Urteil des HessVGH vom 18.03.1988

VGH Kassel: geschäftsführung ohne auftrag, abschiebungshaft, ungerechtfertigte bereicherung, amtshilfe, öffentliche sicherheit, hessen, haftkosten, flughafen, vollziehung, erfüllung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
7. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 UE 273/85
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 137 Abs 5 Verf HE, § 79
SOG HE, § 44 Abs 3 S 1
SOG HE, § 20 Abs 2 AuslG,
§ 16 AuslG
(Kostentragung bei Vollziehung der Abschiebung eines
Ausländers)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, wer bestimmte Kosten, die bei der Abschiebung
eines Ausländers entstanden sind und von diesem nicht beigetrieben werden
konnten, zu tragen hat. Am 19.03.1982 wurde in Hanau der jugoslawische
Staatsangehörige Dragoslav S. von Polizeibeamten festgenommen, weil er keinen
gültigen Ausweis hatte. Auf Antrag des Oberbürgermeisters der Klägerin ordnete
das Amtsgericht Hanau mit Beschluß vom selben Tage Abschiebungshaft für die
Dauer von zwei Wochen an. Mit bestandskräftig gewordener Verfügung vom
29.03.1982 wies der Oberbürgermeister den Ausländer für die Dauer von fünf
Jahren aus dem Bundesgebiet aus. Die Abschiebung wurde am 28.04. 1982
vorgenommen, und zwar wurde der Ausländer von Vollzugspolizeibeamten des
Landes Hessen aus der Justizvollzugsanstalt in Frankfurt am Main - Zweigstelle
Hanau - abgeholt und zum Flughafen Frankfurt am Main gebracht. Dort wurde er
nach Abholung des Flugtickets, für das die Ausländerbehörde einen Gutschein
ausgeschrieben hatte, Beamten des Bundesgrenzschutzes übergeben die dafür
sorgten, daß er das Flugzeug nach Zagreb bestieg. Der Leiter der
Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main übersandte der Ausländerbehörde unter
dem 11.05.1982 eine Berechnung der Haftkosten für mehrere Fälle. In dieser
Berechnung waren die Haftkosten für Herrn S. für die Zeit vom 19.03. bis
28.04.1982 in Höhe von 400,00 DM (10,00 DM pro Tag) berechnet. Die Klägerin
überwies diesen Betrag an die zuständige Justizkasse in Frankfurt am Main. Für
den Flugschein mußte die Klägerin 181,00 DM aufwenden. Mit Schreiben vom
01.10.1982 wandte sich der Oberbürgermeister der Stadt Hanau auf dem
Dienstwege an den Hessischen Minister des Innern und bat um Erstattung von
insgesamt 581,00 DM. Er vertrat darin die Auffassung, daß das Land Hessen diese
Kosten tragen müsse. Das Land Hessen leistete die geforderte Zahlung nicht.
Mit Schriftsatz vom 30.12.1982 erhob die Klägerin gegen das Land Hessen,
vertreten durch den Hessischen Minister des Innern, Leistungsklage beim
Verwaltungsgericht Wiesbaden. Zur Begründung trug sie vor: Die Kommunen seien
nicht verpflichtet, die Kosten der Abschiebungshaft zu tragen. Es handele sich
insoweit nicht um Sachausgaben der Gefahrenabwehr im Sinne des § 78 Satz 1
HSOG. Über den Antrag auf Abschiebungshaft entscheide nach § 16 AuslG i.V.m. §
4 BFEG das zuständige Amtsgericht. Die Abschiebungshaft diene zwar der
Vorbereitung und Sicherung der Abschiebung. Der Beschluß des Amtsgerichts
ergehe nur auf Antrag der Ausländerbehörde. Die Anordnung der Haft solle jedoch
eine Entscheidung des Haftrichters dar. Bei den Haftkosten handele es sich
deshalb weder um eine Sachausgabe der Ausländerbehörde noch um eine
Ausgabe, die durch die Tätigkeit der Ausländerbehörde entstanden sei. Der
Klägerin stehe deshalb ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auf Ersatz
der verauslagten Abschiebungskosten zu.
Die Kosten für den Flugschein seien Kosten der Vollzugspolizei. Dieser obliege es
nämlich, die Abschiebung des sich in Haft befindlichen Ausländers durchzuführen.
Die Vollzugspolizei werde im Rahmen ihrer Verpflichtung nach § 44 Abs. 3 HSOG
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Die Vollzugspolizei werde im Rahmen ihrer Verpflichtung nach § 44 Abs. 3 HSOG
tätig. Die Ausländerbehörde sei nicht nach §§ 78,79 HSOG verpflichtet, die
obengenannten Kosten zu tragen. Es handele sich nicht um Kosten der
Gefahrenabwehr.
Die Klägerin beantragte,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 581,00 DM nebst 4% Zinsen seit dem
17.11.1982 zu zahlen.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Er trug vor: Für die Abschiebung sei materiell und kostenrechtlich die jeweilige
Ausländerbehörde zuständig. Die Vollzugspolizei sei lediglich für die Art und Weise
der Durchführung ihrer Hilfeleistung, die sowohl Amtshilfe nach § 34 ff. HVwVfG als
auch Vollzugshilfe nach § 44 Abs. 3 HSOG sein könne, verantwortlich.
Demgegenüber sei es allein Aufgabe der Ausländerbehörde, die Abschiebung
vorzubereiten und durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden wies durch Urteil vom 13.12.1984 die Klage mit
folgender Begründung ab: Eine gesetzliche Grundlage für den geltend gemachten
Erstattungsanspruch sei nicht ersichtlich. Ein öffentlich-rechtlicher
Erstattungsanspruch setze voraus, daß eine mit der Rechtslage nicht
übereinstimmende Vermögenslage auszugleichen sei, Das sei hier nicht der Fall.
Die Klägerin habe nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften die Kosten der
Abschiebung von Ausländern zu tragen. Die Abschiebungskosten seien Kosten aus
Anlaß der Erfüllung der Aufgaben auf dem Gebiet das Ausländerwesens. Für das
Ausländerwesen sei die allgemeine Polizeibehörde zuständig. § 20 Abs. 3 AuslG
i.V.m. § 1 Ziffer 1 der Verordnung über die Zuweisung von Aufgaben der
Gefahrenabwehr an die Allgemeinen Polizeibehörden vom 18.07.1972 i.d.F. des
Landesrechtsanpassungsgesetzes vom 04.09.1974 (GVBl. 1974 I S. 361). Kosten
der Ortspolizeibehörden seien gemäß § 79 HSOG von den Gemeinden zu tragen.
Die Klägerin könne nicht geltend machen, daß die Kosten der Abschiebung
jedenfalls nicht Kosten der Ausländerbehörden seien, sondern zum Teil Kosten der
Vollzugspolizei und zum anderen Teil Kosten, die durch die Tätigkeit von
Justizbehörden des Landes verursacht und deshalb vom Land zu tragen seien.
Die Flugkosten seien nicht als Teil der Kosten der Vollzugspolizei anzusehen. Zwar
werde die Vollzugspolizei bei der Abschiebung tätig, indem sie den betroffenen
Ausländer sistiere, in die Abschiebungshaft überführe und ihn dann von der
Abschiebungshaft zum Vollzug der Abschiebung den Beamten der
Grenzschutzstelle übergebe. Hierbei werde die Vollzugspolizei jedoch allenfalls im
Rahmen der in § 44 Abs. 3 HSOG geregelten Vollzugshilfe tätig. Nach § 44 Abs. 3
HSOG werde die Vollzugspolizei tätig, falls zur Durchführung polizeilicher
Maßnahmen der allgemeinen Polizeibehörden Vollzugshandlungen erforderlich
seien. Dies sei hier der Fall, da die Bediensteten der Ausländerbehörden nicht die
Befugnis hätten, Personen festzunehmen und gegen ihren Willen in Abschiebehaft
bzw. an den Flughafen zu bringen. Der Transport des abzuschiebenden Ausländers
vom Flughafen aus erfolge jedoch nicht durch die Vollzugspolizei, sondern durch
eine Fluggesellschaft. Die Kosten des Flugs würden nicht dadurch Kosten der
Vollzugspolizei, daß die Vollzugspolizei den Transport des Betroffenen überwache.
Die Ausländerbehörde bestimme den Zeitpunkt des Fluges. Sie buche den Flug
und erhalte demzufolge auch die Rechnung. Die Vollzugspolizei habe nicht die
Ermächtigung, hieran etwas zu ändern.
Die Kosten der Abschiebehaft habe ebenfalls die Klägerin zu tragen. Aus der
richterlichen Zuständigkeit für die Anordnung der Abschiebehaft ergäben sich
keine Folgen für die Kosten der Unterbringung des Festgenommenen. Die
Grundlagen der Entscheidung lägen im Ausländerrecht. Auch seien die
Entscheidungen des Richters von Anträgen der Ausländerbehörde abhängig. Bei
den Kosten der Unterbringung handele es sich deshalb um Sachausgaben der
Ausländerbehörde im Sinne des § 78 HSOG.
Da es somit keine gesetzliche Grundlage für die Kostentragungspflicht der Klägerin
gebe, sei ein Anspruch nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die
Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 ff. BGB), die im öffentlichen Recht
entsprechend anwendbar seien, ausgeschlossen.
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Hiergegen hat die Klägerin am 08.02.1982 Berufung eingelegt. Zur Begründung
trägt sie vor: Das angefochtene Urteil vermöge nicht zu überzeugen. Nach § 44
Abs. 3 Satz 1 HSOG handele die Vollzugspolizei in eigener Zuständigkeit, wenn für
die Durchführung polizeilicher Maßnahmen der allgemeinen Polizeibehörden
Vollzugshandlungen erforderlich seien. Entsprechend werde auch in bezug auf die
Kosten der Überführung des Ausländers von der Justizvollzugsanstalt zum
Flughafen verfahren. Die Vollzugshandlungen erschöpften sich indessen nicht in
dem Transport des Ausländers. Aufgabe der Vollzugspolizei sei es, sicherzustellen,
daß er in das gecharterte Flugzeug gelange.
Die Kosten der Abschiebehaft, deren Höhe nicht beanstandet werde, seien nicht
als Kosten der Gefahrenabwehr anzusehen. Die Ausländerbehörden seien weder
personell, noch sachlich, noch rechtlich in der Lage, Ausländer zwecks
Vorbereitung der Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen. Die Haft werde
vielmehr in Justizvollzugsanstalten, also Einrichtungen des Beklagten, vollzogen.
Aus § 8 Abs. 2 BFEG sei nicht zu entnehmen, daß eine Justizvollzugsanstalt im
Wege der Amtshilfe tätig werde. Die Regelung sei nur dahin zu verstehen, daß es
sich um einen Akt der Amtshilfe handeln könne. Nach § 4 Abs. 2 Ziff. 2 HVwVfG
handele es sich gerade dann nicht um Amtshilfe, wenn dies Hilfeleistung in einer
Handlung bestehe, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliege. Dies
gelte auch dann, wenn die Wahrnehmung der eigenen Aufgabe im konkreten
Einzelfall der Unterstützung der Tätigkeit einer anderen Behörde diene. Die
freiheitsentziehende Verwahrung eines Menschen sei originäre Aufgabe von
Justizvollzugsanstalten. Da die Verwahrung des abzuschiebenden Ausländers
Aufgabe der Justizvollzugsanstalt gewesen sei, liege kein Fall der Amtshilfe vor, der
die Justizvollzugsanstalt gemäß § 8 HVwVfG berechtigen würde, Kostenerstattung
zu verlangen. Dem Anspruch stehe auch nicht § 814 BGB entgegen. Die Klägerin
habe die Kosten an die Justizvollzugsanstalt nicht in Kenntnis einer Nichtschuld
gezahlt. Die Frage, wer Kostenschuldner sei, soll ja gerade durch das anhängige
Verfahren geklärt werden.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nach dem erstinstanzlichen
Antrag zu erkennen mit der Maßgabe, daß Zinsen erst seit Rechtshängigkeit
verlangt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, § 44 Abs. 3 Satz 1 HSOG enthalte keine Kostenregelung. Eigene
Aufgaben der Vollzugspolizei seien nur solche, zu deren Durchführung aufgrund
der konkreten Umstände des Einzelfalles allein die Vollzugspolizei berechtigt sei,
die also rechtlich zwingend von der Vollzugspolizei wahrgenommen werden
müßten und auch tatsächlich wahrgenommen würden. Bestenfalls seien alle
Handlungen der Vollzugspolizei anläßlich der Abschiebung eines Ausländers als
Vollzugshilfe zu bewerten. In allen Fällen, in denen die Polizei tätig werde, um die
Ausländerbehörde zu entlasten oder das Verfahren zu vereinfachen, leiste die
Vollzugspolizei gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde lediglich Amtshilfe.
Flugkosten habe deshalb die Klägerin zu tragen. Entsprechendes gilt für die
Haftkosten.
Im übrigen wird auf den gesamten Inhalt der Akten - einschließlich eines Hefters
Verwaltungsvorgänge der Klägerin der Gegenstand der mündlichen Verhandlung
war - Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat - abweichend vom Verwaltungsgericht - im Rubrum des Urteils in
Beachtung des § 150 HGO nicht den Oberbürgermeister, sondern den Magistrat
als Vertretungsorgan der Klägerin bezeichnet, da es sich um eine
haushaltsrechtliche Angelegenheit handelt.
Die vom Verwaltungsgericht ausdrücklich zugelassene Berufung ist form- und
fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet.
Als Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Erstattungsansprüche kommen
nur - in entsprechender Anwendung - bürgerlich-rechtliche Vorschriften in
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nur - in entsprechender Anwendung - bürgerlich-rechtliche Vorschriften in
Betracht, die außerhalb eines Vertragsverhältnisses einen Ausgleich für
Vermögensverschiebungen vorsehen. Das sind hinsichtlich der Flugkosten die
Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. Urteil des 2. Senats
vom 26.06.1979, II OE 24/76, HessVGRspr. 1979 S. 81) und hinsichtlich der
Haftkosten die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung. Für beide
Ansprüche wäre hier indes Voraussetzung, daß zu Lasten der Klägerin eine - von
Rechts wegen auszugleichende - Vermögensverschiebung zugunsten des
beklagten Landes eingetreten ist. Eine solche Vermögensverschiebung hat es
vorliegend jedoch nicht gegeben, da die Klägerin als Trägerin der
Ausländerbehörde die Mittel, die für die Abschiebung eines Ausländers
aufgewendet werden müssen, selbst aufzubringen, also die hier in Rede stehenden
Kosten selbst zu tragen hat.
Der Oberbürgermeister der Klägerin ist gemäß § 1 der Verordnung der Hessischen
Landesregierung zur Bestimmung der Ausländerbehörde in kreisangehörigen
Gemeinden mit mehr als 50000 Einwohnern vom 26.07.1979 (GVBl. I S. 196)
Ausländerbehörde im Sinne des § 20 AuslG. Er ist, wie der Oberbürgermeister
einer kreisfreien Stadt, Behörde der Gemeinde und nicht Landesbehörde, obwohl
er staatliche Aufgaben wahrnimmt (vgl. Hess.VGH, Urteil vom 23.09.1970, II OE
40/70, ESVGH 21 S. 74 ff.). Aus der Zuordnung einer Behörde zu einer
Körperschaft des öffentlichen Rechts ergibt sich einem allgemeinen
Rechtsgrundsatz entsprechend - vorbehaltlich einer anderen gesetzlichen
Regelung -, daß diese Körperschaft auch für die finanzielle Ausstattung der
Behörde zuständig ist, also die Personal- und Sachkosten sowie die bei der
Erfüllung ihrer Aufgaben entstehenden Kosten der Behörde zu tragen hat. Für die
Kosten aus Anlaß der gemeindlichen Aufgabenerfüllung allgemein ist dieser
Grundsatz - im Verhältnis zum Land - in Art. 137 Abs. 5 HV verankert. Danach hat
der Staat den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung ihrer
eigenen und übertragenen Aufgaben erforderlichen Geldmittel im Wege des
Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern, muß also generell für deren
ausreichende Finanzausstattung sorgen. Daraus folgt, daß die Gemeinden die für
die Erfüllung ihrer Aufgaben im Einzelfall erforderlichen Mittel selbst bereitstellen
müssen. Für die allgemeinen Polizeibehörden ist dieser Kostentragungsgrundsatz
darüber hinaus durch § 79 HSOG konkretisiert worden.
Aus alledem ergibt sich, daß die Gemeinden die bei ihren Ausländerbehörden
entstehenden Kosten grundsätzlich selbst zu tragen haben.
Zu diesen Kosten gehören auch die im vorliegenden Falle umstrittenen Haft- und
Flugkosten. Hierbei handelt es sich um bei der Vollziehung einer
ausländerbehördlichen Verfügung entstandene Kosten. In den
Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörden gehört neben dem Erlaß von
Verwaltungsakten aufgrund des Ausländergesetzes aber auch deren Vollziehung,
jedenfalls soweit es sich um die Abschiebung von Ausländern handelt. Nach § 20
Abs. 2 AuslG entscheidet über Maßnahmen gegen einen Ausländer die
Ausländerbehörde, in deren Bezirk sich die Notwendigkeit zum Einschreiten gegen
den Ausländer ergibt. Daß hiermit nicht nur die Grundverfügungen gemeint sind,
sondern auch das Vollstreckungsverfahren, ergibt sich daraus, daß das
Ausländergesetz die Abschiebung als Vollstreckungshandlung ohne
vorangegangenen Grundverwaltungsakt zuläßt und daß § 20 Abs. 2 AuslG die
Bestimmung enthält, daß über die Duldung die Ausländerbehörde entscheidet, die
die Abschiebung angeordnet hat. In § 13 Abs. 2 Satz 3 AuslG ist außerdem
vorgesehen, daß mit einer Ausweisung die Androhung der Abschiebung verbunden
werden soll. Die Androhung der Abschiebung ist ebenfalls ein Teil des
Vollstreckungsverfahrens. Aus allen diesen Regelungen ergibt sich, daß der
Bundesgesetzgeber auch das Vollstreckungsverfahren in die Hand der
Ausländerbehörden gelegt hat.
Ausnahmen hiervon aufgrund Bundesrechts sind nicht ersichtlich. Dies gilt auch
hinsichtlich des Vollzugs der Vorbereitungs- bzw. Abschiebungshaft nach § 16
AuslG. Das nach Art. 104 Abs. 2 GG als Voraussetzung für die Freiheitsentziehung
notwendige Gerichtsverfahren ändert hieran nichts. Dieses Gerichtsverfahren
richtet sich nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei
Freiheitsentziehungen vom 29.06.1956 - FEVG - (BGBl. S. 599) in der Fassung des
§ 185 Strafvollzugsgesetz vom 16.03.1976 (BGBl. I S. 581). Die gerichtliche
Entscheidung setzt nach § 3 FEVG einen Antrag der zuständigen
Verwaltungsbehörde voraus. Herrin des Verfahrens ist insoweit also ebenfalls die
Vollstreckungsbehörde nach dem Ausländergesetz. Die gerichtliche Entscheidung
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Vollstreckungsbehörde nach dem Ausländergesetz. Die gerichtliche Entscheidung
beseitigt letztlich nur ein rechtliches Hindernis für die weitere
Vollstreckungstätigkeit der Ausländerbehörde. Nicht dagegen folgt aus der
gerichtlichen Zuständigkeit für die Anordnung der Haft eo ipso auch die
Zuständigkeit des Gerichts für die Vollstreckung dieser Entscheidung. Dazu hätte
es vielmehr einer besonderen gesetzlichen Regelung bedurft. Ebensowenig führt
der Abschiebungshaftvollzug in einer Justizvollzugsanstalt, deren sich übrigens die
Ausländerbehörde bedienen kann, aber bei Vorhandensein anderer
Gewahrsamsmöglichkeiten nicht muß, dazu, daß für diesen Teil der
ausländerrechtlichen Vollziehung die Justizvollzugsanstalt zur
Vollstreckungsbehörde mit eigener, originärer Zuständigkeit würde. Der
Bundesgesetzgeber hat eine solche Zuständigkeit nicht vorgesehen, sondern geht
im Gegenteil in § 8 FEVG davon aus, daß die Abschiebungshaft "im Wege der
Amtshilfe" in Justizvollzugsanstalten vollzogen werden kann.
Soweit die Anwendung von Landesrecht ergänzend zum Bundesrecht in Betracht
kommen könnte, ergibt sich aus diesem ebenfalls keine Teilzuständigkeit einer
anderen als der Ausländerbehörde für das Vollstreckungsverfahren. Nach § 68
Abs. 1 HessVwVG werden Verwaltungsakte, soweit nicht eine Geldleistung
gefordert wird, von der Behörde vollstreckt, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
Diese Regelung gilt für die gesamte Verwaltungsvollstreckung mit Ausnahme der
Fälle, für die entsprechend dem Vorbehalt in § 1 Abs. 2 HessVwVG die Vorschriften
des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG)
anwendbar bleiben. Die Klägerin denkt mit Rücksicht darauf, daß
Vollzugspolizeibeamte des Beklagten bei der Sistierung des Ausländers und später
bei dessen Überführung von der Justizvollzugsanstalt zum Flughafen tätig
geworden sind, an die Anwendung des § 44 Abs. 3 Satz 1 HSOG, will also auf
diesem Wege die durch Haft und insbesondere Flug entstandenen Kosten der
Vollzugspolizei und damit dem Beklagten zurechnen.
Indessen ist schon zweifelhaft, ob bei der Vollziehung ausländerrechtlicher
Verfügungen überhaupt die Anwendung des § 44 Abs. 3 Satz 1 HSOG, in dessen
Rahmen die Vollzugspolizei in eigener Zuständigkeit handelt, in Betracht kommt.
Der Senat neigt, wie bereits der früher für das Ausländerrecht zuständige 2. Senat,
zu der Auffassung, daß es sich bei einer Maßnahme der Gefahrenabwehr der
Ausländerbehörde jedenfalls seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes nicht (mehr)
um eine Polizeiverfügung handelt, weil der Bundesgesetzgeber das
Ausländerwesen als eine Angelegenheit der allgemeinen Verwaltung betrachtet
(vgl. insbesondere Bundestagsdrucksache IV/868 vom 28.12.1962, S. 10, sowie
den Wortlaut des § 20 Abs. 3 AuslG) und daher schon rechtlich zweifelhaft ist, ob
durch Landesverordnung (vgl. § 1 Nr. 1 der Zuweisungsverordnung vom
18.07.1972, (GVBl. I S. 255) das Ausländerwesen den allgemeinen Polizeibehörden
zugewiesen werden konnte (vgl. hierzu im einzelnen Hess. VGH, Urteil vom
23.09.1970, II OE 40/70, ESVGH 21, 74 ff.).
Aber selbst wenn man eine Aufgabenzuweisung auf Gebieten, die materiell nicht
Polizeirecht sind, an die allgemeinen Polizeibehörden aufgrund der
Zuweisungsverordnung für rechtmäßig hält, hat dies nach der Rechtsprechung des
erkennenden Senats sowie des 2. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
jedenfalls nicht zur Folge, daß damit auch materielles Polizeirecht für die
Verwaltungsvollstreckung maßgebend ist (vgl. zum Straßenverkehrsrecht:
Beschlüsse des 7. Senats vom 30.09.1979 - VII TM 105/79 - und vom 08.10.1981 -
VII TM 179/81 -, ferner Beschlüsse des 2. Senats vom 24.06.1982 - II TH 30/82 -
und vom 09.06.1981 - II TG 15/81 -; anderer Ansicht dagegen, also für die
Anwendung der Vollstreckungsvorschriften des HSOG der 8. Senat mit Urteil vom
14.10.1983 - VIII OE 107/82 -, NJW 1984 S. 1197, sowie der 11. Senat mit Urteilen
vom 24.11.1986 - 11 UE 1177/84 -, NVwZ 1987, 904, und vom 15.06.1987 - 11 UE
2521/84 -, NVwZ 1987, 910; vgl. ferner VG Darmstadt, Hessischer Städte- und
Gemeindetag 1985, S. 352).
Letztlich kommt es im vorliegenden Falle aber auf diese Fragen nicht an. Selbst
wenn man die Vorschriften des HSOG (insbesondere des § 44 Abs. 3 Satz 1) im
Ausländerrecht grundsätzlich für anwendbar halten sollte, so wären doch die
Verwahrung des Ausländers durch die Justizvollzugsanstalt (auf Ersuchen der
Ausländerbehörde) sowie die Beschaffung der Flugkarte (durch die
Ausländerbehörde) als Voraussetzung für die weitere Durchführung der
Abschiebung nicht als Vollziehungshandlungen zu werten, die der Vollzugspolizei
im Sinne der genannten Vorschrift zugerechnet werden könnten. Nur wegen der
Tatsache, daß die Beamten der Vollzugspolizei bei der Festnahme des Ausländers
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Tatsache, daß die Beamten der Vollzugspolizei bei der Festnahme des Ausländers
tätig wurden und diesen zur Justizvollzugsanstalt verbrachten, wurde die daran
anschließende Tätigkeit der Justizvollzugsanstalt nicht zu einer Tätigkeit der
Vollzugspolizei. Ebensowenig war die Beschaffung der Flugkarte, also der Abschluß
eines Rechtsgeschäfts zur Vorbereitung der Beförderung des Ausländers mit Hilfe
einer privaten Fluggesellschaft, eine der Vollzugspolizei zurechenbare Tätigkeit.
Hieran ändert auch nichts die Tatsache, daß die Vollzugspolizei des Landes den
Ausländer von der Justizvollzugsanstalt zum Flughafen überführt hat.
Schließlich sind keine landesrechtlichen Vorschriften ersichtlich, die der
Justizvollzugsanstalt eine eigene Zuständigkeit für den Vollzug der
Abschiebungshaft gemäß § 16 AuslG zuweisen würden. Ihr Tätigwerden für die
Ausländerbehörde auf deren Ersuchen stellt somit einen Fall der Amtshilfe dar, auf
den die Regelung des § 8 HVwVfG Anwendung findet. Die Klägerin hat daher dem
Beklagten auf dessen Anordnung hin die Auslagen (Haftkosten), die der ersuchten
Justizvollzugsanstalt entstanden sind, zu erstatten, da sie 50,00 DM übersteigen. §
8 HVwVfG findet nach Auffassung des Senats trotz der Regelung des § 2 Abs. 3 Nr.
1 HVwVfG auf die Rechtsbeziehungen zwischen einem Träger der
Ausländerbehörde und einer Behörde der Justizverwaltung Anwendung. Die
Justizvollzugsanstalt und die Ausländerbehörde stehen sich gleichberechtigt und
nicht im Über- und Unterordnungsverhältnis gegenüber, so daß in diesen
Beziehungen Justizverwaltungsakte gemäß §§ 23 ff. EGGVG, die der Zuständigkeit
der ordentlichen Gerichte unterfallen, nicht in Betracht kommen.
Nach alledem steht der Klägerin der geltend gemachte Erstattungsanspruch
gegen das Land Hessen nicht zu, da sie den Haftkostenbetrag von 400,00 DM
aufgrund rechtlicher Verpflichtung zur Auslagenerstattung gemäß § 8 HVwVfG
(also "cum causa") an das Land gezahlt hat und ihre Ausländerbehörde beim
Erwerb des Flugtickets in eigener Zuständigkeit gehandelt, also kein fremdes
Geschäft (des Landes Hessen) besorgt hat.
Die Berufung der Klägerin ist daher als unbegründet zurückzuweisen. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 Satz 1
ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.