Urteil des HessVGH vom 22.08.1986

VGH Kassel: vorläufiger rechtsschutz, einstweilige verfügung, rechtsverordnung, gymnasium, hessen, fremdsprache, hauptsache, ermächtigung, satzung, englisch

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 TG 2097/86
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 123 Abs 3 VwGO, Art 1 §
1 FöStAbschlG HE, Art 1 § 2
FöStAbschlG HE
Vorzeitige Einführung der Förderstufe - Prognosen
Leitsatz
Dem Verordnungsgeber steht bei der vorzeitigen Einführung der Förderstufe gemäß Art
1 § 2 des Förderstufen-Abschlußgesetzes ein Einschätzungsvorrecht in prognostischer
Hinsicht zu, dessen Ausübung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen
Überprüfung zugänglich ist.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsteller bleibt in vollem Umfang ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den Beschwerden der Antragsgegner gegen den am
18. Juli 1986 beratenen ersten in dieser Streitsache ergangenen Beschluß zu Recht
gemäß § 148 Abs. 1 VwGO abgeholfen. Diese Beschwerden waren entgegen der
von den Antragstellern vertretenen Auffassung wirksam eingelegt.
Die Befugnis der für die Antragsgegner handelnden natürlichen Personen zur
Einlegung von Rechtsmitteln folgt entsprechend den zutreffenden Ausführungen
des Verwaltungsgerichts aus deren Generalbeauftragung sowie - im Falle des
Regierungsdirektors R. - aus dessen besonderer Bevollmächtigung (Blatt 125, i
129 bis 131 der Streitakten).
Auch die sich aus § 30 Nr. 15 der Hessischen Landkreisordnung HKO - in der vom
1. April 1981 an geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1981
(GVBl. I S. 97) ergebende ausschließliche Zuständigkeit des Kreistags für die
Entscheidung über die Führung eines Rechtsstreits von größerer Bedeutung
berührt die Wirksamkeit der vom Kreisausschuß - Rechtsamt - des Antragsgegners
zu 2. am 24. Juli 1986 eingelegten Beschwerde nicht. Dabei kann offenbleiben, ob
die Einlegung dieses Rechtsmittels als F ü h r u n g eines Rechtsstreits anzusehen
ist (zweifelnd Schlempp, Kommentar zur Hessischen Gemeindeordnung, Stand:
Oktober 1985, Erläuterung XVIII zu § 51 Nr. 18 HGO) und ob dem vorliegenden
Rechtsstreit die ihm von den Antragstellern beigemessene größere Bedeutung
zukommt; denn jedenfalls wäre ein vom Kreisausschuß, dem Vertretungsorgan
des Landkreises (§§ 41 Satz 3 Nr. 7, 45 Abs. 1 Satz 1 HKO), eingelegter
Rechtsbehelf nicht deshalb unwirksam, weil im Innenverhältnis dem Kreistag die
Entscheidung zusteht, ob ein Rechtsstreit geführt wird.
Das Verwaltungsgericht hat die im ersten Rechtszug gestellten Anträge,
1. die Antragsgegner werden verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß der
Antragsteller zu 2. vorläufig an der von den Antragstellern gewählten
weiterführenden Schule der Schulform Gymnasium, nämlich der W.-Schule
Butzbach Gymnasium, in einer einzurichtenden Klasse 5 zu unterrichten ist;
2. hilfsweise
der Unterricht in der für den Antragsteller zu 2. einzurichtenden
Förderstufenklasse 5 so zu gestalten ist, daß er den Erfordernissen des Urteils des
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Förderstufenklasse 5 so zu gestalten ist, daß er den Erfordernissen des Urteils des
Staatsgerichtshofes vom 4. April 1984 (Az.: P.St. 1002) entspricht;
insbesondere
- das Fach Deutsch bereits in der Klasse 5
- die Naturwissenschaften bereits in der Klasse 5
auf drei Anspruchsebenen (sog. A-B-C Kurse) unterrichtet werden und eine
weitere Fremdsprache neben Englisch als Pflichtfremdsprache angeboten wird;
3. höchst hilfsweise
eine im Ermessen des Gerichts liegende Anordnung zu treffen, durch welche
die Rechte der Antragsteller vorwiegend gemäß dem Antrag zu Ziffer 1,
nachrangig gemäß dem Antrag zu Ziffer 2 vorläufig gesichert werden
durch den am 30. Juli 1986 beratenen weiteren Beschluß im Ergebnis zutreffend
abgelehnt.
Die hiergegen ebenfalls form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen
zulässige Beschwerde der Antragsteller vom 31. Juli 1986 ist nicht begründet. Die
gesetzlichen Voraussetzungen der Regelungsanordnung des § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO, die allein zur Durchsetzung des im zweiten Rechtszug weiter verfolgten
Begehrens in Betracht kommt, liegen nicht vor; denn es ist nicht glaubhaft
gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2 und 294 ZPO), daß
eine zum Zwecke der vorläufigen Regelung des zwischen den Beteiligten streitigen
Rechtsverhältnisses (Klageverfahren - IV/2 E 1529/86 - Verwaltungsgericht
Darmstadt) ergehende gerichtliche Anordnung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Ob der insoweit erforderliche Anordnungsgrund zwischenzeitlich deshalb entfallen
ist, weil der Antragsteller zu 2. seit dem 18. August 1986 nicht mehr die
Förderstufe der Stadtschule Butzbach, sondern die 5. Klasse der staatlich
genehmigten August-Hermann-Francke-Schule (Privates Gymnasium und Private
Realschule) in Gießen besucht, kann dahingestellt bleiben; denn jedenfalls kommt
der Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung aus folgenden Gründen nicht in
Betracht:
Eine einstweilige Anordnung, die - wie die vorliegend beantragte - die Hauptsache
vorwegnimmt, darf nur erlassen werden, wenn der Antragsteller anderenfalls
unzumutbare, auch durch ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht mehr
ausgleichbare Nachteile hinzunehmen hätte und zugleich ein derartiges Obsiegen
mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. Finkelnburg, Vorläufiger
Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 2. Auflage 1979, Rz. 167 mit weiteren
Nachweisen).
Hinsichtlich des Hauptantrags ist dies schon deshalb nicht der Fall, weil durch § 1
Nr. 6 der Verordnung zur Einrichtung der Förderstufe vom 31. Januar 1986 (GVBl. 1
S. 79) - Einrichtungsverordnung - im Wetteraukreis vom 1. August 1986 an die die
Schuljahrgänge 5 und 6 umfassende Förderstufe (flächendeckend) mit der Folge
eingerichtet worden ist, daß für 5. Klassen an im Wetteraukreis bestehenden
(öffentlichen) Gymnasien kein Raum mehr bleibt und diese Rechtsvorschrift keinen
zu ihrer Unwirksamkeit führenden Fehler erkennen läßt, der den Erlaß einer
einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnte.
§ 1 Nr. 6 der Einrichtungsverordnung leidet weder an einer Unvereinbarkeit mit
Bundesrecht noch an einem Mangel, der eine Vorlage an den Hessischen
Staatsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 1 der Hessischen Verfassung erforderte.
Soweit die Antragsteller demgegenüber der Auffassung sind, mit der zum 1.
August 1986 verordneten Einführung der Förderstufe werde in unzulässiger Weise
in ihre Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 6 Abs. 2, 11 Abs. 1 und 12 Abs. 1
GG eingegriffen, ist hervorzuheben, daß nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 6. Dezember 1972 - 1 BvR 230/70 und
95/71 -, BVerfGE 34,S. 165 ff.) durch die Einführung der obligatorischen
Förderstufe in Hessen keine Grundrechte verletzt werden; inwieweit dies gerade
durch die gegenüber dem gesetzlichen Abschlußtermin (1. August 1987, vgl. Art. 1
§ 1 Abs. 1 des Förderstufen-Abschlußgesetzes vom 3. Juli 1985, GVBl. I S. 98, -
FStAG -) um ein Jahr vorgezogenen Einrichtung der Förderstufe im Wetteraukreis
der Fall sein soll, ist nicht ersichtlich, zumal gerade die im Rahmen der gegebenen
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der Fall sein soll, ist nicht ersichtlich, zumal gerade die im Rahmen der gegebenen
Möglichkeiten und in einem geordneten Verfahren erfolgende schrittweise
Einführung der obligatorischen Förderstufe im ganzen Land Hessen aus
rechtsstaatlichen Gründen nicht zu beanstanden ist (BVerfG a.a.O.). Der
beschließende Senat vermag weder mit Rücksicht auf das Recht der
Erziehungsberechtigten die Gestaltung des Unterrichtswesens mitzubestimmen,
noch aus sonstigen Gründen eine Notwendigkeit zu erkennen, die Sache dem
Staatsgerichtshof vorzulegen; denn die Einrichtung der Förderstufe unterliegt als
zum staatlichen Gestaltungsbereich gehörende schulorganisatorische Maßnahme
nicht dem durch das Gesetz über die Mitbestimmung der Erziehungsberechtigten
und den Landesschulbeirat in der Fassung vom 27. März 1981 (GVBl. I S. 142)
konkretisierten Mitbestimmungsrecht aus Art. 56 Abs. 6 der Hessischen
Verfassung. Im übrigen hat es der Staatsgerichtshof durch am 30. April 1986
verkündetes Urteil - P.St. 1043 e.V. - (StAnz. a1986, S. 1159) abgelehnt, eine
einstweilige Verfügung des Inhalts zu erlassen, die auf Grund der
Einrichtungsverordnung beabsichtigte Einführung der flächendeckenden
Förderstufe zum 1. August 1986 in den dort näher bezeichneten sieben Stadt- und
Landkreisen bzw. Teilen von ihnen vorläufig, längstens bis zur Entscheidung des
Staatsgerichtshofs in der Hauptsache, zurückzustellen.
Die in erster Linie gebotene Überprüfung der Einrichtungsverordnung am Maßstab
des einfachen Landesrechts führt nicht zur Aufdeckung eines Fehlers, auf Grund
dessen die Klage der Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit hoher
Wahrscheinlichkeit Erfolg haben müßte.
Diese Rechtsverordnung ist vom Hessischen Kultusminister auf Grund der ihm
durch Art. 1 § 2 FStAG erteilten Ermächtigung ohne erkennbaren Formfehler am
31. Januar 1986 erlassen worden und am Tage nach ihrer Verkündung, die durch
Abdruck in der am 25. Februar 1986 herausgegebenen Nr. 6 des Gesetz- und
Verordnungsblattes für das Land Hessen, Teil I, S. 79, stattgefunden hat, in Kraft
getreten. Verwaltung und Gerichte sind an § 1 Nr. 6 der Einrichtungsverordnung,
wonach vom 1. August 1986 an die Förderstufe im Wetteraukreis eingerichtet ist,
gebunden; denn diese Vorschrift läßt auch inhaltlich keinen Verstoß gegen die
gesetzliche Ermächtigungsnorm erkennen.
Dabei ist von wesentlicher Bedeutung, daß die Frage, ob der Verordnungsgeber
von der ihm erteilten Ermächtigung fehlerfrei Gebrauch gemacht hat, nur einer
eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Der Umfang
der Überprüfbarkeit durch das Gericht wird bestimmt durch die Voraussetzungen,
von denen das Gesetz die vorzeitige Einführung der Förderstufe durch den
Verordnungsgeber abhängig macht; denn das Gericht kann insoweit nicht
weitergehende rechtliche Anforderungen stellen als sie der Verordnungsgeber bei
seiner Entscheidung gemäß Art. 1 § 2 FStAG beachten muß.
Gemäß Art. 1 § 2 FStAG bestimmt der Kultusminister im Benehmen mit dem
Schulträger durch Rechtsverordnung, daß die Förderstufe mit Beginn des
folgenden Schuljahres eingerichtet wird, wenn in einzelnen Gemeinden,
Landkreisen oder Teilen von ihnen die Voraussetzungen zur Einführung der
Förderstufe vor dem 1. August 1987 gegeben sind. Diese Vorschrift tritt neben Art.
1 § 1 Abs. 1 FStAG , wonach vom 1. August 1987 an die Förderstufe beginnend mit
der 5. Jahrgangsstufe einheitliche Organisationsform der Schuljahrgänge 5 und 6
der öffentlichen Schulen wird; ihr rechtlicher Gehalt erschließt sich bei einer am
Zweck des FStAG orientierten Auslegung. Ziel des Förderstufen-Abschlußgesetzes
ist es, mit Rücksicht auf den seit 1969 bestehenden Gesetzesauftrag
"die Förderstufe abschließend, aber in Stufen so, wie jeweils die
Voraussetzungen gegeben sein werden, einzuführen. Dies entspricht der mit § 12
des Schulverwaltungsgesetzes verfolgten und vom Bundesverfassungsgericht in
seiner Entscheidung vom 6. Dezember 1972 als einsichtig und sachlich begründet
bezeichneten Intention, in einem geordneten Verfahren und im Rahmen der
gegebenen Möglichkeiten schrittweise vorzugehen. Lediglich ein zeitlicher
Endpunkt wird darüber hinaus gesetzt. Der Kultusminister soll daher ermächtigt
werden, dort, wo die Voraussetzungen gegeben sind, die Förderstufe vor dem 1.
August 1987 durch Rechtsverordnung einzurichten. Da er sich bei Erlaß der
Verordnung mit den Schulträgern ins Benehmen setzen muß, ist ihre Mitwirkung
gewährleistet" (Amtliche Begründung zu Art. 1 § 2 des Gesetzentwurfs der
Landesregierung für ein Förderstufen-Abschlußgesetz, Drucksache des Hessischen
Landtags Nr. 11/1836 vom 4. September 1984, S. 7)."
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Hieraus folgt zunächst, daß die vorzeitige Einrichtung der Förderstufe zu
unterbleiben hat, wenn es dem Verordnungsgeber nicht gelingt, sich mit dem
betroffenen Schulträger ins Benehmen zu setzen. Insoweit lassen sich gegen die
Gültigkeit von § 1 Nr. 6 der Einrichtungsverordnung Bedenken nicht herleiten; denn
entsprechend dem Vorbringen der Antragsgegner, an dessen Richtigkeit zu
zweifeln der Senat keine Veranlassung hat und dem auch die Antragsteller nicht
entgegengetreten sind, hatten unter anderem am 7. Oktober, 15. November und
19. Dezember 1985 zwischen dem Staatlichen Schulamt und dem Schulträger
Gespräche über eine mögliche Einführung der Förderstufe schon zum 1. August
1986 stattgefunden, in denen die Durchführbarkeit im einzelnen geprüft wurde.
Am 3. Dezember 1985 beschloß der Kreisausschuß des Antragsgegners zu 2., die
Einführung der Förderstufe schon zum Beginn des Schuljahres 1986/87 beim
Hessischen Kultusminister zu beantragen. Gleichzeitig faßte er einen Beschluß
über die Festlegung der Förderstufenstandorte und Förderstufeneinzugsbereiche.
Am 15. Januar 1986 beschloß sodann der Kreistag des Antragsgegners zu 2., daß
im Wetteraukreis mit Beginn dieses Schuljahres die Förderstufe flächendeckend
eingeführt werden solle; gleichzeitig legte er die Förderstufenstandorte und die
Förderstufeneinzugsbereiche fest und erließ die Satzung über die Bildung von
Schulbezirken für die Grundschulen und Förderstufen im Wetteraukreis. Von dem
auf diese Weise hinreichend deutlich artikulierten Willen des Antragsgegners zu 2.,
das seinerseits zur vorzeitigen Einführung der Förderstufe Erforderliche zu tun,
durfte der Hessische Kultusminister bei Erlaß der Einrichtungsverordnung
ausgehen.
Eine dem Sinn und Zweck des Art. 1 § 2 FStAG Rechnung tragende Auslegung
führt zu der weiteren Feststellung, daß die gesetzliche Ermächtigungsnorm, indem
sie auf das Vorliegen der Voraussetzungen zur Einführung der Förderstufe vor dem
1. August 1987 abstellt, vom Verordnungsgeber eine im Zeitpunkt des Erlasses
der Einrichtungsverordnung zu treffende Einschätzung künftiger Entwicklungen und
Geschehnisse fordert.
Bei sinnvoller und zweckentsprechender Auslegung des Art. 1 § 2 FStAG ist davon
auszugehen, daß die Voraussetzungen zur Einführung der Förderstufe nicht schon
vorliegen müssen, wenn der Kultusminister über die Einführung entscheidet,
sondern erst mit Beginn des Schuljahres an der eingerichteten Förderstufe. Eine
andere Auslegung hätte das sinnwidrige Ergebnis, daß die - persönlichen,
sächlichen und schulorganisatorischen - Voraussetzungen vor der Entscheidung
darüber, ob sie genutzt werden, also gleichsam "auf Vorrat" geschaffen werden
müßten, was insbesondere mit dem Gebot zur sparsamen Verwendung
öffentlicher Mittel unvereinbar wäre. Indem der Gesetzgeber des Förderstufen-
Abschlußgesetzes auf diese Weise die Möglichkeit zur Einrichtung von Förderstufen
ab dem Beginn des Schuljahres 1986/87 schafft, verlangt er mithin vom
Verordnungsgeber eine Prognose im Zeitpunkt des Erlasses der
Rechtsverordnung, ob die Voraussetzungen zur Einführung der Förderstufe
rechtzeitig gegeben sein werden. Zugleich ermächtigt er ihn, auf der Grundlage
dieser Prognose planerisch gestaltend im Sinne der Zielsetzung des Förderstufen-
Abschlußgesetzes tätig zu werden und die Förderstufe abschließend, aber in
Stufen so, wie jeweils die Voraussetzungen gegeben sein werden, einzuführen (vgl.
die Amtliche Begründung zu Art. 1 § 2 des Gesetzentwurfs der Landesregierung,
a.a.O.). Dem Verordnungsgeber ist hinsichtlich der Prognose ein
Einschätzungsvorrecht mit der Folge eingeräumt, daß das Gericht die innerhalb
des Prognosespielraums liegende Prognoseentscheidung hinnehmen muß, ohne
sie durch ein eigenes Wahrscheinlichkeitsurteil ersetzen zu dürfen.
Wäre der Hessische Kultusminister entsprechend der von den Antragstellern
vertretenen Rechtsauffassung - entgegen der ihm als Verordnungsgeber
zukommenden Funktion - gehalten, das Vorliegen der Voraussetzungen zur
(vorzeitigen) Einführung der Förderstufe unter Anwendung derjenigen Grundsätze
zu überprüfen, die eine Verwaltungsbehörde beim Erlaß rechtliche gebundener
Verwaltungsakte zu beachten hat, könnte der mit der gesetzlichen
Ermächtigungsnorm verfolgte Zweck schlechterdings nicht erreicht werden. Eine
solche Auslegung darf der Vorschrift des Art. 1 § 2 FStAG bei Beachtung der sich
aus Art. 10 Abs. 3 G6 ergebenden Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und
Recht nicht gegeben werden
Art. 1 § 1 Abs. 2 FStAG gibt für die Beantwortung der vorliegend
entscheidungserheblichen Frage, in welchem Umfang der Verordnungsgeber - und
im Streitfalle das Gericht - die Voraussetzungen für die vorzeitige Einführung der
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im Streitfalle das Gericht - die Voraussetzungen für die vorzeitige Einführung der
Förderstufe zu überprüfen hat, nichts her; denn die Vorschrift knüpft an Art. 1 § 1
Abs. 1 FStAG an, wonach die Förderstufe vom 1. August 1987 an beginnend mit
der 5. Jahrgangsstufe - kraft Gesetzes - einheitliche Organisationsform der
Schuljahrgänge 5 und 6 der öffentlichen Schulen wird, und konkretisiert die den
Schulträgern insoweit obliegenden Verpflichtungen lediglich in zeitlicher Hinsicht.
Ein Tätigwerden des Verordnungsgebers ist aus Anlaß der abschließenden
Einführung der Förderstufe nur unter der Voraussetzung vorgesehen, daß ein
Schulträger seinen Verpflichtungen nicht fristgerecht nachkommt (Art. 1 § 1 Abs. 3
Satz 1 FStAG ); die für diesen Fall dem Hessischen Kultusminister erteilte
Ermächtigung, in Abweichung von § 23 Abs. 4 und § 41 SchVG vorläufig durch
Rechtsverordnung festzulegen, Bestandteil welcher Schule die Förderstufe wird,
und den Schulbezirk zu bilden, besagt nichts über den Umfang der Prüfungspflicht
des Verordnungsgebers bei einer Entscheidung nach Art. 1 § 2 FStAG .
Entgegen der Ansicht der Antragsteller mußte bei Erlaß der
Einrichtungsverordnung auch noch keine gültige Schulbezirkssatzung vorliegen.
Der in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO ergangenen
Senatsentscheidung vom 25. April 1983 - VI N 5/82 -, NVwZ 1984 S. 116, messen
die Antragsteller eine ihr für den vorliegenden Rechtsstreit auf Grund veränderter
Rechtslage nicht mehr zukommende Bedeutung zu. Zwar ist durch jenes Urteil die
Vierzehnte Verordnung zur Ausführung des § 12 SchVG vom 27. Juli 1982 (GVBl. I
S. 178) für nichtig erklärt worden, weil es für das Gebiet der Stadt Kassel an
rechtswirksam - durch Satzung des Schulträgers - für Hauptschulen gebildeten
Schulbezirken und deshalb an einer hinreichenden Abgrenzung der Bereiche
fehlte, für die das Vorliegen der persönlichen, sächlichen und
schulorganisatorischen Voraussetzungen für die Einrichtung der Förderstufe nach
§ 12 Abs. 1 SchVG in der damals geltenden Fassung von der Landesregierung zu
überprüfen war. Hieraus hat jedoch der Gesetzgeber des Förderstufen-
Abschlußgesetzes die Konsequenz gezogen und ausdrücklich vorgeschrieben, daß
bei der gegenüber dem gesetzlichen Abschlußtermin vorgezogenen Einrichtung
von Förderstufen an einzelne Gemeinden, Landkreise oder Teile von ihnen
anzuknüpfen ist; für Förderstufen gebildeten Schulbezirken kommt in diesem
Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung zu.
Bleibt es somit bei der schon getroffenen Feststellung, daß dem
Verordnungsgeber durch Art. 1 § 2 FStAG ein Einschätzungsvorrecht in
prognotischer Hinsicht eingeräumt wird ( - bereits in der Entscheidung vom 25.
April 1983 hat der Senat der Auffassung zugeneigt, daß dem Verordnungsgeber
bei der Klärung der Frage, ob die persönlichen, sächlichen und
schulorganisatorischen Voraussetzungen für die Einrichtung der Förderstufe
gemäß § 12 Satz 1 SchVG vorliegen, eine Bewertungsprärogative eingeräumt ist -
), läßt sich die Frage, welchen Anforderungen beim Erlaß der
Einrichtungsverordnung zu genügen war, positiv durch einen Rückgriff auf
diejenigen Grundsätze beantworten, die für die verfassungsgerichtliche
Überprüfung gesetzgeberischer Prognosen entwickelt worden sind. Insoweit ist
anerkannt (BVerfGE 25, S. 1, 12 f.; 30, S. 250, 263; vgl. auch BVerwGE 62, S. 86,
107 f.), daß die Frage nach der Zwecktauglichkeit eines Gesetzes nicht nach der
tatsächlichen späteren Entwicklung, sondern nur danach beurteilt werden kann, ob
der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, daß die Maßnahmen zur
Erreichung des gesetzten Ziels geeignet waren, ob also seine Prognose bei der
Beurteilung der Zusammenhänge sachgerecht und vertretbar war. Dies gilt
entsprechend auch für den Verordnungsgeber, der ebenfalls materielle
Rechtsetzungstätigkeit ausübt.
Bei Anwendung dieser Grundsätze vermag der Senat keine Gesichtspunkte zu
erkennen, die für die Unwirksamkeit der Einrichtungsverordnung sprechen
könnten. Im Zeitpunkt ihres Erlasses bestand Einvernehmen zwischen dem
Hessischen Kultusminister und dem Schulträger über die Einführung der
flächendeckenden Förderstufe im Wetteraukreis ab dem 1. August 1986. Durch
seine am 15. Januar 1986 gefaßten Beschlüsse hatte der hierfür zuständige
Kreistag des Antragsgegners zu 2. unmißverständlich seinen politischen Willen
bekundet, diese Schulorganisationsänderung mit dem Beginn des Schuljahres
1988/87 vorzunehmen. Hierauf durfte der Verordnungsgeber seine ihm durch Art.
1 § 2 FStAG abverlangte Prognose stützen, die Voraussetzungen für die zeitliche
vorgezogene Einrichtung der Förderstufe würden spätestens zu Beginn des neuen
Schuljahres vorliegen; denn es ist, sofern nicht ganz besondere Verhältnisse
gegeben sind, regelmäßig davon auszugehen, daß ein Schulträger, der eine
bestimmte Zielsetzung verfolgt, in der Lage ist, seinen Vorstellungen innerhalb
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bestimmte Zielsetzung verfolgt, in der Lage ist, seinen Vorstellungen innerhalb
von sechs Monaten rechtliche Geltung zu verschaffen, insbesondere beispielsweise
an Verfahrensfehlern leidende Beschlüsse noch durch fehlerfrei zustande
gekommene Beschlüsse zu ersetzen. Anhaltspunkte dafür, daß die Realisierung
der beschlossenen Maßnahmen - etwa infolge instabiler Mehrheitsverhältnisse -
noch scheitern könne, lagen nicht vor; dies behaupten auch die Antragsteller nicht.
Soweit diese der Meinung sind, der Hessische Kultusminister habe vor Erlaß der
Einrichtungsverordnung die von den kommunalen Schulträgern gefaßten
einschlägigen Beschlüsse (kommunal-)rechtlich überprüfen und die nach ihrer
Auffassung festzustellenden Verfahrensfehler zum Anlaß nehmen müssen, für den
Wetteraukreis von der Einrichtung der flächendeckenden Förderstufe ab dem 1.
August 1986 abzusehen, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden.
Selbst wenn sich im übrigen die Prognose des Hessischen Kultusministers aus
jetziger Sicht als unzutreffend erweisen sollte, könnte diese Fehlprognose allein die
Wirksamkeit der Einrichtungsverordnung als solche nicht in Frage stellen (BVerfGE
30, S. 250, 263).
Nach alledem kommt der Erlaß der mit dem Hauptantrag begehrten einstweiligen
Anordnung nicht in Betracht.
Auch die Hilfsanträge (- dem zweiten Hilfsantrag kommt allerdings eine
selbständige Bedeutung nicht zu -) bleiben ohne Erfolg.
Soweit der erste Hilfsantrag gegen den Antragsgegner zu 2. gerichtet ist, kann auf
die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen
Beschluß verwiesen werden. Soweit im übrigen die Verpflichtung des
Antragsgegners zu 1. begründet werden soll, dem Antragsteller zu 2. bereits in der
Klasse 5 der Förderstufe einen auf drei Anspruchsebenen äußerlich differenzierten
Deutschunterricht zu ermöglichen, erscheint der Erlaß einer entsprechenden
gerichtlichen Anordnung schon deshalb nicht im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO nötig, weil der Antragsteller zu 2. inzwischen ein privates Gymnasium
besucht und nicht glaubhaft gemacht hat, daß er im Falle der Ablehnung des
Hauptantrags an die Förderstufe zurückkehrt. Darüber hinaus ist im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO von der Vereinbarkeit des § 12 Abs.
2 SchVG in der Fassung des Förderstufen-Abschlußgesetzes mit höherrangigem
Recht auszugehen; diese gesetzliche Vorschrift sieht einen nach Leistung,
Begabung und Neigung differenzierten Kursgruppenunterricht in der Förderstufe
nur für die Fächer Mathematik und die erste Fremdsprache vor.
Im übrigen ist nicht glaubhaft gemacht, daß der Antragsteller zu 2. durch die
Erteilung von Deutschunterricht, für den während der Förderstufe Formen der
inneren Differenzierung vorgesehen sind (§ 12 Abs. 3 Satz 1 SchVG), Nachteile
erleidet, die sich beim Übergang in eine weiterführende Schule bemerkbar machen
werden.
Was die Möglichkeit anbelangt, eine andere Sprache als Englisch als erste
Fremdsprache zu erlernen, haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, daß
ihnen die entsprechende Wahlmöglichkeit durch die Einführung der Förderstufe im
Wetteraukreis ab dem 1. August 1986 genommen worden ist; schon deshalb
liegen auch die Voraussetzungen für den Erlaß der weiteren mit dem ersten
Hilfsantrag begehrten einstweiligen Anordnung nicht vor.
Nach alledem ist die Beschwerde mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden
Kostenfolge zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 25 Abs. 1 Satz 1 und 3, 20 Abs.
3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 GKG und den entsprechend anzuwendenden §§14
GKG und 5 ZPO. Dabei hält der Senat mit Rücksicht auf die die Hauptsache
vorwegnehmende Wirkung der beantragten einstweiligen Anordnung einen
Einzelbetrag von jeweils 4.000,00 DM für den von den Antragstellern zu 1. a) und
1. b) gestellten Antrag einerseits sowie für den vom Antragsteller zu 2. gestellten
Antrag andererseits für angemessen, weshalb er von seiner Befugnis Gebrauch
macht, die erstinstanzliche Wertfestsetzung von Amts wegen abzuändern.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.
die obersten Bundesgerichte erfolgt.