Urteil des HessVGH vom 30.03.1995

VGH Kassel: gesetzliche vermutung, klausur, gutgläubiger erwerb, prüfer, vertrag zugunsten dritter, hausarbeit, wiederholung, bewegliche sache, rechtskräftiges urteil, auskunft

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 TG 3364/94
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 42 Abs 2 JAG HE, § 43
Abs 2 JAG HE, § 19 JAG HE,
§ 123 VwGO
(Einstweilige Anordnung zwecks Zulassung zur vorläufigen
Wiederholung einer juristischen Staatsprüfung;
Neubewertung einer schriftlichen Prüfungsarbeit im
Eilverfahren)
Gründe
Die Beschwerde, mit der der Antragsteller erreichen will, vorläufig im Wege der
einstweiligen Anordnung zur Wiederholung der Zweiten juristischen Staatsprüfung
zugelassen zu werden, hilfsweise, daß dem Antragsgegner im Wege der
einstweiligen Anordnung aufgegeben wird, eine Neubewertung der Haus- und
Aufsichtsarbeiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
vorzunehmen, äußerst hilfsweise, daß der Antragsgegner im Wege der
einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, dem Antragsteller die Teilnahme an der
mündlichen Prüfung zu ermöglichen, ist unbegründet. Der Antragsteller hat weder
glaubhaft gemacht, daß er einen Anspruch auf vorläufige Wiederholung der
Zweiten juristischen Staatsprüfung hat (I.) noch daß er die Neubewertung der
Haus- und Aufsichtsarbeiten verlangen kann (II.) oder daß ihm die Teilnahme an
der mündlichen Prüfung zu ermöglichen ist (III.) - §§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3
VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO.
I. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, daß er "eine Wiederholung des
kompletten Verfahrens" (so die Formulierung des Antragstellers auf Seite 2 seines
Schriftsatzes vom 13. Januar 1995) beanspruchen kann. Eine Wiederholung des
Prüfungsverfahrens ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn die
Leistungserbringung verfahrensfehlerhaft erfolgte, die Prüfungsbehörde für diese
Verfahrensfehler verantwortlich ist und nicht mit der nötigen Sicherheit
ausgeschlossen werden kann, daß die Verfahrensfehlerhaftigkeit der Prüfung sich
auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt hat. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht
vor.
1. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, daß eine andere Person als der
Präsident des Justizprüfungsamts dem Kläger die Hausarbeit und die
Kurzhausarbeit zugeteilt und für den Augusttermin 1993 die Examensklausuren
ausgewählt hat. Der Antragsgegner hat auf Seite 4 seines Schriftsatzes vom 19.
September 1994 und auf den Seiten 3 und 4 seines Schriftsatzes vom 22. Februar
1995 glaubhaft versichert, die Paraphe unter den die Hausarbeit und die
Kurzhausarbeit betreffenden Zuteilungsverfügungen sei diejenige des Präsidenten
des Justizprüfungsamts, zumal nur er - wie geschehen - ohne Vertretungszusatz
habe unterzeichnen können. Auf Seite 4 des Schriftsatzes vom 22. Februar 1995
hat der Antragsgegner weiterhin überzeugend dargelegt, daß auch die vom
Antragsteller im August 1993 geschriebenen Klausuren von dem Präsidenten des
Justizprüfungsamts in Person ausgewählt worden seien. Es sei organisatorisch
sichergestellt, daß Klausuraufgaben nur in den Prüfungsgang gegeben würden,
wenn der Leiter der Geschäftsstelle oder sein Vertreter sie von dem Präsidenten
persönlich zur weiteren Veranlassung erhalten habe.
2. Ein Anspruch auf Wiederholung der Prüfung - insoweit käme ohnehin nur eine
Wiederholung der Klausurarbeiten in Frage - läßt sich auch nicht auf
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Wiederholung der Klausurarbeiten in Frage - läßt sich auch nicht auf
Beeinträchtigungen bei der Anfertigung der Klausuren stützen. Der Antragsteller
hat insoweit vorgetragen, sein Arbeitstisch habe sich nur ca. 3 m von dem
Ausgang entfernt befunden. Alle zwei bis drei Minuten seien Kandidaten auf dem
Weg zur Toilette an ihm vorbeigegangen. Das Türöffnen und -schließen habe Lärm
verursacht. Aufgrund der hohen Zahl von ca. 100 im Raum anwesenden Prüflingen
sei es sehr schwierig gewesen, eine Erlaubnis zum Gang auf die Toilette zu
bekommen. Er, der Antragsteller, habe sich mit viel Aufmerksamkeit darum
bemühen müssen, für den Gang auf die Toilette notiert zu werden. Aufgrund des
hierdurch verursachten "Wettbewerbs" unter den Teilnehmern seien dem
Antragsteller wertvolle Minuten verloren gegangen. Zu dem beschriebenen
Andrang auf die Toilette habe auch geführt, daß der Antragsteller und die anderen
Raucher im Prüfungsraum nicht hätten rauchen dürfen. Im übrigen sei die
Beleuchtung im Raum sehr schlecht gewesen. Es habe nur schwaches Neonlicht
gegeben, das zu einer deutlichen Ermüdung der Augen geführt habe.
Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf die von ihm vorgetragenen
Beeinträchtigungen berufen, denn seine diesbezüglichen Einwände sind verspätet.
Prüfungsumstände, die nicht offensichtlich zu einer Verletzung der
Chancengleichheit führen, sondern bei denen es von der Empfindsamkeit und
Befindlichkeit des Prüflings abhängt, ob er in seiner Chancengleichheit verletzt ist,
müssen von ihm, sobald es zumutbar ist, gerügt werden (Hess. VGH, Urteil vom
01. Dezember 1994 - 6 UE 758/94 -). Der Antragsteller hat nicht glaubhaft
gemacht, daß die von ihm genannten Prüfungsumstände so offensichtlich zu einer
Verletzung der Chancengleichheit geführt haben, daß der Antragsgegner auch
ohne Rüge aus dem Kreis der Prüflinge verpflichtet gewesen wäre, Abhilfe zu
schaffen. Der Antragsgegner hat mit seinem Schriftsatz vom 22. Februar 1995
einen Sitzplan des Prüfungsraums vorgelegt, aus dem sich ergibt, daß sich entlang
der ganzen Seite des Prüfungsraums Türen befinden, so daß nicht alle Prüflinge,
die den Raum verließen, gezwungen waren, die in der Nähe des Antragstellers
gelegenen Türen zu benutzen. Es mußte sich dem Antragsgegner daher nicht
aufdrängen, daß der Antragsteller durch den ihm zugeteilten Sitzplatz unzumutbar
belastet würde.
Entsprechendes gilt für den Einwand der schlechten Beleuchtung. Der
Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, daß die Beleuchtung im Raum so
schlecht war, daß der Antragsgegner von Amts wegen hätte Abhilfe schaffen
müssen.
II. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Neubewertung der
Prüfungsarbeiten glaubhaft gemacht.
1. Der Antragsteller hat zunächst nicht glaubhaft gemacht, daß der
Prüfungsausschuß, der anläßlich seiner Prüfung tätig geworden ist, rechtsfehlerhaft
gebildet wurde. Der Antragsgegner hat unter II.4. auf den Seiten 4 und 5 seines
Schriftsatzes vom 19. September 1994 plausibel dargelegt, daß für die Klausuren
der Erstkorrektor in der vom Präsidenten des Justizprüfungsamts in Person
unterzeichneten Verfügung, mit der die Prüfungsausschüsse gebildet würden,
festgelegt werde und daß die Verteilung der Erstkorrekturen der Hausarbeiten
nach mit dem Präsidenten des Justizprüfungsamtes abgestimmten allgemeinen
Gesichtspunkten erfolge. Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, daß sich
etwaige Fehler bei der Bildung des Prüfungsausschusses auf das Prüfungsergebnis
des Antragstellers ausgewirkt hätten.
2. Ein Anspruch auf Neubewertung läßt sich auch nicht aus etwaigen Verstößen
gegen die die Bestimmung der Prüferreihenfolge betreffende Regelung des § 42
Abs. 2 Juristenausbildungsgesetz - JAG - herleiten. Allerdings ergibt sich aus § 42
Abs. 2 Satz 1 JAG, daß der Präsident des Justizprüfungsamts die Reihenfolge, in
der die schriftlichen Arbeiten bewertet werden, bestimmt. Der Senat hat in bezug
auf die das Erste juristische Staatsexamen betreffende Vorschrift des § 12 Abs. 3
Satz 1 JAG darauf hingewiesen, daß die Bestimmung der Prüferreihenfolge
Verwaltungstätigkeit sei, so daß keine Notwendigkeit zu bestehen scheine,
insofern Mitglieder eines Prüfungsausschusses beziehungsweise den Präsidenten
des Justizprüfungsamtes in seiner Eigenschaft als "obersten Prüfer" - also den
Präsidenten in Person - die Reihenfolge bestimmen zu lassen, wenn auch in der
Auswahl der Erstkorrektoren im Hinblick auf die fachlichen Anforderungen, die die
jeweilige Prüfungsaufgabe an die Prüfer stelle, ein Beurteilungselement liegen
könnte (Urteil des Senats vom 5. Juli 1990 - 6 UE 2275/89 - NVwZ-RR 1991, 246).
Der Senat hat in dem zitierten Urteil die angesprochene Frage jedoch
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Der Senat hat in dem zitierten Urteil die angesprochene Frage jedoch
unentschieden gelassen, weil es nicht ersichtlich war, daß die Reihenfolge der
Bewertungen, sollte sie tatsächlich verfahrensfehlerhaft bestimmt worden sein,
sich auf das Ergebnis der Prüfung negativ ausgewirkt hatte.
So liegen die Dinge auch hier. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, daß
die Prüferreihenfolge einen Einfluß auf das Ergebnis seiner Prüfung gehabt hat. Die
Prüfer sind verpflichtet, unabhängig von den Bewertungen der anderen Prüfer zu
bewerten. Es sind hier keine Anhaltspunkte dafür glaubhaft gemacht worden, daß
die Prüfer dieser Verpflichtung zuwidergehandelt hätten. Im Gegenteil zeigt sich
die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Bewertungen - worauf der
Antragsgegner auf Seite 4 seines Schriftsatzes vom 19. September 1994 zu Recht
hinweist - etwa daran, daß der Drittkorrektor der Z I- und der Z II-Klausur die
gleiche Punktzahl wie der Erstkorrektor und nicht die etwas niedrigere des
Zweitkorrektors vergeben hat.
3. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, daß der Prüfer Richter am VG E.
nicht mit der Erstkorrektur der Arbeitsrechtsklausur betraut werden durfte. Der
Antragsgegner hat auf Seite 6 des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember
1994 zu Recht darauf hingewiesen, daß weder dem JAG noch dem allgemeinen
Prüfungsrecht ein Grundsatz des Inhalts zu entnehmen sei, daß als Erstkorrektor
nur ein Prüfer bestimmt werden dürfe, der in dem jeweiligen Rechtsgebiet über
praktische Erfahrung verfüge. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß mit der
Bestellung zum Prüfer durch den Präsidenten des Justizprüfungsamts eine Eignung
des Prüfers für sein Tätigwerden im Rahmen der Staatsprüfung bejaht worden ist
und daß damit jeder Prüfer in der Lage ist, die Prüfungsleistung als Erstkorrektor
zu bewerten. Es kommt hinzu, daß jeder Prüfer verpflichtet ist, eine eigenständige
Bewertung abzugeben, und daß daher die Bewertungen gleiches Gewicht haben.
Dem Umstand, wer Erstkorrektor ist, kommt daher nach der Systematik des
Juristenausbildungsgesetzes keine maßgebliche Bedeutung für die Bewertung zu.
4. Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, daß der Vorsitzende des
Prüfungsausschusses wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der
Prüferanonymität ihm - dem Antragsteller - gegenüber bei der Korrektur der
Prüfungsarbeiten des Antragstellers voreingenommen gewesen war. Zwar gehörte
der Antragsteller bis zum Abschluß des Ergänzungsvorbereitungsdienstes der von
dem Prüfungsvorsitzenden geleiteten Arbeitsgemeinschaft an. Der
Prüfungsvorsitzende hat jedoch in seiner dienstlichen Erklärung vom 12.
September 1994 glaubhaft versichert, daß ihm eventuelle handschriftliche
Ausarbeitungen der Teilnehmer nicht zu Gesicht kommen. Die Handschrift des
Antragstellers sei ihm, dem Prüfungsvorsitzenden, nicht bekannt gewesen. Eine
"Durchbrechung der Anonymität" des Prüfungsverfahrens sei hinsichtlich der
Klausuren schon aus diesem Grund nicht möglich gewesen. Der
Prüfungsvorsitzende hat zwar bestätigt, daß der Antragsteller bei ihm angerufen
habe, weil er Interesse gehabt habe, an einem Prüfungstermin als Zuhörer
teilzunehmen, bei dem der Prüfungsvorsitzende als Prüfer beteiligt gewesen sei.
Es sei auch richtig, daß er, der Prüfungsvorsitzende, auch den Prüfungstermin vom
14. Januar 1994 genannt habe. Bestätigt hat der Prüfungsvorsitzende weiter, daß
es ihm erkennbar unangenehm war, als sich herausstellte, daß der 14. Januar
1994 der Prüfungstermin des Antragstellers war. Der Prüfungsvorsitzende hat
jedoch überzeugend dargelegt, daß ihm, als er die Hausarbeiten und Klausuren für
den Prüfungstermin vom 14. Januar 1994 korrigierte, das Telefongespräch mit dem
Antragsteller nicht mehr bewußt war. Er hat dazu ausgeführt, er könne mit
Sicherheit ausschließen, daß er sich bei den Korrekturen Gedanken über eine
mögliche Verfasserschaft des Antragstellers gemacht habe. Es sei ihm noch sehr
gut in Erinnerung, daß er äußerst erstaunt gewesen sei, als er vom
Justizprüfungsamt nach Abschluß der Korrekturen die Namen der Kandidaten
erhalten habe und dabei habe feststellen müssen, daß der Antragsteller unter
diesen Kandidaten und zudem noch Verfasser einer Hausarbeit gewesen sei, die
er, der Prüfer, als Erstkorrektor zu beurteilen gehabt habe. Der
Prüfungsvorsitzende hat am Ende seiner dienstlichen Erklärungen nochmals
ausdrücklich betont, daß er weder bei der Hausarbeit noch bei der Kurzarbeit
und/oder den Klausuren den Antragsteller als möglichen Verfasser erkannt habe
oder habe erkennen können.
5. Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, daß die Prüfer zu wenig
Zeit hatten, seine Arbeiten ordnungsgemäß zu korrigieren. Insbesondere hat der
Drittkorrektor der Hausarbeit, der Kurzhausarbeit im Strafrecht und der Z I- und Z
II-Klausuren, der Richter am Verwaltungsgericht E., in seiner dienstlichen Erklärung
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II-Klausuren, der Richter am Verwaltungsgericht E., in seiner dienstlichen Erklärung
vom 16. September 1994 glaubhaft versichert, daß ihm für diese Korrekturen das
Wochenende vom Freitag, dem 07. Januar 1994, bis zum Sonntag, dem 09. Januar
1994, zur Verfügung gestanden habe, also der Nachmittag des Freitags sowie der
Samstag und der Sonntag. Während dieser Zeit habe er gewissenhaft und
vollständig die Prüfungsleistungen des Antragstellers gelesen und durchdacht
sowie sich seine eigene Meinung gebildet. Besonders bei der Hausarbeit, die er am
Samstagnachmittag und Sonntag bearbeitet habe, seien die Bewertungskriterien
von ihm sorgfältig abgewogen und bedacht worden. Ein Zeitproblem habe es dabei
nicht gegeben, da ihm dafür ein Wochenende ausreiche.
6. Es begegnet auch keinen Bedenken, daß der Prüfungsvorsitzende als
Zweitkorrektor der Z I-Klausur und der Z II-Klausur sowie als Drittkorrektor in der
öffentlich-rechtlichen Klausur jeweils einen Punkt weniger als der Erstkorrektor bzw.
die beiden Vorkorrektoren vergeben hat. Er hat auf Seite 5 seiner dienstlichen
Erklärung vom 20. November 1994 plausibel dargelegt, daß er bei der Z I-Klausur
die Einzelkritik des Erstkorrektors in dessen Schlußbeurteilung teile. Die in der
Einzelkritik angeführten Mängel seien nach seiner Ansicht von so erheblichem
Gewicht, daß die Arbeit sich schon weit von der Grenze zur eingeschränkten
Brauchbarkeit entfernt habe. Bei der Z II-Klausur habe er deutlich gemacht, daß er
im Gegensatz zum Erstkorrektor dem Tatbestand keinen wesentlichen Eigenwert
zumessen könne. Dabei habe er zu den Anforderungen an die Abfassung des
Sachstandes Stellung genommen und zusätzliche Mängel bei der Qualifizierung
des Klägervorbringens angeführt. Bei der Klausur im öffentlichen Recht habe er
wiederum deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er die Einzelkritik des
Erstkorrektors teile, der Gesamtheit der angeführten Mängel aber etwas mehr
Gewicht zumesse. Mit diesen Ausführungen zeigt der Prüfungsvorsitzende, daß er
sich im Rahmen seines Beurteilungsspielraums gehalten hat.
7. Der Antragsteller hat auch keine Korrekturfehler glaubhaft gemacht, die mit der
insoweit erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit dazu führen werden, daß
sich im Hauptsacheverfahren ein Anspruch des Antragstellers auf Neubewertung
einer oder mehrerer Prüfungsarbeiten ergibt.
a) Hinsichtlich der Hausarbeit hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, daß
der Erstkorrektor fehlerhaft bewertet und den ihm zustehenden
Beurteilungsspielraum überschritten hat. Der Antragsteller rügt, daß der
Erstkorrektor bemängelt habe, der Antragsteller habe im Rahmen der
Schlüssigkeitsprüfung die Vermutung nach § 1006 Abs. 1 BGB nicht berücksichtigt.
Dem hält der Antragsteller entgegen, der von ihm gewählte Aufbau sei
relationstechnisch vertretbar. Hierzu beruft der Antragsteller sich auf
Ausführungen von Anders/Gehle und legt Kopien der in bezug genommenen
Literaturstelle vor (Blatt 90/91 der Gerichtsakten). Aus dem Text zu den
Randnummern 94, 329, 330, und 331 schließt der Antragsteller, wenn bei einer auf
§ 985 BGB gestützten Herausgabeklage zugunsten des Beklagten eine gesetzliche
Vermutung eingreife, richte sich der Aufbau des Gutachtens nach den für die
Einreden im Sinne der ZPO entwickelten Grundsätzen. Bei Vorliegen einer Einrede
in der Beklagtenstation müsse sich dem zwingend eine Replik anschließen.
Genauso habe der Antragsteller aufgebaut. In Randzahl 331 bei Anders/Gehle
heiße es, könnten die Parteien alle tatsächlichen Voraussetzungen der für die
Beurteilung des Falles maßgeblichen anspruchsbegründenden oder -
vernichtenden Normen vortragen, ohne sich auf Vermutungen stützen zu müssen
bzw. ohne mit Vermutungen in Konflikt zu geraten, würden diese erstmalig in der
Beweisstation unter dem Gesichtspunkt der Beweisbedürftigkeit geprüft. Daraus
schließt der Antragsteller für den von ihm zu beurteilenden Hausarbeitsfall, bei den
"tatsächlichen Voraussetzungen der für die Beurteilung des Falles maßgeblichen
anspruchsbegründenden oder -vernichtenden Normen" handele es sich um den
Vortrag des Klägers des Prüfungsfalls, er habe dem Beklagten über die Zeugin S.
lediglich willentlich Besitz verschafft und nicht mehr, und um den Vortrag des
Beklagten, ihm sei der Teppich übereignet worden oder - hilfweise - er habe das
Eigentum wenigstens gutgläubig erworben. Sie - gemeint ist der Kläger und der
Beklagte des Hausarbeitsfalls - müßten sich dabei auch nicht auf Vermutungen
stützen, denn der Vortrag des Beklagten (Übereignung oder doch wenigstens
gutgläubiger Erwerb) käme auch ohne die Geltung von § 1006 Abs. 1 BGB aus.
Folglich seien nach Anders/Gehle die Vermutungswirkungen erstmals in der
Beweisstation zu prüfen. Daran habe der Antragsteller sich gehalten. Nach
Schellhammer, Die Arbeitsmethode des Zivilrichters, 11. Auflage, Seite 162,
komme § 1006 BGB im Gutachten nicht vor, weil beide Parteien genügend
Tatsachen für und wider einen Eigentumserwerb der Klägerin behaupteten. Die
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Tatsachen für und wider einen Eigentumserwerb der Klägerin behaupteten. Die
gesetzliche Vermutung des § 1006 Abs. 1 oder 2 BGB benötige man nur, wenn die
begünstigte Partei (hier die Klägerin) keine Tatsachen für die Vermutungsfolge
(hier den Eigentumserwerb) oder die benachteiligte Partei (hier die Beklagte) keine
Tatsachen für das Gegenteil (hier bloßen Fremdbesitz der Klägerin) behaupte.
Daraus schließt der Antragsteller, es sei sachgerecht gewesen, die
Schlüssigkeitsprüfung darauf zu beschränken, daß der Kläger des Hausarbeitsfalls
ursprünglich Eigentümer gewesen sei und das Eigentum auch nicht durch die
Besitzeinräumung an den Beklagten verloren habe.
Diese Auffassung erscheint nicht vertretbar. Die für eine erstmalige Prüfung des §
1006 Abs. 1 BGB in der Beweisstation sprechenden Gründe von Anders/Gehle,
Randzahl 331, dürften nicht vorliegen. Dort wird diese Rechtsfolge nämlich davon
abhängig gemacht, daß die Parteien alle tatsächlichen Voraussetzungen der für
die Beurteilung des Falles maßgeblichen Normen vortragen können, ohne mit
Vermutungen in Konflikt zu geraten. Daran dürfte es hier fehlen. Der Erstkorrektor
hat im zweiten Absatz auf Seite 3 seiner zusammenfassenden Prüferbemerkung
ausgeführt, da der Kläger die Vermutung widerlegen müsse, müsse von ihm
dargelegt werden, daß er das Eigentum erworben und - trotz Übergabe an den
Beklagten durch die Zeugin S. - auch behalten habe. In diesem Zusammenhang
müsse auf die Frage des Abhandenkommens und darauf eingegangen werden, ob
der Kläger hinreichend dargelegt habe, daß ein gutgläubiger Erwerb des Beklagten
nicht stattgefunden habe. Daraus ergibt sich, daß der Kläger des Hausarbeitsfalls
durchaus mit der Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB in Konflikt geraten ist.
Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Literaturstelle bei
Schellhammer berufen. Im Unterschied zu dem vom Kläger zu beurteilenden
Hausarbeitsfall geht es in dem bei Schellhammer zugrundegelegten Fall 9 "der
Flügel II" nicht darum, ob die gesetzliche Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB die
Klage der Klägerin unschlüssig macht, denn die Klägerin des bei Schellhammer
dargestellten Beispielfalls hat in der Klageschrift vortragen lassen, sie sei
Eigentümerin des in ihrer Wohnung stehenden Flügels. Sie habe den Flügel bei
Auszug aus ihrer Wohnung im Hause des Beklagten mitgenommen; seither drohe
der Beklagte mit Klage und werfe ihr, der Klägerin, Unterschlagung vor. In diesem
Fall erscheint es in der Tat entbehrlich, zugunsten der Klägerin in der
Schlüssigkeitsstation die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB zu erwähnen, da die
Klägerin nach ihrem Vortrag Eigentümerin und Besitzerin des Flügels ist. In dem
vom Antragsteller zu beurteilenden Hausarbeitsfall liegen die Dinge anders, denn
hier fallen Eigentum und Besitz auseinander. Hier stellt die Eigentumsvermutung
des § 1006 Abs. 1 BGB den Anspruch des Klägers unter Zugrundelegung des
unstreitigen Sachverhalts in Verbindung mit dem eigenen Vortrag des Klägers in
Frage.
Auch die insofern auf den Seiten 2 bis 9 des Schriftsatzes vom 11. März 1995
erhobenen Einwände des Antragstellers ändern nichts daran, daß der Antragsteller
hinsichtlich der die Prüfung des § 1006 Abs. 1 BGB betreffenden Kritik des
Erstkorrektors Bewertungsfehler nicht glaubhaft gemacht hat. Der Antragsteller
hat auf Seite 2 Mitte dieses Schriftsatzes zutreffend sinngemäß darauf
hingewiesen, daß Klagebegehren wäre unschlüssig, wenn der Kläger nicht schlüssig
darlegen könne, daß der gemäß § 1006 Abs. 1 BGB vermutete Eigentumserwerb
des Beklagten bei Übergabe des Teppichs unterblieben sei. Im dritten Absatz auf
Seite 3 dieses Schriftsatzes hat der Antragsteller ebenfalls zutreffend erklärt,
streite für den Beklagten eine gesetzliche Vermutung, so sei diese bereits in der
Klägerstation zu berücksichtigen. Der Klageanspruch müsse so vorgetragen
werden, daß sowohl eine Anspruchsnorm gegeben sei als auch die gesetzliche
Vermutungsnorm widerlegt werde. Gleichwohl meint der Antragsteller, in der
Schlüssigkeitsprüfung müsse § 1006 Abs. 1 BGB nicht geprüft werden. Das ist
unverständlich. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, daß sich im
Hauptsacheverfahren erweisen werde, der Erstkorrektor sei hinsichtlich des auf §
1006 Abs. 1 BGB bezogenen Einwandes über seinen Beurteilungsspielraum
hinausgegangen, sieht der Senat nicht.
Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, daß dem Erstkorrektor ein
Bewertungsfehler unterlaufen ist, als dieser monierte, der Antragsteller habe die
Möglichkeit eines Anspruchs aus § 1007 Abs. 1 BGB nicht in die Überlegungen
einbezogen, worin ein "deutlicher Mangel" zu sehen sei. Wer eine bewegliche
Sache in Besitz gehabt hat, kann nach § 1007 Abs. 1 BGB von dem Besitzer die
Herausgabe der Sache verlangen, wenn dieser bei dem Erwerb des Besitzes nicht
in gutem Glauben war. Der Antragsgegner hat unter 2. auf Seite 9 des
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in gutem Glauben war. Der Antragsgegner hat unter 2. auf Seite 9 des
Schriftsatzes vom 22. Februar 1995 plausibel darauf hingewiesen, daß eine
Erörterung der Vorschrift naheliegend gewesen sei, weil diese Anspruchsgrundlage
möglicherweise geringere Anforderungen - keine Eigentümerstellung des Klägers
des Aktenfalls erforderlich, keine Vermutung aus § 1006 Abs. 1 BGB zugunsten
des Beklagten - gestellt habe. Im übrigen falle die Frage, welche Gesichtspunkte in
der Bearbeitung einer Prüfungsleistung anzusprechen seien, als inhaltliche
Einschätzung der Prüfer darüber, was in der Examenssituation an Erörterung
erwartet werden könne, in ihren Bewertungsspielraum.
An der Glaubhaftmachung eines Bewertungsfehlers fehlt es auch insoweit, als der
Erstkorrektor einen gewichtigen Mangel darin sieht, daß die Frage eines
gutgläubigen Eigentumserwerb in die Erheblichkeitsprüfung nicht einbezogen
wurde (Seiten 19 und 20 der Hausarbeit). Der Antragsteller meint, der
Erstkorrektor verkenne, daß der Beklagte das Eigentum des Klägers bestreitet.
Hierzu verweist der Antragsteller auf Blatt 83 der Aufgabenakte. Dort befindet sich
ein Schriftsatz der Bevollmächtigten des Beklagten, in dem ausgeführt wird,
selbstverständlich sei das Eigentum des Klägers am Teppich streitig.
Dem hält der Erstkorrektor auf den Seiten 2 und 3 seiner dienstlichen Erklärung
vom 20. November 1994 entgegen, Hauptansatz seiner Kritik sei der Umstand,
daß der Antragsteller das Beklagtenvorbringen zum "Teppicherwerb im
Oberhausener Raum" in der Erheblichkeitsprüfung nicht exakt und sachgerecht
ausgewertet habe. Der Beklagte habe nicht (positiv) behauptet, die Zeugin S. sei
Eigentümerin gewesen, weil sie den Teppich zu Eigentum erworben habe. Er habe
vielmehr auf Blatt 17 der Akten nur behauptet, die Zeugin S. habe dem Zeugen G.
erklärt, sie habe den Teppich im "Oberhausener Raum" erworben. Das sei
qualitativ etwas anderes. Der Beklagte berufe sich danach lediglich darauf, er sei
aufgrund der Erklärung der Zeugin S. davon ausgegangen, sie sei Eigentümerin
des Teppichs. Dieses Vorbringen des Beklagten werde verstärkt durch den Hinweis
auf Blatt 18 der Akten, die Zeugin S. habe so getan, als sei sie Eigentümerin des
Teppichs. Auf der Grundlage dieses Beklagtenvorbringens könne ein
Eigentumserwerb des Beklagten von der Zeugin S. (als Nichtberechtigter) nur kraft
guten Glaubens erfolgt sein, falls die Zeugin vom Eigentümer nicht die Befugnis
zur Übereignung erlangt haben sollte.
Angesichts dieser plausiblen Erläuterung erscheint ein Bewertungsfehler des
Erstkorrektors nicht hinreichend wahrscheinlich.
Schließlich moniert der Antragsteller, daß der Erstkorrektor auf Seite 4 seiner
Gesamtbeurteilung den "Hinweis auf § 185 BGB im Zusammenhang mit einem
Verkauf" als "grob fehlerhaft" bezeichnet hat (vgl. die Antragsbegründung des
Klägers vom 20. Juni 1994, Seiten 21 und 22). Der Antragsteller habe auf die
Vorschrift zwar im Zusammenhang mit einem "Verkauf" hingewiesen, das
Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift jedoch verneint. Die Erwähnung
von § 185 BGB im Zusammenhang mit einem schuldrechtlichen Geschäft sei nicht
fehlerhaft. Nach Palandt, BGB, § 185, Randnummer 3, solle § 185 BGB auf
Verpflichtungsgeschäfte nicht anwendbar sein; jedoch werde die Frage als streitig
bezeichnet. Deshalb habe der Antragsteller im Rahmen seines Antwortspielraums
durchaus die Frage aufwerfen können, ob die Voraussetzungen der Vorschrift -
unterstellt, § 185 BGB sei anwendbar - bejaht werden müßten. Hierzu hat der
Erstkorrektor auf den Seiten 3 und 4 der dienstlichen Erklärung vom 20. November
1994 überzeugend ausgeführt, an der fraglichen Stelle bei Palandt- Heinrichs
werde ausdrücklich gesagt, § 185 BGB sei auf Verpflichtungsgeschäfte nicht
anwendbar. Ein Hinweis auf "streitig" werde danach in bezug auf die Zulässigkeit
einer Verpflichtungsermächtigung angeführt, ohne daß allerdings insoweit ein
Hinweis auf Existenz und Fundstelle einer abweichenden Ansicht erfolge.
Abgesehen hiervon richte sich die Kritik des Erstkorrektors vor allem darauf, daß
der Antragsteller die Vorschrift ausdrücklich in Verbindung mit dem Verkauf
anführe. Insoweit würden obligatorisches Rechtsgeschäft und dingliches
Rechtsgeschäft nicht mit der gebotenen Exaktheit auseinandergehalten. Den
Ausführungen auf Seite 23 der Arbeit sei nicht hinreichend zu entnehmen, daß der
Antragsteller die rechtliche Anwendbarkeit von § 185 BGB gewissermaßen nur
unterstellen wolle, um das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen zu
verneinen.
b) Der Antragsteller hat auch keine Bewertungsfehler hinsichtlich der Z I-Klausur
glaubhaft gemacht.
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Anlaß des Streits zwischen dem Antragsteller und dem Erstkorrektor ist zunächst
folgender Text auf den Seiten 8 unten und 9 oben der Klausurbearbeitung des
Antragstellers:
"Hierunter fällt auch der Schaden, der als Folge eines in die Welt gesetzten ...
(unleserlich: Es könnte "Schadens" oder "Schreibens" heißen) entstanden ist. Dazu
gehörte auch die gerichtliche Geltendmachung. Hierzu hat der Beklagte dadurch
Anlaß gegeben, daß er seiner Vertragspartnerin, der Immobilien Consult-GmbH
ausdrücklich erklärt hat, Frau Schneider sei auf die Errichtung des Kiosks
hingewiesen worden.
Der Beklagte bestreitet zwar, daß Frau S nicht auf die Errichtung des Kiosks
hingewiesen wurde.
Das Gericht hat diese Frage nicht zu beantworten.
Diese Frage ist in dem zwischen Frau S und dem Kläger rechtskräftig
entschiedenen Urteil OLG Frankfurt - 13 U 37/91 - beantwortet worden.
Der Beklagte hatte die Möglichkeit, in diesem Rechtsstreit Beweismittel
vorzutragen, muß hier daher insoweit ausgeschlossen werden.
Der Kläger hat dem Beklagten gegenüber in zulässiger Weise, als er in dem
Rechtsstreit mit Schneider in Berufung ging, den Streit verkündet. ..."
Hierzu hat der Erstkorrektor in seiner Randbemerkung ausgeführt, die
Streitverkündungswirkung sei von der Rechtskraft zu unterscheiden, und sodann
die Frage gestellt: "Warum erfaßt sie einen Anspruch der Hauptmaklerin". In der
zusammenfassenden Bewertung hat der Erstkorrektor erklärt, äußerst undeutlich
werde dargelegt, daß die Frage, was der Mieterin gesagt worden sei, in dem
Vorprozeß verbindlich geklärt worden sei (S. 9 der Klausurbearbeitung).
Streitverkündung und Rechtskraft würden miteinander vermengt. Insbesondere
werde nur grob geklärt, daß die Streitverkündung zulässig gewesen sei, und es
werde nicht überzeugend erläutert, wie sie eine Verbindlichkeit für einen vom
Hauptmakler dem Kläger abgetretenen Anspruch habe erlangen können.
Dem hat der Antragsteller auf Seite 9 der Widerspruchsbegründung vom 3. Juli
1994 entgegengehalten, hätte er geschrieben, daß "diese Frage" durch
rechtskräftiges Urteil entschieden worden sei, träfe die Kritik des Korrektors
sicherlich zu. Er, der Antragsteller, habe jedoch weiter ausgeführt, der Beklagte
habe die Möglichkeit gehabt, in diesem Rechtsstreit Beweismittel vorzutragen und
müsse daher insoweit ausgeschlossen werden. Der Kläger habe dem Beklagten
gegenüber in zulässiger Weise, als er in dem Rechtsstreit mit Schneider in die
Berufung gegangen sei, den Streit verkündet. Danach folge eine Prüfung der
einzelnen Voraussetzungen der Streitverkündung. Eine genaue Lektüre der
Textstelle ergebe demnach, daß der Antragsteller keineswegs von der
Rechtskraftwirkung auf die Streitverkündungswirkung geschlossen habe. Er habe
Rechtskraftwirkung und Streitverkündungswirkung auch nicht miteinander
"vermengt". Vielmehr sei die Rechtskraft des vorigen Urteils Voraussetzung für
eine Streitverkündungswirkung, so daß es unumgänglich gewesen sei, vor der
Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Streitverkündung die Rechtskraft
der vorherigen Entscheidung festzustellen. Da der Korrektor die vom Antragsteller
vorgetragenen Darlegungen sinnverzerrend aufgenommen habe, liege ein Defizit
an Sachaufklärung vor.
Dem hat der Erstkorrektor S. 1/2 seiner dienstlichen Erklärung vom 29. Juli 1994
entgegengehalten, er habe den Abschnitt so verstanden, daß der Kandidat habe
begründen wollen, warum die Frage, ob Frau S zutreffend unterrichtet worden sei,
im vorliegenden Rechtsstreit von dem Gericht nicht beantwortet werden müsse.
Der Hinweis auf die nur zwischen dem Kläger und Frau S wirkende Rechtskraft des
Urteils könne zur Verwirrung führen, weil er für sich allein für die Begründung nicht
ausreiche. In der Verwendung des Begriffs habe er, der Erstkorrektor, jedoch
keinen inhaltlichen Fehler, wohl aber einen Ausdrucksfehler gesehen und dies
entsprechend am Rand mit "A" gekennzeichnet. Er sei davon ausgegangen, der
Kandidat habe sagen wollen, das Urteil im Vorprozeß habe für die
Rechtsbeziehungen der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits bindende Wirkung.
Vom Inhalt her sei in der Klausur - außer dem Hinweis auf das rechtskräftige Urteil
des Vorprozesses - keine Begründung dafür zu finden, warum der Beklagte in dem
Rechtsstreit nicht mehr erfolgreich einwenden könne, Frau S sei damals zutreffend
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Rechtsstreit nicht mehr erfolgreich einwenden könne, Frau S sei damals zutreffend
informiert worden. Mit der Rechtskraft des Urteils werde die
Streitverkündigungswirkung nicht ausreichend beschrieben. Es werde in der
Klausur nicht erwähnt, daß die Streitverkündigungswirkung gemäß §§ 74 Abs. 2
und 3, 68 ZPO nicht nur die in Rechtskraft erwachsenen Ergebnisse des
Vorprozesses, sondern - und darauf komme es hier besonders an - alle
Urteilselemente erfasse. Zu den Urteilselementen gehörten die Erklärungen
gegenüber Frau Schneider, wie sie das Gericht des Vorprozesses verstanden
habe. Es werde ferner nicht erwähnt, welche verfahrensrechtliche Bedeutung der
Beweisaufnahme aus dem vorhergehenden Prozeß in dem vorliegenden Verfahren
zukomme. Der Hinweis auf die Rechtskraft des Urteils und das Schweigen der
Streitverkündungswirkung hätten ihn, den Erstkorrektor, zu der Anmerkung in der
Schlußbeurteilung veranlaßt "Äußerst undeutlich wird dargelegt, daß die Frage, was
der Mieterin gesagt worden ist, verbindlich geklärt worden ist. Streitverkündung
und Rechtskraft werden miteinander vermengt."
Auf Seite 3 der dienstlichen Stellungnahme macht der Erstkorrektor darüber
hinaus klar, daß er das unleserliche Wort sinngemäß durch das Wort "Schreibens"
ergänzt hat und daß mit der Randbemerkung auf Seite 8 unten der
Klausurbearbeitung nichts anders zum Ausdruck gebracht worden sei. Damit wird
deutlich, daß der Erstkorrektor an dieser Stelle keinen bewertungserheblichen
Mangel gesehen hat.
Bedenklich ist zwar, daß der Erstkorrektor im letzten Satz seiner
zusammenfassenden Bewertung vom 01. Dezember 1993 erklärt hat, der positiv
zu bewertende Tatbestand reiche nicht aus, um die Leistung noch als brauchbar
einstufen zu können, "weil hierbei keine juristischen Fertigkeiten gefordert wurden".
Es bedarf keiner näheren Erläuterung, daß der Prüfer insoweit irrt, denn
selbstverständlich bedarf es nicht nur laienhafter, sondern juristischer Fertigkeiten,
um einen Urteilstatbestand anzufertigen. Mit dem zitierten Satz, der im
Zusammenhang mit dem vorhergehenden Satz ("insgesamt ist festzustellen, daß
die Probleme des Falles nicht erfaßt worden sind") zu sehen ist, wollte der
Erstkorrektor aber erkennbar deutlich machen, daß er bei der erforderlichen
Gewichtung der einzelnen Leistungselemente die Mängel bei der Erfassung der
Probleme des Falles für so bedeutsam hielt, daß er die gesamte Leistung nicht
mehr als brauchbar einzustufen vermochte.
Weiterer Gegenstand des Streites hinsichtlich der Z I-Klausur ist der Vorwurf des
Erstkorrektors, der Antragsteller habe nicht erfaßt, daß die Auskunft nur einen Teil
des Schadens beeinflußt habe. Der Antragsteller weist darauf hin, daß er auf Seite
8 der Klausurbearbeitung ausgeführt hat: "Hierunter fällt auch der Schaden, der
als Folge eines in die Welt gesetzten Schreibens entstanden ist. Dazu gehört auch
die gerichtliche Geltendmachung." Der Antragsteller trägt dazu vor, ihm könne
nicht vorgehalten werden, daß er nicht erfaßt habe, daß die Auskunft nur einen Teil
des Schadens erfaßt habe, denn nach seiner Lösung sei das haftungsauslösende
Verhalten des Beklagten schon vorgegeben gewesen, nämlich durch die
unzureichende Aufklärung der Frau Schneider. Aus diesem Grund sei es nicht
darauf angekommen, ob die vor Absendung des Schreibens entstandenen
Gerichts- oder Anwaltskosten Folge des Schreibens gewesen seien. Für diese
Kosten sei nach der Lösung des Antragstellers der Beklagte aufgrund des davor
liegenden Fehlverhaltens verantwortlich gewesen (vgl. den Vortrag des
Antragstellers auf den Seiten 11 und 12 der Antragsbegründung vom 20. Juni
1994).
Hierzu hat der Erstkorrektor auf Seite 3 der dienstlichen Erklärung vom 29. Juli
1994 ausgeführt, er sei bei der Bewertung der Klausur in der Tat davon
ausgegangen, der Kandidat habe sich ausschließlich mit den durch das Schreiben
verursachten Kosten befaßt, denn andernfalls wäre von ihm das Klagebegehren
fehlverstanden worden. Der Kläger habe sich nämlich ausschließlich auf diesen
Schaden beschränkt, wie sich aus der Klageschrift (Seite 3 Abs. 2 der Aufgabe)
und auch aus dem Umstand ergebe, daß er nicht den Schaden von 3.056,-- DM,
den er Frau S habe ersetzen müssen, vom Beklagten erstattet verlange. Von dem
Kandidaten sei zu erkennen gewesen, daß das Schreiben nur für einen Teil des
geltend gemachten Schadens- also einen Teil der Prozeßkosten - kausal gewesen
sei.
Dem hält der Antragsteller auf Seite 5 seines Schriftsatzes vom 24. Januar 1995
entgegen, der Satz auf Seite 3 Abs. 2 der Arbeit "Der Kläger hat den Prozeß nur
verloren, weil er sich auf die Auskunft des Beklagten, Frau S sei auf die
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verloren, weil er sich auf die Auskunft des Beklagten, Frau S sei auf die
Ausstattung als Kiosk hingewiesen worden, verlassen hat" könne nicht dahin
ausgelegt werden, hierin sei eine Beschränkung des Klageantrags zu erblicken.
Dieser Einwand erscheint nicht nachvollziehbar. Wenn der Kläger in seiner
Klageschrift ausdrücklich darauf hinweist, er habe den Vorprozeß nur verloren, weil
er sich auf die Auskunft des Beklagten, Frau S sei auf die Ausstattung als Kiosk
hingewiesen worden, verlassen habe, so kommt damit klar zum Ausdruck, daß er
die Ersetzung desjenigen Schadens verlangt, der durch diese Auskunft verursacht
worden ist. Dann aber trifft es zu, daß untersucht werden mußte, ob der geltend
gemachte Schaden - die Prozeßkosten - vollständig oder nur zum Teil als Resultat
dieses Schreibens anzusehen sind. Zu dieser Kausalitätsproblematik enthält die
Klausurbearbeitung des Antragstellers nichts.
Der Antragsteller hat auch insoweit keinen Bewertungsfehler glaubhaft gemacht,
als der Erstkorrektor der Z I-Klausur moniert hat, daß der Antragsteller keine
Abgrenzung zur unverbindlichen Gefälligkeit vorgenommen habe. Der
Erstkorrektor hat darauf hingewiesen, es sei zu klären gewesen, ob der Beklagte
entweder mit dem Kläger oder dem Hauptmakler einen Auskunftsvertrag
geschlossen oder die Auskunft nur aus Gefälligkeit gegeben habe, inwieweit er
einen Vertrag verletzt habe und dem Kläger entweder unmittelbar oder über einen
Vertrag zugunsten Dritter oder über einen abgetretenen Anspruch und im Wege
der Drittschadensliquidation zum Schadensersatz verpflichtet sei. Der Bearbeiter
leite den Anspruch des Klägers aus einer positiven Vertragsverletzung eines
zwischen dem Hauptmakler und dem Beklagten abgeschlossenen Maklervertrages
ab. Das sei ein vertretbarer Ansatz. Jedoch hätte eine Abgrenzung zur
unverbindlichen Gefälligkeit vorgenommen werden müssen. Außerdem fehle eine
genaue Ableitung des Auskunftsanspruchs der Hauptmaklerin (Gesamtbewertung
des Erstkorrektors vom 1. Dezember 1993).
Der Antragsteller meint demgegenüber, eine Abgrenzung zur unverbindlichen
Gefälligkeit sei nicht erforderlich gewesen. Die Aufforderung, das Schreiben zu
verfassen und die Kenntnis von dem Rechtsstreit zwischen dem nunmehrigen
Kläger und Frau Schneider hätten dem Beklagten deutlich gemacht, daß auf ihn
Schadensersatzforderungen aufgrund Schlechterfüllung des Maklervertrages
zukommen könnten. Die Aufforderung des Klägers, Informationen darüber zu
erhalten, wie Frau Schneider beraten worden sei, sei erforderlich gewesen, um
einen möglichen weiteren Schaden gering zu halten. Diese Pflicht ergebe sich für
den Kläger und die Consult insbesondere aus § 254 BGB. Durch die Aufforderung
des Klägers sei dem Beklagten die Möglichkeit genommen worden, sich bei seiner
Inanspruchnahme aufgrund der Schlechterfüllung darauf zu berufen, dem Kläger
sei im Rahmen der Schadensbegrenzungspflicht zuzumuten gewesen, vor oder
während des Rechtsstreits mit Frau S seine Stellungnahme einzuholen. An eine
Gefälligkeit des Beklagten habe mithin nicht im entferntesten gedacht werden
können (Seite 4 des Schriftsatzes des Antragstellers vom 24. Januar 1995).
Dem hat der Antragsgegner auf Seite 12 der Beschwerdeerwiderung vom 22.
Februar 1995 plausibel entgegengehalten, die vom Antragsteller angeführten
Gesichtspunkte könnten im Ergebnis alle für einen vertraglichen Bindungswillen
sprechen. Da aber - worauf der Erstkorrektor in seiner dienstlichen Stellungnahme
hingewiesen habe - die Maklertätigkeit des Beklagten bereits abgeschlossen
gewesen sei, als er das Schreiben verfaßt habe, und überdies Auskünfte häufig
gefälligkeitshalber gegeben würden, habe dieser Punkt einer Erörterung bedurft,
etwa mit den vom Antragsteller nunmehr aufgeführten Gesichtspunkten. Daß der
Antragsteller letztlich von einer vertraglichen Bindung ausgegangen sei, habe der
Erstkorrektor nicht moniert.
c) Der Antragsteller hat auch hinsichtlich der Z II-Klausur keine Bewertungsfehler
glaubhaft gemacht.
Der Erstkorrektor hat hierzu in seiner Gesamtbewertung ausgeführt, die
Entscheidungsgründe brächten keine verwertbare Lösung. Schon mit dem
Klageantrag habe der Bearbeiter nichts anfangen können. Er werde in eine
Drittwiderspruchsklage umgedeutet, was nicht angehe. Die
vollstreckungsrechtliche Problematik des Falles habe sich der Bearbeiter
überhaupt nicht erschlossen. Es sei zu erkennen gewesen, daß sich die
Vollstreckung in den Erlös nach § 857 ZPO richte und ein Drittschuldner nicht
vorhanden sei. In der Bearbeitung werde hingegen von einer Forderungspfändung
ausgegangen und zwar einer Pfändung eines Anspruchs des Klägers gegen die
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ausgegangen und zwar einer Pfändung eines Anspruchs des Klägers gegen die
Hinterlegungsstelle. Das sei schon deswegen unverständlich, weil erst hinterlegt
worden sei, nachdem die Vollstreckungsmaßnahmen schon ausgebracht gewesen
seien. Es sei auch nicht zu rechtfertigen, daß von einer rechtzeitigen Zustellung im
Parteibetrieb an die Hinterlegungsstelle ausgegangen werde, obwohl davon in dem
Aktenstück keine Rede sei.
Auf den Seiten 11 ff. der Widerspruchsbegründung vom 03. Juli 1994 hält der
Antragsteller dem entgegen, sein über § 771 ZPO beschrittener Lösungsweg sei
nach der Rechtsprechung und der gesamten von ihm zu diesem Thema
aufgefundenen Literatur vertretbar, wenn er nicht sogar den einzigen Lösungsweg
darstelle.
Bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung gelangt der Senat zu
dem Schluß, daß die von dem Antragsteller angegebenen Literaturstellen und
insbesondere das Urteil des Reichsgerichts vom 10. Januar 1908 - VII.203/07. -
RGZ 67, 310 ff., nicht einschlägig sind. Während es in dem vom Reichsgericht
entschiedenen Fall darum ging, ob dem Kläger an einem bestimmten Geldbetrag,
der Gegenstand der Zwangsvollstreckung eines anderen ist, ein die Veräußerung
hinderndes Recht zusteht, das der Kläger nach § 771 Abs. 1 ZPO geltend machen
kann, war Gegenstand der Z II-Klausuraufgabe, ob die Klägerin aus einer dem
Schuldner zugestellten Vorpfändung und einem nachfolgenden öffentlich
zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluß oder der Beklagte aus einem
Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, der dem Schuldner zeitlich zwischen den
beiden zugunsten der Klägerin ergangenen Vollstreckungsmaßnahmen zugestellt
wurde, den bei der Hinterlegungsstelle hinterlegten Versteigerungserlös
beanspruchen konnte. Dies ist ein anderer Sachverhalt.
Der Erstkorrektor hat auf Seite 4 seiner dienstlichen Stellungnahme zutreffend
darauf hingewiesen, daß eine Drittwiderspruchsklage schon deshalb nicht in
Betracht kam, weil ein besitzloser Pfandgläubiger als Rechtsbehelf in der
Zwangsvollstreckung allenfalls die Vorzugsklage nach § 805 ZPO hat. Im übrigen
hat der Erstkorrektor glaubhaft versichert, seine Bewertung der Klausur nicht allein
darauf gestützt zu haben, daß der Antragsteller ein Vorgehen mit
Drittwiderspruchsklage für angezeigt halte, sondern er habe den Gedankengang
des Antragstellers weiter verfolgt.
Im übrigen hat der Erstkorrektor auf der Seiten 4 und 5 seiner dienstlichen
Erklärung plausibel dargelegt, daß nach den zeitlichen Zusammenhängen der
Klausuraufgabe die Hinterlegungsstelle als Drittschuldner nicht in Betracht kam,
als die Pfändungen der Parteien ausgebracht wurden. Auch der Einwand auf Seite
13 der Widerspruchsbegründung, der Antragsteller habe "zu Recht erkannt, daß
die Hinterlegungsstelle Drittschuldner ist", läßt daher nicht den Schluß zu, der
Antragsteller habe insoweit einen Bewertungsfehler glaubhaft gemacht.
d) Inhaltliche Einwände gegen die Korrektur der Arbeitsrechtsklausur hat der
Antragsteller nicht erhoben.
e) Auch hinsichtlich der Kurzhausarbeit im Strafrecht hat der Antragsteller keine
Bewertungsfehler glaubhaft gemacht.
Insoweit hat der Antragsteller auf den Seiten 5 ff. der Widerspruchsbegründung
vom 03. Juli 1994 bemängelt, daß der Erstkorrektor verlangt habe, bei der Prüfung
des § 222 StGB seien rechtsdogmatische und systematische Erörterungen zum
Tatbestand der fahrlässigen Tötung erforderlich gewesen, der Verfasser habe sich
mit kontroversen Ansichten auseinandersetzen müssen, die systematische
Einordnung von objektiver Sorgfaltspflichtverletzung und objektiver
Vorhersehbarkeit in den Deliktsaufbau sei nicht erfolgt, es habe erkennbar
gemacht werden sollen, ob und weshalb es auf eine solche objektive
Sorgfaltspflichtverletzung ankomme, diese sehr umstrittene Einordnung sei weder
aufbereitet noch diskutiert worden, damit seien die hiermit zusammenhängenden
dogmatischen Fragen gänzlich unerörtert geblieben; dies stelle einen sehr
gewichtigen Mangel dar.
Der Antragsteller hält entgegen, er habe sich bei dem Aufbau seiner Arbeit an die
Muster gehalten, die in dem Universitätsunterricht gängigerweise verwendet
würden. Hierbei werde im Tatbestand eines Fahrlässigkeitsdelikts geprüft, ob
Verursachung, objektive Sorgfaltspflichtverletzung und objektive Vorhersehbarkeit
gegeben seien, und hinsichtlich der Schuld würden noch einmal die subjektive
Sorgfaltspflichtverletzung und subjektive Vorhersehbarkeit geprüft. Die
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Sorgfaltspflichtverletzung und subjektive Vorhersehbarkeit geprüft. Die
Rechtsprechung tendiere weiterhin dazu, im objektiven Tatbestand nur die
Verursachung als solche zu prüfen und Fahrlässigkeit ausschließlich in der
Schuldprüfung abzuhandeln. Der Antragsteller habe in vertretbarer Weise diese
dogmatische Frage unerörtert gelassen. In sämtlichen Anleitungsbüchern zum
Aufbau strafrechtlicher Gutachten werde ausgeführt, daß es grob fehlerhaft sei,
wenn der Verfasser den von ihm gewählten Aufbau zu begründen versuche. Die
Subsumtion des Falles innerhalb des gewählten Aufbaus müsse aus sich hieraus
überzeugen. Dementsprechend enthielten die einschlägigen Anleitungsbücher
auch keine Musterlösungen, in denen Erörterungen zum Aufbau, wie solche, deren
Fehlen dem Antragsteller vorgehalten werden, zu finden seien. Dazu hat der
Antragsteller im einzelnen Zitate angefügt.
Auf den Seiten 4 und 5 seiner dienstlichen Stellungnahme vom 20. November
1994 hat der Erstkorrektor dazu überzeugend ausgeführt, in seiner
Randbemerkung zu Seite 1 der Kurzhausarbeit habe er ausführlich dargelegt,
warum und inwieweit rechtsdogmatische und systematische Erörterungen zur
Einordnung der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung in den Deliktsaufbau
erforderlich seien. Dabei habe er das Vorgehen des Kandidaten weder als
fehlerhaft noch als nicht vertretbar bewertet. Bemängelt habe er ausschließlich die
fehlende Problemaufbereitung und die fehlende Problemerörterung. Hinsichtlich
der Ausführungen zur objektiven Zurechenbarkeit habe er nur beanstandet, daß
der Antragsteller weitgehend abstrakt-lehrbuchhaft gehaltene Ausführungen
bringe und sich andererseits nicht hinreichend mit der konkreten
Sachverhaltsbewertung befasse. Aus den Randbemerkungen auf den Seiten 11
Rückseite bis Seite 15 gehe hervor, welche konkreten Fakten und Umstände der
Antragsteller hätte heranziehen und bewerten sollen. Auch ohne Zuziehung eines
Sachverständigen könne bei der Sachverhaltsbewertung von allgemein
zugänglichen Erfahrungswerten oder technischen Daten ausgegangen werden.
Das gelte vor allem für die Sichtweite des Beschuldigten. Aus jedem besseren
Kommentar zur StVO lasse sich entnehmen, wie weit die Scheinwerfer eines
Kraftfahrzeugs bei Abblendlicht oder bei Fernlicht die Fahrbahn ausleuchteten.
Daraus lasse sich ohne weiteres erkennen, auf welche Entfernung ein sich
bewegender Gegenstand im Scheinwerferlicht wahrgenommen werden könne. Des
weiteren könne anhand der vom Beschuldigten angegebenen Geschwindigkeit
überschlagsmäßig errechnet werden, welche Zeit dem Beschuldigten vom
Erkennen des Kraftrades bis zum Zusammenstoß bleibe. Außerdem hätten die
aus der Akte ersichtlichen Straßenverhältnisse (Straßenbreite, Straßenverlauf)
ausgewertet und ebenso in die Argumentation einbezogen werden müssen wie der
Umstand, daß der Beschuldigte habe überholen wollen. Insoweit sei zu erwägen
gewesen, ob im Falle des Überholens eine eventuell größere Sichtweite gegeben
sein könne, weil auch die Scheinwerfer des zu überholenden Fahrzeugs die
Fahrbahn auf eine gewisse Strecke ausleuchteten. Im folgenden macht der
Erstkorrektor klar, daß er nicht das Ergebnis des Antragstellers beanstandet habe,
sondern den Umstand, daß der Antragsteller erkennbare und auch verwertbare
konkrete Umstände unberücksichtigt gelassen habe.
Die hiergegen vom Antragsteller erhobenen Einwände (insbesondere Seiten 6 und
7 des Schriftsatzes vom 24. Januar 1995 sowie 11 und 12 des Schriftsatzes vom
11. März 1995) erscheinen nicht stichhaltig. Der Erstkorrektor hat entgegen der
Auffassung des Antragstellers nicht verlangt, daß der Antragsteller den Aufbau
seines Gutachtens erläutert. Vielmehr hat er - wie sich aus den Ausführungen des
Erstkorrektors auf Seite 2 der abschließenden Prüferbemerkung vom 28.
Dezember 1993 ergibt - bemängelt, daß die Untersuchungen zur objektiven
Sorgfaltspflichtverletzung ebenso wie solche zur objektiven Voraussehbarkeit
"völlig in der Luft hängen". Es werde nicht erkennbar, ob und weshalb es auf eine
solche objektive Sorgfaltspflichtverletzung ankommen solle.
Eine systematische Einordnung in den Deliktsaufbau erfolge nicht. Diese sehr
umstrittene Einordnung werde weder aufbereitet noch diskutiert. Damit blieben die
hiermit zusammenhängenden dogmatischen Fragen gänzlich unerörtert - ein sehr
gewichtiger Mangel. Die Frage, ob und warum es auf eine objektive
Sorgfaltspflichtverletzung ankommt, mußte selbstverständlich beantwortet
werden. Die systematische Einordnung in den Deliktsaufbau, die der Erstkorrektor
verlangt hat, ist zu unterscheiden von Ausführungen dazu, ob und gegebenenfalls
warum der Prüfling eine Frage an einer bestimmten Stelle seines Gutachtens
abhandelt oder nicht. Nur letzteres wird allgemein als unzulässig angesehen.
Was die fehlenden Überlegungen zu den Sichtverhältnissen und der Zeit-Weg-
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Was die fehlenden Überlegungen zu den Sichtverhältnissen und der Zeit-Weg-
Erörterung betrifft, so hat der Erstkorrektor keine ins einzelne gehende und in
dieser Genauigkeit nur einem Sachverständigen mögliche Aussage des
Antragstellers erwartet. Vielmehr ergeben die Ausführungen auf Seite 3 der
zusammenfassenden Prüferbemerkung vom 11. Januar 1994, daß es genügt
hätte, "die entscheidenden Fakten und Daten herauszuarbeiten und zu
gewichten". Dementsprechend hat der Erstkorrektor auf Seite 4 seiner dienstlichen
Erklärung vom 20. November 1994 darauf abgestellt, daß anhand der vom
Beschuldigten angegebenen Geschwindigkeit "überschlagsmäßig" errechnet
werden könne, welche Zeit dem Beschuldigten vom Erkennen des Kraftrades bis
zum Zusammenstoß verblieben sei.
f) Hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Klausur hat der Antragsteller keine
Bewertungseinwände erhoben.
III. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Teilnahme an einer mündlichen
Prüfung glaubhaft gemacht. Ein derartiger Anspruch scheitert schon daran, daß
die Ladung zur mündlichen Prüfung davon abhängt, daß die Summe der
Durchschnittspunktzahlen der Prüfungsabschnitte Aufsichtsarbeiten und
Hausarbeit mehr als 6 Punkte betragen muß (vgl. §§ 43 Abs. 2, 19 Abs. 1 und 2,
13, 14). Der Antragsteller hat - wie sich aus dem zu II. Gesagten ergibt - nicht
glaubhaft gemacht, Leistungen erbracht zu haben, die mit durchschnittlich mehr
als 6 Punkten hätten bewertet werden müssen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da sein
Rechtsmittel keinen Erfolg hat.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 in Verbindung mit 20 Abs. 3 und
dem entsprechend anzuwendenden § 14 Gerichtskostengesetz - GKG -. Der Senat
legt in Hauptsacheverfahren, die Zweite juristische Staatsprüfungen betreffen, den
dreifachen Hilfsstreitwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG zugrunde, wovon hier wegen
der Vorläufigkeit der angestrebten Entscheidung die Hälfte als Streitwert
festzusetzen ist.
Der Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.