Urteil des HessVGH vom 22.03.1989

VGH Kassel: treu und glauben, gestaltung, kompetenz, kündigung, daten, klimaanlage, form, hessen, ergänzung, installation

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
Fachsenat für
Personalvertretungssachen
(Bund)
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
BPV TK 1127/88
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
BPersVG, § 73 Abs 1
BPersVG, § 71 BPersVG,
§ 83 Abs 1 Nr 3
BPersVG, § 83 Abs 1 Nr
4 BPersVG
(Personalvertretung: Mitwirkung bei Gestaltung des
Raumklimas; Kompetenz der Einigungsstelle)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gültigkeit eines Spruchs der Einigungsstelle in
bezug auf die Luftgeschwindigkeit am Arbeitsplatz.
Zwischen dem Antragsteller und dem Beteiligten zu 1) wurde am 7.1.1986 eine
Dienstvereinbarung zur Gestaltung der Arbeitsplätze abgeschlossen. Sie ist in
ihrer schriftlichen Ausfertigung unterzeichnet vom Vorsitzenden der
Einigungsstelle, vom Vorstand der D.- bank (zwei Unterschriften) sowie vom
Personalrat der Bank (zwei Unterschriften) und regelt die Grundzüge zur
Gestaltung der Arbeitsplätze bei der Bank im Hochhaus und im Neubau "Am P" in
F. § 5 Abs. 7 der Dienstvereinbarung lautet: " Die Luftgeschwindigkeit darf am
Arbeitsplatz 0,10 m je Sekunde nicht übersteigen."
§ 9 der Dienstvereinbarung lautet:
" Ergeben sich bei der Anwendung und Auslegung dieser Dienstvereinbarung
Meinungsverschiedenheiten bzw. Auslegungsstreitigkeiten, so sind diese
einvernehmlich beizulegen. Ist Einvernehmen nicht zu erzielen, so entscheidet die
Einigungsstelle gemäß § 71 Bundespersonalvertretungsgesetz. "
§ 10 Abs. 1 der Dienstvereinbarung lautet:
" Diese Dienstvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft. Sie kann mit einer
Frist von 6 Monaten zum Jahresende gekündigt werden, erstmals zum 31.12.1988.
Nach Ablauf der Dienstvereinbarung gelten ihre Regelungen weiter, bis sie durch
eine andere Abmachung ersetzt wird. "
Am 6.11.1986 kam es zu einer Ergänzung der vorstehenden Dienstvereinbarung.
Ziffern 2 bis 5 dieser Ergänzung lauten:
" Bei Maßnahmen, die die Anwendung, Durchführung und Auslegung der
Dienstvereinbarung zur Gestaltung der Arbeitsplätze vom 07.01.1986 betreffen, ist
der Personalrat rechtzeitig und umfassend zu informieren.
Sofern der Personalrat Einwendungen erhebt, wird die Bank dazu spätestens
innerhalb eines Monats Stellung nehmen.
Bleiben unterschiedliche Standpunkte bestehen, ist die Maßnahme zwischen
Bank und Personalrat mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung zu erörtern.
Kommt im Rahmen der Erörterung eine Einigung nicht zustande, kann die
Bank die Maßnahme, soweit sie dies für notwendig erachtet, durchführen. In
diesem Fall wird die Bank unverzüglich die Einigungsstelle anrufen. Die
Einigungsstelle soll möglichst binnen zwei Monaten eine Einigung herbeiführen
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Einigungsstelle soll möglichst binnen zwei Monaten eine Einigung herbeiführen
oder eine Entscheidung treffen. "
Auch diese Ergänzung ist vom Vorsitzenden der Einigungsstelle, dem Vorstand der
D.- bank (zwei Unterschriften) und vom Personalrat der Bank (zwei Unterschriften)
unterzeichnet.
Im Jahre 1987 kam es zu Differenzen zwischen dem Antragsteller und dem
Beteiligten zu 1) über die Raumklimaverhältnisse. Eine Einigung konnte nicht
erzielt werden. Die Einigungsstelle -- die Beteiligte zu 2) -- faßte deshalb am
23.10.1987 mehrheitlich gegen die Stimmen der für den Personalrat anwesenden
Mitglieder folgenden Beschluß:
" 1)Für die Textverarbeitungssekretariate werden bis spätestens zum
31.03.1988 neue Geräte installiert bzw. deren Installation in Auftrag gegeben,
die die Raumklimaverhältnisse so verbessern, daß für die dort tätigen Mitarbeiter
eine Gesundheitsgefährdung vermieden und ein gesundheitsverträgliches Arbeiten
ermöglicht wird.
2) Für die dort aufgestellten Büromöbel gilt bis zur Installation neuer
Raumklimageräte ein Mindestabstand zwischen den Möbeln und den
Induktionsgeräten von 1,0 m.
3) § 5 Abs. 7 der Dienstvereinbarung zur Gestaltung der Arbeitsplätze vom 7.
Januar 1986 wird dahin abgeändert, daß die Luftgeschwindigkeit am
Arbeitsplatz im allgemeinen den Wert von 0,175 m/sec. nicht übersteigen darf.
4) Sollte dieser Wert an bestimmten Arbeitsplätzen überschritten werden,
verpflichtet sich die Bank, unverzüglich durch geeignete technische
Maßnahmen Abhilfe zu schaffen. "
Die Sitzungsniederschrift ist insoweit allein vom Vorsitzenden der Einigungsstelle
unterschrieben. Der vorstehende Beschluß wurde durch die Personalabteilung dem
Antragsteller am 10.11.1987 zugeleitet.
Der Antragsteller hat am 24.11.1987 wegen der Abänderung des § 5 Abs. 7 der
Dienstvereinbarung vom 7.1.1986 bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. das
Beschlußverfahren eingeleitet und vorgetragen:
Der Beschluß der Einigungsstelle ersetze eine Betriebsvereinbarung bzw. eine
Dienstvereinbarung. Mit der hier vorgenommenen Abänderung einer bestehenden,
ungekündigten und rechtsgültigen Dienstvereinbarung habe die Beteiligte zu 2)
aber die Grenzen ihres Ermessens überschritten, so daß der Spruch insoweit
unwirksam sei. Der "Gegenstandsbereich" der Einigungsstelle erstrecke sich nicht
darauf, bestehende Dienstvereinbarungen abzuändern. Die Zuständigkeit der
Einigungsstelle ergebe sich nicht aus § 9 der Dienstvereinbarung vom 7.1.1986
und den Ziffern 2) bis 5) der Dienstvereinbarung vom 6.11.1986. Die
Luftgeschwindigkeitswerte seien in der Dienstvereinbarung vom 7.1.1986
abschließend geregelt. Hinsichtlich dieser Werte habe es bisher auch keine
Meinungsverschiedenheiten oder Auslegungsstreitigkeiten gegeben. Hintergrund
des Einigungsstellenverfahrens sei vielmehr die Auslegung des Begriffs
"Umrüstung der Klimaanlage" gemäß § 4 Abs. 1 der Dienstvereinbarung vom
7.1.1986 gewesen. Es könne daher -- ausgehend von Ziffern 2), 4) und 5) der
Dienstvereinbarung vom 6.11.1986 -- nur um Maßnahmen im Hinblick auf die
Umrüstung der Klimaanlage gehen. Die Luftgeschwindigkeitswerte seien vor der
Einigungsstelle lediglich im Wege des Kompromisses zur Sprache gebracht
worden. Der Vorsitzende habe zuvor erklärt, daß zur Luftgeschwindigkeit kein
Spruch ergehen könne. Die von der Einigungsstelle mehrheitlich beschlossene
Abänderung verstoße ferner gegen die Sicherheitsregeln für Büroarbeitsplätze der
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, wonach der Luftgeschwindigkeitswert bei
maximal 0,15 m/sec liege, und sei auch deshalb aufzuheben.
Der Antragsteller hat beantragt,
festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle in der D-Bank vom
23.10.1987, zugegangen nicht vor dem 10.11.1987, in seiner Ziffer 3, wonach § 5
Abs. 7 der Dienstvereinbarung zur Gestaltung der Arbeitsplätze vom 7.1.1986
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Abs. 7 der Dienstvereinbarung zur Gestaltung der Arbeitsplätze vom 7.1.1986
dahin abgeändert werde, daß die Luftgeschwindigkeit am Arbeitsplatz im
allgemeinen den Wert von 0,175 m/sek nicht übersteigen dürfe, unwirksam sei,
hilfsweise
festzustellen, daß der Beschluß der Einigungsstelle insgesamt
rechtsunwirksam sei.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hat erwidert: Die Kompetenz der Einigungsstelle für die von ihr getroffene
Entscheidung ergebe sich aus § 9 der Dienstvereinbarung vom 7.1.1986 und aus
Ziffern 2) bis 5) der Ergänzungsvereinbarung vom 6.11.1986. Es handele sich bei
dem Spruch der Einigungsstelle um eine verbindliche Auslegung des § 5 Abs. 7 der
Dienstvereinbarung vom 7.1.1986. Bei der in Ziffer 2) der Ergänzungsvereinbarung
vom 6.11.1986 gewählten Formulierung "Maßnahmen, die die Anwendung,
Durchführung und Auslegung betreffen" habe man auch die Änderung von
technischen Daten vor Augen gehabt, die in der Dienstvereinbarung vom 7.1.1986
geregelt seien. Das ergebe sich aus Ziffern 6) und 7) der genannten
Ergänzungsvereinbarung, wonach man die in der Dienstvereinbarung vom
7.1.1986 geregelte Durchgangsbreite der Rettungswege abgeändert habe. Die
Neufestsetzung des Luftgeschwindigkeitswertes stelle im übrigen keine
Vertragsänderung, sondern allein eine Vertragsanpassung dar, nachdem auf
Grund eines Gutachtens des Technischen Überwachungs-Vereins Hessen e.V. vom
29.6.1987 die Geschäftsgrundlage für die frühere Vereinbarung entfallen sei; denn
bei der betrieblichen Umsetzung des vereinbarten Luftgeschwindigkeitswertes von
0,1 m/sec hätte die Zuluft der Klimaanlage so gering gefahren werden müssen,
daß zu hohe Raumlufttemperaturen sowie unangenehme und unzulässige
Temperaturdifferenzen entstanden seien. Das Verlangen des Antragstellers stelle
sich im übrigen als unzulässige Rechtsausübung dar. Der Antragsteller habe
während der Verhandlung der Einigungsstelle über die Änderung der
Luftgeschwindigkeit keine Zuständigkeitsbedenken geäußert.
Die Beteiligte zu 2) hat ebenfalls beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat die Auffassung vertreten, daß sie zur Abänderung des
Luftgeschwindigkeitswertes in § 5 Abs. 7 der Dienstvereinbarung vom 7.1.1986
durch Mehrheitsbeschluß berechtigt gewesen sei. Dem Antragsteller sei des
weiteren entgegenzuhalten, daß nach den Sicherheitsregeln für Büro-Arbeitsplätze
der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft die Luftgeschwindigkeit am Arbeitsplatz im
allgemeinen den Wert von 0,1 bis 0,15 m/sec nicht überschreiten solle. Daraus sei
ersichtlich, daß es sich nur um eine Empfehlung handele. Nach dem Bericht des
Technischen Überwachungs-Vereins Hessen e.V. vom 29.6.1987 habe der
bisherige Luftgeschwindigkeitswert abgeändert werden müssen. Der Antragsteller
habe im Vorfeld der Verhandlungen selbst vorgeschlagen, die Luftgeschwindigkeit
auf 0,185 m/sec heraufzusetzen. Sein jetziges Verhalten sei auch deshalb
treuwidrig, weil er gegen die Kompetenz der Einigungsstelle vorher keine Bedenken
erhoben habe.
Das Verwaltungsgericht -- Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) --
hat mit Beschluß vom 11.2.1988 dem Antrag stattgegeben. Es hat ausgeführt:
Der zulässige Antrag sei begründet. Die Einigungsstelle sei nicht befugt, den in § 5
Abs. 7 der Dienstvereinbarung vom 7.1.1986 geregelten Luftgeschwindigkeitswert
abzuändern. Diese Vorschrift der Dienstvereinbarung sei gültig. Die
Dienstvereinbarung selbst sei in Kraft und ungekündigt. Eine Kompetenz der
Einigungsstelle zur Abänderung einzelner Vereinbarungen der Dienstvereinbarung
ergebe sich weder aus gesetzlichen Vorschriften noch aus den in der
Dienstvereinbarung und in der Ergänzungsvereinbarung vorgesehenen Regelung.
Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) und 2) stelle § 9 der
Dienstvereinbarung keine derartige Kompetenzregelung dar. Diese Regelung
meine erkennbar Fälle, bei denen es auf Grund von Interpretationsschwierigkeiten
zu Meinungsverschiedenheiten oder Auslegungsstreitigkeiten komme. Die klare
Vereinbarung über die Luftgeschwindigkeit sei weder interpretationsbedürftig noch
interpretationsfähig. Der Spruch der Beteiligten zu 2) stelle vielmehr expressiv
verbis eine Abänderung der klar verständlichen und einer Interpretation gar nicht
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verbis eine Abänderung der klar verständlichen und einer Interpretation gar nicht
zugänglichen Regelung über die Luftgeschwindigkeit dar. § 9 gebe keine
Handhabe, von gültig vereinbarten unzweideutigen Regelungen durch Spruch der
Einigungsstelle abzuweichen. Anderenfalls wäre die Vorschrift des § 10
unverständlich, der detaillierte Regelungen über den Lauf der Dienstvereinbarung
und die Kündigungsmöglichkeit vorsehe. Einer Kündigung bedürfte es nämlich gar
nicht, wenn über den Spruch der Einigungsstelle Vereinbarungen verbindlich
abgeändert werden könnten. Auch die Ziffern 2) bis 5) der
Ergänzungsvereinbarung vom 6.11.1986 eröffneten der Einigungsstelle keine
Abänderungsmöglichkeit. Diese Vereinbarung betreffe ebenfalls die konkrete
Umsetzung der Dienstvereinbarung. Unterschiedliche Standpunkte könnten nur
dort auftreten, wo es Streit darüber geben könne, ob die Einzelfallmaßnahme der
Dienstvereinbarung entspreche. Um eine solche Fragestellung gehe es hier nicht,
weil nicht die Umsetzung der vereinbarten Luftgeschwindigkeit im Streit stehe,
sondern die abstrakte Regelung selbst, die zudem verändert würde. -- Ein Verstoß
des Antragstellers gegen die Grundsätze von Treu und Glauben könne vorliegend
schon deshalb nicht bejaht werden, weil es an der Identität zwischen
Einigungsstelle und Personalrat fehle. Dies seien zwei unterschiedliche Gremien
mit getrennten Aufgabenstellungen, wobei der Personalrat sich nicht das
Verhalten seiner von ihm in die Einigungsstelle entsandten Mitglieder zuzurechnen
lassen brauche. Letztere seien in ihrer Entscheidung unabhängig und an
Weisungen nicht gebunden. Desweiteren zeige gerade das vorliegende Verfahren,
daß die Frage der Kompetenz der Einigungsstelle keine einfach zu klärende
Rechtsfrage sei, so daß dem Antragsteller kein Vorwurf gemacht werden könne,
wenn er hierüber eine gerichtliche Klärung herbeiführe.
Gegen diesen ihnen am 29.2.1988 zugestellten Beschluß haben die
Bevollmächtigten des Beteiligten zu 1) mit Schriftsatz vom 15.3.1988 Beschwerde
eingelegt, der am folgenden Tag beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof
eingegangen ist. Sie haben das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 15.4.1988 --
eingegangen am 18.4.1988 (Montag) -- begründet. Der Beteiligte zu 1) bringt vor:
Dem Verwaltungsgericht sei zuzugestehen, daß § 5 Abs. 7 der Dienstvereinbarung
eine eindeutige und sicherlich auch nicht interpretationsfähige Regelung darstelle.
Dennoch treffe § 9 der Dienstvereinbarung hier zu; denn der in der
Dienstvereinbarung vorgesehene Luftgeschwindigkeitswert habe aus technischen
Gründen nicht eingehalten werden können. Dies stelle ein Anwendungsproblem
dar, wie es schon früher bei der Breite der Rettungswege angenommen worden
sei. Auch dort seien die entsprechenden Maße und Werte in § 5 Abs. 4 der
Dienstvereinbarung eindeutig festgelegt gewesen, bevor sie durch die
Ergänzungsvereinbarung vom 6.11.1986 abgeändert worden seien, nachdem es
bei ihrer Umsetzung Schwierigkeiten gegeben habe. Dieser Umstande belege, daß
die Beteiligten einvernehmlich davon ausgegangen seien, daß die Einigungsstelle
gerade dann entscheiden solle, wenn technische Daten auf Grund praktischer
Notwendigkeiten angepaßt werden müßten. Vor diesem Hintergrund werde auch
die Ergänzungsvereinbarung deutlich. Die Änderung der technischen Daten sei
nämlich der Anlaß gewesen, diese Vereinbarung zu treffen. Die Befugnis der
Einigungsstelle zum Ausspruch der Änderungsregelung hinsichtlich des
Luftgeschwindigkeitswertes folge daher aus § 9 der Dienstvereinbarung i.V.m.
Ziffer 2) und 5) der Ergänzungsvereinbarung. Zweck der Ergänzungsvereinbarung
sei es gewesen, die Befugnisse der Einigungsstelle über die Anwendung und
Auslegung der Dienstvereinbarung hinaus (§ 9 DV) auf Entscheidungen über
Probleme bei der Durchführung der Dienstvereinbarung zu erweitern. Spätestens
durch diese Zuständigkeitserweiterung sei der Einigungsstelle die Befugnis zur
Vertragsanpassung gemäß § 242 BGB bei Durchführungsproblemen eingeräumt
worden. Durch die Vertragsanpassung werde dessen Vernichtung -- etwa durch
Kündigung -- vermieden. Eine Anpassung sei erforderlich geworden, da die
Beteiligten bei Abschluß der Dienstvereinbarung vom 7.1.1986 von unzutreffenden
Grundlagen ausgegangen seien, also ein beiderseitiger Irrtum vorgelegen habe.
Hätten die Beteiligten gewußt, daß es aus technischen Gründen nicht
gewährleistet werden könne, bei einer Luftgeschwindigkeit von nur 0,10 m/sec
auch die in § 4 der Dienstvereinbarung vereinbarten Raumtemperaturen zu halten,
hätten sie die Vereinbarung in dieser Form nicht geschlossen. Fehle einem Vertrag
die Geschäftsgrundlage, trete die Anpassung unmittelbar kraft Gesetzes ein (BGH
NJW 1972 S. 152). § 10 der Dienstvereinbarung, der die Kündigungsmöglichkeit
regele, sei gegenüber der Anpassungsmöglichkeit sekundärer Natur. Im übrigen
habe die Beteiligte zu 2) eine durch § 9 der Dienstvereinbarung eingeräumte
Befugnis, auch die in Ziffer 2) der Ergänzungsvereinbarung genannten Begriffe
"Auslegung, Anwendung und Durchführung" auszulegen. Diese Begriffe seien
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"Auslegung, Anwendung und Durchführung" auszulegen. Diese Begriffe seien
auslegungsfähig und, wie der vorliegende Streitfall zeige, auch
auslegungsbedürftig.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag des
Antragstellers abzulehnen.
Die Beteiligte zu 2) tritt dem Vorbringen des Beteiligten zu 1) bei. Sie beantragt
ebenfalls,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag des
Antragstellers abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Wegen des Sachverhalts und Streitstands im übrigen wird auf die Schriftsätze der
Verfahrensbeteiligten nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht
eingelegt sowie ordnungsgemäß begründet worden. Der Erfolg muß ihr jedoch
versagt bleiben.
Das Verwaltungsgericht hat mit Recht festgestellt, daß der Spruch der Beteiligten
zu 2) vom 23.10.1987 in seiner Ziffer 3) unwirksam ist.
Die Fachkammer ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Begehren des
Antragstellers zulässig ist. Nach § 83 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG entscheiden die
Verwaltungsgerichte im Beschlußverfahren nach den Vorschriften des
Arbeitsgerichtsgesetzes über das Bestehen oder Nichtbestehen von
Dienstvereinbarungen. Der Beschluß der Beteiligten zu 2) vom 23.10.1987 --
insbesondere dessen Ziffer 3) -- ist als Dienstvereinbarung (mehrheitlich) gefaßt
worden. Mit zutreffenden Erwägungen hat die Fachkammer auch dem Begehren
des Antragstellers stattgegeben.
Das Bundespersonalvertretungsgesetz enthält in § 73 Abs. 1 und 2 sowie in § 75
Abs. 5 nur wenig Vorschriften, die sich mit den Dienstvereinbarungen befassen.
Das Gesetz regelt allein, was Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein kann und
wie sie zustande kommen. Dabei werden nur Grundfragen angesprochen. Im
vorliegenden Fall steht außer Streit, daß die Gestaltung der Arbeitsplätze im Sinne
des § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein kann.
Unter Gestaltung der Arbeitsplätze sind die räumlichen und technischen
Bedingungen zu verstehen, unter denen eine konkrete Arbeitsaufgabe an einer
bestimmten Stelle des Betriebes erfüllt werden muß. Dazu gehören die Lage des
Arbeitsplatzes sowie seine Ausstattung mit Geräten und
Einrichtungsgegenständen. Ferner fallen darunter Anlagen zur Beleuchtung,
Belüftung und Beheizung der Arbeitsplätze (vgl. BVerwG, Beschluß vom 25.8.1986
-- 6 P 16.84 --, Personalvertretung 1987 S. 287). Da der Zweck des
Mitbestimmungsrechts darin besteht, durch eine menschengerechte Gestaltung
der Arbeitsplätze die schutzwürdigen Belange der Beschäftigten zu wahren
(BVerwG, Beschluß vom 15.12.1978 -- 6 P 13.78 --, Personalvertretung 1980 S.
145), unterliegen nach Auffassung des erkennenden Fachsenats der
personalvertretungsrechtlichen Beteiligung nach § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG auch
solche Anordnungen, die erträgliche Raumklimaverhältnisse gewährleisten sollen
(Festlegung von Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftgeschwindigkeit,
Außenluftrate usw.), wie dies hier bezüglich der Luftgeschwindigkeit mit der
Vorschrift des § 5 Abs. 7 der Dienstvereinbarung vom 7.1.1986 bezweckt wird,
obwohl andererseits die Regelung der Reinigungshäufigkeit von Arbeitsplätzen
nach Meinung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluß vom 25.8.1986 -- 6 P
16.84 --, aaO) nicht zum mitbestimmungspflichtigen Tatbestand gehört.
Es ist im übrigen anerkannt, daß die Personalvertretung das Zustandekommen
einer Dienstvereinbarung über das Initiativrecht des § 70 Abs. 1 und das weitere
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einer Dienstvereinbarung über das Initiativrecht des § 70 Abs. 1 und das weitere
Verfahren nach § 69 Abs. 3 und 4 BPersVG bis hin zur Einigungsstelle erzwingen
kann (vgl. im einzelnen BVerwG, Beschluß vom 1.11.1983 -- 6 P 28.82 --,
Personalvertretung 1985 S. 473; HessVGH, Beschluß vom 28.4.1982 -- HPV TL
2/81 --, ESVGH 32, 313 (L); OVG Münster, Beschluß vom 24.2.1983 -- CL 55/81 --,
Personalvertretung 1985 S. 126; jeweils mit weiteren Nachweisen). Geht die
Anregung zum Abschluß einer Dienstvereinbarung vom Dienststellenleiter aus, so
hat er gemäß § 69 Abs. 2 BPersVG vorzugehen, wobei sich bei Nichteinigung das
weitere Verfahren ebenfalls nach § 69 Abs. 3 und 4 BPersVG regelt. Der nach § 73
Abs. 1 Satz 2 BPersVG für den Abschluß der Dienstvereinbarung erforderliche
gemeinsame Beschluß kann allerdings im Falle einer Nichteinigung zwischen
Dienststelle und Personalvertretung nicht durch den Spruch der Einigungsstelle
nach § 71 Abs. 2 Satz 1 BPersVG ersetzt werden. Der Spruch der Einigungsstelle
kann zwar die Wirkungen einer Dienstvereinbarung haben, er ist aber nicht die
Dienstvereinbarung. Eine Ersetzung der durch § 73 Abs. 1 Satz 2 BPersVG
vorgeschriebenen Form ist anders als nach § 77 Abs. 2 Satz 2 BetrVG in § 74
BPersVG nicht vorgesehen (vgl. zum Vorstehenden Fürst, GKÖD V, Stand: Oktober
1987, K § 73 Rz 11, 12; Dietz/Richardi, Bundespersonalvertretungsgesetz mit
Wahlordnung, 2. Aufl. 1978, RdNr. 42 zu § 71 BPersVG; Lorenzen/Haas/Schmitt,
Bundespersonalvertretungsgesetz, Stand: September 1988, RdNr. 5 und 6 zu § 73
BPersVG).
Ob bezüglich der Dienstvereinbarung vom 7.1.1986 und der
Ergänzungsvereinbarung vom 6.11.1986, denen Beschlüsse der Einigungsstelle
zugrunde liegen, gemeinsame Beschlüsse von Dienststelle und Personalrat gefaßt
worden sind und anschließend auch eine Bekanntmachung durchgeführt worden
ist, steht nicht fest; insoweit hat der erkennende Fachsenat den Sachverhalt auch
nicht weiter aufgeklärt. Der Beschluß der Einigungsstelle vom 23.10.1987, dessen
Ziffer 3) Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, erfüllt die
Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 2 BPersVG (gemeinsamer Beschluß und
Bekanntmachung) nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragstellers jedenfalls
nicht. Unabhängig von der Frage, ob hiernach von formell rechtswirksamen
Dienstvereinbarungen gesprochen werden kann, gilt für den zu entscheidenden
Streitfall folgendes:
Sollten § 9 der Dienstvereinbarung vom 7.1.1986 sowie die Ziffern 2) und 5) der
Ergänzungsvereinbarung vom 6.11.1986 der Einigungsstelle die abschließende
Entscheidung von Streitigkeiten zuweisen, die sich bezüglich der Anwendung,
Durchführung und Auslegung von Vorschriften der Dienstvereinbarung zur
Gestaltung der Arbeitsplätze ergeben, so wären sie ohne Zweifel materiell
unwirksam, weil derartige Streitigkeiten ebenfalls von § 83 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG
erfaßt werden, mindestens unter § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG fallen und somit zur
ausschließlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gehören (vgl. Fürst, GKÖD
V, K § 83 Rz 24; Dietz/Richardi, aaO, RdNr. 30 zu § 83 BPersVG;
Lorenzen/Haas/Schmitt, aaO, RdNr. 30 zu § 83 BPersVG). Solche Streitigkeiten
können dem Rechtsweg aber auch nicht in der Weise ferngehalten werden, daß
zunächst -- d.h. vor Anrufung des Gerichts -- eine Entscheidung der Einigungsstelle
gewissermaßen als "Prozeßvoraussetzung" herbeizuführen wäre. Vielmehr kann
jeder Streitteil sofort das Verwaltungsgericht anrufen, ohne ein Stufenverfahren
durchzuführen oder zuvor die Einigungsstelle zu bemühen. Die Rechtslage ist
insoweit nicht anders als beim Streit um das Bestehen eines
Mitbestimmungsrechts (vgl. hierzu Fürst aaO, K § 69 Rz. 43; Dietz/Richardi, aaO,
RdNr. 72 zu § 69 BPersVG; Lorenzen/Haas/Schmitt, aaO, RdNr. 65 zu § 69
BPersVG; Grabendorff/Winscheid/Ilbertz/Widmaier,
Bundespersonalvertretungsgesetz mit Wahlordnung, 6. Aufl. 1986, RdNr. 3 und 45
a, b zu § 69 BPersVG; Dannhäuser, Personalvertretung 1986 S. 420 in der
Anmerkung zum Beschluß des BVerwG vom 12.3.1986 -- 6 P 5.85 --). Für eine
Kompetenz der Einigungsstelle in diesem Zusammenhang bietet das
Bundespersonalvertretungsgesetz keine Rechtsgrundlage, sie kann auch nicht
durch Vereinbarung begründet werden. Gemäß § 3 BPersVG kann das
Personalvertretungsrecht nicht abweichend von diesem Gesetz geregelt werden.
Obwohl die Vorschrift sich ihrem Wortlaut nach nur auf Tarifverträge bezieht, gilt
sie gleichermaßen für Dienstvereinbarungen und sonstige Abreden (vgl.
Lorenzen/Haas/Schmitt, aaO, RdNr. 5 zu § 3 BPersVG;
Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, aaO, RdNr. 1 zu § 3 BPersVG). § 9 der
Dienstvereinbarung vom 7.1.1986 sowie die Ziffern 2) und 5) der
Ergänzungsvereinbarung vom 6.11.1986 sind daher unwirksam, soweit sie eine
Entscheidung der Einigungsstelle verlangen.
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Die Beteiligten zu 1) und 2) könnten hiernach mit dem Hinweis auf die von
Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze zur Vertragsanpassung bei
Wegfall der Geschäftsgrundlage gegenüber dem erstinstanzlichen Beschluß selbst
dann nicht durchdringen, wenn es sich bei der Vertragsanpassung um einen Fall
der Auslegung handeln würde. Die Vertragsanpassung im Sinne einer
sogenannten "korrigierenden Auslegung" nach Wegfall der Geschäftsgrundlage
unterscheidet sich darüber hinaus aber auch sachlich von einer Auslegung im
Sinne des § 157 BGB. Während die Auslegung die Vertragsbedingungen nicht
ändern, sondern nur feststellen darf, gewährt die Vertragsanpassung nach
herrschender Meinung zuweilen ein beschränktes Kündigungsrecht. Sie führt
jedenfalls gegenüber dem früheren Rechtsgeschäft zu einem neuen,
andersartigen Vertrag. Jeder Vertragsteil kann nach Wegfall der
Geschäftsgrundlage dieserhalb die Neuaufnahme von Verhandlungen verlangen
(vgl. im einzelnen Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, Allg. Teil, 12. Aufl.
1979, § 21 II S.265, 271; Ermann-Sirp, 7. Aufl. 1981, RdNr. 166, 168 bis 173, 178,
179, 183 zu § 242 BGB Heinrichs in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen
Gesetzbuch, 2. Aufl. 1985, Band 2, RdNr. 507 bis 517 zu § 242 BGB; Palandt-
Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 47. Aufl., Anm. 6 B f zu § 242 BGB). Dabei
kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Vertragsanpassung gemäß § 242
BGB nach Wegfall der Geschäftsgrundlage soweit der Richter tätig wird,
dogmatisch um einen Akt der Rechtsgestaltung oder der Rechtsfindung handelt
(vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19.11.1971 -- V ZR 103/69 --, NJW 1972 S. 152, 153).
Die Einigungsstelle kann deshalb auch über die Grundsätze der
Vertragsanpassung eine neue Dienstvereinbarung nicht "aus dem Stand"
bewirken, wie dies hier geschehen ist. Dazu bedarf es vielmehr eines neuen
förmlichen Verfahrens gemäß § 70 Abs. 1 oder § 69 Abs. 2 sowie § 69 Abs. 3 und 4
BPersVG von Anfang an, nicht anders als bei einer Kündigung gemäß § 10 der
Dienstvereinbarung vom 7.1.1986.
Danach ist Ziffer 3) des Spruchs der Einigungsstelle vom 23.10.1987, wonach § 5
Abs. 7 der Dienstvereinbarung vom 7.1.1986 dahin abgeändert wird, daß die
Luftgeschwindigkeit am Arbeitsplatz im allgemeinen den Wert von 0,175 m/sec.
nicht übersteigen darf, unwirksam. Ob Ziffer 6) der Ergänzungsvereinbarung vom
6.11.1986 bezüglich der Durchgangsbreite der Rettungswege das gleiche Schicksal
teilt, bedarf hier keiner Entscheidung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.