Urteil des HessVGH vom 14.01.1993

VGH Kassel: chirurgie, anweisung, mitbestimmungsrecht, verfügung, einwilligung, dienstzeit, pfleger, dokumentation, quelle, vollzug

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
Fachsenat für
Personalvertretungssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
HPV TL 1217/90
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
HE 1988, § 111 Abs 2
PersVG HE 1988
(Antrag des Personalrates auf Verpflichtung des
Dienststellenleiters zur Einhaltung der Arbeitszeit des
Tagesdienstes)
Gründe
I.
Der Antragsteller will die Verpflichtung des Dienststellenleiters erreichen, durch
schriftliche Anweisung an die Chefärzte und persönliche Überwachung dafür zu
sorgen, daß die Arbeitszeit des Tagesdienstes eingehalten wird.
Für den OP-Bereich im Nordwest-Krankenhaus gelten folgende
Arbeitszeitregelungen für Operationsschwestern und Operationspfleger:
Operations-Schwestern
Frühdienst:
6.00 Uhr bis 14.30 Uhr
Tagdienst:
7.15 Uhr bis 15.45 Uhr
Spätdienst:
12.00 Uhr bis 20.00 Uhr
Nachtdienst:
20.00 Uhr bis 6.00 Uhr
Operations-Pfleger
Frühdienst:
7.15 Uhr bis 15.45 Uhr
Spätdienst:
9.15 Uhr bis 17.45 Uhr.
Daneben gibt es Bereitschaftsdienste. Da für alle fünf operativ arbeitenden
Abteilungen nur fünf Operationssäle zur Verfügung stehen, ergaben sich im
Bereich der Chirurgie (332 Betten) bei einer durchschnittlichen OP-Tisch-
Ausnutzung von 14,0 Stunden pro Tag im Jahre 1988 Schwierigkeiten.
Insbesondere wurden Operationen nach Ende des Tagesdienstes durchgeführt.
Aufgrund einer Vereinbarung der Chefärzte vom 10. November 1988 sollte die
Operationsplanung so gestaltet werden, daß der Chirurgie zwei der fünf
Operationssäle zur Verfügung standen.
Am 4. Januar 1989 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche
Beschlußverfahren eingeleitet und massive Verstöße gegen die
Arbeitszeitregelung des Tagesdienstes durch später gelegte Operationen sowie die
übermäßige Inanspruchnahme des Bereitschaftsdienstes gerügt. Er hat beantragt
festzustellen, daß der Dienststellenleiter verpflichtet ist, dafür zu sorgen, daß die
Arbeitszeit des Pflegepersonals in der Zentralen Operationsabteilung (Chirurgie)
des Krankenhauses Nordwest dahingehend eingehalten wird, daß der Tagesdienst
von 7.15 Uhr bis 15.45 Uhr läuft.
Der Beteiligte hat beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
Er hat vorgetragen, es werde angestrebt, in vier Operationssälen die Operationen
bis 15.00 Uhr zu beenden. In einem der Operationssäle sollten Operationen bis
19.00 Uhr möglich sein. Bei den Operationen nach 15.00 Uhr werde auf den
Spätdienst der Operationsschwestern zurückgegriffen oder der Bereitschaftsdienst
in Anspruch genommen. Personalvertretungsrechtlich sei dies seiner Auffassung
nach nicht zu beanstanden. Es sei nicht erkennbar, worauf der Personalrat sein
Begehren stütze. Letztlich verlange er, daß untersagt werde, Überstunden
anzuordnen. Das könne er aber nicht beanspruchen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main - Fachkammer für
Personalvertretungssachen (Land) - hat mit Beschluß vom 29. März 1990 den
Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, nach § 111 HPVG könne die begehrte
Feststellung nicht verlangt werden.
Gegen den am 5. April 1990 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 27.
April 1990 Beschwerde eingelegt, die er am 23. Mai 1990 begründet hat. Er trägt
vor, es sei "im Prinzip unstreitig, daß es eine Dienstvereinbarung über den
Tagesdienst in der Chirurgie des Nordwest-Krankenhauses in F" gebe. Die
Dienstvereinbarung würde jedoch hinsichtlich des Endes der Dienstvereinbarung
nicht eingehalten. Darin sei ein grober Verstoß im Sinne des § 111 Abs. 2 HPVG zu
sehen, denn der Dienststellenleiter habe bei einer klaren Arbeitszeitregelung die
Chefärzte entsprechend anzuweisen und die Überwachung seiner Anweisung zu
überprüfen.
Der Antragsteller beantragt,
den Dienststellenleiter gem. § 111 Abs. 2 HPVG 92 zu verpflichten, dafür zu
sorgen, daß die Arbeitszeit des Pflegepersonals in der Zentralen
Operationsabteilung (Chirurgie) des Krankenhauses Nordwest dahingehend
eingehalten wird, daß die im Wege der Dienstvereinbarung festgelegte
Tagesdienstzeit von 7.15 Uhr bis 15.45 Uhr läuft, und zwar durch entsprechende
Anweisung an die Chefärzte, die in schriftlicher Form zu erfolgen hat und dadurch,
daß seitens des Dienststellenleiters die Einhaltung der Arbeitszeit persönlich
überwacht wird.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, daß kein Verstoß des Dienststellenleiters gegen Verpflichtungen
aus dem Personalvertretungsgesetz geschweige denn ein grober Verstoß vorliege.
Die Überstundenanordnungen berührten nicht die festgelegte regelmäßige
Arbeitszeit. Hinsichtlich der Frage, ob Überstunden angeordnet würden, stehe dem
Personalrat kein Mitbestimmungsrecht zu.
Ein Heft Verwaltungsvorgänge hat vorgelegen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Das Begehren des Antragstellers, den Dienststellenleiter gemäß § 111 Abs. 2
HPVG zu verpflichten, durch schriftliche Anweisung an die Chefärzte und
persönliche Überwachung dafür zu sorgen, daß die Tagesdienstzeit in der
zentralen Operationsabteilung des Krankenhauses eingehalten wird, kann schon
deshalb keinen Erfolg haben, weil sich eine derartige Verpflichtung aus dem
hessischen Personalvertretungsgesetz nicht herleiten läßt. Ein Antrag nach § 111
Abs. 2 HPVG kann aber nur "bei groben Verstößen des Dienststellenleiters gegen
seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz" Erfolg haben.
Eine Dienstvereinbarung hinsichtlich der Tagesdienstzeit der zentralen
Operationsabteilung besteht entgegen dem früheren Vortrag des Antragstellers
nicht, so daß ein Anspruch aufgrund einer Dienstvereinbarung ausscheidet.
Soweit der Antragsteller die Ansicht vortragen läßt, die Regelung der
Tagesdienstzeit sei ähnlich zu beurteilen wie eine Dienstvereinbarung, weil sie mit
seiner Zustimmung (vgl. § 74 Abs. 1 Nr. 9 HPVG) erfolgt sei und deswegen den
Charakter einer Vereinbarung habe, erscheint diese Auffassung schon deshalb
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Charakter einer Vereinbarung habe, erscheint diese Auffassung schon deshalb
unzutreffend, weil durch eine Vereinbarung - dem Wesen eines Vertrages
entsprechend - regelmäßig Rechte und Pflichten der Beteiligten festgelegt werden,
während die Zustimmung des Personalrats den Charakter einer Einwilligung hat
(vgl. zum Begriff § 183 BGB), die dem Adressaten ein Handeln ermöglicht, das
ohne die Einwilligung nicht erfolgen kann, das aber nicht erfolgen muß und das der
Einwilligende regelmäßig nicht fordern kann. Aus dem hessischen
Personalvertretungsgesetz ergibt sich hinsichtlich mitbestimmungsbedürftiger
Maßnahmen jedenfalls nicht, daß sie auch vollzogen werden müssen. Wird
beispielsweise eine Einstellung nicht vollzogen oder eine Dienstzeitregelung nicht
in Kraft gesetzt, weil das Bedürfnis dafür entfallen ist, so kann seitens der
Personalvertretung die Inkraftsetzung aufgrund von Vorschriften des
Personalvertretungsgesetzes nicht beansprucht werden. Deswegen sind
mitbestimmungsbedürftige Maßnahmen nicht mit Dienstvereinbarungen
vergleichbar, die auf den Vollzug des Vereinbarten gerichtet sind.
Der Antragsteller könnte einen seinem Antrag entsprechenden
personalvertretungsrechtlichen Anspruch auch nicht mit Erfolg auf die Häufigkeit
der Überstundenanordnungen stützen. Eine Änderung der regulären Dienstzeit
läßt sich darin entgegen seiner Auffassung nicht erblicken. Das könnte allenfalls
dann angenommen werden, wenn der Dienststellenleiter die Regelung des
Tagesdienstes generell veränderte (verlegte, verkürzte oder verlängerte), ohne
das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 74 Abs. 1 Nr. 9 HPVG zu
beachten. Wenn Ursache der Schwierigkeiten die unzureichenden
Personalressourcen sind, wie die Beteiligten vortragen, dann kann der
Dienststellenleiter Arbeiten, die in der regulären Arbeitszeit nicht bewältigt werden
können, ohnehin nur mit Hilfe der Anordnung von Überstunden erledigen lassen.
Soweit der Antragsteller meint, daß durch eine andere Arbeitszeitgestaltung,
andere Schichtenregelungen oder durch Organisationsmaßnahmen günstigere
Verhältnisse herbeigeführt werden könnten, ist er berechtigt, entsprechende
Maßnahmen in dem jeweils gesetzlich vorgesehenen Verfahren zu beantragen (§§
69 Abs. 3, 72 Abs. 4, 62 Abs. 1 Nr. 1 HPVG), kann daraus aber nicht den hier
geltend gemachten Anspruch herleiten.
Verstößt der Dienststellenleiter demnach nicht dadurch gegen seine Pflichten aus
dem Personalvertretungsgesetz, daß er nicht die Maßnahmen ergreift, die der
Antragsteller mit seinem Antrag verlangt, dann kann ihm schon deshalb keine
entsprechende Verpflichtung auferlegt werden. Die Frage eines "groben
Verstoßes" stellt sich infolgedessen nicht.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 111
Abs. 3 HPVG, 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.