3 m entlang der Grundstücksgrenze nach Abs.
1 Satz 1 bauliche Anlagen unzulässig. Die HBO 1977 findet im vorliegenden Fall
Anwendung, nachdem die Antragstellerin von der ihr nach Art. 2 § 1 Abs. 3 des
Gesetzes zur Änderung der Hessischen Bauordnung vom 12. Juli 1990 (GVBl. I S.
395) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Änderungsgesetzes zur
Hessischen Bauordnung vom 26.06.1991 (GVBl. I S. 209) eingeräumten Befugnis
Gebrauch gemacht hat zu verlangen, daß die Entscheidung über ihren Bauantrag
nach altem Recht, der HBO 1977, getroffen wird. Das Parkdeck der Antragstellerin
steht an der Grundstücksgrenze zu dem oben erwähnten Grundstück des
Beigeladenen S. Da das ursprünglich an dieser Stelle vorhanden gewesene
Gebäude und - entgegen der vorliegenden Bauzeichnungen - auch die zum
Grundstück S vorhanden gewesene Außenwand beseitigt worden sind, beurteilt
sich das Parkdeck mit seiner über 1,50 m hohen grenzseitigen Außenwand nach §
7 HBO 1977. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme nach § 7 Abs.
5 Satz 2 HBO liegen hier nicht vor, denn es handelt sich bei dem Parkdeck weder
um eine Garage noch um einen Abstellplatz im Sinne der vorgenannten
Bestimmung. Selbst wenn die vorgenannte Bestimmung auf ein Parkdeck
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Bestimmung. Selbst wenn die vorgenannte Bestimmung auf ein Parkdeck
entsprechend anwendbar wäre, käme hier die Gewährung einer Ausnahme nicht in
Betracht, weil es der Antragstellerin möglich ist, diese Stellplätze anderweitig auf
dem Grundstück zu schaffen.
Bei dieser Sachlage erscheint es gerechtfertigt, daß die aufschiebende Wirkung
der Widersprüche der Beigeladenen fortdauert, damit durch den weiteren Fortgang
der Bauarbeiten keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist daher zurückzuweisen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.