Urteil des HessVGH vom 14.07.2009

VGH Kassel: herstellungskosten, bauherr, nutzungsänderung, grundstück, satzung, rückgriff, gleichbehandlungsgebot, kategorie, eigentümer, veranlagung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 A 1584/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 3 GG, § 44 BauO HE
2002, Art 20 Abs 3 GG
Heranziehung zu einem Stellplatzablösebetrag in Höhe von
100% der Herstellungskosten
Leitsatz
1. Die Regelung einer Stellplatz- und Ablösesatzung, nach der 100 % der
Herstellungskosten sowie der Kosten der mittleren Bodenrichtwerte als Ablösebetrag
veranlagt werden, verstößt weder gegen das Übermaßverbot noch gegen das
Gleichbehandlungsgebot.
2. Weder die 60 %-Regelung, die auf die Fassung der HBO 1977 zurückgeht und die mit
der HBO-Novellierung 1993 aufgehoben wurde, noch die in der Kommentarliteratur
bevorzugte 80 %-Regelung der Höhe der Ablösebeträge sind wegen höherrangigen
Rechts, insbesondere wegen des Übermaßverbotes, geboten.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen
vom 3. September 2007 - 1 E 3950/06 - aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
Die Entscheidung ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der
vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten geltend
gemachten Stellplatzablösebeträge.
Die Kläger beantragten bei der unteren Bauaufsichtsbehörde des Landkreises
Gießen eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Textilmarktes im
Erdgeschoss des Gebäudes auf dem Grundstück in Pohlheim Flur ..., Flurstück .../1
(xxx) in der Gemarkung Holzheim mit einer Verkaufsfläche von 116,69 qm in einen
Drogeriemarkt. Die Beklagte erteilte hierzu unter dem 14. Oktober 2003 ihr
gemeindliches Einvernehmen und forderte von den Klägern mit Bescheid vom
gleichen Tag einen Stellplatzablösebetrag nach den Regelungen ihrer
Stellplatzsatzung für 6 Stellplätze von zusammen 24.810,73 € (6 x 5.135,12 € =
8.100,00 DM), da auf dem Baugrundstück keine Stellplätze errichtet werden
können. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit Schriftsatz ihres
Bevollmächtigten vom 3. November 2003 Widerspruch ein, den sie im
Wesentlichen damit begründeten, die Beklagte habe auf Grund der ländlichen
Struktur von Holzheim keine Stellplatzsatzung erlassen dürfen, da dort kein
besonderer Stellplatzbedarf bestehe, auch sei die festgelegte Höhe der
Ablösebeträge unangemessen, wodurch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
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Ablösebeträge unangemessen, wodurch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
verletzt werde. Die dem Bescheid zugrunde liegende Stellplatzsatzung der
Beklagten sei unwirksam, so dass der Bescheid nicht auf sie gestützt werden
könne.
Bereits mit Bescheid vom 27. Dezember 2004 reduzierte die Beklagte im Rahmen
des Abhilfeverfahrens die geforderte Ablösung auf 12.405,36 € (4.135,12 € x 3)
und wies darauf hin, dass dem Widerspruch im Übrigen nicht abgeholfen werden
könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2006 setzte die Beklagte den
Ablösebetrag erneut auf 12.405,36 € (4.135,12 € x 3) fest und wies den darüber
hinausgehenden Widerspruch zurück.
Am 27. November 2006 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen
sie im Wesentlichen vor, der Bescheid sei ohne Rechtsgrundlage ergangen, da die
Stellplatz- und Ablösesatzung der Beklagten vom 19. Mai 1995 in der Fassung
vom 1. Januar 2002 gemäß § 79 Abs. 2 HBO 2002 insgesamt nicht fortgelte. Die
Stellplatzsatzung widerspreche § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HBO. Dies ergebe sich
daraus, dass Stellplatzsatzungen gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Nr. 6
(gemeint wohl: Nr. 8) HBO bei einer Änderung oder Nutzungsänderung bereits
bestehender Anlagen nur die Herstellungs- bzw. Ablösepflicht für den Mehrbedarf
bestimmen dürften. Die Stellplatzsatzung der Beklagten gehe darüber hinaus, da
sie in § 1 Nr. 3 wesentliche Änderungen oder wesentliche Nutzungsänderungen der
Errichtung von Anlagen gleichstelle, und ein Rückgriff auf § 1 Nr. 4 , der nur den
Mehrbedarf erfasse, nicht zulässig sei. Darüber hinaus sei eine
Stellplatzherstellungs- und eine damit verbundene Ablösepflicht in dem ländlich
geprägten Stadtteil Holzheim nicht erforderlich und verstoße gegen das
Verhältnismäßigkeitsprinzip, es sei ausreichend Parkraum vorhanden. Zudem
verstoße die Festsetzung von 100 % der Herstellungskosten eines Stellplatzes als
Ablösebetrag in § 5 der Stellplatzsatzung gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip
und den Gleichbehandlungsgrundsatz. Schließlich sei ein Mehrbedarf von 3
Stellplätzen nicht erkennbar und nicht nachgewiesen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 3. September
2007 hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid in der Fassung des
Widerspruchsbescheides dahingehend abgeändert, dass sie nur noch für 2
Stellplätze eine Ablösung in Höhe von zusammen 8.270,24 € (4.135,12 € x 2) von
den Klägern begehrt. Hinsichtlich des nicht mehr geforderten Ablösebetrags für
einen 3. Stellplatz haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für
erledigt erklärt. Das daraufhin abgetrennte Verfahren ist mit Beschluss des
Verwaltungsgerichts vom 3. September 2007 eingestellt worden (1 E 1957/07, Bl.
132 Gerichtsakte - GA - ).
Die Kläger haben beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 17. Oktober 2006 aufzuheben und die
Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Kläger im Widerspruchsverfahren
für notwendig zu erklären.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie räumt ein, dass § 1 Nr. 3 der Stellplatzsatzung anders als § 1 Nr. 4 der
Stellplatzsatzung, auf den der Bescheid gestützt sei, nicht mit § 44 HBO in
Einklang stehe. Ihr stehe hinsichtlich des Erlasses einer Stellplatzsatzung ein
weiter Ermessensspielraum zu; im Widerspruchsbescheid sei die Erforderlichkeit
der Schaffung von Stellplätzen dargelegt. § 5 der Stellplatzsatzung mit der
Festsetzung von 100 % der Herstellungskosten sei rechtmäßig, da § 44 HBO keine
Begrenzung des Ablösungsbetrages (mehr) vorschreibe.
Mit Urteil vom 3. September 2007 hat das Verwaltungsgericht Gießen den
Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2003 in der Gestalt des (abgeänderten)
Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2006 aufgehoben. Zur Begründung hat
es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte könne die Ablösebeträge von den
Klägern nicht verlangen, da die maßgeblichen Bestimmungen der
Stellplatzsatzung nichtig seien. § 1 Nr. 3 der Stellplatzsatzung gelte gemäß § 79
Abs. 2 Satz 2 HBO nicht fort, da er § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HBO widerspreche. Ein
Rückgriff auf § 1 Nr. 4 der Stellplatzsatzung sei nicht zulässig, da es sich dabei um
einen Auffangtatbestand handele, auf den, wenn - wie hier - § 1 Nr. 3 der
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einen Auffangtatbestand handele, auf den, wenn - wie hier - § 1 Nr. 3 der
Stellplatzsatzung dem Grunde nach einschlägig sei, nicht zurückgegriffen werden
dürfe. Auch § 5 der Stellplatzsatzung gelte nicht fort und sei unwirksam. Zwar
treffe § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 HBO keine Aussage zu der Höhe des
Ablösebetrages, womit den Gemeinden ein weiter Handlungsspielraum eröffnet
sei, der nur durch verfassungsrechtliche Grundsätze und durch Sinn und Zweck
der Stellplatzablöseregelung eingeschränkt werde. Eine ausdrückliche Begrenzung,
wie sie bis 1990 noch § 67 Abs. 7 Satz 5 der HBO vom 16.12.1977 (GVBl. 1978 I S.
1) mit 60 % der durchschnittlichen Herstellungskosten und des
Grundstücksbodenwerts enthalten habe, bestehe nicht mehr. Aufgrund des
verfassungsrechtlichen Übermaßver- und Gleichbehandlungsgebotes dürfe eine
Bauherrschaft durch die Verpflichtung, eine Ablösung zu zahlen, finanziell nicht
schlechter gestellt werden, als sie es im Falle der Herstellung der Stellfläche durch
die durchschnittlich anfallenden Kosten wäre. Prozentuale Abschläge in Höhe von
40 % der durchschnittlichen Herstellungskosten seien in der Praxis üblich, die
Obergrenze dürfte ein Abschlag in Höhe von 20 % der durchschnittlichen
Herstellungskosten bilden. Die Veranlagung zu 100 % der Herstellungskosten
sowie des Bodenwertes als Ablösebetrag stelle eine Verletzung des Übermaßver-
sowie des Gleichbehandlungsgebots dar.
Auf den Zulassungsantrag der Beklagten hat der Hessische
Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Juli 2008 - 3 UZ 2160/07 - die
Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (Bl. 193
GA).
Zur Berufungsbegründung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, entgegen
der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei sie aufgrund der von ihr nicht in
Abrede gestellten Unwirksamkeit von § 1 Nr. 3 der Stellplatzsatzung nicht
gehindert, bei Nutzungsänderungen auf die allgemeine Vorschrift des § 1 Nr. 4 der
Stellplatzsatzung zurückzugreifen, der mit § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HBO in Einklang
stehe. Da die von den Klägern durchgeführte Nutzungsänderung dem Begriff der
"sonstigen" Änderungen unterfalle, könne sie ihr Ablöseverlangen auf § 1 Nr. 4 der
Stellplatzsatzung stützen. Dabei sei die Ablösung für die jetzt noch geforderten
zwei Stellplätze wie folgt errechnet worden: Zunächst sei fiktiv der Stellplatzbedarf
für das mit Bauschein Nr. 1763/64 vom 28. April 1965 genehmigte
Textilhandelsgeschäft berechnet worden. Das Textilhandelsgeschäft sei in die
Kategorie "Geschäftshäuser mit geringem Besucher/innen-Verkehr" eingeordnet
worden und gemäß Ziffer 3.2 der Anlage 1 zur Stellplatz- und Ablösesatzung mit
zwei Stellplätzen veranlagt worden. Die beantragte Nutzungsänderung in einen
Drogeriemarkt sei unter Nr. 3 "Verkaufsstätten" eingeordnet worden, wobei es sich
nunmehr nicht mehr um ein Geschäftshaus mit "geringem Besucherverkehr"
handele, sondern in die allgemeine Kategorie der Nr. 3.1 "Läden, Geschäftshäuser"
einzuordnen sei, was zu dem geforderten Mehrbedarf von zwei Stellplätzen führe.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei § 5 der Stellplatzsatzung
mit höherrangigem Recht vereinbar. Die mit der HBO-Novelle 1993 aufgehobene
Begrenzung des Ablösebetrags auf 60 % der Herstellungskosten zeige, dass der
Gesetzgeber keine Obergrenze mehr habe setzen wollen. Die Lösung des
Spannungsverhältnisses zwischen verfassungsrechtlichem Übermaßverbot und
Gleichbehandlungsgebot finde nicht auf der Ebene der Höhe des Ablösebetrages
statt, sondern im Rahmen der Verwendung von eingenommenen Ablösebeträgen.
Denn nach § 44 Abs. 2 Satz 2 HBO müsse die Verwendung des Geldbetrages für
die Erreichbarkeit des Bauvorhabens, das die Zahlungspflicht auslöse, einen
Vorteil bewirken, wodurch sichergestellt sei, dass die Bauherrschaft zwar keinen
individuellen Vorteil wie bei eigener Herstellung der Stellplätze erlange, aber einen
abstrakten für die Erreichbarkeit des Bauvorhabens. Dieser Sachverhalt zwinge
nicht dazu, bei der Höhe des Ablösebetrages hinter den tatsächlich anfallenden
Herstellungskosten zu bleiben, da der durch das Bauvorhaben ausgelöste Verkehr
mangels eigener Stellplätze zwingend Parkeinrichtungen bzw. Straßen der
Berufungsklägerin nutzen müsse. Entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts würde die Anordnung eines Abschlags sogar gegen das
Gleichbehandlungsgebot verstoßen, da der Bauherr mit der Ablösung nicht nur die
Kosten für die Herstellung eigener Stellplätze erspare, sondern die betroffenen
Flächen für die eigentlichen Zwecke seines Bauvorhabens nutzen könne und daher
einen Vorteil erlange, der in der Regel selbst die 100-prozentigen
Herstellungskosten übersteige. Tatsächlich bestehe gerade bei Ladengeschäften
nicht zwingend ein individuelles Nutzungsinteresse an Stellplätzen, da es dem
Ladeninhaber lediglich darauf ankomme, dass Kunden ihren PKW möglichst nah
und problemlos abstellen könnten. Durch die Vorhaltung von eigenen Stellplätzen
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und problemlos abstellen könnten. Durch die Vorhaltung von eigenen Stellplätzen
würden nicht nur Vorteile geschaffen, sondern auch rechtliche Nachteile
entstehen, da den Eigentümer bzw. Mieter Instandhaltungs-, Säuberungs- und
Verkehrssicherungspflichten träfen, die auch ein nicht unerhebliches
Haftungsrisiko beinhalteten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom
3. September 2007 - 1 E 3950/06 - abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für
notwendig zu erklären.
Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, es sei aus rechtlichen und
tatsächlichen Gründen mit der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz
unvereinbar, wenn sich die Beklagte auf den Standpunkt stelle, der unstreitig
nichtige Teil der Stellplatzsatzung, der von dem Satzungsgeber jedoch so gewollt
gewesen sei, sei ohne jede rechtliche Relevanz. Bei Unwirksamkeit des § 1 Nr. 3
der Stellplatz- und Ablösesatzung sei ein Rückgriff auf § 1 Nr. 4 der Stellplatz- und
Ablösesatzung unzulässig. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, eine
unwirksame Regelung könne keine Geltung mehr haben und daher auch nicht zur
Auslegung einer fortgeltenden anderen Vorschrift herangezogen werden, sei
rechtsfehlerhaft. Der Wille des Satzungsgebers, der bei dem Erlass der Satzung
bestanden habe und für das Zusammenspiel der einzelnen Vorschriften
maßgeblich gewesen sei, könne nicht durch die Unwirksamkeit einzelner
Satzungsteile in sein Gegenteil verkehrt werden. Dies widerspreche bereits dem
Bestimmtheitsgebot.
Hinsichtlich der Berechnung des angeblichen Mehrbedarf sei darauf hinzuweisen,
dass bei Erwerb der Immobilie durch die Kläger der Drogeriemarkt seit langem
betrieben worden sei. Der Bauantrag, mit dem die Kläger die vorhandene Nutzung
hätten legalisieren wollen, habe daher nicht zu einem tatsächlichen Mehrbedarf an
Stellplätzen geführt. Nachdem die Beklagte eingeräumt habe, ihr lägen keine
Erkenntnisse über die ursprüngliche Nutzung des Textilmarktes vor, könne sie
auch keinen Vergleich zwischen der ursprünglichen Nutzung des Textilmarktes und
der Nutzung als Drogeriemarkt angestellt haben, der die Nachforderung
rechtfertigen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Gerichtsakte befindlichen
Schriftstücke sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten (7 Aktenhefte) Bezug
genommen, die insgesamt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und
Beratung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Klage ist unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 3.
September 2007 - 1 E 3950/06 - abzuweisen, da der angefochtene Bescheid der
Beklagten vom 14. Oktober 2003 in der Gestalt des in der mündlichen
Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Gießen am 3. September 2007
abgeänderten Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2006 rechtmäßig ist und
die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides vom 14. Oktober 2003 in der
Fassung des in der mündlichen Verhandlung am 3. September 2007 geänderten
Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2006 sind die §§ 44, 79 Abs. 2 der
Hessischen Bauordnung vom 18. Juni 2002 (GVBl. I S. 274) - HBO - in der Fassung
vom 06.09.2007 (GVBl. I S. 548) i.V.m. den §§ 1 Nr. 4, 5 der Satzung der Stadt
Pohlheim über die Stellplatzpflicht sowie die Gestaltung, Größe, Zahl der
Stellplätze und der Garagen und die Ablösung der Stellplätze für Kraftfahrzeuge
vom 19. Mai 1995, geändert am 2. Februar 2001 und 22. Juni 2001 - Stellplatz- und
Ablösesatzung -.
Gemäß § 44 Abs. 1 HBO legen die Gemeinden unter Berücksichtigung der
örtlichen Verkehrsverhältnisse fest, ob und in welchem Umfang bei der Errichtung,
Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen oder sonstigen Anlagen, bei
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Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen oder sonstigen Anlagen, bei
denen ein Zu- oder Abgangsverkehr zu erwarten ist, geeignete Garagen oder
Stellplätze für Kraftfahrzeuge und Abstellplätze für Fahrräder errichtet werden
müssen, um den Erfordernissen des ruhenden Verkehrs zu genügen (notwendige
Garagen, Stellplätze und Abstellplätze). Sie können insoweit durch Satzung regeln
1. die Herstellungspflicht bei Errichtung der Anlagen,
2. die Herstellungspflicht des Mehrbedarfs bei Änderungen oder
Nutzungsänderungen der Anlagen, ....
8. die Ablösung der Herstellungspflicht in den Fällen der Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 durch
Zahlung eines in der Satzung festzulegenden Geldbetrages an die Gemeinde.
Macht die Gemeinde von der Satzungsermäßigung nach Satz 2 Nr. 1 bis 4
Gebrauch, hat sie in der Satzung Standort sowie Größe, Zahl und Beschaffenheit
der notwendigen Garagen, Stellplätze und Abstellplätze unter Berücksichtigung
von Art und Zahl der vorhandenen und zu erwartenden Fahrzeuge und Personen
zu bestimmen, die die Anlagen ständig benutzen oder sie besuchen. ... In einer
Satzung nach Satz 2 Nr. 8 kann die Gemeinde die Voraussetzungen der Ablösung
näher bestimmen.
Gemäß der Übergangsregelung des § 79 Abs. 2 HBO gelten Rechtsverordnungen,
die aufgrund einer früher geltenden Hessischen Bauordnung erlassen sind, soweit
sie diesem Gesetz nicht widersprechen, als aufgrund dieses Gesetzes erlassen,
wobei nach Satz 2 das gleiche für Satzungen und Anordnungen gilt, die aufgrund
einer früher geltenden Hessischen Bauordnung ergangen sind. Danach gilt § 1 Nr.
3 der Stellplatz- und Ablösesatzung der Beklagten wegen Verstoßes gegen § 44
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HBO nicht fort, da er bei Nutzungsänderungen nicht, wie § 44
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HBO vorgibt, lediglich den durch die Nutzungsänderung
verursachten Mehrbedarf veranlagt, sondern diese der erstmaligen Errichtung
gleichstellt. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sowie der Kläger hat dies
jedoch nicht zur Folge, dass der Beklagten ein Rückgriff auf die allgemeine
Regelung des § 1 Nr. 4 der Stellplatz- und Ablösesatzung verwehrt ist. Der
Grundsatz lex speziales derogat legi generali greift nicht, da § 1 Nr. 3 der
Stellplatz- und Ablösesatzung aufgrund der Übergangsregelung des § 79 Abs. 2
HBO als rechtlich nicht existent zu behandeln ist und einem Rückgriff auf § 1 Nr. 4
der Stellplatz- und Ablösesatzung rechtlich nicht - mehr - im Wege steht. Dabei
kommt dem ursprünglichen Willen des Satzungsgebers nicht die Bedeutung zu,
die ihm die Kläger zukommen lassen wollen. Der Satzungsgeber hat ursprünglich
eine Spezialregelung für Nutzungsänderungen durch § 1 Nr. 3 der Stellplatz- und
Ablösesatzung schaffen wollen und gerade auch diesen Lebenssachverhalt der
Stellplatz- und Ablösepflicht unterwerfen wollen. Es entspräche daher gerade nicht
dem ursprünglichen Willen des Satzungsgebers, bei Unwirksamwerden der
Spezialregelung einen Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 1 Nr. 4 der
Stellplatz- und Ablösesatzung für unzulässig zu erachten. Im Übrigen würde dies
auch Sinn und Zweck der Übergangsregelung des § 79 Abs. 2 HBO zuwiderlaufen,
die gewährleisten soll, dass durch neue Regelungen in der Bauordnung hierauf
fußende Rechtsverordnungen und Satzungen Bestand haben, soweit sie den
neueren Vorschriften der HBO nicht widersprechen.
Die Heranziehung zu dem Ablösebetrag ist auch im Übrigen, insbesondere der
Höhe nach, gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts
sowie der Kläger verstößt die in § 5 der Stellplatz- und Ablösesatzung vorgesehene
Veranlagung zu 100 % der Herstellungskosten sowie der Kosten der mittleren
Bodenrichtwerte weder gegen das Übermaßver- noch gegen das
Gleichbehandlungsgebot.
Zwar vertreten Allgeier/von Lutzau, Hornmann sowie Schröer in ihren
Kommentierungen zur Hessischen Bauordnung, es handele sich, soweit dem
Ablösepflichtigen kein unmittelbares Nutzungsrecht eingeräumt werde, bei einem
Anteil von 80 % der Herstellungs- und Grundstückskosten um die
verfassungsrechtlich gebotene Obergrenze (vgl. Allgeier/von Lutzau, Die
Bauordnung für Hessen, 7. Auflage, B-Stadt 2003, § 44 S. 326; Hornmann,
Hessische Bauordnung, Kommentar, Frankfurt am Main 2004, § 44 Rdnr. 148; wohl
auch Schröer in Rasch/Schaetzell, Hessische Bauordnung, Stand Februar 2009, §
44 Rdnr. 2.1.2.8), da Gemeinden nicht einen erheblichen Teil ihrer Kosten für
Parkeinrichtungen, die sie selbst errichten oder deren Bau sie finanziell fördern, auf
die zur Ablösezahlung verpflichtete Bauherrschaft abwälzen dürften (Hornmann,
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die zur Ablösezahlung verpflichtete Bauherrschaft abwälzen dürften (Hornmann,
a.a.O., § 44 Rdnr. 148;).
Dem folgt der Senat nicht.
Weder die 60-Prozent-Regelung, die auf die Fassung der HBO 1977 zurückgeht und
die mit der HBO-Novellierung 1993 aufgehoben wurde, noch die von Hornmann
und Allgeier/von Lutzau als Obergrenze bezeichnete 80-Prozent-Regelung, der
Schröer als der kommunalen Praxis entsprechende Obergrenze zugestimmt hat,
sind wegen höherrangigen Rechts, insbesondere wegen des Übermaßverbotes,
geboten. Dabei ergeben sich zunächst weder aus der amtlichen Begründung zur
Hessischen Bauordnung in der Fassung vom 16. Dezember 1977 (GVBl. 1978 I S.
1) noch zu der vom 20. Dezember 1993 (GVBl. I S. 655) die für den Gesetzgeber
maßgeblichen Beweggründe für eine derartige Begrenzung des Ablösebetrages.
Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 16.09.2004 - 4 C 5/03 - in juris online)
hat zu einer zwar nicht identischen, im maßgeblichen Bereich jedoch
vergleichbaren Regelung der Hamburger Bauordnung (HBauO) zur
Ausgleichsabgabe für Stellplätze und Fahrradplätze im Wesentlichen ausgeführt:
"Das Grundgesetz schließt die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben nicht von
vornherein aus, da es keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabentypen
enthält. Trotz dieser Offenheit lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die
grundgesetzliche Finanzverfassung ihren Sinn und ihre Funktion verlöre, wenn
unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln beliebig
nichtsteuerliche Abgaben begründet werden könnten. Besonders strengen
Zulässigkeitsvoraussetzungen unterwirft das Bundesverfassungsgericht
Sonderabgaben, die ähnlich belastend wie Steuern wirken. Hierzu gehören
Sonderabgaben, die Finanzierungszwecken dienen. Von Abgaben dieses Typs darf
der Gesetzgeber nur zur Erreichung eines Sachzwecks Gebrauch machen, der
über die Mittelbeschaffung als solche hinausgeht. Zu den weiteren Erfordernissen
gehört, unabhängig davon, ob die Finanzierung als Haupt- oder Nebenzweck eine
Rolle spielt, dass mit der Abgabe nur eine homogene Gruppe belegt werden darf,
die in einer spezifischen Beziehung zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten
Zweck steht. Hinzu kommen muss ferner, dass das Abgabenaufkommen
gruppennützig verwendet wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980 - 2 BvF
3/77 - BVerfGE 55, 274 <305>; Beschlüsse vom 8. April 1987 - 2 BvR 909/82
u.a. - BVerfGE 75, 108 <147 f.>, vom 31. Mai 1990 - 2 BvL 12/88 u.a. -
BVerfGE 82, 159 <178 ff.>, vom 11. Oktober 1994 - 2 BvR 633/86 - BVerfGE
91, 186 <201 ff.> und vom 9. November 1999 - 2 BvL 5/95 - BVerfGE 101,
141 <147 f.>). Sonderabgaben, die nicht zur Finanzierung einer bestimmten
Aufgabe erhoben werden, unterliegen dagegen weniger strengen Anforderungen.
Unbedenklich sind sie, unabhängig davon, ob sie im Einzelnen durch ein
Gegenleistungsverhältnis gekennzeichnet sind (vgl. BVerfG, Urteile vom 23. Januar
1990 - 1 BvL 44/86 u.a. - BVerfGE 81, 156 <186 ff.> und vom 19. März 2003 -
2 BvL 9/98 u.a. - BVerfGE 108, 1 <17>; Beschlüsse vom 6. Februar 1979 - 2
BvL 5/76 - BVerfGE 50, 217 <226>, vom 8. Juni 1988 - 2 BvL 9/85 u.a. -
BVerfGE 78, 249 <267> und vom 12. Oktober 1994 - 1 BvL 19/90 - BVerfGE
91, 207 <223>), eine Lenkungsfunktion erfüllen (vgl. BVerfG, Urteile vom 26.
Mai 1981 - 1 BvL 56/78 u.a. - BVerfGE 57, 139 <167 f.> und vom 6.
November 1984 - 2 BvL 19/83 u.a. - BVerfGE 67, 256 <277 f.>; Beschluss
vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. - BVerfGE 92, 91 <117 f.>) oder
einem Ausgleichszweck dienen (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. November 1984 - 2 BvL
19/83 u.a. - a.a.O. <277>; Beschlüsse vom 17. Oktober 1961 - 1 BvL 5/61 -
BVerfGE 13, 167 <170> und vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. - a.a.O.
116 ff.), jedenfalls dann, wenn sie drei finanzverfassungsrechtlichen
Grundprinzipien entsprechen, durch die der Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben
allgemein Grenzen gesetzt werden: (1.) Zur Wahrung der Geltungskraft der
Finanzverfassung bedürfen solche Abgaben einer besonderen sachlichen
Rechtfertigung. Sie müssen sich zudem ihrer Art nach von der Steuer, die
voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, deutlich unterscheiden. (2.) Die
Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe muss der Belastungsgleichheit der
Abgabepflichtigen Rechnung tragen. Der Schuldner einer nichtsteuerlichen Abgabe
ist regelmäßig zugleich Steuerschuldner. Schon als solcher wird er zur
Finanzierung der Lasten herangezogen, die die Gemeinschaft treffen. (3.) Der
Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans ist berührt, wenn
der Gesetzgeber Einnahmen- und Ausgabenkreisläufe außerhalb des Budgets
organisiert (BVerfG, Beschlüsse vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88 u.a. -
BVerfGE 93, 319 <342 ff.> und vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. - BVerfGE
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BVerfGE 93, 319 <342 ff.> und vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. - BVerfGE
108, 186 <215 ff.>).
Der Senat hat den Ausgleichsbetrag nach § 65 Abs. 4 HBauO a.F., der unter den
gleichen Voraussetzungen wie der Ausgleichsbetrag nach § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
HBauO erhoben wurde, an den Anforderungen gemessen, die an eine
Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion zu stellen sind und nach dem
seinerzeitigen Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als
zulässige nichtsteuerliche Sonderabgabe qualifiziert. Er hat die zur Zahlung
verpflichteten Bauherrn als homogene gesellschaftliche Gruppe gekennzeichnet,
die für die Erreichung des mit der Abgabe verfolgten Zwecks aufgrund ihrer
größeren Sachnähe besondere Verantwortung trägt. Außerdem hat er dem
hamburgischen Gesetzgeber bescheinigt, Vorsorge dafür getroffen zu haben, dass
das Abgabenaufkommen gruppennützig verwendet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom
30. August 1985 - BVerwG 4 C 10.81 - a.a.O.). Das Berufungsgericht ist von dieser
Rechtsprechung abgerückt. Nach seiner Auffassung bedarf es nicht des
Nachweises, dass die strengen Anforderungen erfüllt sind, denen nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Sonderabgaben mit
Finanzierungsfunktion unterliegen. Insbesondere kommt es nach seiner
Einschätzung nicht darauf an, ob die Bauherren als homogene gesellschaftliche
Gruppe eine besondere Verantwortung für die Erfüllung des Abgabenzwecks
tragen und die Ausgleichsbeträge gruppennützig verwendet werden. Auf der
Grundlage seiner Auslegung des hier maßgebenden Landesrechts erweist sich
diese rechtliche Sicht als zutreffend.
Das Berufungsgericht kennzeichnet die Geldleistung, die nach § 49 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 HBauO zu erbringen ist, als eine Abgabe, bei der die Finanzierung der vom
Gesetzgeber genannten Maßnahmen weder Haupt- noch Nebenzweck ist. Die
Abgabenerhebung diene nicht der Erzielung von Einnahmen zur Deckung des
Finanzbedarfs, der nach der Zweckbindungsklausel des § 49 Abs. 2 HBauO durch
den Erwerb von Flächen sowie zur Herstellung, Unterhaltung, Grundinstandsetzung
und Modernisierung von baulichen Anlagen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen
außerhalb öffentlicher Straßen und von Fahrrädern, Verbindungen zwischen
Parkeinrichtungen und Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs,
Parkleitsystemen und anderen Einrichtungen zur Verringerung des
Parksuchverkehrs sowie für sonstige Maßnahmen zugunsten des ruhenden
Verkehrs sowie Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs und von
öffentlichen Radverkehrsanlagen ausgelöst wird. Vielmehr vereine der
Ausgleichsbetrag in sich Elemente, die es rechtfertigen, ihm neben seinem
Surrogatcharakter eine Ausgleichsfunktion zuzuerkennen. Auch eine
Gegenleistungskomponente sei ihm nicht fremd.
Der so gekennzeichnete Ausgleichsbetrag nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 HBauO ist aus
Sachgründen gerechtfertigt. Die Zahlungsverpflichtung tritt an die Stelle der durch
§ 48 Abs. 1 HBauO begründeten Naturalverpflichtung, Stellplätze herzustellen. Nur
wenn der Bauherr außer Stande ist, Beeinträchtigungen der Sicherheit und
Leichtigkeit des Straßenverkehrs durch den seinem Bauvorhaben zurechenbaren
ruhenden Kraftfahrzeugverkehr außerhalb des öffentlichen Straßenraums durch
Vorkehrungen auf dem Baugrundstück oder auf einem Grundstück in der Nähe
vorzubeugen, darf er zu einem Ausgleichsbetrag herangezogen werden. Die
Geldleistungspflicht dient indes nicht lediglich dazu, die Primärpflicht abzulösen.
Sie hat auch eine Ausgleichsfunktion, die sie in die Nähe herkömmlicher
Ersatzgeldregelungen rückt (vgl. insoweit zur Feuerwehrabgabe: BVerfG, Urteil
vom 6. November 1984 - 2 BvL 19/83 u.a. - a.a.O. <277>; Beschluss vom 17.
Oktober 1961 - 1 BvL 5/61 - a.a.O. <172>; zur naturschutzrechtlichen
Ausgleichsabgabe: BVerwG, Urteile vom 4. Juli 1986 - BVerwG 4 C 50.83 - BVerwGE
74, 308 <309 ff.> und vom 20. Januar 1989 - BVerwG 4 C 15.87 - BVerwGE
81, 220 <225 f.>). Sie verhindert nämlich, dass ein Bauherr, der nicht in der
Lage ist, seiner Naturalpflicht zu genügen, wirtschaftlich besser dasteht als
derjenige, der die für das Vorhaben notwendigen Stellplätze mit entsprechendem
Kostenaufwand herstellt. Der Bauherr hat lediglich das finanzielle Opfer zu
erbringen, das ihm aufgrund der gesetzlichen Stellplatzpflicht ohnehin abverlangt
wird. Um den sonst unvermeidlichen Kostenverzerrungen vorzubeugen, wird mit
dem Ausgleichsbetrag gleichsam die Kostenersparnis abgeschöpft. Die
Abgabenhöhe orientiert sich an den Aufwendungen, die für die nicht herstellbaren
Stellplätze zu leisten gewesen wären. Der Ausgleichsbetrag nach § 49 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 HBauO enthält zudem, wenn auch nur mittelbar, ein Element der
Gegenleistung. Wie der Bauherr plant, bleibt seine Sache. Von seiner Entscheidung
hängt es ab, ob sein Bauvorhaben einen Stellplatzbedarf auslöst oder nicht. Kann
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hängt es ab, ob sein Bauvorhaben einen Stellplatzbedarf auslöst oder nicht. Kann
er dem gesetzlichen Zulässigkeitserfordernis der Herstellung notwendiger
Stellplätze nicht genügen, so liefe er Gefahr, mit seinen Bauplänen zu scheitern.
Mit dem Mittel der Ablösung eröffnet der Gesetzgeber ihm die Möglichkeit, ein
Bauvorhaben zu verwirklichen, das sonst allenfalls unter den engen
Voraussetzungen der Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung zulassungsfähig
wäre.
§ 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HBauO genügt auch dem Grundsatz der
Belastungsgleichheit. Die Zahlungspflicht tritt an die Stelle der nicht erfüllbaren
Stellplatzpflicht. Diese Pflicht aber trifft den Bauherrn, der in § 54 Abs. 1 HBauO als
diejenige Person definiert wird, die auf eigene Verantwortung eine bauliche Anlage
vorbereitet oder ausführt oder vorbereiten oder ausführen lässt. Der innere
Zusammenhang, den der Gesetzgeber durch das Surrogatverhältnis zwischen
Primär- und Sekundärpflicht herstellt, würde es nicht bloß unzweckmäßig, sondern
geradezu rechtlich bedenklich erscheinen lassen, den Adressatenkreis
unterschiedlich zu bestimmen. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann es
nicht darauf ankommen, von wem die bauliche Anlage finanziert, verwertet oder
genutzt werden soll. Hierbei handelt es sich weithin um Vorgänge, in die die
Bauordnungsbehörde keinen Einblick hat. Ebenso wenig ist darauf abzustellen, ob
der Bauherr Eigentümer, sonstiger dinglich Berechtigter, Pächter oder Mieter des
Baugrundstücks ist. Der Gesetzgeber misst diesen Unterscheidungen
augenscheinlich nicht die Bedeutung eines Abgrenzungsmerkmals bei. Ein "bloß"
obligatorisch Berechtigter, der der Bauordnungsbehörde gegenüber als Bauherr
auftritt, dokumentiert durch sein Verhalten in einer einem Eigentümer
vergleichbaren Weise, dass er ein eigenes Interesse an der Verwirklichung des
Bauvorhabens hat, auch wenn ihm hierfür nur fremder Grund und Boden zur
Verfügung steht. Wieso dem nicht die gleiche Pflichtenstellung sollte
korrespondieren dürfen, ist nicht ersichtlich. Für den durch das Bauvorhaben
erzeugten ruhenden Verkehr trägt ein Bauherr nicht deshalb geringere
Verantwortung, weil er bloß Mieter ist.
Unschädlich ist, dass die Geldmittel, die der Beklagten in Gestalt der
Ausgleichsbeträge zufließen, nicht zum unmittelbaren Nutzen des jeweiligen
Bauherrn verwendet werden. § 49 Abs. 2 HBauO sieht zwar eine Zweckbindung
vor. Die Maßnahmen, die in dieser Bestimmung aufgezählt werden, dienen aber
nicht ausschließlich dazu, den vom Bauherrn nicht befriedigten Stellplatzbedarf an
anderer Stelle, gar in der Nähe des Baugrundstücks, zu decken. Der Erhebung von
Ausgleichsbeträgen mag ursprünglich die Konzeption zugrunde gelegen haben, in
der Nachbarschaft des Baugrundstücks Stellplätze herzustellen und dem Bauherrn
zur Nutzung zu überlassen. Schon unter der Geltung des § 65 Abs. 4 HBauO a.F.
hatte der Gesetzgeber sich indes von dieser Sichtweise gelöst. Wie aus den
Gründen der Senatsentscheidung vom 30. August 1985 - BVerwG 4 C 10.81 -
(a.a.O.) zu ersehen ist, wurde der Ausgleichsbetrag "zur Schaffung von
Stellplätzen 'irgendwo' im Stadtgebiet" verwendet. Nach der Neuregelung kann
vollends keine Rede mehr davon sein, dass der Bauherr statt des Stellplatzes auf
seinem Grundstück ein Stellplatzäquivalent an einer anderen Stelle erhält. Denn
im Rahmen der in § 49 Abs. 2 HBauO genannten Verwendungszwecke spielt der
Gesichtspunkt des gleichartigen Ersatzes an anderem Ort nunmehr eine
untergeordnete Rolle. Die in dieser Vorschrift enthaltene Aufzählung hat nach der
Darstellung des Berufungsgerichts lediglich den Sinn, "einen hinreichenden Bezug
zu dem Grund zu wahren", aus dem die Beträge eingenommen werden (UA S. 26).
Mit dem Maßnahmenkatalog des § 49 Abs. 2 HBauO zielt der Gesetzgeber in
Weiterführung des Gedankens, der der Stellplatzpflicht zugrunde liegt, darauf ab,
das öffentliche Straßenverkehrsnetz aufs Ganze betrachtet zu entlasten. Es
begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass bei diesem Konzept offen bleibt, ob
die Entlastungswirkung auch auf die Verkehrsverhältnisse in der Nähe des
Baugrundstücks durchschlägt. Da der Gesetzgeber mit dem Ausgleichsbetrag
keinen Finanzierungszweck verfolgt, kommt es nicht darauf an, dass die Mittel für
Maßnahmen verwendet werden, die durch das Merkmal der Gruppennützigkeit
gekennzeichnet sind."
Unter Anlegung dieser Kriterien, denen der Senat folgt, ist vorliegend weder ein
Verstoß gegen das aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art.
20 Abs. 3 GG) folgenden Übermaßverbot noch gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) zu erkennen.
Die Stellplatzablöseverpflichtung stellt auch nach den Regelungen der Hessischen
Bauordnung Surrogat und Ausgleich für die eigentlich zu erbringende
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Bauordnung Surrogat und Ausgleich für die eigentlich zu erbringende
Stellplatzherstellung dar. Dabei ist unter Zugrundelegung der Ausführungen des
BVerwG in seiner Entscheidung vom 16. September 2004 (4 C 5/03) unerheblich,
ob den herstellungs- bzw. ablösepflichtigen Eigentümern oder
Nutzungsberechtigten ein individuelles Nutzungsrecht eingeräumt wird, dies zum
einen, weil die Ablöseverpflichtung lediglich den Ausgleich für die ohnehin von
ihnen zu erfüllende Herstellungspflicht ist, zum anderen § 44 Abs. 2 HBO auch
anderen Maßnahmen dient, die die individuelle Nutzbarkeit eines Stellplatzes nicht
voraussetzen und schließlich, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, den
Ablöseverpflichteten ein Vorteil ausreichend dadurch eingeräumt ist, dass nach §
44 Abs. 2 Satz 2 HBO die Verwendung des Geldbetrages für die Erreichbarkeit des
Bauvorhabens, das die Zahlungspflicht auslöst, einen Vorteil bewirken muss. Im
Übrigen verkürzen die Kläger die Frage einer unzulässigen Ungleichbehandlung
unzulässig auf die Frage der individuellen Nutzbarkeit der Stellplätze, ohne
ebenfalls die durch Zahlung des Ablösebetrages und Nicht- Herstellung der
Stellplätze ihnen zufließenden Vorteile mit einzustellen, die jedoch im Ergebnis die
Höhe des Ablösebetrages rechtfertigen. So werden die Kläger bei Zahlung - nur -
des Ablösebetrages von den Unterhaltungskosten für die Stellplätze und
Zufahrtsflächen wie Winterdienst, Straßenreinigung, Instandhaltung, Entwässerung
entbunden, auch müssen sie auf ihrem Grundstück nicht die für die Erfüllung der
Stellplatzpflicht erforderlichen Flächen bereit halten, sondern können auch diese
Flächen anderweitig, im Fall der Kläger als Verkaufsflächen nutzen. Auch sind die
Ablöseverpflichteten davon befreit, soweit auf ihrem Grundstück keine Stellplätze
erstellt werden können, für deren Errichtung weiteren Grunderwerb mit den sich
daran anschließenden Folgekosten zu tätigen. Im Fall der Kläger, auf deren
Grundstück ein Ladengeschäft mit nur 116,69 qm betrieben wird, liegt es auf der
Hand, das das Bereitstellen von zwei Stellplätzen mit Zufahrten von jeweils 18 qm
zu einer prozentual drastischen Verringerung der Verkaufserlöse und damit
einhergehenden Umsatzeinbußen führen würde. Der Senat vermag daher einen
Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bzw. das Übermaßverbot nicht zu
erkennen.
Im Übrigen bestehen nach Auffassung des Senats keine Bedenken an der
Erforderlichkeit der Stellplatz- und Ablösesatzung, insoweit wird auf die
Stellungnahme des Ordnungsamtes der Beklagten vom 15. März 2007 (Bl. 100
GA) Bezug genommen.
Die Berechnung des Stellplatzmehrbedarfs von zwei Stellplätzen durch die
genehmigte Nutzungsänderung ist unter Berücksichtigung der Angaben der
Beklagten in dem Berufungsschriftsatz vom 26. August 2008 ordnungsgemäß
berechnet worden (Bl. 201 GA), auch insoweit hat der Senat keine Bedenken an
der ordnungsgemäßen Veranlagung der Kläger. Die Beklagte hat in diesem
Zusammenhang ausgeführt, es sei zunächst fiktiv der Stellplatzbedarf für das mit
Bauschein Nr. 1763/64 vom 28. April 1965 genehmigte Textilhandelsgeschäft
berechnet worden. Das Textilhandelsgeschäft sei in die Kategorie
"Geschäftshäuser mit geringem Besucher/-innen-Verkehr" eingeordnet worden.
Nach heutiger Rechtslage hätten dafür zwei Stellplätze gemäß Nr. 3.2 der Anlage
1 zur Stellplatz- und Ablösesatzung hergestellt werden müssen. Danach sei die
beantragte Nutzungsänderung in einem Drogeriemarkt in die Kategorie der Nr. 3
"Verkaufsstätten" eingeordnet worden, wobei es sich nunmehr nicht mehr um ein
Geschäftshaus mit geringem Besucherverkehr gehandelt habe, sondern die
Drogerie in die (allgemeine) Kategorie der Nr. 3.1 "Läden, Geschäftshäuser"
eingeordnet worden sei. Erforderlich seien dafür gemäß Nr. 3.1 vier Stellplätze,
was die Differenz zwischen der erforderlichen Stellplatzanzahl für die Nutzung als
Textilgeschäft und der Nutzung als Drogeriemarkt von zwei Stellplätzen ergebe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO
entsprechend.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO
liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.