Urteil des HessVGH vom 11.09.1998

VGH Kassel: geschlossene bauweise, bebauungsplan, hauptsache, begriff, baulinie, grenzabstand, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, dokumentation

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 TZ 4364/97
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 22 Abs 2 BauNVO
(Zum Begriff des Doppelhauses im Sinne de BauNVO § 22
Abs 2)
Gründe
Durch übereinstimmende Erklärungen der Hauptbeteiligten ist das
Eilrechtsschutzverfahren in der Hauptsache erledigt. Daran ändert es nicht, daß
die Beigeladenen sich der Erledigterklärung nicht angeschlossen haben. Die
Erledigung der Hauptsache durch übereinstimmende Erklärung ist auch im
Zulassungsantragsverfahren möglich und führt zur Erledigung des gesamten
Verfahrens. Nach Erledigung der Hauptsache ist nur noch über die Kosten des
Verfahrens zu entscheiden, § 161 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO. Der
Verwaltungsgerichtshof ist als das zur Zeit allein mit der Sache befaßte Gericht
zuständig, über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden (Hess. VGH,
Beschluß vom 03.09.1997 - 4 TZ 2462/97 - ESVGH 48, S. 40 f.). Zugleich ist zur
Rechtsklarheit gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 ZPO analog auszusprechen,
daß die vorinstanzliche Entscheidung wirkungslos wird.
Es entspricht billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und
Streitstandes, daß sämtliche Beteiligten - auch die Beigeladenen - ihre eigenen
außergerichtlichen Kosten und daß die Antragstellerin sowie der Antragsgegner
jeweils die Hälfte der Gerichtskosten des gesamten Verfahrens zu tragen haben, §
161 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Es ist nämlich offen, ob auf den Zulassungsantrag des Antragsgegners dessen
Beschwerde zuzulassen und der etwa zugelassenen Beschwerde stattzugeben
gewesen wäre. Eine Zulassung der Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung
der Rechtssache oder wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher
Schwierigkeiten oder wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofes wäre allerdings nicht in Frage gekommen,
weil der Antragsgegner insoweit tragfähige Zulassungsgründe nicht dargelegt hat.
Möglicherweise wäre die Beschwerde aber wegen ernstlicher Zweifel an der
Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zuzulassen und auch aus
diesen Gründen der Beschwerde stattzugeben gewesen. Es ist nämlich fraglich, ob
die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung die gemeindliche Planungshoheit
der Antragstellerin verletzt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wird
die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht dadurch in Frage gestellt, daß es
sich bei dem Bauvorhaben um ein Einzelhaus handelt, während der
Bebauungsplan hinsichtlich der Bauweise Doppelhäuser vorsieht. Als Festsetzung
über die Bauweise gemäß § 22 Abs. 2 BauNVO regelt die Festsetzung
"Doppelhaus" die Stellung der Gebäude im Verhältnis zur Grundstücksgrenze mit
der Folge, daß an einer Seite des Baugrundstücks angebaut werden muß, während
an der anderen Seite ein Grenzabstand einzuhalten ist (ebenso OVG Lüneburg,
Urteil vom 08.12.1995 - 1 L 3209/94 - NVwZ-RR 1996, S. 489 bis 491).
Dementsprechend ist in der textlichen Erläuterung des Bebauungsplans auch
ausgeführt, daß die Häuser innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche ohne
bzw. mit geringerem Grenzabstand errichtet werden können. Diese Festsetzung ist
jedoch, da der Bebauungsplan Grenzen der Baugrundstücke nicht festsetzen kann
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jedoch, da der Bebauungsplan Grenzen der Baugrundstücke nicht festsetzen kann
und eine Baulandumlegung nicht vorgesehen ist, in sich widersprüchlich und daher
nichtig. Bei Einhaltung der Baugrenzen ist es im gesamten mit WA 3 bezeichneten
Teil des Plangebietes nicht möglich, an eine vorhandenen Grundstücksgrenzen zu
bauen und damit der Festsetzung Doppelhaus als Festsetzung über die Bauweise
Folge zu leisten. Dieser innere Widerspruch beruht darauf, daß die Antragstellerin
mit der Festsetzung Doppelhaus in Wirklichkeit gar keine Festsetzung über die
Bauweise gemäß § 22 Abs. 2 BauNVO, sondern eine Festsetzung über das Maß
der baulichen Nutzung treffen wollte. Dies wird auch durch das Gesamtgefüge
jeder Regelungen des Bebauungsplans und seines Begründung deutlich. Denn alle
im Planbereich WA 3 festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen sind unter
Einhaltung von Grenzabständen in den vorhandenen Baugrundstücken planiert
und jeweils durch eine Baulinie geteilt. Als Festsetzung über das Maß der baulichen
Nutzung ist die Festsetzung Doppelhaus jedoch nicht durch eine gesetzliche
Ermächtigungsgrundlage gedeckt und daher rechtswidrig (ebenso OVG Nordrhein-
Westfalen, Beschluß vom 14.08.1997 - 10 B 1869/97 - NWVBl. 1998, S. 313 bis
315). Im übrigen verpflichtet die Festsetzung Doppelhaus nicht zur gleichzeitigen
Errichtung beider möglichen Doppelhaushälften. Dies muß schon deshalb gelten,
weil ein Bauherr oft keinen Einfluß darauf hat, daß sein Grundstücksnachbar
gleichzeitig baut.
Ohne daß es hierauf für die Entscheidung ankommt, weist der Senat ergänzend
darauf hin, daß auch die Festsetzung der Baulinien, die inmitten der überbaubaren
Grundstücksflächen und inmitten der Baugrundstücke liegen, nichtig sein dürfte.
Baulinien können zur Wahrung und Herstellung vorderer oder rückwärtiger
Baufluchten oder zur weiteren Sicherung der Grenzabstände dienen; sie können
auch an Grundstücksgrenzen verlaufen, um eine geschlossene Bauweise
abzusichern. Als zwingende Binnenabgrenzung zwischen Teilen eines Baukörpers
auf einem einheitlichen Baugrundstück dürfte die Festsetzung einer Baulinie
mangels städtebaulicher Rechtfertigung unzulässig sein.
Der Umstand, daß das Verwaltungsgericht zu Unrecht gemeint hat, die
Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil es sich bei dem Bauvorhaben nicht um ein
Doppelhaus handele, hätte allein noch nicht die Zulassung der Beschwerde
gerechtfertigt. Denn das Verwaltungsgericht hat die Baugenehmigung auch
deshalb für rechtswidrig gehalten, weil die im Bebauungsplan festgesetzte
Traufhöhe überschritten und ein Gefüge von gestaffelt und aufeinander
abgestimmten Festsetzungen des gesamten Plangebietes gesprengt wird. Ob
diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts tragfähig sind, läßt sich nicht ohne
eingehende nähere Prüfung entscheiden. Es ist daher gegenwärtig offen, ob auf
den Zulassungsantrag des Antragsgegners dessen Beschwerde zuzulassen und
der etwa zugelassenen Beschwerde stattzugeben gewesen wäre.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 GKG und folgt der
vom Verwaltungsgericht gegebenen Begründung mit der Maßgabe, daß das im
Zulassungsverfahren maßgebliche Verwaltungsinteresse des Antragsgegners
ebenso wie das in der ersten Instanz maßgebliche Verwaltungsinteresse der
Antragstellerin zu bewerten ist.
Hinweis: Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.