Urteil des HessVGH vom 23.07.1996

VGH Kassel: aufschiebende wirkung, untersuchungskosten, hessen, eugh, gebühr, verordnung, mitgliedstaat, form, schlachttier, kompetenz

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TG 479/96
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 189 Abs 3 EWGVtr,
EWGRL 73/85, EGRL 118/93,
§ 24 Abs 2 FlBG,
EWGEntsch 408/88
(Fleischbeschaugebühren - innerstaatliche Umsetzung der
EG-Richtlinie durch die Bundesländer, hier: Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Umsetzung in Hessen)
Tatbestand
Der Antragsgegner, das Land Hessen, wendet sich mit seiner Beschwerde gegen
den Beschluß des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses die aufschiebende Wirkung
der Widersprüche der Antragstellerin - der Betreiberin eines Schlachthofes - gegen
sechs Fleischbeschaugebührenbescheide des Antragsgegners insoweit
angeordnet hat, als die festgesetzten Beträge bestimmte von der Antragstellerin
anerkannte Gebührensummen überstiegen. Zur Begründung hat das
Verwaltungsgericht ausgeführt, die streitigen Gebührenbescheide entsprächen bei
der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage
zwar nationalem Bundes- und Landesrecht, seien aber mit den Vorgaben der
Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 93/118/EG des Rates vom 22.
Dezember 1993 nicht vereinbar.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer hält seine Gebührenregelung in der
Fleischuntersuchungsgebührenordnung für von den Ausnahmeregelungen der
Richtlinie gedeckt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber nicht begründet.
Auch der Senat hat ernstliche Zweifel im Sinne der entsprechend anzuwendenden
Vorschrift des § 80 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - an der
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gebührenbescheide, bezüglich der das
Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung in dem von der Antragstellerin
begehrten Umfang gemäß § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet hat.
Die ernstlichen Zweifel bestehen zum einen im Hinblick auf die von der
Antragstellerin im wesentlichen in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gerückte
Frage nach der Vereinbarkeit der landesrechtlichen Gebührenregelung des
Antragsgegners mit der Richtlinie 93/118/EG des Rates vom 22. Dezember 1993
(Abl EG Nr. L 340/15).
Soweit die Beteiligten Ausführungen dazu machen, inwieweit der Verweis in § 24
Abs. 2 Fleischhygienegesetz (FlHG) auf die Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29.
Januar 1985 und die dazu ergangenen Rechtsakte der Organe der Europäischen
Gemeinschaften eine statische oder eine dynamische Verweisung sei und
inwieweit deshalb die Neufassung dieser Richtlinie durch die Richtlinie 93/118/EG
des Rates vom 22. Dezember 1993 in der Bundesrepublik Deutschland Gültigkeit
habe, geht diese Argumentation letztlich am Problem vorbei. Nach Art. 189 Abs. 3
EWG-Vertrag sind Richtlinien - im Unterschied zu Verordnungen, die unmittelbar in
den Mitgliedsstaaten gelten - für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind,
zwar hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den
innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel der Umsetzung. Dazu
gehört auch die Entscheidung, welches Organ die innerstaatlichen Vorschriften
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gehört auch die Entscheidung, welches Organ die innerstaatlichen Vorschriften
erläßt, welches Verfahren anzuwenden ist und welche Rechtsqualität den
Bestimmungen zukommen soll (Grabitz in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur
Europäischen Union, Stand: Oktober 1995, Art. 189 Rdnr. 59 m.w.N.).
In der Bundesrepublik Deutschland fällt das Gebiet der Fleischbeschau in den
Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern gemäß
Art. 74 Nr. 20 GG (vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 74 Rdnr. 48
m.w.N.). Das bedeutet, daß - soweit der Bund von seiner
Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat - diese bei den Ländern
verbleibt. Der Bund hat im Fleischhygienegesetz nur in bestimmten Teilen seine
Kompetenz wahrgenommen und bezüglich der Bestimmung der
Gebührentatbestände diese Kompetenz den Ländern belassen. Die Bezugnahme
in § 24 Abs. 2 FlHG auf die Richtlinie 85/73/EWG stellt sich demnach als eine
Klarstellung bezüglich der Pflicht zur Beachtung der Richtlinie durch die Länder bei
der Bestimmung der Gebührentatbestände dar (eingefügt auf Empfehlung des BT-
Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit, BT-Drs. 10/4410, S. 15 zu Nr. 18
a; ähnlich: Schleswig-Holsteinisches OVG, Urteil vom 17. November 1994 - 2 L
80/94 -, S. 15 des amtlichen Abdrucks). Somit ist es innerstaatlich Sache der
Länder, die Richtlinie 93/118/EG ordnungsgemäß umzusetzen. Diese Möglichkeit,
innerstaatlich die nicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtsakte mittels
Maßnahmen regionaler Träger umzusetzen, steht jedem Mitgliedstaat frei (vgl.
EuGH, Urteil vom 10. November 1992 - Rs C 156/91 -, NJW 1993, 315, 316). Die
Überprüfung im vorliegenden Fall muß sich also zum einen darauf zu richten, ob
die Regelung des Landes Hessen im Fleischbeschaukostengesetz und in der
aufgrund dessen erlassenen Fleischuntersuchungsgebührenordnung eine
ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie 93/118/EG darstellt und ob - falls dies
nicht der Fall ist - sich der Gebührenpflichtige auf die Regelungen der Richtlinie, die
grundsätzlich nur an die Mitgliedstaaten gerichtet ist, zu seinen Gunsten berufen
kann. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs läßt dies unter
bestimmten Voraussetzungen zu. Wird eine Richtlinie nach Ablauf des
Umsetzungszeitraums nämlich gar nicht oder nicht richtig umgesetzt, so kann
sich der Gemeinschaftsbürger auf die Bestimmungen dieser Richtlinie unmittelbar
berufen, die als unbedingt und hinreichend klar anzusehen sind (vgl. Grabitz,
a.a.O., Rdnr. 61 m.w.N.). Hier dürften diese Voraussetzungen erfüllt sein. Zwar
enthält die Richtlinie 93/ 118/EG nicht nur genaue Regelungen über die EG-
einheitliche Pauschalgebühr für die Fleischbeschau, sondern benennt auch
Möglichkeiten, unter denen die Mitgliedstaaten von diesen Pauschalgebühren
abweichen können. Das nimmt den Bestimmungen der Richtlinie jedoch nicht die
unmittelbare Wirkung, wenn die Inanspruchnahme der in ihr eingeräumten
Abweichungsmöglichkeiten - wie hier - einer gerichtlichen Nachprüfung zugänglich
ist (vgl. so zu der Entscheidung 88/408/EWG des Rates vom 15. Juni 1988 zu der
Richtlinie 85/73/EWG: EuGH, Urteil vom 10. November 1992, a.a.O.). Hier kommt
somit eine Berufung des Gemeinschaftsbürgers, also auch der Antragstellerin, auf
die Richtlinie 93/118/ EG gegenüber dem Antragsgegner in Betracht, wenn die
landesrechtlichen Gebührenbestimmungen des Antragsgegners keine
ordnungsgemäße Umsetzung dieser Richtlinie darstellen.
Das Hessische Gesetz über die Kosten der Schlachttier- und Fleischbeschau und
der Trichinenschau bei Schlachtungen außerhalb der Gemeinden mit
Schlachthauszwang (Fleischbeschaukostengesetz) vom 5. Juli 1961 (GVBl. I S. 103,
zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. Juni 1978, GVBl. I S. 306) bestimmt insofern
in § 2 Abs. 2 als Grundlage für eine Gebührenbemessung in der Gebührenordnung
die Deckung des Aufwandes für die Vergütungen der Beschauer und die sächlichen
Kosten. Für die sächlichen Kosten bestimmen § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 und 5
bis 7 FleischbeschaukostenG Regelbeispiele (... sind insbesondere ...). In der
aufgrund der Ermächtigung in § 2 Abs. 1 Satz 2 erlassenen Verordnung über die
Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung bei Schlachtungen
außerhalb der Gemeinden mit Schlachthauszwang
(Fleischuntersuchungsgebührenordnung) vom 31. Juli 1987 in der Fassung der
Zweiten Änderungsverordnung vom 19. Oktober 1991 (GVBl. I S. 327) sind dann
einzelne Gebührentatbestände für bestimmte Tiere aufgeführt mit einer
Degression ab bestimmten täglichen Schlachtzahlen (§ 1 Nr. 6
FleischuntersuchungsGebO). Damit folgt die hessische Gebührenregelung
offensichtlich nicht der von der Richtlinie 93/118/EG vorgesehenen Regelung von
Pauschalbeträgen für bestimmte Tiere zusätzlich eines Gebührenanteils für
Verwaltungsgebühren von mindestens 0,725 ECU/t, eines Anteils für die
Rückstandsuntersuchung von mindestens 1,35 ECU/t und eines zusätzlichen
Zerlegungsanteils (Anlage der Richtlinie Kapitel I 1. und 2.). Unstreitig liegt die
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Zerlegungsanteils (Anlage der Richtlinie Kapitel I 1. und 2.). Unstreitig liegt die
Gebührenhöhe der Fleischuntersuchungsgebührenordnung über diesen EG-
einheitlichen Pauschalgebühren, wenn sich auch eine Aufspaltung in die in der
Richtlinie zugrundegelegten Gebührenanteile bei den in der Gebührenordnung
festgelegten Gebühren pro Tier nicht vornehmen läßt.
Der Antragsgegner nimmt für sich die in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 93/118/EG und
der Anlage Kapitel I 4. der Richtlinie niedergelegte Möglichkeit, eine höhere Gebühr
zu erheben, in Anspruch. Nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie können die
Mitgliedstaaten einen höheren Betrag als die Gemeinschaftsgebühren erheben,
sofern die erhobene Gesamtgebühr die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht
überschreitet. Nach Kapitel I 4. der Anlage besteht diese Möglichkeit der Anhebung
einerseits für bestimmte Betriebe (Buchst. a) durch Aufschläge auf die pauschale
Leitgebühr oder andererseits durch Erhebung einer "spezifischen Gebühr", die die
tatsächlichen Kosten deckt. Die Befugnis, diese abweichenden Regelungen zu
treffen, kann innerstaatlich auch regionalen oder örtlichen staatlichen Trägern
übertragen werden (so zur entsprechenden Vorgängerregelung in der
Entscheidung des Rates 88/408/EWG: EuGH, Urteil vom 10. November 1992,
a.a.O.), so daß auch das antragsgegnerische Land eine solche Abweichung von
den Pauschalbeträgen der Richtlinie bestimmen kann, wenn die Voraussetzungen
dafür vorliegen. Dabei ist u.a. zu bedenken, ob der in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie
verwandte Begriff der "erhobenen Gesamtgebühr", die die tatsächlichen
Untersuchungskosten nicht überschreiten darf, auf die einzelne vom
Gebührenpflichtigen erhobene, aus den oben skizzierten Teilen
zusammengesetzte Gebühr bezogen ist oder sich - wie nach dem in der
Bundesrepublik Deutschland anerkannten Kostendeckungsprinzip - nur auf das
Gesamtgebührenaufkommen bezieht.
Bedenken bestehen hier gegen die landesrechtliche Gebührenregelung aber
jedenfalls deshalb, weil sie ein von der der Richtlinie zugrundegelegten
Gebührensystematik abweichendes System der Gebührenbemessung verwendet.
Während die Richtlinie in ihrer oben skizzierten Form Pauschalbeträge für die
Untersuchungskosten - unterschieden nach Tierarten und teilweise weiter
differenziert nach ausgewachsenen und Jungtieren oder nach Gewicht - und
Mindestbeträge für die Verwaltungs- und Rückstandsuntersuchungsgebühren
sowie Aufschläge für Kontrolle und Untersuchungen im Zusammenhang mit der
Zerlegung vorsieht, wobei die Pauschalbeträge bereits Durchschnittswerte sind,
sieht die Fleischuntersuchungsgebührenordnung des Antragsgegners
Gesamtgebühren für bestimmte Tierarten - ohne die Differenzierungen der
Richtlinie - vor, die bei entsprechend hohen Schlachtzahlen einer bis zu 90 %igen
Degression unterliegen. Dies bedeutet aber, daß auf die einzelnen Gebühren
bezogen nicht nur eine Abweichung nach oben, sondern ab einer bestimmten
Degression auch eine Abweichung von den Pauschalbeträgen der Richtlinie nach
unten vorliegt. Für eine solche Abweichung bei den Pauschalbeträgen nach unten
bis zur Höhe der tatsächlichen Untersuchungskosten, die in der Richtlinie selbst
nicht vorgesehen ist, sieht Kapitel I 5. des Anhangs bestimmte Voraussetzungen
vor. Ob diese Abweichungsmöglichkeiten von den Pauschalbeträgen der Richtlinie
nach oben oder nach unten auch innerhalb desselben
Gebührenbemessungssystems kombiniert werden können, erscheint von den in
der Richtlinie genannten Voraussetzungen her zweifelhaft.
Während außerdem bei der Regelung der Richtlinie innerhalb der Pauschalbeträge
bei hohen täglichen Schlachtzahlen die Beträge gleich bleiben, werden sie nach
der Regelung des Antragsgegners in der Fleischuntersuchungsgebührenordnung
niedriger, d.h. im Gegensatz zur Pauschalregelung der Richtlinie tragen hier
Gebührenpflichtige mit wenigen Schlachtungen pro Tag einen prozentual höheren
Gebührenanteil. Ob eine derartige von der Systematik der Richtlinie abweichende
Gebührenstruktur durch die Regelung der Richtlinie über eine mögliche Erhöhung
der Gemeinschaftsgebühren noch gedeckt ist, erscheint ebenfalls zweifelhaft.
Des weiteren dürfte das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erhebung eines
höheren Betrages als die Gemeinschaftsgebühr zur Deckung höherer Kosten auch
daran zu messen sein, ob die "tatsächlichen Untersuchungskosten" im Sinne des
Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 93/118/EG bzw. der "tatsächlichen Kosten" im Sinne des
Kapitel I 4. b) der Anlage zu der Richtlinie, die die Grenze einer Erhöhung
darstellen, nach den gleichen Kriterien bestimmt worden sind, die der Bestimmung
der EG-einheitlichen Pauschalbeträge für die Untersuchungskosten (Anlage Kapitel
I 1.) zugrundegelegen haben. Eine Vergleichbarkeit der nationalen Kosten mit den
EG-durchschnittlichen Pauschalbeträgen kann nämlich nur bestehen, wenn die
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EG-durchschnittlichen Pauschalbeträgen kann nämlich nur bestehen, wenn die
Kostenbestimmung jeweils von den gleichen Voraussetzungen ausgeht. Dafür
dürfte auch weiterhin die Protokollerklärung des Agrarrates und der Kommission
der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung des Rates vom 15. Juni 1988
über die Beträge der für die Untersuchung und Hygienekontrollen von frischem
Fleisch zu erhebenden Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73/EWG (88/408/EWG)
vom 24. Januar 1988 (BAnz Nr. 37 vom 22. Februar 1989, S. 901) einen wichtigen
Anhaltspunkt darstellen. Zwar zeigt sie die Grundlagen der Errechnung der
Pauschalbeträge in der Entscheidung des Rates 88/408/EWG vom 15. Juni 1988,
also der Vorgängerregelung zur hier zu beurteilenden Richtlinie 93/118/EG. Die
entsprechenden Pauschalbeträge sind jedoch bis auf eine geringe Erhöhung des
Pauschalbetrages für ausgewachsene Rinder gleich geblieben, so daß auch die
Bestimmungsgrundlagen im wesentlichen die gleichen sein dürften (vgl. auch:
OVG Lüneburg, Beschluß vom 6. Oktober 1995 - 10 M 1967/95 -, Seite 3 ff. des
amtlichen Abdrucks). Nur bei einer diesen Berechnungsgrundlagen vergleichbaren
Kalkulation läßt sich überhaupt überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine von
den Pauschalbeträgen der Richtlinie nach oben abweichende Festsetzung der
Gebühren gegeben sind. Die von dem Antragsgegner im Klageverfahren VG Kassel
5/3 E 5598/93 (Bl. 150 ff.) eingereichten Unterlagen dürften diesen Anforderungen
nicht entsprechen.
Damit bestehen bereits ernsthafte Zweifel, ob die landesrechtliche
Gebührenregelung des Antragsgegners eine ordnungsgemäße Umsetzung der
Richtlinie 93/118/EG darstellt. Als Folge daraus, kann sich die Antragstellerin - wie
oben dargelegt - auf die Regelungen der Richtlinie gegenüber dem Antragsgegner
berufen. Ob das Verwaltungsgericht infolgedessen zu Recht nur den von der
Antragstellerin selbst aufgrund der EG-Pauschalbeträge berechneten Anteil der
Gebührenforderungen als rechtmäßig und deshalb vollziehbar angesehen hat oder
ob darüber hinaus nicht auch zumindest die Mindestanteile an
Verwaltungsgebühren und Gebühren für Rückstandsuntersuchungen (Kapitel I Nr.
1, 2. Querstrich, Buchst. a des Anhangs: mindestens 0,725 ECU/t, und Buchst. b:
mindestens 1,35 ECU/t) hätten zugrundegelegt werden müssen - soweit dafür
überhaupt die tatsächlichen Grundlagen, wie etwa das Schlachtgewicht, noch
feststellbar sind -, kann offen bleiben.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Fleischuntersuchungsgebührenordnung hat der
Senat nämlich auch in Bezug auf nationales Recht, und zwar in Bezug auf die
Wirksamkeit der Regelung in § 1 Nr. 6 FleischuntersuchungsGebO über die
Gebührendegression beim Erreichen bestimmter täglicher Schlachtzahlen. Die
rechtlichen Bedenken gründen sich dabei auf das Rechtsstaatprinzip des Art. 20
Abs. 3 Grundgesetz - GG -, wobei offen bleiben kann, ob sie letztlich darauf
beruhen, daß § 1 Nr. 6 FleischuntersuchungsGebO in sich keine praktikable Norm
darstellt, oder darauf, daß die Vorschrift den Anforderungen des
Bestimmtheitsgebots nicht genügt, das verlangt, daß Rechtsvorschriften so genau
zu fassen sind, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte
mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. Jarass/ Pieroth, a.a.O., Art. 20
Rdnr. 39). Bei Abgabenormen - so im Steuer- und auch im Gebührenrecht -
erfordert der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit als Ausdruck des
Bestimmtheitsgebots, daß der die Abgabe begründende Tatbestand so bestimmt
ist, daß der Pflichtige die auf ihn entfallende Abgabelast vorausberechnen kann
(vgl. Jarass/Pieroth, a.a.O. Rdnr. 43 m.w.N.; Leibholz/ Rinck/Hesselberger,
Grundgesetz, Stand: Februar 1995, Art. 20 Rdnr. 701 m.w.N.).
Nach der Regelung in § 1 Nr. 6 FleischuntersuchungsGebO ermäßigen sich die
Gebühren nach Nr. 1, 3 und 4 bei täglichen Schlachtungen von Tieren eines
Besitzers in einem Betrieb vom 36. bis 69. Tier auf 50 v.H., vom 70. bis 149. Tier
auf 20 v.H. und vom 150. und für jedes weitere Tier auf 10 v.H.. Nach § 1 Nr.1
Buchst. a) bis e) und Nr. 4 Buchst. a) und b) FleischuntersuchungsGebO gibt es
jedoch verschieden hohe Gebühren für die Untersuchung verschiedener Tiere. § 1
Nr. 6 FleischuntersuchungsGebO läßt keine eindeutige Zuordnung dahin zu,
welche dieser an einem Tag geschlachteten, unter verschiedene
Gebührengruppen einzustufenden Tiere nun unter die ersten 35 voll zu
belastenden und welche unter die nach Schlachtzahlen gestaffelten weiteren
Gruppen zu fassen sind, bei denen eine gestaffelte Ermäßigung gewährt wird. Eine
rein zeitliche Einordnung nach dem Zeitpunkt der Schlachtung oder der
Untersuchung am jeweiligen Tag ist nach den übereinstimmenden Erklärungen der
Beteiligten im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter nicht praktikabel. Die
vom Antragsgegner aufgrund einer Verwaltungsanweisung angewandte Regelung,
wonach die abzurechnenden, an einem Tag geschlachteten Tiere jeweils in der
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wonach die abzurechnenden, an einem Tag geschlachteten Tiere jeweils in der
Reihenfolge der Gebührenhöhe des § 1 Nr. 1 FleischuntersuchungsGebO zu ordnen
sind - d.h. die teuersten Tiere füllen jeweils die gebührenmäßig am wenigsten in die
Degression fallende Staffel - ist zwar für den Antragsgegner als Gebührengläubiger
die finanziell günstigste Lösung, ergibt sich aber aus der Regelung der
Gebührenordnung selbst nicht. Diese läßt vielmehr eine genaue Subsumtion unter
die Degressionsstaffel nicht zu. Allein aufgrund der Regelung in der
Fleischuntersuchungsgebührenordnung kann ein Gebührenschuldner seine
Gebührenschuld nicht im voraus bestimmen, was auch daraus deutlich wird, daß
es der Antragsgegner für nötig angesehen hat, seine Verwaltungsanweisung zu
erlassen.
Da sich die Unwirksamkeit der Degressionsregelung in § 1 Nr. 6
FleischuntersuchungsGebO aber auf die Gebührenkalkulation insgesamt -
zumindest auch auf die Regelung in den Nrn. 1, 3 und 4 - auswirken würde,
erstrecken sich die genannten Zweifel damit insgesamt auf die
Gebührenbemessungsregelung der Verordnung. Die Beschwerde des
Antragsgegners ist deshalb bereits aus diesem Grund insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über
den Streitwert aus den §§ 13 Abs. 1, 14 (analog), 20 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -
GKG -.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.