Urteil des HessVGH vom 26.07.1993

VGH Kassel: sri lanka, politische verfolgung, amnesty international, staatliche verfolgung, genfer konvention, ausreise, genfer flüchtlingskonvention, regierung, asylbewerber, wahrscheinlichkeit

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 UE 2439/89
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 51 Abs 1 AuslG 1990, §
51 Abs 3 AuslG 1990, § 53
AuslG 1990, Art 16a GG, §
1 Abs 1 AsylVfG vom
26.06.1992
(Zur Gefahr politischer Verfolgung für Tamilen auf Sri
Lanka - inländische Fluchtalternative)
Tatbestand
Der Beigeladene erstrebt die Anerkennung als Asylberechtigter und die
Feststellung, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes in
seiner Person vorliegen. Er wendet sich gegen die Aufhebung des ihn betreffenden
Anerkennungsbescheides der Beklagten durch das angegriffene
verwaltungsgerichtliche Urteil.
Der laut Paß 1962 in Myliddy East/Jaffna-Halbinsel (Sri Lanka) geborene
Beigeladene ist srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit. Er
lebte vor seiner Ausreise zuletzt in seinem Heimatort auf der Jaffna-Halbinsel. Am
19. Dezember 1983 reiste er mit einem am 1. Dezember 1982 ausgestellten, am
13. Mai 1983 in seiner Gültigkeit auf alle Länder erweiterten und bis zum 30.
November 1987 gültigen srilankischen Reisepaß vom Flughafen Colombo aus Sri
Lanka aus. Am 20. Dezember 1983 traf er auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld
(DDR) ein; von dort reiste er nach Berlin-West und dann mit dem Zug über die
Grenzschutzstelle Bebra (Bahnhof) ein. Dort stellte er am 21. Dezember 1983
unter Vorlage eines in tamilischer Sprache verfaßten Schreibens einen Asylantrag.
Bei der Anhörung im Rahmen der Vorprüfung durch das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 15. Februar 1984 erklärte der
Beigeladene, er habe im Dezember 1980 seinen 12jährigen Schulbesuch in
Thicunnavely im Jaffna-Distrikt abgeschlossen. Danach habe er für ein Jahr in einer
Zementfabrik in der Nähe von Tellipallai als Schweißer gearbeitet. Nachdem er
dort entlassen worden sei, habe er bis zum August 1983 in Kurumbaciddy in der
Nähe der Stadt Jaffna gelebt. Am 16. August 1983 sei er von singhalesischen
Polizeibeamten in Jaffna festgenommen worden, als er - wie schon zuvor seit
Januar 1982 etwa zehnmal - mit drei anderen zusammen für die Tiger-Bewegung
plakate geklebt habe. Auf den Plakaten seien die Tamilen aufgefordert worden, für
einen eigenen Staat einzutreten; zudem sei für den Eintritt in die Tiger-Bewegung
geworben worden. Aufgrund Anordnung des Untersuchungsrichters seien sie dann
unter dem Verdacht, der Tiger-Bewegung anzugehören, für drei Monate in
Untersuchungshaft genommen worden. Während der Haftzeit hätten keine
Verhöre stattgefunden; einigen sei es gelungen, aus der Haft zu fliehen. Bei der
Gerichtsverhandlung im November 1983, bei der er durch einen - wohl von der
Tiger-Bewegung beauftragten - Rechtsanwalt vertreten worden sei, seien er und
seine drei Freunde gegen eine Kaution von 3.000 Rupien aus der
Untersuchungshaft entlassen worden. Ein Verdacht habe weiter gegen sie
bestanden. Es sei ihnen zur Auflage gemacht worden, sich bis zum nächsten
Verhandlungstermin am 23. Januar 1984 jeden Sonntag bei dem Polizeirevier in
der Stadt Jaffna zu melden. Nachdem er dieser Aufforderung dreimal
nachgekommen sei, sei er am 19. Dezember 1983 aus Furcht vor einer weiteren
Inhaftierung wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zur Tiger-Bewegung
ausgereist. In der Zeit von Ende November bis Mitte Dezember 1983 sei das Haus
seiner Eltern dreimal von singhalesischen Polizeibeamten durchsucht worden, die
dabei auch ein Flugblatt der Tiger-Bewegung aus seinen Akten sowie sein
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dabei auch ein Flugblatt der Tiger-Bewegung aus seinen Akten sowie sein
Tagebuch, in dem einige Notizen über seine politische Betätigung, u. a. durch
Plakate-Kleben, enthalten gewesen seien, mitgenommen hätten. Zwei seiner
Brüder, die in Indien lebten, seien Mitglieder der Tiger-Bewegung. Er selbst habe
noch keinen Mitgliedsausweis der Bewegung besessen; seine Aufgabe habe vor
allem darin bestanden, für die Tiger-Bewegung Plakate zu kleben und tamilische
Jugendliche für eine zweijährige militärische Ausbildung im Hinblick auf eine
Verteidigung der Tamilen gegen die Angriffe der Singhalesen anzuwerben. Etwa
einmal im Monat hätten kleinere Treffen stattgefunden, an denen 50 jugendliche
Tamilen teilgenommen hätten. Außerdem seien Mitglieder der LTTE zugegen
gewesen, die über ihre militärische Ausbildung und Pläne für die Errichtung eines
eigenen tamilischen Staates berichtet hätten. Auch er selbst habe bei solchen
Veranstaltungen gesprochen. Die Armeegruppe der LTTE habe Ende 1983 aus
etwa 5.000 Personen bestanden, von denen etwa 3.000 schon eine sechs Monate
dauernde militärische Ausbildung hinter sich gehabt hätten. Ausbildungslager
habe es in Indien gegeben. Daneben gebe es die nicht-militärische Tiger-
Bewegung, die die Gründung eines eigenen tamilischen Staates vorbereiten solle.
Auch seine Brüder, die sich in Indien befänden, seien Angehörige der
Armeegruppe und bildeten dort Tamilen militärisch aus. Bei seiner Ausreise aus Sri
Lanka habe er keine Schwierigkeiten gehabt, weil wohl nichts gegen ihn vorgelegen
habe. Da er auf Nachfrage gesagt habe, daß er über Berlin nach England zum
Studium reisen wolle, habe man ihn passieren lassen. Bei einer Rückkehr nach Sri
Lanka müsse er befürchten, inhaftiert zu werden. Er habe von seiner Mutter durch
einen Brief erfahren, daß gegen ihn ein Haftbefehl bestehe, weil er nicht vor
Gericht erschienen sei. Diesen Brief habe er weggeworfen.
Mit Bescheid vom 19. Februar 1985 erkannte das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge den Beigeladenen als Asylberechtigten an. Zur
Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß dem Beigeladenen bei einer
Rückkehr nach Sri Lanka politische Verfolgung drohe. Die Sicherheitsmaßnahmen
der Regierungstruppen in den überwiegend von Tamilen bewohnten Orten des
Landes gingen weit über das Ziel der Bekämpfung einer relativ kleinen
terroristischen Minderheit hinaus. Es lasse sich nicht ausschließen, daß mit den
Maßnahmen der Sicherheitskräfte eine von der Regierung gebilligte, politisch
motivierte Einschüchterung bestimmter Bevölkerungskreise in den
Tamilengebieten bewirkt werden solle. Die im Zuge der Terrorismusbekämpfung
insbesondere wahllos gegen jugendliche Tamilen im Alter von etwa 15 bis 35
Jahren getroffenen Maßnahmen, die vor allem neben ständigen Razzien und
mehrfachen Festnahmen kurzfristige Inhaftierungen, Verhöre und sogar
Folterungen umfaßten, schlössen auch die Annahme einer inländischen
Fluchtalternative aus. Aufgrund der Zugehörigkeit zu dem fraglichen Personenkreis
könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Beigeladene im Falle seiner Rückkehr
mit asylerheblicher Verfolgung ernsthaft rechnen müsse.
Gegen den ihm am 19. März 1985 zugestellten Bescheid hat der Kläger mit am
15. April 1985 bei dem Verwaltungsgericht Kassel eingegangenem Schreiben
Klage erhoben, die er nicht begründet hat.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 1985 aufzuheben.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
Der Beigeladene hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat dazu im wesentlichen Bezug genommen auf sein Vorbringen im
Verwaltungsverfahren. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht
am 8. Juni 1989 hat er ergänzend ausgeführt, seine drei Brüder, die bei den
"Tigern" gewesen seien, seien über Indien nach Amerika gereist, um dort zu
studieren. Er selbst sei bei der Suche der Polizei nach seinen Brüdern
festgenommen, drei Monate inhaftiert und dabei geschlagen worden. Er sei nicht
Mitglied der "Tiger" gewesen, sondern nur Sympathisant, der ihnen Hilfe geleistet
habe. Da er Plakate geklebt habe, habe man ihm vorgeworfen, Mitglied der Tiger-
Bewegung zu sein. Deshalb habe einmal eine Gerichtsverhandlung stattgefunden,
eine weitere sei auf Januar 1984 festgesetzt gewesen.
Mit Urteil vom 8. Juni 1989 hat das Verwaltungsgericht Kassel den Bescheid der
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Mit Urteil vom 8. Juni 1989 hat das Verwaltungsgericht Kassel den Bescheid der
Beklagten vom 19. Februar 1985 aufgehoben. Zur Begründung ist im wesentlichen
ausgeführt, dem Beigeladenen stehe kein Recht auf Asyl zu. Er habe bis zu seiner
Ausreise aus Sri Lanka im Dezember 1983 politische Verfolgung nicht erlitten, und
solche drohe ihm auch nicht bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Die Inhaftierung des Beigeladenen für drei Monate
sei nicht als politische Verfolgung zu beurteilen, da er damit als eines der vielen
Opfer der damaligen Ausschreitungen in seinem Heimatland anzusehen sei, die
sich später zu einem Bürgerkrieg ausgeweitet hätten. Er habe damit ein Schicksal
erlitten, wie es viele andere jugendliche männliche Tamilen des gleichen
Alterskreises auch getroffen habe. Im Rahmen der Verhaftungen sei es immer
wieder zu Ausschreitungen der Sicherheitskräfte gekommen, denen aber keine
politischen Motive, insbesondere nicht "Rassegründe", zugrunde gelegen hätten.
Diese Maßnahmen hätten die verhafteten Tamilen wie auch den Beigeladenen
getroffen, weil der srilankische Staat und die ihn repräsentierenden
Armeeangehörigen mutmaßten, daß die Tamilen Mitglieder der separatistischen
Bewegungen seien. Die Motive für die Verhaftung und die damit verbundenen
Mißhandlungen des Beigeladenen seien eher in der Terrorismusbekämpfung als in
rassischen Gründen zu sehen. Bei seiner Rückkehr nach Sri Lanka habe der
Beigeladene politische Verfolgung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu
erwarten, da der srilankische Staat im Norden als Ordnungsmacht von der
indischen Armee abgelöst worden sei. Es sei auch nicht zu erwarten, daß nach den
Wahlen im Dezember 1988 sich an der Tendenz zu einer auf Ausgleich auch mit
extremen Tamilengruppen gerichteten Politik prinzipiell etwas ändern könne.
Gegen dieses am 12. Juli 1989 an die Beteiligten abgesandte Urteil - dem Kläger
und der Beklagten am 17. Juli 1989 zugestellt - hat der Bevollmächtigte des
Beigeladenen mit am 4. August 1989 bei dem Verwaltungsgericht Kassel
eingegangenem Schriftsatz - die von dem Verwaltungsgericht zugelassene -
Berufung eingelegt. Diese begründet er im wesentlichen unter Wiederholung des
Vortrages aus dem Verwaltungsverfahren und dem erstinstanzlichen Verfahren.
Ergänzend trägt er vor, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei
davon auszugehen, daß der Beigeladene aufgrund der Verhaftung wegen des
Plakateklebens schon vor seiner Ausreise verfolgt gewesen sei. Zudem drohe dem
Beigeladenen bei einer Rückkehr nach Sri Lanka politische Verfolgung. Die von
dem Verwaltungsgericht insoweit zugrundegelegten tatsächlichen Umstände seien
überholt. Die srilankische Armee verübe im Norden Sri Lankas Massaker an der
tamilischen Bevölkerung. Eine inländische Fluchtalternative gebe es für Tamilen
auch im Süden Sri Lankas, insbesondere in Colombo und Umgebung, nicht. Dort
könnten sie keine Existenzmöglichkeit finden.
Der Beigeladene beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 8. Juni 1989 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG für seine
Person festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Urteils des
Verwaltungsgerichts.
Der Kläger stellt keinen Antrag und äußert sich nicht zur Sache.
Über die Asylgründe des Beigeladenen ist Beweis erhoben worden durch seine
Vernehmung als Beteiligter. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch
den Berichterstatter wird auf die Niederschrift über den Termin am 17. Juni 1993
Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie der den Kläger betreffenden Behördenakten der Beklagten
(431-04024-84, ein Heft) und der Ausländerbehörde des Main-Taunus-Kreises (ein
Heft) Bezug genommen. Diese Akten sind ebenso Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen wie die Erkenntnisquellen, die laut Niederschrift über die
mündliche Verhandlung am 26. Juli 1993 in das Verfahren eingeführt worden sind
(29.04.1988, AA an VG Minden; 17.01.1989, AA an VG Gelsenkirchen; Jan. 1993,
amnesty international - Bericht Sri Lanka -; 05.05.1993, SZ: Polizei identifiziert
Tamilen als Attentäter; 14.06.1993, Hellmann-Rajanayagam an VG Karlsruhe), und
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Tamilen als Attentäter; 14.06.1993, Hellmann-Rajanayagam an VG Karlsruhe), und
die nachfolgend aufgeführten Erkenntnisquellen, deren Liste den Beteiligten mit
Schreiben des Berichterstatters vom 1. Juli 1993 übermittelt worden ist:
1. 23.06.1982 Hofmann an VG Wiesbaden
2. 12.07.1982 Südasien-Institut an VG Wiesbaden
3. 25.10.1982 Auswärtiges Amt an VG Wiesbaden
4. 1983 VG Wiesbaden, Informations- und
Dokumentationsstelle für Asyl- u.
Ausländerrecht: Politische
Chronologie der Demokratischen
Sozialistischen Republik Sri Lanka,
2. Aufl. 1983, und Sonderband,
Jan. - Dez. 1983
5. 30.12.1983 Hellmann-Rajanayagam an Bundesamt
6. Februar 1984 Bericht der Internationalen
Juristen-Kommission Genf: Ethnische
Unruhen in Sri Lanka 1981 - 1983
7. 01.06.1984 amnesty-international:
"Current Human Rights Concerns and
Evidence of Extrajudicial Killings
by the Security Forces, July
1983 - April 1984"
8. 03.07.1984 Auswärtiges Amt an Bundesamt
9. 29.08.1984 Bundesamt für Polizeiwesen in Bern:
Bericht über die Abklärungen in
Sri Lanka vom 11. bis 20. August 1984
10. 17.12.1984 Auswärtiges Amt an VG Trier
11. 08.01.1985 Auswärtiges Amt (Deutsche Botschaft
vom 8. Januar 1985)
12. Februar 1985 Parliamentary Human Rights Group:
Sri Lanka - a Nation Dividing
Report of a visit
13. 01.10.1985 Auswärtiges Amt an Bundesminister
der Justiz
14. 03.01.1986 Hofmann an VG Neustadt
15. 16.02.1987 Auswärtiges Amt an VG Hamburg
16. 15.03.1987 Auswärtiges Amt: Lagebericht
17. 23.06.1987 Auswärtiges Amt: Lagebericht
18. 22.08.1987 Hofmann an VG Ansbach (Hinweis:
mit engl. Text des lankisch-
indischen Abkommens vom 29.07.1987)
19. 30.10.1987 Südasien Nr. 6-7/87: Text des
Friedensvertrags zwischen Rajiv
Gandhi und J. R. Jayewardene
20. 21.12.1987 Hofmann an VG Ansbach
21. 22.12.1987 Auswärtiges Amt an Bundesminister
der Justiz
22. 15.04.1988 Auswärtiges Amt: Lagebericht
23. 22.07.1988 Auswärtiges Amt an Hess. VGH
24. 09.08.1988 Hofmann an Hess. VGH
25. 11.08.1988 Hellmann-Rajanayagam an Hess. VGH
26. 10.02.1989 Keller vor Hess. VGH
27. 14.02.1989 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
28. Mai 1989 amnesty international: Sri Lanka
-Anhaltende Menschenrechtsverletzungen
(Zusammenfassung)
29. 11.08.1989 Auswärtiges Amt: Lagebericht
30. 02.11.1989 Auswärtiges Amt: Lagebericht
31. 19.02.1990 Auswärtiges Amt: Lagebericht
32. 20.04.1990 Auswärtiges Amt an Bundesamt
33. Mai 1990 Keller: Sri Lanka - Informationen
für Hilfswerksvertreter Innen
im Asylverfahren
34. 28.05.1990 Auswärtiges Amt: Lagebericht
35. 04.07.1990 Auswärtiges Amt an VG Gelsenkirchen
36. 13.07.1990 Auswärtiges Amt: Lagebericht
37. 08.08.1990 Auswärtiges Amt an Hess. VGH
38. 29.08.1990 Auswärtiges Amt: Lagebericht
39. Okt. 1990 amnesty international, Keller:
Sri Lanka - Im Würgegriff der Gewalt
(ai-info 10/90)
40. 29.11.1990 Auswärtiges Amt an VG Köln
41. 14.12.1990 Auswärtiges Amt an VG Ansbach
mit Berichtigung vom 27.12.1990
42. 14./21.12.1990 Keller vor Hess. VGH
43. 16.01.1991 Auswärtiges Amt: Lagebericht
44. 20.01.1991 Wingler an VG Köln
45. 23.01.1991 Keller-Kirchhoff an VG Köln
46. 25.01.1991 Keller-Kirchhoff an VG Ansbach
47. 12.04.1991 amnesty international an VG Ansbach
48. 23.06.1991 Wingler: Abschiebehindernisse,
Sri Lanka
49. 25.06.1991 amnesty international:
Die Menschenrechtssituation in
Sri Lanka
50. Juli 1991 Hofmann: Zur Situation der Tamilen
in Sri Lanka
51. 30.08.1991 Auswärtiges Amt an VGH
Baden-Württemberg
52. 07.09.1991 Keller-Kirchhoff an VGH
Baden-Württemberg
53. Sept. 1991 amnesty international:
Sri Lanka - Der Nordosten,
Menschenrechtsverletzungen im
Zusammenhang mit einem bewaffneten
Konflikt
54. 05.11.1991 Keller-Kirchhoff an VG Gelsenkirchen
55. 06.11.1991 Auswärtiges Amt an VG Gelsenkirchen
56. 15.11.1991 Auswärtiges Amt: Lagebericht
57. 22.01.1992 Auswärtiges Amt an VG Gelsenkirchen
58. 30.01.1992 Auswärtiges Amt an Hess. VGH
59. 31.01.1992 UNHCR, betr. De-facto-Flüchtlinge
aus Sri Lanka
60. 23.04.1992 Keller-Kirchhoff an Hess. VGH
61. 24.04.1992 amnesty international an VG Ansbach
62. 20.05.1992 Auswärtiges Amt an Hess. VGH
63. 23.06.1992 Auswärtiges Amt: Lagebericht
64. 31.08.1992 Auswärtiges Amt an Bay. VGH
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64. 31.08.1992 Auswärtiges Amt an Bay. VGH
65. Okt. 1992 Keller-Kirchhoff: Rückkehr in
Sicherheit und Würde? - Situationsbericht
zur Lage in Sri Lanka
66. 14.10.1992 Auswärtiges Amt: Lagebericht
67. 27.10.1992 Keller-Kirchhoff vor Bay. VGH
68. Dez. 1992 amnesty international: Einschätzung
der Menschenrechtssituation in
Sri Lanka
69. 12.01.1993 Auswärtiges Amt an VG Wiesbaden
70. Feb. 1993 amnesty international: Sri Lanka,
Die jüngsten Änderungen der
Notstandsverordnungen
71. März 1993 Wingler: Mitteilungen und Berichte
zur Verfolgungssituation in
Sri Lanka
72. 04.03.1993 FAZ: Soldaten in Sri Lanka wegen
Massaker an Tamilen angeklagt
73. 08.05.1993 NZZ: Verdrängung der blutigen
Realität in Sri Lanka
74. Juni 1993 Wingler: Bericht Sri Lanka
Entscheidungsgründe
Die zugelassene und fristgerecht eingelegte Berufung des Beigeladenen ist
zulässig, aber nicht begründet.
Die Zulässigkeit der Berufung richtet sich nach dem im Zeitpunkt der Verkündung
des angegriffenen Urteils geltenden Rechtslage (§ 43 Nr. 4 AsylVfG 1991, § 87 Abs.
2 Nr. 3 AsylVfG i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. April 1991, BGBl. I S. 869, § 87
Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG vom 26. Juni 1992, BGBl. I S. 1126, § 87 a Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG
vom 30. Juni 1993, BGBl. I S. 1062). Nach den im Verkündungszeitpunkt des
verwaltungsgerichtlichen Urteils am 8. Juni 1989 geltenden Vorschriften war die
Berufung zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt. An der
Zulässigkeit der Berufung hat sich nichts geändert.
Die Berufung des Beigeladenen, deren Gegenstand sowohl die Feststellung des
Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG als auch die Anerkennung
des Beigeladenen als Asylberechtigten ist (§ 13 Abs. 2 AsylVfG), ist aber nicht
begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Anerkennungsbescheid der Beklagten
vom 19. Februar 1985 zu Recht aufgehoben. Dieser Bescheid ist rechtswidrig. Der
Beigeladene hat weder einen Anspruch darauf, daß er als Asylberechtigter
anerkannt wird, noch darauf, daß das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG in seiner Person festgestellt wird. Das Asylbegehren ist in der Sache
nach dem am 30. Juni 1993 in Kraft getretenen Art. 16 a GG und dem am 1. Juli
1993 in Kraft getretenen Asylverfahrensgesetz i.d.F. des Änderungsgesetzes vom
30. Juni 1993 (a.a.O.) zu beurteilen. In Asylstreitverfahren ist, soweit Gegenstand
die Entscheidung der Beklagten über einen Asylantrag ist, auf die Sach- und
Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, und
zwar auch bei der Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten, bei der es sich
der Klageart nach um eine Anfechtungsklage handelt. Denn bei der Beurteilung
eines Asylbegehrens ist allein maßgeblicher Gesichtspunkt, ob eine "gegenwärtige
Verfolgungsbetroffenheit" vorliegt (vgl. BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u. a. -,
BVerfGE 54, 341 = EZAR 200 Nr. 1; BVerwG, 27.04.1982 - 9 C 308.81 -, BVerwGE
65, 250 = EZAR 200 Nr. 7, 03.12.1985 - 9 C 33.85 u. a. -, BVerwGE 72, 269 =
EZAR 202 Nr. 5); ob dies auch für eine auf § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1982/1991
gestützte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung gilt (verneinend:
VGH Baden-Württemberg, 07.12.1992 - A 13 S 2687/92 -, BVerwG, 08.03.1993 - 9
C 41.92 -), kann hier dahingestellt bleiben). Im danach maßgeblichen Zeitpunkt
liegen weder die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Beigeladenen als
Asylberechtigter gemäß Art. 16 a GG (A.) noch für die Feststellung vor, daß die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in seiner Person vorliegen (B.). Eine
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Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in seiner Person vorliegen (B.). Eine
Feststellung über Abschiebehindernisse gemäß § 53 AuslG ist im vorliegenden
Verfahren nicht zu treffen (C.).
A.
Der durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 16 und
18) vom 28. Juni 1993 (BGBl. I S. 1002) in das Grundgesetz anstelle des durch Art.
1 Nr. 1 des gleichen Gesetzes aufgehobenen Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG eingefügte
Art. 16 a GG enthält in seinem Absatz 1 mit dem Text "Politisch Verfolgte genießen
Asylrecht" den gleichen Wortlaut wie der aufgehobene Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG, so
daß grundsätzlich auf die bisherige Rechtsprechung zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG
zurückgegriffen werden kann. Den das Asylrecht einschränkenden Regelungen des
Art. 16 a Absätze 2 bis 5 GG kommt unabhängig von der Frage ihrer
Anwendbarkeit auf vor dem 1. Juli 1993 gestellte Asylanträge (vgl. hierzu die
asylverfahrensrechtliche Regelung des § 87 a Abs. 1 AsylVfG) im vorliegenden
Verfahren schon deswegen keine Bedeutung zu, weil der Beigeladene aus keinem
sicheren Drittstaat i.S.d. Art. 16 a Abs. 2 GG (Mitgliedstaaten der Europäischen
Gemeinschaften und Staaten der Anlage I zu § 26 a AsylVfG; vgl. § 26 a Abs. 2
AsylVfG) eingereist ist, nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat i.S.d. Art. 16 a
Abs. 3 GG (vgl. die Länderliste Anlage II zu § 29 a AsylVfG) stammt und auch keine
Fallgestaltung vorliegt, für die Art. 16 a Absätze 4 und 5 GG besondere
Regelungen treffen.
Unter Berücksichtigung der wörtlichen Gleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG mit dem
aufgehobenen Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG gilt zu den Voraussetzungen des
Asylrechts nach wie vor, was der Senat in seiner bisherigen ständigen
Rechtsprechung zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ausgeführt hat (zuletzt Hess. VGH,
22.02.1993 - 12 UE 312/91 -):
Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG genießt,
wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen
Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen
seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80
u.a. -, a.a.O.). Eine Verfolgung ist in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Art. 1
Abschn. A Nr. 2 GK als politisch im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG anzusehen,
wenn sie auf die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten
sozialen Gruppe oder die politische Überzeugung des Betroffenen zielt (BVerfG,
01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG,
17.05.1983 - 9 C 874.82 -, BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5, u. 26.06.1984 - 9 C
185.83 -, BVerwGE 69, 320 = EZAR 201 Nr. 8). Diese spezifische Zielrichtung ist
anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem
Zweck und nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln
(BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 = EZAR 201 Nr. 20;
zur Motivation vgl. BVerwG, 19.05.1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258 = EZAR
200 Nr. 19). Werden nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern
andere Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und
Wirtschaftliche Betätigung, so sind allerdings nur solche Beeinträchtigungen
asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und
über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort
herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, 02.07.1980 - 1
BvR 147/80 u.a. -, a.a.O., u. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, a.a.O.; BVerwG,
18.02.1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7). Die Gefahr einer
derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger
Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die
Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung
abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muß (BVerwG,
03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ 1986, 760 m.w.N.). Einem
Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann eine Rückkehr in seine
Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von
Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist
(BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a.a.O.; BVerwG, 25.09.1984 - 9 C 17.84
-, BVerwGE 70, 169 = EZAR 200 Nr. 12 m.w.N.). Der Asylbewerber ist aufgrund der
ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, umfassend die in seine
eigene Sphäre fallenden Ereignisse zu schildern, die seiner Auffassung zufolge
geeignet sind, den Asylanspruch zu tragen (BVerwG, 08.05.1984 - 9 C 141.83 -,
EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ 1985, 36, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, EZAR 630 Nr. 23 =
InfAuslR 1986, 79, u. 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25), und
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InfAuslR 1986, 79, u. 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25), und
insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen
festzustellen (vgl. BVerwG, 22.03.1983 - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu §
28 AuslG, u. 18.10.1983 - 9 C 473.82 -, EZAR 630 Nr. 8 = ZfSH/SGB 1984, 281).
Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es
dagegen, daß die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit
politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, 23.11.1982 - 9 C 74.81 -, BVerwGE 66,
237 = EZAR 630 Nr. 1). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann
schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die
Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten
individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische
Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der
Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu
berücksichtigen ist (BVerwG, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, a.a.O.).
Der erkennende Senat ist nach diesen Grundsätzen aufgrund der Angaben des
Beigeladenen, dem Ergebnis seiner Vernehmungen und dem Inhalt der zum
Verfahren beigezogenen Akten sowie der in das Verfahren eingeführten
Gutachten, Auskünfte und sonstigen Erkenntnisquellen zu der Überzeugung
gelangt, daß der Beigeladene bis zur seiner Ausreise aus Sri Lanka (I.) weder
wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Tamilen (1.) noch aus individuellen
Gründen (2.) politisch verfolgt war und daß er auch bei einer Rückkehr nach Sri
Lanka (II.) dort wegen Bestehens einer individuellen Fluchtalternative hinreichend
sicher vor einer politischen Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der
jungen Tamilen (1.) oder aus individuellen Gründen (2.) ist.
I.
Der Beigeladene hat bis zu seiner Ausreise aus Sri Lanka im Dezember 1983 keine
politische Verfolgung erlitten.
1. Er wurde insbesondere nicht wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der
Tamilen verfolgt. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, daß bis zur
Ausreise des Beigeladenen aus seinem Heimatland Tamilen auf Sri Lanka weder
als Gruppe insgesamt noch als Teilgruppe - Männer im wehrfähigen Alter -
politischer Verfolgung ausgesetzt waren. Wie der bisher für Verfahren von
Asylbewerbern aus Sri Lanka zuständige 10. Senat des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs (vgl. zuletzt 11.09.1992 - 10 UE 1804/86 -) gelangt auch
der nunmehr für derartige Verfahren zuständige erkennende Senat zu der
Feststellung, daß die tamilische Bevölkerungsgruppe in Sri Lanka in der Zeit bis
zur Ausreise des Beigeladenen dem srilankischen Staat zuzurechnenden
politischen Verfolgungsmaßnahmen nicht ausgesetzt war.
Asylerhebliche Bedeutung haben nicht nur unmittelbare Verfolgungsmaßnahmen
des Staates; dieser muß sich vielmehr auch Übergriffe nichtstaatlicher Personen
und Gruppen als mittelbare staatliche Verfolgungsmaßnahmen zurechnen lassen,
wenn er sie anregt, unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit den
Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80
u. a. -, a.a.O.). Eine derartige staatliche Verantwortlichkeit kommt aber nur in
Betracht, wenn der Staat wegen fehlender Schutzfähigkeit oder -willigkeit zum
Schutz gegen Ausschreitungen oder Übergriffe nicht in der Lage ist, wobei es auf
den Einsatz der ihm an sich verfügbaren Mittel ankommt (BVerfG, 10.07.1989 - 2
BvR 502/86 u. a. -, a.a.O.) und dem Staat für Schutzmaßnahmen besonders bei
spontanen und schwerwiegenden Ereignissen eine gewisse Zeitspanne zugebilligt
werden muß (BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, BVerwGE 79, 79 = EZAR 202 Nr.
13). Asylrelevante politische Verfolgung - und zwar sowohl unmittelbar staatlicher
als auch mittelbar staatlicher Art - kann sich nicht nur gegen Einzelpersonen,
sondern auch gegen durch gemeinsame Merkmale verbundene Gruppen von
Menschen richten mit der regelmäßigen Folge, daß jedes Gruppenmitglied als von
dem Gruppenschicksal mitbetroffen anzusehen ist (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR
147/80 u.a. -, a.a.O., 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, a.a.O. u. 23.01.1991 - 2 BvR
902/85 u. a. -, BVerfGE 83, 216 = EZAR 202 Nr. 20; BVerwG, 02.08.1983 - 9 C
599.81 -, BVerwGE 67, 314 = EZAR 203 Nr. 1, u. 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, a.a.O.).
Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt eine Verfolgungsdichte voraus, die in
quantitativer Hinsicht die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen
aufweist, daß ohne weiteres von einer aktuellen Gefahr eigener Betroffenheit jedes
Gruppenmitglieds gesprochen werden kann (BVerwG, 08.02.1989 - 9 C 33.87 -,
EZAR 202 Nr. 15 = NVwZ-RR 1989, 502, 23.07.1991 - 9 C 154.90 -, DVBl. 1991,
1089 = EZAR 202 Nr. 21, u. 24.09.1992 - 9 B 130.92 -, NVwZ 1993, 192 = EZAR
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1089 = EZAR 202 Nr. 21, u. 24.09.1992 - 9 B 130.92 -, NVwZ 1993, 192 = EZAR
202 Nr. 23). Als nicht verfolgt ist nur derjenige Gruppenangehörige anzusehen, für
den die Verfolgungsvermutung widerlegt werden kann; es kommt nicht darauf an,
ob sich die Verfolgungsmaßnahmen schon in seiner Person verwirklicht haben
(BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, a.a.O.). Auch eine frühere Gruppenverfolgung
führt für die Betroffenen zur Anwendung des herabgestuften Prognosemaßstabs
hinsichtlich künftiger Verfolgung (BVerwG, 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, a.a.O.).
Nach der Überzeugung des Senats hat bis zur Ausreise des Beigeladenen im
Dezember 1983 weder in den Nordprovinzen noch in den übrigen Gebieten Sri
Lankas eine asylrelevante staatliche Verfolgung der Volksgruppe der Tamilen
stattgefunden, die Ursache für seine Ausreise gewesen sein könnte.
Der Senat legt seiner Beurteilung der Lage der Tamilen in Sri Lanka bis zur
Ausreise des Beigeladenen und zum gegenwärtigen Zeitpunkt die nachfolgend
anhand der vorliegenden schriftlichen Unterlagen (im folgenden nur noch mit der
entsprechenden Nummer der Liste von S. 7 ff. bezeichnet) auszugsweise
dargestellte historische Entwicklung Sri Lankas unter besonderer Berücksichtigung
der Volksgruppe der Tamilen zugrunde.
a) Die ehemalige britische Kronkolonie Ceylon wurde 1948 unabhängig und gab
sich 1972 den Namen Sri Lanka. Von den 1990 etwa 17 Mio. Einwohnern (33., S.
11) sind etwa 11 Mio. (74 %) zumeist buddhistische Singhalesen und etwa 2,6 Mio.
(18,2 %) überwiegend hinduistische Tamilen (53.). Diese bilden die stärkste
Minderheit, daneben gibt es noch die muslimischen Moors (1,1 Mio.; 7,1 %),
Burgher (Nachkommen der ersten Kolonisten aus Portugal und Holland) und
Malayen (insgesamt etwa 0,1 Mio.; 0,7 %). Etwa 70 % der Tamilen, die
sogenannten Ceylon-Tamilen, die auf Einwanderer aus Südindien zurückgehen, die
bereits vor mehr als tausend Jahren in das Land gekommen sind, bewohnen den
Norden und Osten der Insel. Sie gelten als Alteingesessene. Sie haben im Norden
der Insel einen Bevölkerungsanteil von über 90 %, während der Osten der Insel zu
etwa je einem Drittel von ihnen, den Singhalesen und den muslimischen Moors
besiedelt wird (12.). Das Siedlungsgebiet dieser Ceylon-Tamilen umfaßt etwa ein
Drittel des Staatsgebiets. Die restlichen 30 % der Tamilen, die sogenannten
Indien-Tamilen, besiedeln das zentrale Hochland um Kandy. Es handelt sich um die
Nachfahren von Plantagenarbeitern südindischer Herkunft, die in der britischen
Kolonialzeit seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis etwa 1930 als billige Arbeitskräfte
für die Teeplantagen von den Briten auf die Insel geholt wurden. Ihr
Bevölkerungsanteil im zentralen Hochland schwankt zwischen 20 und 50 %. Sie
gehören im Kastensystem des Hinduismus den niedrigsten Kasten an und werden
nicht zuletzt deshalb von den Ceylon-Tamilen verachtet (33., S. 12). Da die
Asylbewerber aus Sri Lanka zumeist aus dem Norden, insbesondere der Jaffna-
Halbinsel, und dem Osten stammen, können die Indien-Tamilen für die weitere
Betrachtung außer acht gelassen werden.
In der Vergangenheit hat es immer wieder Spannungen und
Auseinandersetzungen zwischen Singhalesen und Tamilen gegeben, die ihre
Ursachen in den ethnischen, sozioökonomischen und religiösen Unterschieden
hatten. Im Unterschied zu den Indien-Tamilen genossen die Ceylon-Tamilen wegen
der in ihren Siedlungsgebieten besseren Ausbildung (Christianisierung,
Missionsschulen) eine gewisse Bevorzugung seitens der britischen Kolonialherren;
sie waren daher bei Erlangung der Unabhängigkeit Ceylons 1948 in leitenden
Funktionen von Wirtschaft und Verwaltung gegenüber den Singhalesen
überrepräsentiert (2., S. 5).
Die 1948 in Kraft getretene Verfassung des unabhängigen Ceylon enthielt in Art.
29 ausdrücklich eine Gleichstellung aller Volksgruppen und Religionen sowie ein
generelles Diskriminierungs- bzw. Privilegierungsverbot (4.). Nach der
Unabhängigkeit erlassene Staatsangehörigkeits- und Wahlgesetze sahen
allerdings vor, daß nur derjenige als Staatsbürger, woran auch das Wahlrecht
anknüpfte, registriert wurde, der seit 1936 ansässig war. Als Folge durfte die
Mehrheit der Indien-Tamilen nicht wählen (4.; 33., S. 19); die volle
Staatsbürgerschaft erhielten damals lediglich 140.000 von insgesamt annähernd 1
Mio. Indien-Tamilen (4.). Bei der ersten Parlamentswahl, die noch vor diesen
Gesetzen und vor der Erlangung der Unabhängigkeit im August/September 1947
stattgefunden hatten, hatten die tamilischen Parteien dreizehn der etwa
einhundert Sitze im Repräsentantenhaus erlangen können (4.).
Bis zur Parlamentswahl im April 1956 (und dann wieder von 1965 bis 1970 und
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Bis zur Parlamentswahl im April 1956 (und dann wieder von 1965 bis 1970 und
ununterbrochen seit 1977) regierte die als liberalkonservativ eingestufte United
National Party (UNP). Bei diesen, den dritten, Parlamentswahlen siegte ein
Wahlbündnis mehrerer linksgerichteter Parteien unter der Bezeichnung "Mahajana
Eksat Peramuna" (MEP, Vereinigte Volksfront), an dem maßgeblich die Sri Lanka
Freedom Party (SLFP) des neuen Ministerpräsidenten S.W.R.D. Bandaranaike
(September 1959 durch einen fanatischen buddhistischen Mönch ermordet,
Nachfolgerin als Regierungschefin wird nach kurzzeitig amtierenden
Zwischenregierungen und Neuwahlen seine Frau Sirimawo Bandaranaike ab 7. Mai
1960) beteiligt war, die noch zwischen 1951 und 1953 für die Gleichberechtigung
von singhalesischer und tamilischer Sprache eingetreten war (33., S. 44). Das
Wahlbündnis MEP war durch eine Verbindung sozialistischer Ideen mit einem -
gerade auch gegen die hinduistischen Tamilen gerichteten - singhalesisch-
buddhistischen Nationalismus geprägt (4.; 33., S. 44). Als Folge dessen wurde im
Juli 1956 mit dem "Official Language Act" Singhalesisch als einzige Staats- und
Unterrichtssprache statt des Englischen eingeführt. Mit einiger zeitlicher
Verzögerung kam es 1958 zu sich ausweitenden Tamilen-Demonstrationen gegen
dieses Gesetz, die im Mai 1958 zum ersten Tamilenpogrom seitens des
singhalesischen Mobs führten, das nach Ausrufung des Notstands durch die
Regierung mit Hilfe der Armee beendet wurde (4.). Mit dem "Tamil Language Act"
vom Juli 1958 wurde daraufhin Tamil in den Nord- und Ostprovinzen als
gleichrangige Unterrichts- und Behördensprache anerkannt; die offizielle Politik
wurde aber weiterhin von einer systematischen Diskriminierung der tamilischen
Bevölkerungsgruppe bestimmt. So wurde mit dem Anfang 1961 erlassenen, zwei
Jahre später in Kraft getretenen "Language of the Courts Act", das Englische als
Amts- und Gerichtssprache allein durch Singhalesisch ersetzt, was im März/April
1961 zu Protesten im Norden und Osten führte (4.). Nach dem Sieg der UNP bei
den sechsten Parlamentswahlen im März 1965, die zur Ablösung von Frau
Bandaranaike als Regierungschefin und zu einer Koalitionsregierung, der auch die
tamilische "Federal Party" (FP) angehörte, führten, kam es zu einer Übereinkunft
zwischen der UNP und der FP, daß der "Tamil Language Act" von 1958 realisiert
und der "Language of the Courts Act" von 1961 dahingehend ergänzt werden
sollte, daß in der Nord- bzw. Ostprovinz auch Tamil als Amts- und Gerichtssprache
zugelassen werden sollte (4.); die Regierung legte 1966 in
Ausführungsbestimmungen dazu fest, daß Tamil im Schriftverkehr mit amtlichen
Dienststellen im ganzen Land benutzt werden konnte; öffentliche Verlautbarungen
und Rechtsnormen sollten von nun an zweisprachig veröffentlicht werden (4.).
Bei der siebten Parlamentswahl im Mai 1970 errang die SLFP nach Angriffen gegen
die UNP wegen deren "tamilenfreundlicher" Sprachenpolitik einen erdrutschartigen
Sieg, der zur Bildung einer Koalitionsregierung unter Ministerpräsidentin
Bandaranaike führte. Die 1971 in Kraft getretene "Standardisierung-Verordnung"
regelte den Zugang zu den Universitäten nach Sprachenproporz (zu Einzelheiten
vgl. 2., S. 6). Die damals an den Universitäten überproportional vertretenen
Tamilen fühlten sich dadurch benachteiligt und protestierten; es kam zur
Radikalisierung der tamilischen Jugend (33., S. 22, 48). Die Verordnung war bis
zum UNP-Sieg bei den achten Parlamentswahlen im Juli 1977 in Kraft.
Mit der neuen Verfassung vom 22. Mai 1972, der ersten republikanischen
Verfassung, wurde die damalige konstitutionelle Monarchie Ceylon zur Republik Sri
Lanka erklärt (vgl. zum folgenden 4.). Die Verfassung enthielt keine
Schutzgarantien mehr für Minderheiten, das Diskriminierungs- bzw.
Privilegierungsverbot in Art. 29 der Verfassung aus dem Jahre 1948 trat außer
Kraft. Die Religionen sollten Kulturfreiheit genießen, es war allerdings ausdrücklich
vorgesehen, daß der Buddhismus zu schützen und zu fördern sei. Den Rechtstitel
"Staatsbürger aus Geburt" billigte die neue Verfassung nur den Singhalesen zu,
Mitglieder anderer ethnischer Gruppen erhielten den Status "Registrierte Bürger".
Danach gab es in Sri Lanka drei Kategorien von Bürgern: Die singhalesischen
"Staatsbürger aus Geburt", die "Registrierten Bürger" (überwiegend die Ceylon-
Tamilen) und fast eine Million staatenlose Indien-Tamilen. Amts- und
Gerichtssprache blieb Singhalesisch, jedoch mußten alle Gesetze in Tamil
übersetzt werden, der "Tamil Language Act" aus dem Jahr 1958 blieb in Kraft.
Als Reaktion auf diese politische Entwicklung entstand noch 1972 die Tamil United
Front (TUF) als Zusammenschluß dreier konservativer tamilischer Parteien,
darunter der FP. Im Mai 1976 erfolgte die Umbenennung der TUF in Tamil United
Liberation Front (TULF), die die Notwendigkeit der Schaffung eines freien,
souveränen, säkularen, sozialistischen Staates, genannt Tamil Eelam, der auf dem
Recht der Selbstbestimmung basiert, propagierte (33., S. 47; sog. "Vaddukoddai
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Recht der Selbstbestimmung basiert, propagierte (33., S. 47; sog. "Vaddukoddai
Resolution").
Bei den achten Parlamentswahlen im Juli 1977, die zu einem Erdrutschsieg der
UNP (140 von 168 Sitzen) führten, wurde die TULF mit 18 Sitzen stärkste
Oppositionspartei; sie konnte im Norden fast 70 % der Stimmen und alle 14 Sitze
für die Nordprovinz und vier der 12 Sitze für die Ostprovinz erringen. Ein weiterer
Tamile kam als UNP-Abgeordneter ins Parlament und erhielt einen Ministerposten
in der UNP-Regierung unter Ministerpräsident Junius Richard Jayewardene (4.). Im
Anschluß an die Wahlen kam es im August und September 1977 erneut zu
Rassenunruhen mit Pogromen gegen Tamilen, die zwar von Jaffna ausgingen,
jedoch vornehmlich in den überwiegend von Singhalesen bewohnten Gebieten des
Südens und Südwestens stattfanden. Die Unruhen forderten nach offiziellen
Angaben 125 Tote, darunter 97 Tamilen, 4.000 Personen wurden verhaftet. Im
Verlauf der Unruhen kam es zu einer ersten Fluchtbewegung von Tamilen nach
Norden, bei der etwa 40.000 Tamilen aus den umkämpften Gebieten in die
Großstädte der Nordprovinz oder in Flüchtlingslager der Armee flohen (4.).
Mit einer Verfassungsänderung vom Oktober 1977 wurde ein Präsidialsystem nach
französischem Vorbild eingeführt. Das Amt des Präsidenten übernahm im Februar
1978 der bisherige Ministerpräsident Jayewardene, Ministerpräsident wurde
Ranasinghe Premadasa (4.; 33., S. 24, 38). Bereits die Regierung Jayewardene
hatte eine Politik begrenzter Autonomiegewährung für die tamilischen Provinzen
verfolgt und konnte hierfür teilweise auch die Kooperation der TULF gewinnen.
Dadurch verstärkte sich jedoch zugleich der Zulauf zu radikalen und militanten
Tamilenorganisationen wie den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), die das Ziel
eines souveränen Tamilen-Staates mit Terroranschlägen zu erreichen suchten
(vgl., auch zum folgenden, 33., S. 48 ff.). Neben der militärisch dominanten LTTE
sind weitere bedeutende militante tamilische Gruppierungen in der Folgezeit
entstanden, insbesondere die Eelam Peoples Revolutionary Liberation Front
(EPRLF), die Eelam Revolutionary Organisation (EROS), die Tamil Eelam Liberation
Organisation (TELO), die Peoples Liberation Organisation of Tamileelam (PLOT(E))
und die Eelam National Democratic Liberation Front (ENDLF).
Nach der, angeblich von Mitgliedern tamilischer Jugendorganisationen
durchgeführten, Ermordung von fünf Polizisten Anfang Mai 1978 bei Mannar
(Nordprovinz) erließ die Regierung am 15. Mai 1978 Haftbefehl gegen 38
mutmaßliche Mitglieder der LTTE, von denen sich 27 freiwillig stellten. Mit dem am
19. Mai 1978 vom Parlament verabschiedeten "Proscribing of Liberation Tigers of
Tamil Eelam and other Organizations Law" wurde die LTTE verboten und die
Strafprozeßordnung durch Einfügung besonderer Bestimmungen, die auch eine
einjährige Vorbeugehaft für Personen, die der Unterstützung vom Präsidenten
verbotener Organisationen verdächtig waren, verschärft; außerdem wurde die
Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit eingeschränkt (4.).
Am 7. September 1978 trat die dritte Verfassung in Kraft, mit der der Staat in
"Demokratische Sozialistische Republik Sri Lanka" umbenannt wurde. Das
Präsidialsystem - nunmehr mit Direktwahl des Präsidenten - wurde beibehalten.
Singhalesisch blieb offizielle Amtssprache, daneben wurde jedoch Tamil als
Nationalsprache anerkannt. Die neue Verfassung enthielt ausdrücklich ein Verbot
aller Formen von Folter oder grausamer, unmenschlicher bzw. erniedrigender
Behandlung oder Strafe, ließ aber daneben beträchtliche
Grundrechtsbeschränkungen zu, wie etwa ein Abweichen von der
Unschuldsvermutung und dem Rückwirkungsverbot von Strafgesetzen aus
Gründen der nationalen Sicherheit (4.).
Mitte Juli 1979 kam es wegen andauernder lokaler Unruhen zwischen Tamilen und
Sicherheitskräften unter Beteiligung verbotener tamilischer
Untergrundorganisationen zur Verhängung des Ausnahmezustands über die
Provinz Jaffna (4.). Die Armee wurde mit dem Auftrag in den Norden entsandt,
innerhalb von sechs Monaten für Ruhe zu sorgen (33., S. 24). Am 19./20. Juli 1979
verabschiedete das Parlament in einem beschleunigten Verfahren als Reaktion auf
den aufkommenden Terrorismus den "Prevention of Terrorism (Temporary
Provisions) Act" (PTA; vgl. dazu 4.). Danach werden unter anderem bestimmte
Polizeibeamte ermächtigt, Verdächtige ohne Zeugen zu verhaften, zum Zwecke
des Verhörs an jeden anderen Ort zu verbringen und ohne richterlichen Befehl bis
zu 72 Stunden lang festzuhalten. Auf Anordnung eines Ministers können
Verdächtige wiederholt für jeweils drei Monate bis zu einer Gesamthaftdauer von
18 Monaten festgehalten werden, ohne daß hiergegen die Anrufung eines Richters
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18 Monaten festgehalten werden, ohne daß hiergegen die Anrufung eines Richters
zulässig wäre (sog. incommunicado-Haft, bei der über den Namen des
Verhafteten, seinen Verbleib und die Haftgründe keine Auskunft erteilt wird). Zu
weiteren Einzelheiten des PTA wird auf die ausführliche Darstellung im Beschluß
des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u. a. - (a.a.O.,
319) Bezug genommen. Noch am Tage des Inkrafttretens des PTA wurden nach
Mitteilung der in der Opposition befindlichen TULF in der Provinz Jaffna 147
Personen festgenommen und gefoltert. Nach halbjähriger Verhängung wurden
Ende Dezember 1979 der Ausnahmezustand über die Provinz aufgehoben und
etwa 100 Inhaftierte freigelassen (4.).
Nach der Ermordung von zwei Polizisten im März 1981 durch tamilische
Jugendliche bei einem Banküberfall, auf die hin in den folgenden Wochen
mindestens 25 Tamilen in Isolationshaft genommen wurden, und der Erschießung
von zwei Polizisten auf einer Wahlversammlung der TULF am 31. Mai 1981 in Jaffna
kam es zu mehrere Tage lang andauernden Vergeltungsmaßnahmen seitens
Hunderten bewaffneter, zum Teil in Zivil gekleideter, Polizisten, wobei Dutzende
von Geschäften, Büros und Privathäusern in Jaffna, darunter das Parteibüro der
TULF und die tamilische Nationalbibliothek, die von Mitgliedern der
Sicherheitskräfte in Brand gesteckt wurde (8.), vernichtet wurden (vgl. auch zum
folgenden, 4.). Am 2. Juni 1981 verhängte die Regierung den Ausnahmezustand
und eine Ausgangssperre über die Provinz Jaffna, am 4. Juni 1981 über das ganze
Land, nachdem in der Nacht zuvor fünf junge Tamilen in Jaffna von Armee-
Einheiten wegen Verstoßes gegen das Ausgangsverbot erschossen worden waren.
Der Ausnahmezustand über das ganze Land wurde am 9. Juni 1981 aufgehoben,
am folgenden Tag auch der Ausnahmezustand für die Provinz Jaffna. Nachdem es
Mitte August 1981 in den Ostprovinzen und in Colombo wieder zu Angriffen des
singhalesischen Mobs auf Läden von Tamilen gekommen war, übertrug
Staatspräsident Jayewardene am 12. August 1981 die Polizeibefugnisse
einschließlich Untersuchung und Festnahme der Armee, die in den folgenden
Tagen einige hundert Personen aufgrund der neuen Sondervollmachten festnahm.
Am 17. August 1981 verhängte die Regierung erneut den Ausnahmezustand über
das ganze Land und setzte Notstandsgesetze in Kraft, die für Brandstiftung und
Plünderung schwerere Strafen bis hin zur Todesstrafe vorsahen. Der
Ausnahmezustand wurde am 17. Januar 1982 aufgehoben. Im März 1982 beschloß
das Parlament eine nicht mehr befristete Neufassung des PTA aus dem Jahr 1979,
die insbesondere erweiterte Vollmachten für den Verteidigungsminister vorsah,
der nunmehr die Inhaftierung eines mutmaßlichen Terroristen bis zu 18 Monaten
ohne richterliche Anordnung und ohne Begründung der Untersuchungshaft
veranlassen konnte (1.; 4.).
Eine Kommission unter Leitung des Staatspräsidenten, der neben 15 Ministern
auch fünf Vertreter der TULF angehörten, erarbeitete im Laufe des Jahres 1982
eine Reihe von Vorschlägen zur Lösung der Konflikte zwischen den
Bevölkerungsgruppen (3.). Dazu gehörte auch die Regelung der finanziellen
Entschädigung der tamilischen Opfer der Ausschreitungen im Mai/Juni 1981.
Präsident Jayewardene stellte aus eigenen Mitteln eine Million Rupien für den
Wiederaufbau der bei den Ausschreitungen zerstörten Bücherei in Jaffna bereit und
rief zur Einzahlung weiterer Spenden auf. Mit der Auszahlung der staatlichen
Entschädigungsleistungen an tamilische Opfer der Ausschreitungen, denen ein
auch von tamilischer Seite als insgesamt angemessener Gesamtschadensbetrag
von 22,6 Mio. Rupien zugrunde lag (1.; 3.), wurde 1982 begonnen.
Gleichwohl wuchsen die Spannungen weiter und eskalierten im Juli/August 1983
zum bislang größten Tamilen-Pogrom seit Erlangung der Unabhängigkeit (vgl.
dazu insbesondere 4. Sonderband Jan. - Dez. 1983; 5.; 6.; 8. und 9.). Den Anfang
dieser schweren ethnischen Auseinandersetzungen bildeten seit April 1983 ständig
auftretende blutige Unruhen in der schließlich unter die Verwaltung der Marine
gestellten Stadt Trincomalee, bei denen vor allem singhalesische Banden Tamilen
angriffen. Die am 1. Juli 1983 in Jaffna erfolgte Verhaftung zweier tamilischer
Politiker, die wegen der Ereignisse in Trincomalee zum Proteststreik aufgerufen
und die Entsendung einer UN-Friedenstruppe verlangt hatten, führte in den
folgenden Tagen zu mehreren bewaffneten Racheaktionen militanter Tamilen im
Jaffna-Distrikt. Am 15. Juli 1983 wurde bei einem bewaffneten Zusammenstoß
zwischen tamilischen Separatisten und einem Suchtrupp der Armee neben
anderen Tamilen der Führer des militärischen Flügels der LTTE, Anton, getötet. Am
23. Juli 1983 wurden bei Thinnavely in der Provinz Jaffna 13 Soldaten Opfer eines
Überfalls tamilischer Extremisten der LTTE. Dieses Vorkommnis löste dann
seinerseits ein vom 24. Juli bos zum 2. August 1983 dauerndes Pogrom gegen die
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seinerseits ein vom 24. Juli bos zum 2. August 1983 dauerndes Pogrom gegen die
tamilische Minderheit aus. Ausgangspunkt dieser Massaker war die am nächsten
Tag erfolgte Beisetzung der getöteten Soldaten in Colombo, wo größere Banden
von Singhalesen planmäßig Tamilen und tamilisches Eigentum angriffen, innerhalb
der ersten 24 Stunden bereits mehr als hundert Menschen töteten und Hunderte
von Häusern und Geschäften niederbrannten. Am 25. Juli 1983 griffen die
Ausschreitungen auf weitere Städte des Landes über. In Trincomalee zogen 130
marodierenden Marinesoldaten durch die Stadt, demolierten 175 Häuser und
Geschäfte, töteten einen Menschen und verletzten weitere zehn, bis sie in ihren
Kasernen unter Arrest gestellt werden konnten. Insgesamt wurden an diesem Tage
in den Nordprovinzen 20 unbewaffnete tamilische Zivilisten von Soldaten
erschossen. Im Welikada-Gefängnis in Colombo wurden 35 von insgesamt 73
wegen terroristischer Handlungen verurteilten oder angeklagten Tamilen von
singhalesischen Mithäftlingen ermordet. Zwei Tage später wurden in demselben
Gefängnis nochmals 18 Tamilen umgebracht. Ihren Höhepunkt erreichten die
Pogromartigen Ausschreitungen gegen Tamilen am 29. Juli 1983, als allein in
Colombo 15 Tamilen von singhalesischem Mob erschlagen, 15 Plünderer von
Sicherheitskräften erschossen und mehrere Hundert verhaftet wurden. Nach im
Februar 1984 veröffentlichten amtlichen Zahlen fielen den pogromartigen
Ausschreitungen insgesamt 471 Menschen zum Opfer; im Zuge der
Auseinandersetzungen sei es zu rund 8.000 Brandstiftungen und fast 4.000
Plünderungen gekommen. 79.000 obdachlos gewordene Tamilen seien in 18
Notaufnahmelagern bei Colombo untergebracht worden, mehrere tausend andere
seien aus südlichen Landesteilen in den Jaffna-Distrikt verschickt worden. In der
Zeit von Juli bis November 1983 sollen 24.000 Tamilen aus Sri Lanka nach Indien
geflohen sein. TULF- Generalsekretär Amirthalingam bezifferte demgegenüber in
einer am 14. September 1983 veröffentlichten Stellungnahme die Zahl der
getöteten Tamilen auf 2.000, die Zahl der Obdachlosen auf 155.000 und die
Summe der zerstörten Häuser auf 10.000.
Die nach dem Abflauen der Unruhen vom Parlament verabschiedete sechste
Verfassungsänderung (zu deren Einzelheiten vgl. BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR
502/86 u. a. -, 320 f.), die den Einsatz für einen unabhängigen Staat unter Strafe
stellte, verlangte von allen Parlamentsabgeordneten einen Eid auf den
Einheitsstaat. Da die 14 Abgeordneten der TULF diesen im Hinblick auf die
separatistischen Ziele ihrer Partei verweigerten und den Parlamentssitzungen drei
Monate lang fernblieben, verloren sie Ende 1983 ihre Mandate.
Am 7. August 1983 gab die Regierung zu, daß nach dem Anschlag der LTTE am
23. Juli 1983 wütende Soldaten 20 Zivilisten im Jaffna-Distrikt erschossen hätten.
Zur Behebung der durch die Unruhen entstandenen Schäden erließ die Regierung
ein Notstandsgesetz, das die Durchführung der notwendigen Schadensregulierung
durch eine besondere Behörde vorsah. Bis zum Jahresende 1983 dauerten die
Unruhen in allen Teilen Sri Lankas, wenn auch mit verminderter Heftigkeit, an, so
daß der immer wieder verlängerte Ausnahmezustand beibehalten wurde, wobei
verschiedentlich die Bestimmungen insbesondere über Ausgangssperren - ebenso
wie die bis Mitte September 1983 geltende Pressezensur - wiederholt gelockert
wurden. Zum Jahresende 1983 berichtete amnesty international London, daß
während des letzten Quartals 1983 insgesamt 170 Personen nach den
Vorschriften des PTA in sog. incommunicado- Haft genommen worden seien (7., S.
6). Ende des Jahres 1983 zeigte Präsident Jayewardene sichtlich Tendenzen zu
einer friedlichen Beilegung des Konflikts unter Einbeziehung der gemäßigten TULF,
die an der das ganze Jahr 1984, jedoch ohne Ergebnisse, tagenden Allparteien-
Konferenz teilnahm (33., S. 25).
b) Vor dem Hintergrund dieser geschichtlichen Entwicklung kann nicht festgestellt
werden, daß die tamilische Bevölkerung in Sri Lanka und insbesondere im Norden
des Landes in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis zur Ausreise des
Beigeladenen unter einer an ihrer Volkszugehörigkeit anknüpfenden
Gruppenverfolgung zu leiden hatte; dies gilt sowohl hinsichtlich einer unmittelbaren
staatlichen Verfolgung als auch hinsichtlich einer vom srilankischen Staat
gebilligten oder geduldeten Verfolgung durch die singhalesische
Bevölkerungsmehrheit.
Trotz der schwierigen Lage, in der sich die tamilische Bevölkerungsminderheit in
Sri Lanka seit Jahrzehnten wegen der strikten Ablehnung ihrer
Autonomiebestrebungen seitens der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit
befindet, und trotz des seit Anfang der 80er Jahre zunehmend gewalttätigeren und
in weiten Teilen völkerrechtswidrigen Vorgehens der srilankischen Sicherheitskräfte
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in weiten Teilen völkerrechtswidrigen Vorgehens der srilankischen Sicherheitskräfte
gerade auch im Norden der Insel, der Heimatregion des Beigeladenen, vermag der
Senat nicht zu der Überzeugung zu gelangen, daß bis zur Ausreise des
Beigeladenen eine staatliche Verfolgung der ethnischen Minderheit der Tamilen
erfolgt ist. Nach Auffassung des Senats läßt sich aus den in das Verfahren
eingeführten Erkenntnisquellen nicht der Schluß ziehen, der srilankische Staat
unterdrücke und verfolge die Tamilen bewußt mit dem Ziel, sie zu assimilieren, zu
vertreiben oder zu vernichten. Eine solche Schlußfolgerung wäre nur dann
gerechtfertigt, wenn etwa maßgebliche staatliche Organe zur Ausrottung oder
Vertreibung der Tamilen offen aufgefordert hätten oder ihren Äußerungen
zumindest eine Billigung oder tatenlose Hinnahme solcher Tendenzen entnommen
werden könnte oder wenn die Regierung Sri Lankas bei ihren Bemühungen,
Sicherheit und Ordnung im Land aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen,
gegen die tamilische Bevölkerungsminderheit als solche gezielt in
menschenrechtswidriger Weise vorgegangen wäre. Hierfür gibt es indessen bis
zum maßgeblichen Zeitpunkt der Ausreise des Beigeladenen keine ausreichenden
Anhaltspunkte und Hinweise.
Asylerheblicher Zwangsassimilierung oder gar Vertreibung oder Vernichtung waren
die Angehörigen der tamilischen Bevölkerungsminderheit bis zur Ausreise des
Beigeladenen nicht ausgesetzt (vgl. zum folgenden insbesondere, auch mit
Schilderung der Geschichte der beiden Volksgruppen, 5. "Sonderblatt ad 1.10").
Zur Ausrottung oder Vertreibung der Tamilen ist seitens maßgeblicher staatlicher
Organe Sri Lankas nie, weder offen noch versteckt, aufgefordert worden. Vielmehr
sind die Tamilen als solche als Teil der Bevölkerung Sri Lankas immer akzeptiert
worden, selbst wenn Teile von ihnen nach den ersten Verfassungen vor 1978 nicht
die Staatsbürgerschaft Sri Lankas erhielten und das Auswärtige Amt im
September 1985 faktische Diskriminierungen feststellte (13.). Allein die auf
Errichtung eines souveränen Tamilenstaates im Norden und Osten Sri Lankas
gerichteten Autonomiebestrebungen tamilischer Bevölkerungsteile hat der von der
singhalesischen Bevölkerungsmehrheit dominierte srilankische Staat nie
akzeptiert. Im Gegensatz zur Situation der Kurden in der Türkei (vgl. dazu Hess.
VGH, 23.11.1992 - 12 UE 2590/89 -) hat der srilankische Staat die Existenz der
Tamilen als eigenständige Volksgruppe zu keinem Zeitpunkt geleugnet. Sie
wurden auch in seiner Verfassungs- und Rechtsordnung jedenfalls seit dem im Juli
1977 erfolgten Amtsantritt der UNP-Regierung Jayewardene uneingeschränkt
anerkannt. Nach Ablösung der vorherigen, mehr singhalesisch-nationalistisch
orientierten SLFP-Regierung unter Führung von Frau Sirimawo Bandaranaike war
der srilankische Staat auf einen Ausgleich und zunächst für längere Zeit auf eine
friedliche Lösung des Tamilenproblems bedacht (3.). Die im September 1978 in
Kraft getretene dritte Verfassung erkannte Tamil ausdrücklich als Nationalsprache
an, bereits vorher war die den Zugang der Tamilen zu den Universitäten
einschränkende "Standardisierungs-Verordnung" aufgehoben worden. Mit der im
November 1981 einberufenen Kommission und der im Januar 1984 einberufenen
Versöhnungskonferenz bemühte sich der Staat immer wieder darum, Vorschläge
zur friedlichen Lösung der Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen, die als
solche anerkannt wurden, zu erarbeiten. Die tamilischen Opfer der
Ausschreitungen von Mitte 1981 und mitte 1983 erhielten staatliche
Entschädigungsleistungen bzw. Versicherungssummen, Beihilfen und Darlehen zur
Wiedereröffnung ihrer Betriebe (8.; 9.); der Staatspräsident beteiligte sich mit
erheblichen eigenen Mitteln am Wiederaufbau der tamilischen Nationalbibliothek in
Jaffna, deren Existenz im Bewußtsein der tamilischen Bevölkerungsminderheit
einen besonderen Wert hat (3.).
Auch soweit die Verfolgung separatistischer Ziele durch den PTA sowie in noch
schärferer Form durch die sechste Verfassungsänderung vom August 1983
verboten wurde (siehe dazu insbesondere 4., Sonderband Jan. - Dez. 1983 mit
Übersetzung des Textes), können darin keine Ansätze in der Rechtsordnung für
eine Zwangsassimilierung der Tamilen gesehen werden. Es handelt sich um
Maßnahmen zur Sicherung der staatlichen Einheit, die die Tamilen keinem
Assimilierungsdruck aussetzen oder gar zu ihrer Vertreibung oder Vernichtung
führen, da die nationale Identität und die kulturelle Eigenständigkeit der Tamilen
auch von diesen Vorschriften zu keinem Zeitpunkt berührt wurden. Eine
Gruppenverfolgung der Tamilen läßt sich damit auch aus diesen Gesetzen, die in
weiten Teilen dem Rechtsgüterschutz im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht
(a.a.O., BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 337 ff.)
herausgearbeiteten Kriterien dienen, nicht ableiten.
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Die in der Heimatregion des Beigeladenen im Norden Sri Lankas im Zuge der
Unruhen Ende Juli/Anfang August 1983 erfolgten Ausschreitungen von
Armeeangehörigen und die in der Zeit danach bis zur Ausreise des Beigeladenen
insbesondere im Jaffna-Distrikt im Zuge der erheblichen Eskalierung des
bewaffneten Konflikts im Rahmen der Terrorismusbekämpfung begangenen
Übergriffe der Sicherheitskräfte (Armee, Polizei u. a.) gegenüber der zumeist
tamilischen Zivilbevölkerung vermögen nach der aus den Erkenntnisquellen
gewonnen Überzeugung des Senats ebenfalls nicht die Voraussetzungen für die
Annahme einer Gruppenverfolgung zu erfüllen. Es handelte sich damals noch nicht
um eine asylrelevante unmittelbare staatliche Verfolgung der tamilischen
Volksgruppe als solche. Bis zur Ausreise des Beigeladenen war es in seiner
Heimatregion noch nicht zu Rechtsgutbeeinträchtigungen von Tamilen in einer
Intensität und Häufigkeit gekommen, die für jedes Gruppenmitglied die Annahme
rechtfertigen konnte, selbst alsbald Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu
werden (vgl. BVerfG, 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u. a. -, a.a.O.).
Hinsichtlich von Teilen der pogromartigen Ausschreitungen im Sommer 1983 und
hinsichtlich der in den Jahren 1984 und 1985 zunehmenden Exzesse steht die
Täterschaft staatlicher Sicherheitskräfte fest (5.; 7.; 8.). Gerade im Hinblick auf den
Exzeßcharakter ist aber fraglich, ob darin überhaupt eine unmittelbare staatliche
Verfolgung gesehen werden kann, weil eine solche die Durchsetzung eigener
staatlicher Ziele voraussetzt (BVerwG, 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139
= EZAR 202 Nr. 18). Vielmehr ist insoweit eine Drittverfolgung durch einzelne
Angehörige der überwiegend singhalesischen Sicherheitskräfte anzunehmen, weil
keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß den srilankischen Sicherheitskräften
damals, sei es offen oder versteckt, vorgegeben worden war, die tamilische
Bevölkerungsgruppe oder jedenfalls Teile von ihr, etwa junge männliche Tamilen im
Alter von etwa 16 bis 35 Jahren, jederzeit festzunehmen und verschwinden zu
lassen oder unter Vortäuschung von Exzessen zu töten. Als Drittverfolgung ist sie
dem srilankischen Staat nicht zuzurechnen, weil er sich insoweit im Rahmen der
ihm zur Verfügung stehenden Mittel grundsätzlich schutzbereit gezeigt hat (vgl.
dazu BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 335 f.). So wurden die am
25. Juli 1983 in Trincomalee marodierenden Matrosen alsbald arrestiert und
teilweise entlassen, und gegen die Armeeangehörigen, die in Jaffna als Vergeltung
für den Terroranschlag vom 23. Juli 1953 51 Zivilpersonen umgebracht hatten,
wurde ein Kriegsgerichtsverfahren eingeleitet (8.). Außerdem wurden wiederholt
Versuche zur Disziplinierung der schlecht ausgebildeten und in der Regel, auch
infolge häufigen Alkoholgenusses, undisziplinierten Sicherheitskräfte
unternommen (11.). Jedenfalls aber waren die Ausschreitungen der staatlichen
Kräfte im Juli 1983 wie auch die zahlreichen Vergeltungsaktionen in den Jahren
danach in der Regel jeweils Reaktionen auf die in erster Linie gegen staatliche
Sicherheitskräfte (mit Anschlägen auf singhalesische Zivilisten begann die LTTE
erst 1985) gerichteten Anschläge und Angriffe der aus dem Schutz der
Bevölkerung heraus insbesondere mit "Hit-and-run-Aktionen" (33., S. 50)
operierenden tamilischen Befreiungsbewegung, vor allem der LTTE (vgl. zu Art und
Umfang des damaligen Kampfes 9.). Diese Maßnahmen, wenn auch oft von
hilfloser Wut und wahllosen Zerstörungen geprägt, waren somit anlaßbezogen und
grundsätzlich durch eine von den Betroffenen ausgehende reale oder
vermeintliche Gefahr motiviert und stellten deshalb keine von einem besonderen
Anlaß völlig losgelöste, überwiegend oder ausschließlich an die tamilische
Volkszugehörigkeit anknüpfende kollektive Gruppenverfolgung der Tamilen in den
Nordprovinzen dar, die für jedes Mitglied dieser Gruppe eine jederzeitige
unmittelbar drohende eigene Verfolgung hätte ergeben können. Asylbegründend
ist die Verfolgung des politischen Feindes, nicht die Abwehr des Terrors (BVerfG,
10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 339).
Zweifelsfrei um unmittelbare staatliche Verfolgungsmaßnahmen handelt es sich
aber, soweit zur Terrorismusbekämpfung seit Anfang der 80er Jahre in
zunehmenden Maße gezielt Razzien durchgeführt und junge männliche Tamilen
etwa im Alter zwischen 16 und 35 Jahren festgenommen und in Armeelagern
verhört wurden. Angesichts des Umstandes, daß sich die damals noch mehreren
militanten tamilischen Befreiungsbewegungen, vor allem die LTTE, in erster Linie
aus diesem Bevölkerungskreis rekrutierten, müssen diese Maßnahmen aber
grundsätzlich als asylirrelevante präventive Maßnahmen zur Abwehr des
Terrorismus angesehen werden, soweit sie nicht wegen einer außergewöhnlichen
Härte und Intensität oder wegen der Inanspruchnahme erkennbar Unbeteiligter
diesen Rahmen überschritten. Zwar sollen die verhafteten Männer innerhalb von
48 Stunden entlassen worden sein, wenn eine erste Befragung durch Spezialisten
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48 Stunden entlassen worden sein, wenn eine erste Befragung durch Spezialisten
des militärischen Nachrichtendienstes offensichtlich keinen Verdacht begründet
hatte, und im übrigen entlassen worden seien, wenn die dezentralen weiteren
Abklärungen durch den zivilen nationalen Sicherheitsdienst CID im Raum Colombo
keine Verdachtsgründe ergeben hatten (9.). Andererseits mußten jüngere
Tamilen, wie zahllose Fälle zeigen, damit rechnen, bei den häufigen Razzien und
Verhaftungsaktionen Opfer von Willkür und Brutalität der Sicherheitskräfte zu
werden (8.), sollen Verhaftungen willkürlich erfolgt und auch Minderjährige und
Frauen betroffen worden sein, die Haftdauer oft bei einigen Monaten gelegen
haben und vielfach über die Anwendung von Folter geklagt worden sein (14.).
Der Senat vermag für den fraglichen Zeitraum bis zur Ausreise des Beigeladenen
auch nicht festzustellen, daß die Aktionen der srilankischen Sicherheitskräfte nach
asylerheblichen Merkmalen bestimmte Personen vornehmlich physisch zu
vernichten suchten, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisteten oder an dem
militärischen Geschehen nicht (mehr) beteiligt waren, oder daß sie gar in die
gezielte physische Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder
religiösen Identität des tamilischen Bevölkerungsteils umgeschlagen waren, was
zur Annahme politischer Verfolgung bei der Bekämpfung des (Guerilla-)
Bürgerkriegsgegners trotz Verlust der effektiven Gebietsgewalt des Staates führen
würde (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 340 f.). Von einer
vornehmlichen physischen Vernichtung der bei den Razzien vorübergehend
festgenommenen Tamilen kann schon deswegen keine Rede sein, weil diese zwar
Opfer von Willkür und Brutalität der Sicherheitskräfte während der Inhaftierung
wurden, jedoch in der Regel nach Tagen, Wochen oder Monaten freigelassen
wurden (9.; 14.). Überdies war die Auswahl der Festgenommenen nicht durch
asylerhebliche Merkmale bestimmt, was etwa der Fall gewesen wäre, wenn die
Sicherheitskräfte ausschließlich auf Personen zugegriffen hätten, deren Einsatz für
die Befreiungsbewegungen ihnen bekannt war. Vielmehr erfolgte das Einschreiten
durch Festnahme von Personen, besonders junger Männer bestimmter
Altersgruppen, weil sich die terroristisch vorgehenden Befreiungsbewegungen,
insbesondere die LTTE, aus meist jugendlichen Tamilen der genannten
Altersgruppe (16 bis 35 Jahre) zusammensetzten. Deren Inhaftierung beruhte
offensichtlich lediglich auf dem Verdacht der aktiven Teilnahme am Bürgerkrieg
oder geschah vorsorglich zur Verhinderung ihrer Rekrutierung für die terroristisch
vorgehenden tamilischen Kampfeinheiten, knüpfte mithin gerade nicht an das
asylrechtlich erhebliche Merkmal der Betätigung einer politischen Gesinnung an,
sondern stellte eine präventive Maßnahme zur Abwehr des Terrorismus dar.
Gleiches gilt für die Vergeltungsschläge der Sicherheitskräfte nach
Terroranschlägen, nach deren Ziellosigkeit ebenfalls offensichtlich ist, daß ihnen
keine Auswahl der Opfer nach asylerheblichen Merkmalen zugrunde lag. Auf die
Frage, ob die Opfer der Razzien und Vergeltungsschläge vornehmlich oder gar
ausschließlich Personen waren, die an dem militärischen Geschehen überhaupt
nicht beteiligt waren, kommt es daher nicht an. So unerträglich die Zustände für
die zum damaligen Zeitpunkt in den Nordprovinzen, und insbesondere auf der
Jaffna-Halbinsel, lebenden Tamilen auch gewesen sein mögen, so kann doch gar
von einer gezielten physischen Vernichtung oder Zerstörung der Identität des
tamilischen Bevölkerungsteils, zu verstehen als dessen Ausrottung, nicht die Rede
sein. Dazu hätte es eines gezielten Vorgehens gegen alle oder so gut wie alle
Tamilen bedurft, für das keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Nach den
getroffenen Feststellungen waren in der Heimatregion des Beigeladenen auch
nicht nach asylerheblichen Merkmalen bestimmte Teile der der Gegenseite
zugerechneten tamilischen Bevölkerung von den Festnahmen bei Razzien und
Vergeltungsschlägen betroffen.
Es sind auch keine Anhaltspunkte für eine vom srilankischen Staat gebilligte oder
geduldete Verfolgung der Tamilen durch die singhalesische Bevölkerungsmehrheit
ersichtlich, so daß auch die Voraussetzungen einer mittelbaren staatlichen
Gruppenverfolgung durch Dritte nicht vorliegen. Was das Tamilenpogrom vom Juli/
August 1983 betrifft, ist im Hinblick darauf, daß die gegen die Tamilen gerichteten
Gewalttaten der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit ihren Schwerpunkt im
Südwesten der Insel und im zentralen Bergland, nicht aber in der Heimatregion
des Beigeladenen hatten (5.; 8.) und eine gruppengerichtete Verfolgung durch
Dritte auch regional begrenzt sein kann (BVerfG, 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u. a. -,
a.a.O.), fraglich, ob deswegen dem Beigeladenen Verfolgung drohen konnte.
Unabhängig davon kann dieses Pogrom nicht dem srilankischen Staat
zugerechnet werden, weil er mit den ihm an sich zur Verfügung stehenden Kräften
Schutz gewährt und die Unruhen im wesentlichen bis zum 2. August 1983
eingedämmt hat (vgl. zum folgenden insbesondere 4., Sonderband Jan. - Dez.
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eingedämmt hat (vgl. zum folgenden insbesondere 4., Sonderband Jan. - Dez.
1983). So wurde der seit dem 18. Mai 1983 aufgrund gewalttätiger Aktionen
anläßlich einer an diesem Tage stattfindenden Parlamentsnachwahl und
Kommunalwahl landesweit verhängte Ausnahmezustand bereits vor dem
Ausbruch des Pogroms wegen der anhaltend unruhigen Situation am 18. Juli 1983
verlängert, am 25. Juli 1983 eine Ausgangssperre über Colombo und den Jaffna-
Distrikt verhängt, am nächsten Tag auf das ganze Land ausgedehnt und der
Einsatz von Polizei und Armee gegen Unruhestifter, Plünderer und ähnliche
Personen angekündigt und durchgeführt. Nachdem schon am 13. Juni 1983 zwei
Notstandsverordnungen ergangen waren, mit denen sämtliche Prozessionen
verboten und für Waffen- und Sprengstoffbesitz Freiheitsstrafen nicht unter zehn
Jahren angedroht worden waren, verbot die Regierung am 30. Juli 1983 drei als
verantwortlich bezeichnete, marxistisch orientierte Parteien, gegen deren führende
Funktionäre Haftbefehle ausgestellt wurden, und schloß die Redaktion von vier
Zeitungen. Nach dem Abflauen der Unruhen beschloß das Parlament am 5.
August 1983 die sechste Verfassungsänderung, die jede Form von Separatismus
und seine Propagierung unter Strafe stellte, verkündete die Regierung am 6.
August 1983 die Todesstrafe für illegalen Waffen- und Sprengstoffbesitz und
wurden am 3. September 1983 neue Notstandsbestimmungen in Kraft gesetzt,
die die Todes- bzw. lebenslange Freiheitsstrafe für Brandstiftung, Plünderung und
einige andere Delikte, darunter auch Hervorrufen von Unzufriedenheit, Verbreitung
von Gerüchten und falschen Erklärungen sowie Verteilung von Flugblättern
vorsahen. Hinzu kommt, daß die Regierung und caritative Organisationen
umgehend in der näheren Umgebung Colombos und auch in anderen Landesteilen
Notunterkünfte für die obdachlos gewordenen Tamilen einrichteten und diese
teilweise auch auf die Halbinsel Jaffna verschifften, wo sie weitgehend blieben.
In der Zeit danach ist es trotz mancher Befürchtungen nach terroristischen
Anschlägen der LTTE nicht erneut zu Pogromen gegen Tamilen gekommen, was
konkret belegt, daß die Maßnahmen, aus denen der Senat die Schutzbereitschaft
des srilankischen Staates für die in den singhalesischen Mehrheitsgebieten
lebenden Tamilen abgeleitet hat, effektiv waren. Berücksichtigt man, daß es keiner
staatlichen Ordnungsmacht möglich ist, einen lückenlosen Schutz vor Unrecht und
Gewalt zu garantieren (BVerfG, 10.11.1989 - 2 BvR 403/84 u. a. -, BVerfGE 81, 58
= EZAR 203 Nr. 5), so ist es im Rahmen der Anforderungen, die danach an die
Schutzbereitschaft des srilankischen Staates zu knüpfen sind, dem srilankischen
Staat durch die von ihm getroffenen Maßnahmen gelungen, die Tamilen in den
singhalesischen Mehrheitsgebieten vor Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche
Dritte, insbesondere Pogromen, zu schützen. Da ein lückenloser Schutz nicht
verlangt werden kann, ist es ohne Bedeutung, wenn es in Einzelfällen noch zu
Übergriffen gekommen ist; jedenfalls sind Pogrome oder ähnliche massenhafte
Ausschreitungen bis zur Ausreise des Beigeladenen (und auch in der Zeit danach)
ausgeblieben.
2. Es ist auch nicht festzustellen, daß der Beigeladene bis zu seiner Ausreise im
Dezember 1983 aus individuellen Gründen politisch verfolgt war oder ihm
seinerzeit - was eingetretener Verfolgung gleichstünde (BVerfG, 23.01.1991 - 2
BvR 902/85 u. a. -, a.a.O.) - unmittelbar solche Verfolgung im Zeitpunkt der
Ausreise drohte.
Der Senat kommt zu dieser Beurteilung aufgrund der Aussagen des Beigeladenen
bei seiner Anhörung im Rahmen der Vorprüfung bei dem Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 15. Februar 1984, dessen Darlegungen
im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 8. Juni
1989 und dessen Aussage bei der Vernehmung im Rahmen der Beweisaufnahme
am 17. Juni 1993. Der Senat hält einen Teil der konkreten Bekundungen des
Beigeladenen in diesen drei Terminen für unglaubhaft, soweit sie eindeutig
widersprüchlich und zum Teil erheblich gesteigert sind. Dies gilt insbesondere für
die einzige von dem Beigeladenen geschilderte konkrete staatliche Maßnahme,
von der er vor seiner Ausreise betroffen war, nämlich der Festnahme im August
1983. Die näheren Umstände dieser Festnahme hat der Beigeladene bei allen drei
genannten Terminen unterschiedlich geschildert. Dies betrifft den Ort der
Festnahme, die festnehmenden Personen und auch den Anlaß bzw. Grund der
Festnahme. Während der Beigeladene bei der Anhörung vor dem Bundesamt
ausführte, er sei in der Stadt Jaffna verhaftet worden, legte er vor dem
Verwaltungsgericht dar, er habe einmal in seinem Ort Plakate für die Tiger geklebt
und sei daher festgenommen worden. Man habe seine Brüder gesucht und
deshalb ihn festgenommen. Bei der Beweisaufnahme im Juni 1983 hat der
Beigeladene bekundet, er sei zu Hause festgenommen worden. Nach seinen
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Beigeladene bekundet, er sei zu Hause festgenommen worden. Nach seinen
Angaben vor dem Bundesamt ist er von Polizeibeamten festgenommen worden
und zu einem Polizeirevier gebracht worden. Bei der Beweisaufnahme im Juni 1993
hat er erklärt, er sei zu Hause von Soldaten festgenommen worden. Als Anlaß bzw.
Grund für die Festnahme hat er vor dem Bundesamt gesagt, er sei nach einem
Plakatekleben zusammen mit drei anderen Freunden beim Einsteigen in einen
Kleinbus von der Polizei festgenommen worden. Bei der Anhörung vor dem
Verwaltungsgericht hat er ausgesagt, er sei festgenommen worden, weil er Plakate
für die Tiger geklebt und man seine Brüder, die bei den Tigern gewesen seien,
gesucht habe. In der Beweisaufnahme im Juni 1993 hat der Beigeladene erklärt, er
sei zu Hause von Soldaten festgenommen worden, die nach seinen beiden
Brüdern gesucht hätten. Sie hätten ihn mitgenommen, weil seine Brüder nicht
dagewesen seien und sie den Verdacht gehabt hätten, daß auch er für die Tiger-
Bewegung tätig geworden sei.
Diese unterschiedlichen Angaben insbesondere zu Ort und Grund der Festnahme
weichen so erheblich voneinander ab, daß der Senat erhebliche Zweifel hat, ob die
behauptete Festnahme des Beigeladenen überhaupt stattgefunden hat. Auf die
ausdrückliche Nachfrage in der Beweisaufnahme im Juni 1993, ob der Beigeladene
"im übrigen noch etwas mit der Polizei zu tun gehabt habe", hat er nur darauf
verwiesen, daß er jede Woche einmal bei der Polizei habe erscheinen müssen.
Über eine Festnahme durch die Polizei hat er nichts berichtet. Die
unterschiedlichen Bekundungen des Beigeladenen, er sei in der Stadt Jaffna von
der Polizei unmittelbar nach dem Plakatekleben festgenommen worden, und
andererseits, er sei zu Hause von Soldaten, die nach seinen Brüdern gesucht
hätten, festgenommen worden, lassen sich nicht miteinander vereinbaren. Weitere
Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens ergeben sich auch daraus, daß
der Beigeladene einen weiteren Umstand, aus dem sich ein gegen ihn gerichteter
Verdacht der LTTE-Unterstützung ergeben könnte, völlig unterschiedlich
geschildert hat. Während der Beigeladene bei der Anhörung vor dem Bundesamt
aussagte, sein Elternhaus sei von Ende November bis Mitte Dezember dreimal
durchsucht worden und dabei sei bei der letzten Durchsuchung Mitte Dezember
1983 ein Flugblatt der Tiger-Bewegung in seinen Akten sowie sein Tagebuch mit
Notizen über seine politische Betätigung durch Plakatekleben sowie über Überfälle
und Erschießungen von Armeeangehörigen von Polizeibeamten mitgenommen
worden, hat er bei der Beweisaufnahme im Juni 1993 dargelegt, die Polizei sei auf
ihn aufmerksam geworden, nachdem sie bei der Suche nach seinen Brüdern in
seinem Elternhaus das Tagebuch entdeckt habe. Auch insoweit gibt es nicht
nachvollziehbare Divergenzen in den Aussagen des Beigeladenen, die erhebliche
Zweifel an seinen Darstellungen begründen. Dies gilt auch im Hinblick auf den
gegenüber dem Vorbringen vor dem Bundesamt gesteigerten Vortrag bei der
Anhörung vor dem Verwaltungsgericht im Hinblick auf Geschehnisse während der
dreimonatigen Inhaftierung. Der Beigeladene hat dazu vor dem Bundesamt
ausgesagt, es hätten während der Inhaftierung keine Verhöre stattgefunden; das
einzige, was sich ereignet habe, sei, daß einigen die Flucht aus der
Untersuchungshaft gelungen sei. Bei der Anhörung vor dem Verwaltungsgericht
hat er erstmals ausgeführt, er sei während der Inhaftierung geschlagen worden,
ohne dies allerdings näher zu substantiieren. Darauf ist er in seiner Aussage im
Rahmen der Beweisaufnahme im Juni 1993 nicht mehr zurückgekommen.
Insgesamt ist das Vorbringen des Beigeladenen zu ihn betreffenden
Verfolgungsmaßnahmen des srilankischen Staates vor seiner Ausreise in den
dargelegten wesentlichen Punkten so widersprüchlich und auch zum Teil
gesteigert, daß daraus ein substantiierter Vortrag, der zur Feststellung politischer
Verfolgung vor der Ausreise führen könnte, kaum zu entnehmen ist.
Aber auch, soweit man trotz dieser Widersprüche den übereinstimmenden Kern
der Aussagen des Beigeladenen für glaubhaft hält, ergibt sich daraus nicht, daß er
von politischer Verfolgung betroffen war oder ihm ein solcher im Zeitpunkt der
Ausreise unmittelbar bevorstand. Allen drei dargestellten Schilderungen ist
gemeinsam, daß der Beigeladene im August 1983 festgenommen und
anschließend für drei Monate inhaftiert worden sei. Die Verhaftung soll - mit
verschiedenen Begründungen - im Zusammenhang mit dem Verdacht der
Unterstützung der "Tiger-Bewegung" erfolgt sein. Der Beigeladene soll nach
Zahlung einer Kaution von 3.000 Rupien unter Anordnung einer wöchentlichen
Meldepflicht bei der Polizei freigekommen sein. Im Januar 1984 sollte der
Beigeladene wieder vor Gericht erscheinen. Aus diesen allenfalls glaubhaften
Angaben des Beigeladenen ist jedenfalls nur zu entnehmen, daß er wegen des
Verdachts der LTTE-Unterstützung drei Monate in Untersuchungshaft war und
anschließend gegen Kaution wieder freigelassen wurde. Dieser mit der
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anschließend gegen Kaution wieder freigelassen wurde. Dieser mit der
dreimonatigen Untersuchungshaft verbundene erhebliche Eingriff in die Freiheit
des Beigeladenen, der auch unter dem Gesichtspunkt der "Intensität" eine
asylrelevante Maßnahme darstellt (vgl. zur Haftdauer: BVerwG, 20.11.1990 - 9 C
72.90 -, BVerwGE 87, 141 = EZAR 200 Nr. 27), ist aber nicht als "politische"
Verfolgung zu qualifizieren. Denn insoweit fehlt es hinsichtlich der Inhaftierung an
der Anknüpfung an ein asylrelevantes Merkmal, wie insbesondere der
Volkszugehörigkeit oder der politischen Überzeugung des Beigeladenen. Denn
nach der objektiv erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme war diese
offensichtlich eine staatliche Maßnahme zur Abwehr terroristischer Taten (zum
Erfordernis einer objektiven Betrachtungsweise: BVerwG, 20.11.1990 - 9 C 74.90 -,
BVerwGE 87, 152 = EZAR 201 Nr. 22). Eine solche Maßnahme zur
Terrorbekämpfung rechtfertigt nicht den Einsatz brutaler Gewalt, insbesondere
nicht gegenüber Personen, bei denen keine über allgemeine Merkmale wie
Volkszugehörigkeit und Alter hinausgehenden objektiven Verdachtsmomente
bestehen (BVerwG, 20.11.1990 - 9 C 73.90 -, InfAuslR 1991, 181). Diese knüpfte im
Falle des Beigeladenen unmittelbar an einen Verdacht der Polizei auf aktive
Unterstützung der LTTE an, der nach den Darlegungen des Beigeladenen auch
grundsätzlich berechtigt war. Soweit dem widerspruchsfreien Kern der Aussage
des Beigeladenen zu glauben ist, beruhte der Verdacht der Sicherheitskräfte
jedenfalls auf der Zugehörigkeit der Brüder des Beigeladenen zur LTTE. Es
handelte sich insoweit nicht um einen wahllosen Zugriff auf einen jungen Tamilen
allein wegen der asylrelevanten Merkmale der Volkszugehörigkeit und des Alters,
sondern aufgrund einzelner in der Person des Beigeladenen begründeter,
konkreter Verdachtsmomente. Diese Maßnahme zur Bekämpfung des Terrorismus
war nicht asylrelevant, da sie weder wegen der Inanspruchnahme eines erkennbar
Unbeteiligten noch wegen einer unverhältnismäßigen Härten den Rahmen
zulässiger staatlicher Handlungen zur Abwehr des Terrorismus überschritten hat
(vgl. dazu allgemein Hess. VGH, 11.09.1992 - 10 UE 1804/86 -, auch insoweit
bestätigt durch BVerwG, 26.02.1993 - 9 B 334.92 -).
Eine "politische Verfolgung" ist auch nicht aus den von dem Beigeladenen
geschilderten Umständen der Inhaftierung zu entnehmen. Auf seinen gesteigerten
und nicht näher substantiierten Vortrag, er sei in der Untersuchungshaft
geschlagen worden, ist der Beigeladene bei der Schilderung seiner Verhaftung in
Inhaftierung in der Beweisaufnahme am 17. Juni 1993 nicht mehr
zurückgekommen und hat insoweit übereinstimmend mit den ursprünglichen
Bekundungen von einer Mißhandlung während der Untersuchungshaft nichts
berichtet. Unabhängig davon, ob die zwischenzeitliche, einmalige Darlegung des
Beigeladenen, er sei während der Inhaftierung geschlagen worden, glaubhaft
erscheint, ist sie jedenfalls nicht substantiiert genug, um daraus insbesondere
unter dem Gesichtspunkt der Intensität des Eingriffs die Asylrelevanz einer solchen
Maßnahme zu begründen.
Auch aus den Umständen nach der Entlassung des Beigeladenen aus der
Untersuchungshaft nach einer Gerichtsverhandlung im November 1983 ergeben
sich keine konkreten Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung des
Beigeladenen vor seiner Ausreise. Der Beigeladene hat dazu erklärt, trotz der
Entlassung aus der Untersuchungshaft habe weiterhin ein Verdacht gegen ihn
bestanden; für den Januar 1984 sei ein weiterer Verhandlungstermin anberaumt
worden. Der Auflage, sich bis dahin wöchentlich bei der Polizei zu melden, sei er bis
zu seiner Ausreise im Dezember 1983 nachgekommen. Während dieser Zeit sei
das Haus seiner Eltern mehrfach durchsucht worden. Dies sind keine Maßnahmen,
die eine gegen den Beigeladenen gerichtete politische Verfolgung unter dem
Gesichtspunkt der Intensität bzw. der an ein asylrelevantes Merkmal
anknüpfenden Gerichtetheit der Maßnahme begründen könnten. Auch aus den
Umständen der Ausreise des Beigeladenen aus Sri Lanka läßt sich nicht
entnehmen, daß ihm in diesem Zeitpunkt politische Verfolgungsmaßnahmen
unmittelbar drohten. Der Beigeladene ist nach seinen Angaben bei der Ausreise
ausdrücklich nach seinem Reiseziel gefragt worden; auf seine Antwort, daß er zum
Studium nach England reisen wolle, hat man ihn passieren lassen. Eine andere
Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, daß nach der Aussage des
Beigeladenen bei dem Bundesamt am 15. Februar 1984 seine Mutter ihm in
einem Brief mitgeteilt habe, daß ein Haftbefehl gegen ihn bestehe, weil er nicht vor
Gericht erschienen sei. Auch wenn man diese von dem Beigeladenen nicht zu
belegende Behauptung, weil er den Brief mit diesem Inhalt weggeworfen hat,
zugrunde legt, ist daraus nur zu entnehmen, daß er gesucht wurde, weil er der
Ladung zu dem Gerichtstermin im Januar 1984 nicht Folge geleistet hat.
Weitergehende substantiierte und konkrete Tatsachen zu weiteren
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71
Weitergehende substantiierte und konkrete Tatsachen zu weiteren
Ermittlungsmaßnahmen oder einem Fortgang des Verfahrens hat der Beigeladene
in keinem Stadium seines Asylverfahrens angegeben, obwohl er nach mehrfachen
Bekundungen noch brieflichen Kontakt zu seiner Mutter bis zu deren Tode bei der
Bombardierung seines Heimatortes im Jahre 1989 und zu Freunden, die später
aus Sri Lanka gekommen sind, hatte. Angesichts der allenfalls glaubhaften
Ausführungen des Beigeladenen zu Anhaltspunkten der Sicherheitskräfte für einen
gegen ihn bestehenden Verdacht der LTTE-Unterstützung wegen der
Zugehörigkeit seiner Brüder zur LTTE, der Entlassung aus der Untersuchungshaft,
der trotz ausdrücklicher Kontrolle legalen Ausreise aus seinem Heimatland, der
nach Angaben des Beigeladenen allein auf eine Verletzung der Pflicht, sich bei der
Polizei zu melden bzw. vor Gericht zu erscheinen, gestützten Haftbefehls und des
Fehlens jeglicher Anhaltspunkte für weitere Ermittlungsmaßnahmen oder einen
Fortgang des Verfahrens kann der Senat nicht feststellen, daß dem Beigeladenen
bei seiner Ausreise Verfolgungsmaßnahmen unmittelbar bevorstanden, die
insbesondere wegen ihrer Härte im Unterschied zu vergleichbaren
Verfolgungsmaßnahmen die Anknüpfung an asylrelevante Merkmale wie die
tamilische Volkszugehörigkeit des Beigeladenen oder seine politische
Überzeugung indiziert hätten.
II.
Da der Beigeladene somit bis zu seiner Ausreise aus Sri Lanka nicht politisch
verfolgt war, kommt eine Anerkennung als Asylberechtigter nur in Betracht, wenn
asylrechtlich beachtliche Nachfluchtgründe vorliegen. Dies setzt voraus, daß dem
Asylbewerber aufgrund von Umständen, die nach seiner Ausreise aus seinem
Heimatland eingetreten sind, für den Fall seiner Rückkehr dort gegenwärtig und in
absehbarer Zeit politische Verfolgung droht. Dabei ist zu unterscheiden zwischen
objektiven Nachfluchtgründen, die durch Vorgänge im Heimatland des
Asylbewerbers unabhängig von seiner Person ausgelöst wurden, und subjektiven
Nachfluchtgründen im Sinne des § 28 AsylVfG, die der Asylbewerber nach
Verlassen des Heimatstaates aus eigenem Entschluß geschaffen hat (BVerfG,
26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 = EZAR 200 Nr. 18). Für die
Prognose der Verfolgungsgefahr ist der Maßstab anzulegen, ob dem unverfolgt
ausgereisten Asylbewerber politische Verfolgung bei einer Rückkehr in sein
Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, 31.03.1981 - 9 C
286.80 -, EZAR 200 Nr. 3, 25.09.1984 - 9 C 17.84 -, a.a.O., 03.12.1985 - 9 C 22.85
-, a.a.O.).
Bei Anlegung dieses Maßstabes ist festzustellen, daß der Beigeladene nach der
Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in sein Heimatland, und zwar
in den Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere in den Großraum Colombo,
zurückkehren kann, ohne dort von politischer Verfolgung bedroht zu sein. Nach
Auffassung des Senats ist für den unverfolgt ausgereisten Beigeladenen der
Maßstab einer ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden politischen
Verfolgung bei Rückkehr auch unter Berücksichtigung des Umstandes zugrunde zu
legen, daß ihm als Angehörigen der Volksgruppe der Tamilen in einem Teil seines
Heimatlandes, nämlich auf der Jaffna-Halbinsel, politische Verfolgung durch das
Handeln der srilankischen Regierungstruppen als Kriegspartei droht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings der
herabgestufte Prognosemaßstab der notwendigen Feststellung hinreichender
Sicherheit vor politischer Verfolgung anzuwenden, wenn einem Asylbewerber in
einem Teil seines Heimatstaates bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht
(BVerwG, 16.02.1993 - 9 C 31.92 -, AuAS 1993, 125). Danach ist für die Prognose
einer Verfolgung bei Rückkehr in das Heimatland das jeweilige Staatsgebiet in
seiner Gesamtheit zu betrachten. Ist dieses unter Berücksichtigung des von dem
Asylsuchenden geltend gemachten Verfolgungsgrundes nach dem jeweils
anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab insgesamt frei von politischer
Verfolgung, scheidet ein Asylanspruch aus. Droht jedoch in einem Teil des
Staatsgebietes politische Verfolgung, so erweist sich der Heimatstaat als ein
Verfolgerstaat mit der Folge, daß auch ein unverfolgt ausgereister Asylsuchender
auf andere Gebiete seines Heimatstaates nur dann verwiesen werden kann, wenn
er dort vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm dort auch keine
anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere
einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen
gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht
bestünde (BVerwG, 16.02.1993 - 9 C 31.92 -, a.a.O, unter Hinweis auf BVerfG,
10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O.; BVerfG, 10.11.1989 - 2 BvR 403/84 u. a. -
72
73
10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O.; BVerfG, 10.11.1989 - 2 BvR 403/84 u. a. -
, a.a.O.; BVerwG, 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, a.a.O.).
Der Senat hat Bedenken, ob die Anwendung des herabgesetzten
Prognosemaßstabes der hinreichenden Sicherheit vor politischer Verfolgung bei
einer Rückkehr in das Heimatland gerechtfertigt ist, wenn der unverfolgt
ausgereiste Asylbewerber bei einer Rückkehr jedenfalls in einem Teil seines
Heimatlandes verfolgungsfrei leben kann. Die generelle Anwendung des
"herabgestuften" Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch für unverfolgt ausgereiste
Asylbewerber, denen eine Rückkehr an den Ort einer inländischen Fluchtalternative
im Heimatland zugemutet wird, setzte voraus, daß die mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in das Heimatland in einzelnen Gebieten
drohende politische Verfolgung im Hinblick auf das Kriterium der Zumutbarkeit
einer solchen Rückkehr gleich zu gewichten wäre wie eine tatsächlich vor der
Ausreise erlittene politische Verfolgung. Insoweit wird auch bei der Untersuchung
einer möglichen inländischen Fluchtalternative vor der Ausreise auf den
geminderten Prognosemaßstab abgestellt (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.
a. -, a.a.O.). Es erscheint fraglich, ob nach dem Sinn und Zweck der
Asylgewährung dem Asylsuchenden eine Rückkehr in verfolgungsfreie Gebiete
seines Heimatlandes nur dann zumutbar sein soll, wenn er unter Berücksichtigung
der ihm in anderen Landesteilen drohenden politischen Verfolgung in den
verfolgungsfreien Gebieten hinreichend sicher vor Verfolgung ist. Nach Auffassung
des Senats kommt es vielmehr darauf an, ob einem - wie im vorliegenden Falle -
unverfolgt ausgereisten Asylbewerber bei einer Rückkehr in verfolgungsfreie
Gebiete seines Heimatlandes politische Verfolgung mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit droht. Die zur Beurteilung der Verfolgungsgefahr bei einer
Rückkehr in das Heimatland des Asylsuchenden anzuwendenden unterschiedlichen
Prognosemaßstäbe hängen unmittelbar mit dem Kriterium der Zumutbarkeit einer
Rückkehr des Asylsuchenden in sein Heimatland zusammen. Die Zumutbarkeit
einer Rückkehr hängt vor allem davon ab, ob der Asylsuchende vor seiner Ausreise
Maßnahmen politischer Verfolgung ausgesetzt war. Mit der Gewährleistung des
Art. 16 a Abs. 1 GG ist es nicht zu vereinbaren, einen schon einmal von
Verfolgungsmaßnahmen betroffenen Menschen wiederum den
Zugriffsmöglichkeiten des Verfolgerstaats auszusetzen, es sei denn, er kann dort
vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher sein. Dieser herabgesetzte
Prognosemaßstab bezieht sich damit auf das Risiko der Wiederholung einer
politischen Verfolgung, das dem schon einmal verfolgten Asylsuchenden nicht
aufgebürdet werden soll (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u. a. -, a.a.O.). Die
Anwendung dieses Maßstabes setzt somit die Feststellung voraus, daß der
Asylbewerber vor seiner Ausreise aus seinem Heimatland politisch verfolgt war
oder daß ihm eine solche Verfolgung unmittelbar drohte. Dieser Sachlage nicht
vergleichbar ist die einem Asylsuchenden bei einer Rückkehr in bestimmte Teile
seines Heimatlandes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende politische
Verfolgung, wenn er ohne weiteres in Gebiete seines Heimatlandes zurückkehren
kann, in denen ihm bei Anwendung dieses Maßstabes keine politische Verfolgung
droht.
Die gegenteilige Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts erscheint zweifelhaft.
Ein Staat ist zwar verpflichtet, seinen Bürgern Schutz vor Maßnahmen zu
gewähren, die als politische Verfolgung zu charakterisieren sind, und er verletzt
diese Schutzpflicht, wenn es tatsächlich zu politischer Verfolgung eines seiner
Bürger kommt. Andererseits gewährt der Staat ausreichend Schutz, wenn
Staatsbürger, die unverfolgt aus ihrem Heimatland ausgereist sind, tatsächlich
verfolgungsfrei in einem Teil des Heimatstaates leben können. Dabei ist für die
Zumutbarkeit des Aufenthalts im Heimatstaat im Hinblick auf Vorflucht- oder
Nachfluchtgründe nicht von maßgeblicher Bedeutung, ob dem Asylbewerber in
anderen Teilen seines Heimatstaates mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
politische Verfolgung drohte. So gilt ein Asylbewerber als unverfolgt aus seinem
Heimatstaat ausgereist, wenn er tatsächlich politischen Verfolgungsmaßnahmen
nicht ausgesetzt und auch nicht von ihnen unmittelbar bedroht war, ohne daß es
darauf ankommt, ob ihm in bestimmten Landesteilen, in denen er sich tatsächlich
nicht aufgehalten hat, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung
gedroht hätte. Insoweit erfolgt unter dem Gesichtspunkt möglicher politischer
Verfolgung vor der Ausreise ebenfalls keine Betrachtung des Heimatstaates des
Asylbewerbers in seiner Gesamtheit mit der Folge, daß ein Asylbewerber als
vorverfolgt einzustufen wäre, weil ihm in bestimmten Teilen seines Heimatlandes
politische Verfolgung drohte und sich damit sein Heimatstaat als "Verfolgerstaat"
darstellte, obwohl er tatsächlich nicht von politischen Verfolgungsmaßnahmen
betroffen war und diese ihm auch nicht unmittelbar bevorstanden. Wird deshalb
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betroffen war und diese ihm auch nicht unmittelbar bevorstanden. Wird deshalb
unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit asylrechtlicher Schutzgewährung ein
in seinem Heimatland tatsächlich nicht von politischen Verfolgungsmaßnahmen
betroffener Asylbewerber als unverfolgt ausgereist angesehen, obwohl ihm in
bestimmten Teilen seines Heimatlandes politische Verfolgung (potentiell) gedroht
hätte, so ist kein durchgreifender Gesichtspunkt dafür erkennbar, daß die
Zumutbarkeit der Rückkehr eines unverfolgt ausgereisten Asylbewerbers in sein
Heimatland nach anderen Maßstäben zu beurteilen wäre. Er bedarf keiner
asylrechtlichen Schutzgewährung, wenn ihm - wie vor seiner Ausreise - nicht mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung in bestimmten Gebieten
seines Heimatlandes droht, auch wenn er in anderen Landesteilen nach diesem
Wahrscheinlichkeitsmaßstab mit politischer Verfolgung rechnen muß. Der
Heimatstaat des Asylbewerbers erfüllt seine Schutzpflichten ausreichend, wenn er
dem Asylbewerber ein verfolgungsfreies Leben in bestimmten Teilen des
Staatsgebietes ermöglicht. Wer den gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung
auch im eigenen Land finden kann, bedarf dieser Schutzgewährung im Ausland
nicht (BVerwG, 02.08.1983 - 9 C 599.81 -, a.a.O.). Dabei kommt es für die
Prognose im Hinblick auf die Rückkehr in das Heimatland nicht auf bestimmte Orte
oder Regionen des Heimatstaates an. Insoweit gibt es keine Grundlage für eine
lokale Zuordnung der zu prognostizierenden politischen Verfolgung zu einem
bestimmten Ort (BVerwG, 16.02.1993 - 9 C 31.92 -, a.a.O.). Ebenso wie es für die
staatliche Schutzgewährung vor der Ausreise ausreichend ist, daß der
Asylbewerber an seinem Aufenthaltsort unbeeinträchtigt von politischen
Verfolgungsmaßnahmen leben konnte, kann der unverfolgt ausgereiste
Asylbewerber ohne weitere Einschränkungen darauf verwiesen werden, in Gebiete
seines Heimatlandes zurückzukehren, in denen ihm politische Verfolgung nicht mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Schutzgewährung durch Asyl ist nicht schon
dann erforderlich, wenn ein Asylbewerber nicht im gesamten Gebiet seines
Heimatstaates verfolgungsfrei leben kann. Kann der Asylbewerber somit in einen
Teil seines Heimatlandes zurückkehren, in dem ihm politische Verfolgung nicht mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, ist ihm eine solche Rückkehr auch ohne
weitere Einschränkungen - umgesetzt in einen herabgestuften Prognosemaßstab -
zuzumuten. Eine möglicherweise drohende politische Verfolgung in anderen
Landesteilen führt wie bei der Beurteilung der Vorfluchtgründe nicht dazu, daß
deshalb der Prognosemaßstab der "hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung"
anzuwenden wäre.
Für die Entscheidung im vorliegenden Falle ist die Frage der Anwendung des
normalen oder des herabgestuften Prognosemaßstabes aber nicht erheblich, weil
der Beigeladene bei einer Rückkehr in den Süden und Westen seines
Heimatlandes, insbesondere in den Großraum Colombo, dort auch hinreichend
sicher vor politischer Verfolgung ist; damit steht auch fest, daß ihm nicht mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung dort droht.
1. Dies gilt zunächst für eine dem Beigeladenen als Mitglied der Gruppe der
tamilischen Volkszugehörigen drohende Gruppenverfolgung. Insoweit ist aber
festzustellen, daß Tamilen als Volksgruppe auf der Jaffna-Halbinsel politischer
Verfolgung durch den srilankischen Staat ausgesetzt sind. Allerdings besteht für
Tamilen, auch im Alter zwischen 11 und 35 Jahren, eine inländische
Fluchtalternative im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum
Colombo.
a) Dem Beigeladenen droht in seiner Heimatregion auf der Jaffna- Halbinsel
politische Verfolgung wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit sowohl in den
von der LTTE beherrschten als auch in den von den srilankischen Streitkräften
kontrollierten Gebieten durch an seine Volkszugehörigkeit anknüpfende Übergriffe
der srilankischen Regierungstruppen im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die
LTTE.
Dieser Beurteilung liegt zugrunde, daß der srilankische Staat auf der Jaffna-
Halbinsel nur in einigen Bereichen die Gebietsgewalt inne hat, sie aber im
überwiegenden Gebiet dort an die LTTE verloren hat. Dies beruht auf einer
Entwicklung, die sich seit etwa Ende 1984 vollzog. Bis dahin hatte der srilankische
Staat noch überwiegend die Herrschaftsmacht auf der Jaffna-Halbinsel, verlor aber
in der Folgezeit zunehmend die Möglichkeit der Durchsetzung seiner
Hoheitsgewalt. Dies war vor allem Folge der massiven Reaktion der srilankischen
Regierung auf eine am 19. November 1984 eröffnete Offensive der LTTE, vor allem
durch Razzien und Massenverhaftungen (10.; 11.). In der Folge kam es zu großen
Versorgungsschwierigkeiten; die Zivilverwaltung brach zusammen, auch die
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Versorgungsschwierigkeiten; die Zivilverwaltung brach zusammen, auch die
Gerichte arbeiteten vielfach nicht mehr. Als von Indien nach Vereinbarung eines
dreimonatigen Waffenstillstandes initiierte Verhandlungen zwischen Tamilen und
Singhalesen im August 1985 ergebnislos abgebrochen worden waren, flammten
die Kämpfe zwischen den srilankischen Streitkräften und tamilischen
Widerstandsgruppen, insbesondere der LTTE, wieder auf (13.). Insgesamt konnte
Ende 1985 wegen der zahlreichen Übergriffe beider kämpfenden Seiten sowie der
tatsächlich nicht mehr funktionierenden Zivilverwaltung und Rechtspflege von einer
Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung nicht mehr die Rede sein. Die
Staatsautorität war nur noch durch die Streitkräfte präsent (13.). Anfang 1986
verschärfte die srilankische Regierung den militärischen Kampf gegen die
tamilischen bewaffneten Gruppen durch erhebliche Aufrüstung der
Regierungstruppen im Norden und Osten Sri Lankas. Spätestens 1986 lag
jedenfalls die militärische Macht in weiten Teilen der Halbinsel Jaffna in der Hand
der LTTE, die zunehmend versuchte, zivile Verwaltungsaufgaben, die bis dahin zum
Teil noch von der Zentralregierung in Colombo wahrgenommen wurden, an sich zu
ziehen (15.). Die LTTE bemühte sich, neben dem paramilitärischen
Ordnungswesen eigenständig vor allem Steuerwesen, Rechtspflege und
Verkehrswege auf- und auszubauen und die Reste der alten staatlichen
Zentralverwaltung zu beherrschen (16.). Mitte 1987 kam es zu größeren
Säuberungsaktionen des Militärs auf der Halbinsel Jaffna, bei denen auch eine
größere Zahl von Zivilisten umkam (17.).
Am 29. Juli 1987 wurde ein Abkommen zwischen Sri Lanka und Indien geschlossen
(19.), durch das der Jaffna-Distrikt mit der Ostprovinz zu einer Verwaltungseinheit
vereinigt wurde, für die neue Provinzparlamente und Provinzräte gewählt werden
sollten und die größere autonome Kompetenzen haben sollte. Zudem war eine
Generalamnestie sämtlicher tamilischen Gefangenen vorgesehen, die auf der
Grundlage des Prevention of Terrorism Act - PTA - festgenommen waren, sowie die
Abgabe der Waffen durch die tamilischen Untergrundkämpfer. Zur Kontrolle der
Einhaltung des Abkommens wurden zunächst etwa 10.000 indische Soldaten auf
der Jaffna-Halbinsel stationiert (18.). Diese übten dort in der Folgezeit faktisch die
Gebietsgewalt statt des srilankischen Staates aus (32.); zu weiteren wesentlichen
Kampfmaßnahmen zwischen srilankischen Streitkräften und tamilischen
Untergrundgruppen kam es zunächst nicht mehr (18.). Allerdings führte die
Nichteinhaltung des Abkommens durch die LTTE, vor allem ihre Weigerung, die
Waffen abzugeben, zu militärischen Aktionen der indischen Truppen gegen die
LTTE insbesondere in der Stadt Jaffna selbst, in deren Verlauf die indischen
Truppen Jaffna eroberten. Eine endgültige Befriedung der Lage trat aber nicht ein,
da die LTTE mit etwa 5.000 bis 10.000 Mitgliedern stark genug blieb, weiterhin
Aktionen und Überfälle gegen die indischen Truppen zu organisieren (20.). Ende
1987 kam es wieder zu größeren Militäraktionen zwischen den auf fast 40.000
Mann angewachsenen indischen Streitkräften und der LTTE. Die Kämpfe forderten
auch erhebliche Opfer unter der Zivilbevölkerung, nach realistischen Schätzungen
etwa 8.000 bis 10.000 Tote (21.). Auch wenn im Frühjahr 1988 das tägliche Leben
auf der Jaffna-Halbinsel relativ beruhigt erschien, war es durch die schlechte
Versorgungslage und nächtliche Ausgangssperren erschwert (22.). Die
Truppenstärke der indischen Armee war nach offiziellen Angaben Mitte 1988 auf
75.000 Mann angestiegen, nach indischen Angaben auf 52.000 (25.); die Zahl der
kämpfenden Mitglieder der LTTE wurde zu dieser Zeit auf 2.000 Mann geschätzt,
nach indischen Angaben auf 5.000 Mann, nach anderen Einschätzungen noch
erheblich höher (23.). Es kam immer wieder zu Anschlägen der LTTE auf
Einrichtungen der indischen Streitkräfte, bei deren Vergeltungsaktionen zum Teil
auch unbeteiligte Zivilpersonen umkamen (24.). Auch wenn die indischen
Streitkräfte formell unter der Oberhoheit der srilankischen Regierung standen,
übten sie doch jedenfalls im Jaffna-Distrikt tatsächlich die Macht aus. Die in dem
oben genannten Abkommen vereinbarten Wahlen zu den Provinzräten, die dann
auch ihre Arbeit aufnahmen, konnten ordnungsgemäß durchgeführt werden (26.;
zweifelnd 29.). Anfang 1989 begann Indien auf Druck der srilankischen Regierung
mit dem Abzug seiner zu diesem Zeitpunkt etwa 60.000 Mann starken Truppen
(27.), der später nach ultimativer Forderung des srilankischen Staatspräsidenten
Premadasa vom 2. Juni 1989 und einer entsprechenden Abzugsvereinbarung
zwischen Indien und Sri Lanka vom 18. September 1989 (30.) verstärkt und bis
März 1990 abgeschlossen wurde (32.). Schon während der Zeit des Abzugs der
indischen Truppen, in der zwischen diesen und der LTTE weitgehend ein
Waffenstillstand eingehalten wurde, kam es zu schweren Kämpfen zwischen
verschiedenen Tamilenorganisationen, insbesondere der LTTE und der EPRLF im
Norden und Osten Sri Lankas um die Herrschaft (31.).
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Nach dem vollständigen Abzug der indischen Truppen rückte die LTTE in die
geräumten Gebiete ein (zu vorhergehenden erfolglosen Verhandlungen zwischen
Regierung und LTTE: 39.; zu den Umständen des erneuten Kampfbeginns: 50.),
übte dort die militärische Kontrolle ungehindert von der srilankischen Regierung
und eine "quasi-staatliche" Ordnungsfunktion (unter anderem Ausbau einer Polizei-
und einer Steuerverwaltung) aus (32.). Die LTTE übernahm im Frühjahr 1990 im
Norden und Nordosten Sri Lankas die "De-facto-Herrschaft" (34.). Danach kam es
wieder zu sich steigernden Auseinandersetzungen mit srilankischen Streitkräften
in diesen Gebieten, insbesondere durch Überfälle der LTTE auf Einrichtungen der
srilankischen Polizei und Armee (36.). Ende 1990 kontrollierten srilankische
Regierungstruppen nach Angaben des srilankischen Verteidigungsministeriums
nur noch 15 % der Jaffna- Halbinsel, wobei sich die effektive Gebietsgewalt im
wesentlichen auf die nähere Umgebung von Armeestützpunkten beschränkte
(40.). Auf der Jaffna-Halbinsel erreichte die LTTE als Ordnungsmacht eine
staatsähnliche Überlegenheit und später die fast alleinige umfassende
Gebietsgewalt über etwa 90 % der Jaffna- Halbinsel (40.; 42.; 44.; 47.; 49.). Die
LTTE übte in den Orten Einfluß durch Dorfräte aus, die unter anderem für die
Einziehung von Steuern verantwortlich waren und sind, und durch sogenannte
"vigilance groups", die das Eindringen srilankischer Truppen verhindern und die
Dorfbevölkerung kontrollieren sollen (45.). Die Ausreise aus Jaffna war und ist nur
mit einer (u. a. gegen hohe Geldbeträge) schwierig zu erhaltenden
Ausreisegenehmigung der LTTE möglich (43.; 46.). Auch im Laufe des Jahres 1991
gelang es der Armee nicht, unter der Gebietsgewalt der LTTE stehende Gebiete
dieser zu entreißen und dort auf Dauer wieder staatliche Macht auszuüben (51.). In
den wenigen von der LTTE nicht beherrschten Gebieten der Jaffna-Halbinsel
vermochte der srilankische Staat nur noch Verwaltungsfunktionen vor allem im
humanitären Bereich (Verteilung von Lebensmitteln) auszuüben. Im übrigen war
der Staat dort Kampfpartei ohne Ordnungsmachtfunktion. Auch nach Auflösung
des Provinzrates für die Nordost-Provinz durch den srilankischen
Staatspräsidenten Premadasa und der Begründung einer alleinigen
Verwaltungszuständigkeit des Provinzgouverneurs dominierte die LTTE das
öffentliche und private Leben der Jaffna-Halbinsel bis auf Teile der Orte
Kankesanthurai (Marine-Stützpunkt), Palali (Luftwaffen-Stützpunkt), Tellipallai und
Kopay sowie kleinere der Jaffna-Halbinsel vorgelagerte Inseln wie insbesondere
Kayts, Delft und Karaitivu, dort vor allem wegen des Marine-Stützpunktes
Karainagar. Allerdings wohnte dort kaum noch tamilische Zivilbevölkerung. Zudem
kontrollierte und kontrolliert die srilankische Armee den Elephant Paß, den einzigen
Landzugang über einen Deich zur Jaffna-Halbinsel. Die LTTE beherrschte aber
weiterhin die Verwaltung der Jaffna-Halbinsel einschließlich der von der
srilankischen Regierung eingesetzten und bezahlten Beamten, auch durch
Ernennung von Dorfvorstehern (52.). Alle Nicht-Tamilen hat die LTTE von der
Jaffna-Halbinsel vertrieben (63.).
Ab Mai 1992 versuchten die staatlichen Streitkräfte durch weitreichende
Militäraktionen, an denen Tausende von Soldaten teilnahmen, von der LTTE
kontrollierte Gebiete der Jaffna-Halbinsel wieder unter ihre Kontrolle zu bringen.
Dies gelang ihnen im Laufe des Sommers 1992 über die von ihnen schon
beherrschten, oben genannten Gebiete insbesondere um Marine- und
Luftwaffenstützpunkte hinaus vor allem im Süden der Halbinsel um Iyakachchi und
Mullivan. Der LTTE-Herrschaft entrissen wurden auch mehrere strategisch wichtige
Gebiete wie Zugänge zur Halbinsel Jaffna, in denen die Regierung versucht, wieder
eine zivile verwaltung aufzubauen (65.). Insgesamt aber stand die Jaffna- Halbinsel
auch 1992 nach wie vor ganz überwiegend unter Kontrolle der LTTE. Die
Regierungsverwaltung konnte und kann - vor allem zur Verteilung von
Versorgungsgütern - in den von der LTTE kontrollierten Gebieten weiterhin nur
insoweit tätig sein, wie die LTTE dies duldet (64.). Im Herbst 1992 wurden aufgrund
vermehrter Erfolge der LTTE der Vormarsch und weitere Gebietsgewinne der
Regierungstruppen zunächst gestoppt (66.). Bis Ende 1992 sollen die
Regierungstruppen höchstens ein Drittel der Jaffna- Halbinsel sowie die der
Halbinsel vorgelagerten Inseln unter ihre Kontrolle bekommen haben (68.). Daran
hat sich grundsätzlich auch im Frühjahr 1993 nichts geändert (74.). Auch Mitte
1993 kontrollierten die Sicherheitskräfte nur punktuell Gebiete auf der Jaffna-
Halbinsel wie den Flughafen Palali und den Hafen Kankesanthurai. Im übrigen ist
die Halbinsel, auch wenn die Streitkräfte zum Teil wieder an Boden gewonnen
haben sollen, unter Kontrolle der LTTE (14.06.1993, Hellmann-Rajanayagam an VG
Karlsruhe). Die LTTE übt weiterhin Polizeifunktionen im überwiegenden Teil der
Jaffna-Halbinsel, insbesondere auch in der Stadt Jaffna, aus, treibt Steuern ein und
betreibt weiterhin den Aufbau einer Justiz (73.). Insgesamt läßt sich feststellen, daß
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betreibt weiterhin den Aufbau einer Justiz (73.). Insgesamt läßt sich feststellen, daß
der srilankische Staat im weitaus größten Teil der Jaffna-Halbinsel keine
Gebietsgewalt inne hat, sondern dort versucht, die von der LTTE beherrschten
Gebiete mit militärischen Mitteln zurückzuerobern.
In den von der LTTE und auch in den von der srilankischen Armee beherrschten
Gebieten der Jaffna-Halbinsel droht einem tamilischen Volkszugehörigen politische
Verfolgung durch Handlungen der srilankischen Regierungstruppen, die dort mit
kriegerischen Mitteln gegen die LTTE kämpfen. Die die tamilische Zivilbevölkerung
in diesen Gebieten betreffenden Maßnahmen und Übergriffe der srilankischen
Regierungstruppen stellen sich nach den oben ausgeführten Grundsätzen als eine
Gruppenverfolgung der Tamilen in diesen Bereichen dar. Auf der Grundlage dieser
Kriterien ist festzustellen, daß die srilankischen Regierungstruppen die
Angehörigen der tamilischen Zivilbevölkerung unter Anknüpfung an ihre
Volkszugehörigkeit durch schwerwiegende Rechtsverletzungen verfolgen, die
gerade auch darauf ausgerichtet sind, die dort lebenden Tamilen wegen ihrer
Volkszugehörigkeit zu verfolgen. Freilich handelt es sich dabei in den von der LTTE
beherrschten Gebieten nicht um staatliche Verfolgung seitens der srilankischen
Zentralgewalt, da die Friedensordnung dort prinzipiell aufgehoben ist. Denn der
srilankische Staat hat dort - wie oben dargestellt - keine effektive Ordnungsmacht
mehr, weshalb er gegen die LTTE dort nur mit militärischen Mitteln vorgehen kann.
Militärische Maßnahmen, die der Rückeroberung eines Gebietes dienen, das zwar
de jure noch zum eigenen Staatsgebiet gehört, über das der Staat de facto die
Gebietsgewalt an die bekämpften Kräfte aber verloren hat, sind im allgemeinen
keine politische Verfolgung (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O.).
Auch wenn militärische Maßnahmen der staatlichen Zentralgewalt in dieser
Situation grundsätzlich nicht mehr den Charakter asylrechtlicher Verfolgung
haben, können sie doch asylrelevant sein, wenn sie über Handlungen
hinausgehen, die im Interesse der Wiederherstellung der staatlichen
Friedensordnung notwendig sind. Dies gilt vor allem, wenn die staatlichen Kräfte
den Kampf in einer Weise führen, die auf die physische Vernichtung von nach
asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personengruppen gerichtet ist, obwohl
diese keinen Widerstand leisten oder nicht am militärischen Geschehen beteiligt
sind. Diese Voraussetzungen sind nach Einschätzungen des Senats im
gegenwärtigen Zeitpunkt und für die voraussehbare Zukunft angesichts der Art
und Weise des militärischen Handelns der srilankischen Regierungstruppen in den
von der LTTE beherrschten Gebieten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu
bejahen. Die Aktionen der Streitkräfte sind jedenfalls seit Mitte 1990 bei einer
Vielzahl von Angriffen bewußt auch gegen die tamilische Zivilbevölkerung in diesen
Gebieten gerichtet. Zwar soll sich der Kampf nach wiederholten Erklärungen der
srilankischen Zivilregierung gegen die LTTE richten und die Zivilbevölkerung dabei
soweit wie möglich geschont werden (37.; 38.; 41.; 55.). Tatsächlich kommt es in
der Praxis aber in einer Vielzahl von Fällen zu gezielten Angriffen auf Zivilpersonen
(60.). Dabei werden auch ohne konkrete Anhaltspunkte für eine militärische
Stellung der LTTE wahllos zivile Objekte bombardiert (sogenannte "indiscriminate
bombings", 41.; 52.). Verluste unter der Zivilbevölkerung werden dabei so bewußt
und regelmäßig in Kauf genommen, daß zwischen Angriffen auf militärische und
zivile Ziele kaum noch zu unterscheiden ist (40.). Auch nach der Einnahme von
Orten kommt es öfters zu Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung, bis hin zu
Tötungen. Solche Übergriffe, die in ihrer Häufigkeit und Intensität vom
Kommandeur der jeweiligen Einheit abhängen, werden von der militärischen
Führung in der Regel hingenommen, um den Handlungsspielraum und die Moral
der einzelnen Einheiten nicht einzuengen oder zu schwächen (40.). Die von der
srilankischen Armee oft unter dem Vorwand der Bekämpfung der LTTE
vorgenommenen Aktionen, denen in einer Vielzahl von Fällen keine begründeten
Vermutungen für LTTE-Aktivitäten zugrundeliegen, dienen oft nur der
Einschüchterung und Abschreckung der tamilischen Zivilbevölkerung (45.). Zum
Teil werden zivile Ziele auch willkürlich angegriffen, oft aus Frustration über die
Unfähigkeit der Regierungstruppen, Stellungen der LTTE aufzuspüren und zu
zerstören (54.).
Insgesamt lassen die angeblich nur gegen vermutete LTTE-Ziele gerichteten
Angriffe ein hohes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber der Verletzung und auch
Tötung von Zivilpersonen erkennen. Die Streitkräfte nehmen in der Regel bewußt
das hohe Risiko in Kauf, unbeteiligte Zivilisten zu treffen. Dabei ist es durchaus
üblich, daß wahllos auf Menschenansammlungen geschossen wird in der Hoffnung,
ein LTTE-Kämpfer werde sich schon unter den Opfern befinden (55.). Auch wenn im
Einzelfall schwer auseinanderzuhalten sein mag, ob es tatsächlich begründete
Anhaltspunkte für LTTE-Aktivitäten gab oder diese nur willkürlich unterstellt wurden,
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84
Anhaltspunkte für LTTE-Aktivitäten gab oder diese nur willkürlich unterstellt wurden,
ist davon auszugehen, daß in einer Vielzahl von Fällen bewußt Opfer unter der
Zivilbevölkerung in Kauf genommen werden, und sei es nur, um militärische Macht
zu demonstrieren und so die Zivilbevölkerung von einer Unterstützung der LTTE
abzuhalten. Bei solchen Angriffen wurden Tempel, Kirchen, Schulen und auch
Krankenhäuser zerstört, die vor allem auch von den seit dem Mai 1992 wieder
aufgenommenen großflächigen Luftbombardements betroffen sind (65.). So
wurden etwa nach zuverlässigen Berichten am 18. Mai 1992 in einem Tempel im
Bezirk Mullaittivu 23 Zivilisten durch Granaten, die aus einem nahegelegenen
Militärcamp abgefeuert wurden, getötet und 30 verletzt (63.). Im Januar 1993 soll
es nach Darstellung der Gruppe "University teachers for human rights, Jaffna" zu
weiteren Bombardierungen ziviler Ziele auf der Halbinsel Jaffna, so unter anderem
einer Reismühle bei Vaddukoddai gekommen sein, in deren Nähe LTTE-
Angriffsziele nicht auszumachen gewesen sein sollen (74.). Auch bei seit Anfang
Mai 1993 verstärkten Aktionen der Armee im Norden Sri Lankas, bei denen die
Luftwaffe wieder in großem Umfange vermeintliche LTTE-Objekte bombardierte,
gab es wieder zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung (14.06.1993, Hellmann-
Rajanayagam an VG Karlsruhe). Insgesamt läßt sich aus den Berichten über die
große Zahl und die Art militärischer Angriffe der Streitkräfte auf zivile Ziele
entnehmen, daß es sich dabei nicht um zufällige oder nur gelegentlich der
gezielten Bekämpfung einer LTTE-Stellung vorgekommene Zerstörungen von
zivilen Objekten handelt, sondern daß diese Angriffe zu einem großen Teil bewußt
auch auf die Zivilbevölkerung zielen. Anders als bei den vereinzelt
bekanntgewordenen Massakern durch Soldaten an tamilischen Zivilpersonen, die
noch als exzeßhafte Einzelfälle beurteilt werden können, stellten sich die bewußte
Inkaufnahme von Opfern unter der Zivilbevölkerung bei Angriffen auf nur vage
vermutete LTTE-Stellungen und insbesondere die zum Teil wahllose
Bombardierung von Wohngebieten schon als eine Art üblicher Taktik zur
Einschüchterung der tamilischen Zivilbevölkerung unter anderem mit dem Ziel
dar, diese von einer Unterstützung der LTTE abzuhalten.
Die normativen Vorgaben durch die Zentralregierung und die Armeespitze zur
Schonung der Zivilbevölkerung werden offensichtlich in vielen Kampfsituationen
von den jeweiligen Truppenteilen nicht eingehalten. Zwar soll die Armee die
Zivilisten in der Regel vor Beginn einer Offensive zum Verlassen des Gebiets
auffordern. Solche Aufforderungen werden aber oft nicht bekannt, so daß Zivilisten
überrascht und durch Luftangriffe ohne Vorwarnung in Mitleidenschaft gezogen
werden. Zum anderen spricht für die Unwirksamkeit dieser "Vorwarnungen", daß
viele öffentliche Einrichtungen durch Militäraktionen getroffen werden. So sollen in
den nördlichen Gebieten von 500 Tempeln, die teilweise nur kleinere Gebäude
sind, die meisten schwerbeschädigt worden sein (67.). Zur Erklärung der vielen
zivilen Opfer wird auch auf die LTTE-Guerillataktik der "human shields" hingewiesen,
die darin besteht, militärisches Gerät oft in dicht besiedeltem Gebiet zu plazieren
und damit die umliegend wohnende Zivilbevölkerung als menschliche
Schutzschilde vor militärischen Angriffen der Regierungstruppen zu benutzen (51.).
Die Gefahr ziviler Schäden bestehe angesichts der Zielungenauigkeit von
Luftangriffen generell bei der Nachbarschaft von militärischen Objekten und
Bewegungen (62.). Bei der Bombardierung solcher Ziele kommt es oft zu einer
großen Zahl von Opfern unter den in der Nähe sich aufhaltenden Zivilpersonen
(51.; 61.). Auch bei den seit Mitte 1992 erstmals unter Einsatz von Panzern
verstärkt vorgetragenen Angriffen auf LTTE-Basen werden häufig auch zivile
Objekte getroffen (63.). Insgesamt ist bei Abwägung und Einbeziehung aller
genannten Berichte zugrunde zu legen, daß die militärischen Aktionen der
Streitkräfte der Zentralregierung in den von der LTTE beherrschten Gebieten nicht
allein unmittelbar auf die Bekämpfung dieser Organisation gerichtet sind, sondern
auch bewußt und in einer Vielzahl von Fällen zielgerichtet die Verletzung und
Tötung von Personen der Zivilbevölkerung in Kauf genommen wird, um dadurch
jedenfalls auch mittelbar - durch Abschreckung und Einschüchterung der
tamilischen Zivilbevölkerung - den militärischen Kampf gegen die LTTE zu
erleichtern. Dabei ist es für die Asylrelevanz dieser Kriegsführung nicht erforderlich,
daß sie auf die Zerstörung der Identität der gesamten der Gegenseite
zugerechneten Zivilbevölkerung ausgerichtet ist. Es ist insoweit schon asylrechtlich
erheblich, wenn von solchen Aktionen nur Teile dieser Zivilbevölkerung betroffen
sind, die - wie hier - nach asylerheblichen Merkmalen bestimmt sind (BVerwG,
27.01.1993 - 9 B 95.92 -).
Für diese Beurteilung maßgeblich sind nicht die subjektiven Gründe oder Motive
der handelnden Militärs, sondern die nach ihrem inhaltlichen Charakter erkennbare
Gerichtetheit der von den Streitkräften durchgeführten Aktionen (vgl. zu diesem
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Gerichtetheit der von den Streitkräften durchgeführten Aktionen (vgl. zu diesem
Kriterium der "Gerichtetheit" der asylrelevanten Maßnahme: BVerfG, 01.07.1987 -
2 BvR 478/86 -, a.a.O., 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 20.12.1989 - 2
BvR 958/86 -, BVerfGE 81, 142 = EZAR 200 Nr. 26). Damit ist eine objektivierte
Betrachtung der grundsätzlichen Zielrichtung der Aktionen der srilankischen
Streitkräfte erforderlich. Aus der Sicht eines objektiven Dritten stellen sich die
Aktionen der srilankischen Streitkräfte als in erheblichem Umfange auch gegen die
tamilische Zivilbevölkerung gerichtet dar. Dabei trägt die große Zahl von
Zerstörungen ziviler Objekte und von Opfern unter der Zivilbevölkerung im
Vergleich zu dem Vorgehen der srilankischen Armee im Osten, in dem die
verschiedenen Volksgruppen Singhalesen, Tamilen und Moors (Muslime)
zusammenleben, zu der Einschätzung bei, daß diese Vorgehensweise gerade auch
deshalb erfolgt, weil es sich bei der Zivilbevölkerung praktisch ausschließlich um
Tamilen handelt. Im Osten machen die Regierungstruppen von Bombardierungen
und Flächenbeschuß mit Granaten offensichtlich deshalb nicht Gebrauch, um in
der gemischten ethnischen Besiedlung nicht auch Angehörige der
Bevölkerungsgruppen der Singhalesen und Moors zu treffen (74.). Auf der Jaffna-
Halbinsel werden dagegen zum Teil nur vage vermutete LTTE-Objekte von den
Streitkräften auch dann angegriffen, wenn die Verletzung oder Tötung unbeteiligter
Zivilpersonen zu befürchten ist (55.).
Die nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahmen der Streitkräfte an die
tamilische Volkszugehörigkeit der Zivilbevölkerung anknüpfende Verfolgung wird
durch die Zentralregierung stillschweigend geduldet bzw. billigend in Kauf
genommen und ist ihr deshalb als unmittelbare staatliche Verfolgung
zuzurechnen. Zwar setzt die srilankische Regierung bei spektakulären Übergriffen,
insbesondere bei Massakern durch einzelne Truppenteile,
Untersuchungskommissionen ein, zum Teil erfolgt auch eine offizielle
Entschuldigung der zivilen Regierungstruppen für die Zerstörung ziviler Objekte
(65.; 67.). Allerdings handelt es sich dabei nur um einzelne
Aufklärungsanstrengungen seitens der Regierung, über deren Konsequenzen in
Form von Sanktionen gegenüber Militärpersonen in größerem Umfang nichts
bekannt geworden ist (52.). Die strafrechtliche Verfolgung von Übergriffen durch
Armeeangehörige bleibt die Ausnahme. So wurden im März 1993 "erstmals seit
mehreren Jahren" 23 Soldaten wegen der Tötung von 35 tamilischen Zivilisten
angeklagt, die zur Vergeltung für die Tötung hoher Offiziere bei einer
Minenexplosion, die von tamilischen Rebellen ausgelöst worden sein soll, die Morde
an Zivilpersonen begangen hatten (72.). Gegen die Bewertung der militärischen
Aktionen gegen die tamilische Zivilbevölkerung auf der Jaffna-Halbinsel als
politische Verfolgung spricht auch nicht, daß die Zentralregierung auf der anderen
Seite versucht, die Lage der tamilischen Bevölkerung dort zu verbessern, indem
sie Lebensmittellieferungen aus dem Süden des Landes - zum Teil unter dem
Schutz internationaler Hilfsorganisationen - organisiert und auch die
medikamentöse Versorgung zuläßt, soweit es sich dabei nicht um militärisch
verwertbare Güter handelt (62.; 63.; 73.). Der srilankische Staat stellt sich insofern
als ein "mehrgesichtiger" Staat dar, der die Einheit seines Staatsgebiets dadurch
zu erhalten versucht, daß er einer Bevölkerungsminderheit grundsätzlich hilft,
überhaupt das Existenzminimum sichern zu können, andererseits es aber zuläßt,
daß durch Aktionen der unter eigener Verantwortung operierenden Militärkräfte die
tamilische Zivilbevölkerung zur Abschreckung vor der Unterstützung terroristischer
Organisationen wie der LTTE und zur generellen Einschüchterung unter "den Druck
brutaler Gewalt" gesetzt wird.
Auch soweit die srilankische Zentralgewalt in einem kleinen Teil der Jaffna-Halbinsel
die Gebietsgewalt durch die Regierungstruppen aufgrund militärischer
Machtausübung innehat, kann sie sich dort nicht als effektive innere
Ordnungsmacht im zivilen Bereich entfalten, sondern ist auch dort im wesentlichen
nur als militärisch kämpfende Bürgerkriegspartei präsent (vgl. zu dieser
Einschätzung allgemein: BVerwG, 13.05.1993 - 9 C 59.92 -). In den von der
srilankischen Zentralgewalt durch die Regierungstruppen beherrschten bzw.
kontrollierten Gebieten insbesondere um den Marine-Stützpunkt Kankesanthurai,
den Luftwaffenstützpunkt Palali sowie die Orte Tellipallai, Kopay und die der Jaffna-
Halbinsel vorgelagerten Inseln Kayts, Delft und Karaitivu kommt es nach den oben
genannten Berichten zur Abwehr vermuteter LTTE- Angriffe ebenso zu gezielten
Angriffen auf die Zivilbevölkerung wie bei Aktionen der Streitkräfte in von der LTTE
beherrschten Gebieten. Dies belegen die oben genannten Berichte, nach denen
Opfer unter der Zivilbevölkerung auch aufgrund von Angriffen aus Militärlagern der
Regierungsstreitkräfte hinaus zu beklagen sind, bei denen offenbar auch bewußt
Verluste unter der Zivilbevölkerung in Kauf genommen wurden. Soweit die
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Verluste unter der Zivilbevölkerung in Kauf genommen wurden. Soweit die
Regierungstruppen zur Abwehr von LTTE-Angriffen auf von ihnen kontrollierte
Gebiete in der oben beschriebenen Weise Übergriffe auf die Zivilbevölkerung
vornehmen, um diese dadurch insbesondere einzuschüchtern und von einer
Unterstützung angreifender oder einsickernder LTTE-Trupps abzuhalten, stellt dies
dort, wo sie staatliche Gewalt tatsächlich noch ausüben können und soweit sie dort
nicht nur als kämpfende Kriegspartei auftreten, der srilankischen Zentralgewalt
zuzurechnende politische Verfolgung durch den Staat Sri Lanka dar. Soweit der
Staat seine Gebietsgewalt prinzipiell wiedererlangt, entsteht damit erneut auch
wieder die Möglichkeit asylrelevanter staatlicher Verfolgung (BVerwG, 08.09.1992 -
9 C 62.91 -).
Der Gegenterror durch die Angriffe der Regierungstruppen, die die Zivilbevölkerung
mit gezielten Angriffen unter den Druck brutaler Gewalt setzen, ist auch ein
konkretes asylrelevantes Geschehen und nicht nur ein vorübergehender, nicht
faßbarer Stand in einem ständig wechselnden Kriegsgeschehen. Zwar ist der
ständige Wechsel der Situation als Element und Bestandteil einer kriegerischen
Auseinandersetzung nicht ein jeweils neu entstandenes Ereignis im Sinne eines
Nachfluchttatbestandes. Einen Nachfluchttatbestand stellt aber ein als
herausragendes Ereignis faßbares Geschehen dar, das eine grundlegende
Änderung eines vorherigen Zustandes darstellt und damit als ein eigenständig
faßbares, als objektiver Nachfluchttatbestand zu qualifizierendes Geschehnis zu
beurteilen ist (BVerwG, 13.05.1993 - 9 C 59.92 -). Dieses konkret faßbare
asylrelevante Geschehen liegt hier in dem verstärkt und gezielt auf die
Zivilbevölkerung ausgerichteten Vorgehen der Regierungsstreitkräfte nach dem
Abzug der indischen Truppen im Kampf gegen die LTTE seit etwa Mitte 1990. Die
bewußt auch gegen die Zivilbevölkerung gerichteten Aktionen stellten eine neue
Dimension der Kriegsführung der Regierungsstreitkräfte dar, durch die als
flankierende Maßnahmen zu dem direkten Kampf gegen die LTTE die tamilische
Zivilbevölkerung mit brutaler Gewalt unter Druck gesetzt werden sollte, der LTTE
keinen Schutz zu gewähren und sie nicht zu unterstützen. Diese in großem
Umfang durch untergeordnete Truppenteile angewandte Taktik ist als solche
unverändert geblieben, unabhängig davon, wie der Stand des Kriegsgeschehens
im Hinblick auf den Grad der Überlegenheit der einzelnen Kriegspartei in Ansehung
von Geländegewinn oder Beherrschung von Gebietsteilen zu qualifizieren ist.
Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, daß einem tamilischen
Volkszugehörigen auf der Jaffna-Halbinsel mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
politische Verfolgung durch Aktionen der Streitkräfte sowohl in den von der LTTE
beherrschten Gebieten als auch in den von den Regierungstruppen kontrollierten
Bereichen droht, da Angriffe der Regierungstruppen gezielt auch die
Zivilbevölkerung in Anknüpfung an ihre tamilische Volkszugehörigkeit wahllos
treffen, um diese von einer gerade aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit für möglich
gehaltenen Unterstützung der LTTE abzuhalten.
b) Ein tamilischer Volkszugehöriger kann aber nach Sri Lanka zurückkehren, ohne
daß ihm dort politische Verfolgung droht, wenn er sich im Süden und Westen des
Landes, insbesondere im Großraum Colombo und Umgebung, niederläßt. In
diesem Gebiet besteht für ihn eine inländische Fluchtalternative, da er dort
hinreichend sicher vor staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ist, die wegen ihrer
Intensität und Zielgerichtetheit unter Anknüpfung an ein asylrelevantes Merkmal
politische Verfolgung darstellen könnten. Dort ist er auch nicht einer anderen
existentiellen Gefährdung ausgesetzt, die so in seiner Heimatregion nicht
bestünde.
Eine inländische Fluchtalternative besteht dann, wenn ein nur regional von
politischer Verfolgung betroffener Asylbewerber in anderen Teilen seines
Heimatstaates, in denen ihm politische Verfolgung mit hinreichender Sicherheit
nicht droht, eine zumutbare Zuflucht finden kann (BVerwG, 14.08.1981 - 9 B
1307.80 -, EZAR 200 Nr. 5). Die Zumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative
setzt voraus, daß der Ausländer am Ort der möglichen Fluchtalternative politische
Verfolgungsmaßnahmen nicht begründet befürchten muß. Zu dem asylrechtlich
geschützten Bereich der persönlichen Freiheit gehören dabei auch die Rechte auf
freie Religionsausübung und ungehinderte berufliche und wirtschaftliche
Betätigung. Die Beeinträchtigung dieser Rechte kann einen Asylanspruch
begründen, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde
verletzt und über das hinausgeht, was die Bewohner des Heimatstaates aufgrund
des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerwG,
15.02.1984 - 9 CB 191.83 -, EZAR 203 Nr. 2). Unabhängig von politischer
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15.02.1984 - 9 CB 191.83 -, EZAR 203 Nr. 2). Unabhängig von politischer
Verfolgung drohende Gefährdungen am Ort der inländischen Fluchtalternative sind
grundsätzlich asylirrelevant, es sei denn, der Ausländer gerät am Ort der
inländischen Fluchtalternative in eine wirtschaftliche Notlage, in der ihm kaum
mehr als das zum Leben unbedingt Notwendige gesichert ist (BVerwG, 06.10.1987
- 9 C 13.87 -, EZAR 203 Nr. 4). Insoweit kommt es darauf an, ob dem Asylbewerber
am Ort einer möglichen Fluchtalternative bei generalisierender Betrachtung mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum
droht, das zu Hunger, Elend und schließlich zum Tode führt (BVerwG, 16.06.1988 -
9 C 1.88 -, InfAuslR 1989, 107). Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, der insoweit nach Auffassung des
Bundesverwaltungsgerichts Bindungswirkung im Sinne des § 31 BVerfGG zukommt
(BVerwG, 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, a.a.O.), setzt die inländische Fluchtalternative
voraus, daß der Asylbewerber in den in Betracht kommenden Gebieten vor
politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls auch dort keine
anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere
einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen
gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht
bestünde (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O., 10.11.1989 - 2 BvR
403/84 u. a. -, a.a.O.). Zu diesen existentiellen Gefährdungen können vor allem die
nicht mögliche Wahrung eines religiösen (BVerfG, 30.12.1991 - 2 BvR 406/91 -,
InfAuslR 1992, 219) oder wirtschaftlichen Existenzminimums gehören (BVerwG,
15.05.1990 - 9 C 17.89 -, a.a.O.). Für die Feststellung einer existentiellen
Gefährdung des Asylbewerbers auch am Ort der inländischen Fluchtalternative
reicht nicht die Möglichkeit einer solchen Gefährdung aus, sondern es muß mit
dem nach dem allgemeinen Prognosemaßstab für die Nachfluchtgründe
notwendigen Überzeugungsgrad festgestellt werden, daß dem Asylbewerber dort
ein Leben unter dem Existenzminimum droht, das jedenfalls zu einer
verfolgungsunabhängigen wirtschaftlichen Verelendung führt (BVerwG, 06.10.1987
- 9 C 13.87 -, a.a.O.). Beeinträchtigungen des Rechts auf ungehinderte berufliche
und wirtschaftliche Betätigungen, die die Wahrung eines wirtschaftlichen
Existenzminimums verhindern, sind nur dann nicht hinzunehmen, wenn sie so
erheblich sind, daß sie sich als Eingriff in die Menschenwürde darstellen (BVerfG,
02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u. a. -, a.a.O.; BVerwG, 23.11.1982 - 9 C 844.80 -, DÖV
1983, 206). Beschränkungen der Erwerbstätigkeit sind demnach erst asylerheblich,
wenn sie die wirtschaftliche Existenz bedrohen und jenes Existenzminimum nicht
mehr gewährleisten, das ein menschenwürdiges Dasein erst ausmacht (BVerwG,
30.04.1991 - 9 C 105.90 -). Dies kann außer bei der Vernichtung der
wirtschaftlichen Existenz nur zugrunde gelegt werden, wenn gravierende
Beeinträchtigungen der beruflichen Betätigung die Menschenwürde verletzen
(BVerwG, 20.10.1987 - 9 C 42.87 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 75). Liegt die
Voraussetzung einer existentiellen Gefährdung am Ort der inländischen
Fluchtalternative vor, kommt es nicht mehr darauf an, ob eine staatliche
Verantwortlichkeit für das Fehlen eines wirtschaftlichen oder religiösen
Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative zu bejahen ist
(BVerfG, 30.12.1991 - 2 BvR 406/91 u. a. -, a.a.O.).
Junge Tamilen können den Ort der inländischen Fluchtalternative, das Gebiet im
Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere den Großraum Colombo und
Umgebung, auch bei der Einreise über den Flughafen Colombo erreichen, ohne auf
dem Weg dorthin und dort politischer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Sie
unterliegen allerdings Kontrollen durch die Sicherheitskräfte auf dem Flughafen
Katunayake, über den aus Deutschland abgeschobene srilankische
Staatsangehörige in ihr Heimatland zurückkehren. Die Kriminalpolizei (Criminal
Investigation Department - CID -) führt dort Routine- und Verdachtskontrollen
durch. Insbesondere nach Attentaten, als deren Urheber die LTTE vermutet wird,
werden vor allem junge Tamilen zwischen etwa 11 und 36 Jahren, die keinen
ständigen Wohnsitz im Süden und Westen Sri Lankas haben, erkennungsdienstlich
behandelt, um feststellen zu können, ob es sich um LTTE-Unterstützer handelt
(51.). Es kommt in der Regel zu unregelmäßigen Kontrollen von aus dem Westen
einreisenden Tamilen. Dabei ist die Gefahr, sich einem Verhör unterziehen zu
müssen oder vorübergehend festgenommen zu werden - wobei bei der Anordnung
dieser Maßnahmen ein gewisses Maß an Willkür festzustellen ist -, zwar nicht
ausgeschlossen. Es kann aber nicht zugrundegelegt werden, daß aus dem Westen
einreisende Tamilen grundsätzlich mit einer Verhaftung rechnen müssen (65.).
Auch wenn Festnahmen junger Tamilen im genannten Alter insbesondere zur
erkennungsdienstlichen Behandlung vorkommen (68.), ist in einer solchen
Kontrollmaßnahme der Sicherheitsbehörden auf dem Flughafen Colombo schon
unter dem Gesichtspunkt der Intensität kein asylrelevanter Eingriff zu sehen. Im
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unter dem Gesichtspunkt der Intensität kein asylrelevanter Eingriff zu sehen. Im
übrigen stellen sich diese Kontrollen als vorbeugende Fahndungsmaßnahmen im
Rahmen der Bekämpfung der mit terroristischen Mitteln operierenden LTTE dar.
Insoweit handelt es sich um eine anlaßbezogene und auch präventiv dem Schutz
der Rechtsgüter der srilankischen Bürger dienende Sicherheitsmaßnahme, die
nach der erkennbaren Gerichtetheit nicht allein wegen eines asylrelevanten
Merkmals erfolgt. Soweit darüber berichtet wird, daß die Gefahr einer
vorübergehenden Verhaftung oder eines Verhörs bestehe (52.), kann daraus nicht
entnommen werden, daß die realistische Möglichkeit einer willkürlichen längeren
Verhaftung und von asylrelevanten Eingriffen wie Mißhandlungen und ähnlichem
unter Anknüpfung an die tamilische Volkszugehörigkeit und as Alter des
Einreisenden besteht.
Ein srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit, der nach der
Einreise sich im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum
Colombo und Umgebung, niederläßt, hat grundsätzlich die Möglichkeit, dort, wenn
auch unter bescheidenen Verhältnissen, verfolgungsfrei zu leben. Es finden dort
allerdings häufig sogenannte "screening actions" (Überprüfungsaktionen) statt, die
unter erkennungsdienstlicher Behandlung von verdächtigen Personen der
Feststellung der Identität, des Wohnortes, des Arbeitsplatzes u. ä. dienen. Die im
Rahmen solcher Fahndungsaktionen vorläufig festgenommenen Personen werden
zum größten Teil nach kurzer Zeit wieder freigelassen (51.; 67.). Dies gilt auch für
die den "screening actions" häufig vorausgehenden Razzien, bei denen die nach
bestimmten Kriterien besonders verdächtigen Personen, die einem "screening"
und Verhör unterzogen werden sollen, aussortiert werden. Betroffene von Razzien
können bei der Fahndung nach LTTE-Kämpfern alle jüngeren, männlichen und
weiblichen Tamilen im oben genannten kampffähigen Alter zwischen 11 und 36
Jahren sein (56.). Inhaftierungen erfolgen aber nur, wenn objektive Anhaltspunkte
für die Unterstützung von an Gewalttaten beteiligten Personen bestehen (51.).
Razzien zur Aufspürung von LTTE-Aktivisten im Süden werden meist nur aufgrund
konkreten Anlasses durchgeführt. Dabei werden kurzfristige Festnahmen (für ein
bis zwei Tage) vorgenommen. Fast alle Festgenommenen - etwa 90 % - werden
nach dem screening wieder freigelassen (64.; 52.; 60.; 71.).
Vorläufig festgenommen werden bei Razzien insbesondere junge Tamilen, die
keinen "valid reason" haben, sich im Großraum Colombo aufzuhalten,
insbesondere weil sie dort wohnen, arbeiten oder im Familienverband leben (65.).
Ein solcher Grund kann auch darin liegen, daß der Betroffene nicht "registriert" ist.
Mitte 1991 und Anfang 1992 hat das srilankische Verteidigungsministerium alle
nicht dauernd im Süden lebenden Personen, die sich außerhalb von
Flüchtlingslagern aufhielten, aufgerufen, sich registrieren zu lassen (60.). Die
Registrierung stellt mittelbar gleichzeitig einen Schutz gegen das Risiko einer
Verhaftung bei Razzien dar, die insbesondere junge Tamilen betreffen (64.). Eine
größere Zahl von Einzelfällen längerer Verhaftung im Südwesten und Süden Sri
Lankas ist informierten Berichterstattern 1992 nicht bekannt geworden (67.).
Gezielte Einzelverhaftungen dienen oft nur der Erpressung von Lösegeld von
Angehörigen der Verhafteten, die dann nach Zahlung des Lösegeldes nach
wenigen Tagen wieder freigelassen werden. Belegte Fälle von Folterungen aus
Europa zurückgekehrter Tamilen sind nach den vorliegenden Berichten nicht
ersichtlich, auch wenn Folterungen von der LTTE- Unterstützung oder
Mitgliedschaft konkret verdächtiger Tamilen im kampffähigen Alter nicht ganz
auszuschließen sind (52.).
Insgesamt ist festzustellen, daß sich die allgemeine Sicherheitslage im Süden seit
Mitte 1992 deutlich entspannt hat (65.). Menschenrechtsverletzungen sind im
Süden deutlich weniger zahlreich, als dies für den Osten und Norden Sri Lankas
festzustellen ist; zwar besteht noch das Risiko einer Folterung bei einer
Inhaftierung, aber der Gebrauch der Folter bei Internierung hat sich erheblich
reduziert (71.). Wegen der günstigeren Sicherheitslage in und um Colombo ist seit
1992 eine deutliche Verbesserung der Menschenrechtsbeachtung dort eingetreten
(64.). Die knapp 300.000 im Großraum Colombo lebenden Tamilen, die dort etwa
30 % der Bevölkerung ausmachen, leben dort aufgrund der allgemein erheblichen
Verbesserung der Menschenrechtssituation im allgemeinen unbehelligt (66.). Über
Fahndungsmaßnahmen gegen zurückkehrende Tamilen ist konkret nichts bekannt
geworden. Eine Reihe von Asylberechtigten, die sich zum Urlaub in Colombo
aufgehalten haben, konnten dort ohne Beeinträchtigung leben (62.). Auch junge
Tamilen, die mit einer deutschen Aufenthaltsbefugnis zum Urlaub nach Sri Lanka
gereist sind und sich dort bei der Polizei gemeldet haben, haben bei der
Deutschen Botschaft angegeben, daß sie keinerlei Schwierigkeiten bei Einreise und
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Deutschen Botschaft angegeben, daß sie keinerlei Schwierigkeiten bei Einreise und
Aufenthalt im Großraum Colombo gehabt hätten. Auch an die Stellung eines
Asylantrages in Deutschland werden keine nachteiligen Folgen durch Behörden Sri
Lankas geknüpft. Dies entspricht der Einschätzung auch anderer westlicher
Botschaften und des UNHCR in Colombo (64.). Ähnlich stellt sich auch die
Sicherheitslage für die aus Indien zurückkehrenden Tamilen dar; bei 27.000
Rückkehrern sind nur 16 Fälle von Verhaftungen junger Tamilen wegen
mutmaßlicher LTTE-Mitgliedschaft bekannt geworden, die alle wieder freigelassen
wurden (66.). Auch wenn es gelegentlich zu Razzien, anschließenden Screenings
und gegebenenfalls kurzfristigen Festnahmen vor allem junger männlicher Tamilen
zwischen 11 und 36 Jahren auch im Großraum Colombo kommt, ist doch
insgesamt festzustellen, daß seit Ende 1991 in diesem Gebiet die Sicherheitslage
und auch die Menschenrechtssituation sich so verbessert haben, daß für dorthin
aus Europa zurückkehrende und sich dort aufhaltende junge Tamilen eine "relative
Sicherheit" besteht (54.). Darauf deutet auch hin, daß amnesty international aus
dem Süden Sri Lankas im Verlauf des Jahres 1992 kein Fall eines langfristigen
"Verschwindens" gemeldet wurde, auch wenn es nach wie vor immer noch illegale
Festnahmen gibt, durch die Folter und Mißhandlung erleichtert werden (Januar
1993, amnesty international: Sri Lanka - Bewertung der Menschenrechtslage).
Auch wenn immer noch tausende politische Häftlinge ohne Gerichtsverfahren
inhaftiert waren, ging ihre Zahl 1992 doch deutlich zurück. Bis Ende 1992 sollen
fast 5.000 politische Häftlinge freigelassen worden sein, fast ebenso viele sollen
sich aber noch in Inhaftierungslagern, Gefängnissen, Polizeigewahrsam und
Rehabilitationslagern befunden haben (Januar 1993, amnesty international: Sri
Lanka - Bewertung der Menschenrechtslage).
Daran hat sich durch die jüngste Entwicklung seit der Ermordung des srilankischen
Präsidenten Premadasa am 1. Mai 1993 nichts Grundlegendes geändert. Auch
wenn die Polizei zunächst die LTTE trotz ihres Dementis als Hauptverdächtige für
das Attentat betrachtete, sind doch keinerlei nennenswerte Übergriffe auf Tamilen
jedenfalls im Süden Sri Lankas und insbesondere im Großraum Colombo bekannt
geworden. Der damals amtierende Präsident Wijetunga versprach der tamilischen
Minderheit sofort nach dem Attentat Schutz (05.05.1993, SZ: Polizei identifiziert
Tamilen als Attentäter). Das Verteidigungsministerium verhängte zur Vermeidung
möglicher Übergriffe auf Angehörige der tamilischen Minderheit ein Ausgehverbot
(73.). Der dann zum neuen Staatspräsidenten gewählte Präsident Wijetunga stellte
in der Folgezeit vielmehr fest, daß es keinen Hinweis dafür gebe, daß die LTTE für
das Attentat auf Premadasa verantwortlich sei. Der Übergang zum neuen
Präsidenten verlief ohne Übergriffe auf Tamilen trotz gewisser Bezichtigungen
durch die staatlichen Medien unerwartet ruhig, was auch darauf zurückgeführt
wurde, daß nur wenige Singhalesen glaubten, die LTTE sei für dieses Attentat
verantwortlich gewesen (74.). Zu Vergeltungsangriffen auf Tamilen kam es nach
dem Anschlag, der von einigen Seiten auch oppositionellen singhalesischen
Kreisen angelastet wurde, nicht. Ende Mai wurde allerdings darüber berichtet, daß
etwa 500 Tamilen verhaftet worden seien, weil angeblich ihre Papiere nicht in
Ordnung seien. Größere Gefahr für Leib und Leben von Tamilen besteht aber Mitte
1993 in den singhalesischen Gebieten nicht. Die Situation der Tamilen ist im
Süden und vor allem im Raum Colombo im allgemeinen zufriedenstellend.
Insgesamt ist zugrunde zu legen, daß die Regierung durchaus die Macht besitzt,
Vergeltungsmaßnahmen zu verhindern, und dieses auch nach den letzten
Anschlägen erfolgreich getan hat (14.06.1993, Hellmann-Rajanayagam an VG
Karlsruhe).
Aufgrund der dargestellten allgemeinen Sicherheitslage im Süden und Westen Sri
Lankas, insbesondere unter Berücksichtigung der Ermittlungsmaßnahmen der
Sicherheitskräfte, ist insgesamt festzustellen, daß ein nach Sri Lanka
zurückkehrender Tamile, auch im Alter zwischen 11 und 36 Jahren, vor politischer
Verfolgung in diesem Gebiet einer inländischen Fluchtalternative hinreichend
sicher ist. Soweit ein junger Tamile oder eine junge Tamilin dort allein wegen ihrer
Volkszugehörigkeit und ihres Alters einen Eingriff in das Rechtsgut der
persönlichen Freiheit dadurch zu gewärtigen haben, daß sie bei Razzien, die - wie
oben dargestellt - in letzter Zeit, das heißt insbesondere seit 1992, jedenfalls nur
noch aus Anlaß bestimmter sicherheitsrelevanter Vorkommnisse, wie
insbesondere Attentaten und ähnlichem, stattfinden, aufgegriffen wird und im
Wege des sogenannten "screening" erkennungsdienstlich behandelt wird, handelt
es sich um grundsätzlich verhältnismäßige Maßnahmen zur Bekämpfung
terroristischer Organisationen, insbesondere der LTTE. Solche Maßnahmen
knüpfen nach ihrer objektiv erkennbaren Gerichtetheit nicht willkürlich an
asylrelevante Merkmale der Volkszugehörigkeit und Zugehörigkeit zu einer
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asylrelevante Merkmale der Volkszugehörigkeit und Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Altersgruppe an, sondern dienen anlaßbezogen dem
Rechtsgüterschutz in einer Weise, die der Staatenpraxis geläufig ist (vgl. zu
diesem Kriterium allgemein: BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a.a.O.).
Diese Maßnahmen sind objektiv nicht auf die Verfolgung dieser Tamilen wegen
ihrer Volkszugehörigkeit und ihres Alters gerichtet, sondern auf die Verhinderung
terroristischer Taten, durch die Rechtsgüter der Bürger des srilankischen Staates,
insbesondere Leben und Gesundheit, verletzt werden. Da solche Taten - vor allem
Attentate - insbesondere durch die LTTE begangen werden, die sich ausschließlich
aus jungen Tamilen im Alter zwischen 11 und 36 Jahren rekrutiert, müssen
Fahndungsmaßnahmen wie Razzien und screenings anläßlich von Gewalttaten, als
deren Urheber auch terroristische Organisationen wie vor allem die LTTE in
Betracht kommen, zwar an diese Merkmale Volkszugehörigkeit und Alter
anknüpfen, sie sind aber nicht auf diese Merkmale in dem Sinne gerichtet, daß sie
allein wegen dieser Kriterien erfolgen. Diese Ermittlungsaktionen werden
grundsätzlich zur Aufklärung und Prävention weiterer Straftaten durchgeführt,
richten sich also auf an objektive Umstände anknüpfende Kriterien (vgl. dazu
grundsätzlich BVerfG, 20.12.1989 - 2 BvR 958/86 u. a. -, a.a.O.). Insoweit ist auch
nicht festzustellen, daß die von Razzien und screenings Betroffenen, soweit sie zu
etwa 90 % kurzfristig, das heißt in einem Zeitraum von bis zu ein oder zwei Tagen
freigelassen werden, einer härteren Behandlung unterlägen, als dies sonst in Sri
Lanka bei der Verfolgung von Taten vergleichbarer Gefährlichkeit üblich ist.
Soweit es bei etwa 10 % der vorläufig Festgenommenen zu längeren
Inhaftierungen kommt, beruht dies in der Regel - wie oben dargestellt - darauf, daß
es konkrete Anhaltspunkte für eine aktive Unterstützung von Organisationen gibt,
die terroristische Straftaten begehen. Einzelfälle längerer Inhaftierungen - zum Teil
sind solche, wie oben dargelegt, auch landeskundigen Sachverständigen in
jüngerer Zeit nicht bekannt geworden (67.) - erfolgen nach den oben genannten
Erkenntnissen grundsätzlich nur bei Vorliegen zusätzlicher Verdachtsmomente,
die auf eine Unterstützung terroristischer Gruppen wie der LTTE hindeuten.
Insoweit knüpft die Verfolgungsmaßnahme nicht maßgeblich an die
Volkszugehörigkeit und das Alter eines jungen Tamilen an, sondern an weitere
zusätzliche Gesichtspunkte, die aufgrund konkreter weiterer Anhaltspunkte
individuell in seiner Person begründet sind, wie vorliegenden Erkenntnissen der
Sicherheitsbehörden über Verbindungen der festgenommenen Personen zur LTTE
in Sri Lanka oder auch durch exilpolitische Tätigkeit. Die in der Maßnahme objektiv
erkennbar werdende Anknüpfung (so die Konkretisierung der "Gerichtetheit" der
Maßnahme durch BVerwG, 20.11.1990 - 9 C 74.90 -, a.a.O.) bezieht sich auf den
konkreten Verdacht der LTTE-Unterstützung, nicht aber auf die asylrelevanten
Merkmale Volkszugehörigkeit und Alter an sich.
Um politische Verfolgung kann es sich allerdings in den Fällen handeln, in denen
Festgenommene durch Schläge mißhandelt und sogar in Einzelfällen gefoltert
werden. Zwar soll die srilankische Polizei auch bei "normalen" kriminellen Delikten
wie zum Beispiel Diebstahl routinemäßig prügeln (63.; 69.). Es bestehen aber
deutliche Hinweise dafür, daß gerade die konkret der LTTE- Unterstützung
verdächtigen Tamilen weit über die "üblichen" Mißhandlungen hinausgehenden
Folter-Methoden ausgesetzt sind, die entscheidend durch das von den
Sicherheitskräften angenommene Eintreten für die politischen Ziele der LTTE
bedingt sind (71.). Diese Verfolgungsmaßnahmen gehen über die zum
Rechtsgüterschutz notwendige und bei vergleichbaren Taten übliche Behandlung
von Inhaftierten hinaus und zielen unmittelbar auch auf die der vorgeworfenen Tat
zugrundeliegende politische Überzeugung des Verdächtigen. Diese deshalb als
politische Verfolgung zu charakterisierenden Maßnahmen drohen jungen Tamilen,
bei denen konkrete Anhaltspunkte für eine aktive Unterstützung terroristischer
Aktionen, insbesondere der LTTE, in Betracht zu ziehen sind. Für die etwa 90 % der
jungen Tamilen, die nach einer Festnahme zwecks screenings wieder freigelassen
werden, und für die Verdächtigen, bei denen sich auch bei längerer Inhaftierung
konkrete Tatsachen für eine aktive LTTE-Unterstützung nicht ergeben, besteht die
"realistische" (das Bundesverwaltungsgericht - 09.04.1991 - 9 C 91.90 - verwendet
den Begriff "reale") Möglichkeit, solchen Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu
werden, nicht. Im übrigen ist davon auszugehen, daß nach der oben dargestellten
deutlichen Verbesserung der Menschenrechtssituation im Süden und Westen seit
Anfang/Mitte 1992, seitdem konkrete Fälle von Folterungen nach Razzien
festgenommener junger Tamilen nicht oder kaum noch bekannt geworden sind,
auch für der LTTE-Unterstützung Verdächtige eine realistische Gefahr solcher
Verfolgungsmaßnahmen kaum noch besteht. Zusammenfassend ist damit
festzustellen, daß ein tamilischer Volkszugehöriger, auch im Alter zwischen 11 und
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festzustellen, daß ein tamilischer Volkszugehöriger, auch im Alter zwischen 11 und
36 Jahren, der aus Deutschland nach Sri Lanka zurückkehrt und sich im Süden und
Westen, insbesondere im Großraum Colombo niederläßt, dort vor einer politischer
Verfolgung, die an die genannten asylrelevanten Merkmale seiner
Volkszugehörigkeit und seines Alters anknüpft, hinreichend sicher ist.
Nach den dargelegten Kriterien besteht auch eine existentielle Gefährdung für
tamilische Volkszugehörige am Ort der inländischen Fluchtalternative im Süden
und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum Colombo und Umgebung,
nicht. Es kann nicht festgestellt werden, daß Tamilen dort mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit wirtschaftliche Verelendung droht, die ein menschenwürdiges
Dasein unmöglich macht. Nach den vorliegenden Berichten ist vielmehr zugrunde
zu legen, daß sich in diesem Gebiet niederlassende Tamilen eine wenn auch
bescheidene Lebensgrundlage finden können, die ein menschenwürdiges
Überleben dort ermöglicht. So haben Zehntausende von Tamilen sich nach ihrer
Flucht aus dem Norden Sri Lankas, insbesondere von der Jaffna- Halbinsel, im
Großraum Colombo niedergelassen, um dort unbehelligt von den Kriegswirren in
ihrem Heimatgebiet leben zu können. Sie leben dort meist bei Verwandten oder
Bekannten, in Hotels, kleinen Absteigen (sogenannten Lodges) oder in
Flüchtlingslagern (52.). In den Flüchtlingslagern werden Lebensmittel ("dry rations")
zur Sicherung des Existenzminimums verteilt; in der Regel gibt es aber keine
darüber hinausgehende finanzielle Unterstützung (51.). Für einen aus Deutschland
nach Sri Lanka zurückkehrenden Tamilen dürfte es allerdings schwierig sein, in
einem von der Regierung betriebenen Flüchtlingslager ("welfare camp") eine
Unterkunft zu finden (52.). Ein notdürftiges Unterkommen bei Verwandten oder
Bekannten oder auch in einfachen Behausungen ohne Familienrückhalt ist aber
grundsätzlich möglich. Im Raum Colombo können Tamilen, die sich dort ansiedeln,
wenn auch auf dürftige Weise existieren (64.). Die wirtschaftliche und soziale Lage
der Tamilen ist im Süden auch wegen der dort herrschenden hohen
Arbeitslosenquote insgesamt unbefriedigend (47.). Zwar ist es auch für Tamilen in
Colombo und Umgebung schwierig, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen (60.).
Durch Gelegenheitsarbeiten, die allerdings meist schlecht bezahlt werden, ist ein
wirtschaftliches Überleben aber - wenn auch mit großen Problemen - möglich (65.).
Soweit eine Unterstützung nicht durch die Solidarität unter den Tamilen erfolgt
(64., dazu skeptisch 67.), ist für in den Süden oder Westen Sri Lankas kommende
Tamilen der Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz schwierig. Insbesondere wenn
persönliche Beziehungen und ausreichende singhalesische Sprachkenntnisse
fehlen, haben Ortsfremde fernab ihres verwandtschaftlichen und
bekanntschaftlichen Einfluß- und Wirkungskreises zunächst nur geringe Chancen
bei der Neugründung einer Existenz (58.). Auch wenn es unter Berücksichtigung
der hohen Arbeitslosigkeit schwierig ist, eine wirtschaftliche Grundlage aufgrund
einer Erwerbstätigkeit zu schaffen, so ist doch insgesamt festzustellen, daß
insbesondere aufgrund von Unterstützungen durch Verwandte oder Bekannte, den
Staat, der Flüchtlinge auch außerhalb von Flüchtlingslagern mit sogenannten
Trockenrationen versorgt (67.), und durch Hilfsmaßnahmen karitativer
Organisationen oder aufgrund von Einkünften durch Gelegenheitsarbeiten ein
menschenwürdiges Dasein möglich ist.
Danach ist zusammenfassend zugrunde zu legen, daß für tamilische
Volkszugehörige auch im Alter zwischen 11 und 36 Jahren hinreichende Sicherheit
vor asylrelevanten Maßnahmen im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im
Großraum Colombo und Umgebung, besteht (a. M.: VGH Baden-Württemberg,
29.11.1991 - A 16 S 1731/89 -, 08.06.1993 - A 16 S 926/93 -; OVG Nordrhein-
Westfalen, 08.07.1992 - 21 A 914/91.A -, 27.01.1993 - 21 A 10085/85 -). Dort droht
auch keine existentielle Gefährdung insbesondere aufgrund eines
Dahinvegetierens unter dem wirtschaftlichen Existenzminimum, die so in der
Heimatregion des Asylbewerbers nicht bestände.
2. Dem Beigeladenen droht bei einer Rückkehr in sein Heimatland auch aus
individuellen Gründen keine politische Verfolgung am Ort der inländischen
Fluchtalternative. Er ist auch unter Berücksichtigung seiner früheren politischen
Betätigung vor der Ausreise aus Sri Lanka dort hinreichend sicher vor staatlichen
Verfolgungsmaßnahmen.
Nach den obigen Darlegungen zur Frage einer generellen Verfolgung junger
Tamilen im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum Colombo
und Umgebung, besteht hinreichende Sicherheit vor Verfolgung für diese Gruppe,
soweit keine besonderen und konkreten Verdachtsmomente individuell in der
einzelnen Person vorliegen. Nur bei Vorliegen konkreter Verdachtsmomente
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einzelnen Person vorliegen. Nur bei Vorliegen konkreter Verdachtsmomente
besteht die realistische Gefahr einer längeren Inhaftierung und damit verbunden
von Mißhandlungen und möglicherweise Folter. Insoweit müssen "mindestens
ernsthafte Zweifel" an einer Sicherheit vor Verfolgung bestehen, die auf
"objektiven Anhaltspunkten" für einen politische Verfolgung begründenden
Übergriff beruhen (BVerwG, 08.09.1992 - 9 C 62.91 -). Eine realistische Gefahr, daß
die srilankischen Sicherheitsbehörden aus der früheren Betätigung des
Beigeladenen für die LTTE vor seiner Ausreise im Dezember 1983 konkrete
Verdachtsmomente für eine heutige Unterstützung der LTTE entnehmen könnten,
ergeben sich weder aus dem Vortrag des Beigeladenen, noch sind solche
Anhaltspunkte im übrigen ersichtlich. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der
Fahndungsapparat der srilankischen Sicherheits- und Strafermittlungsbehörden
eine systematische Erfassung und Verfolgung insbesondere geringfügiger und
länger zurückliegender Straftaten kaum ermöglicht. Auch bei Personen, die bei
Strafermittlungsbehörden aktenkundig geworden sind, ist die Wahrscheinlichkeit
einer Wiederaufnahme der Ermittlungen grundsätzlich gering. In Fällen, in denen
Strafverfolgungsbehörden im Norden Sri Lankas eingeschaltet waren, ist das dort
angelegte Aktenmaterial angesichts der weitgehenden Erosion der dortigen
Verwaltung und insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, daß - wie oben
dargestellt - dort größtenteils die LTTE die Gebietsgewalt inne hat und Funktionen
der Polizei und Strafermittlungsbehörden ausübt, kaum zugänglich, so daß
deshalb eine Weiterverfolgung von Strafverfolgungsmaßnahmen unwahrscheinlich
ist (17.01.1989, AA an VG Gelsenkirchen). Auch wenn Taten, die insbesondere
nach dem Prevention of Terrorism Act - PTA - oder nach den
Notstandsverordnungen im Hinblick auf die Unterstützung separatistischer
Aktivitäten mit Strafe bedroht sind, keiner Verjährung unterliegen (17.01.1989, AA
an VG Gelsenkirchen), besteht die Gefahr einer Inhaftierung wegen der Aktivitäten
des Beigeladenen vor zehn Jahren auf der Jaffna-Halbinsel tatsächlich nur dann,
wenn den Sicherheits- oder Strafermittlungsbehörden diese Betätigung bekannt
ist. Davon kann aber im Hinblick auf eine Erfassung des Klägers in
Aktenunterlagen, die 1983 auf der Jaffna-Halbinsel geführt wurden, nicht
ausgegangen werden. Es gibt keinerlei konkreten Anhaltspunkt dafür, daß den
Sicherheitsbehörden im Süden und Westen Sri Lankas die politische Betätigung
des Beigeladenen, der damals aus der Untersuchungshaft wieder entlassen
worden war, bekannt geworden wäre. Dies gilt auch, soweit im Januar 1984 ein
Haftbefehl ergangen sein soll, weil der Beigeladene nicht zum Gerichtstermin
erschienen war und der Beigeladene nach seiner Aussage in der Beweisaufnahme
im Juni 1993 befürchtet, er werde festgenommen, weil er sich damals nicht mehr
bei der Polizei gemeldet habe. Für diese Einschätzung spricht grundsätzlich auch,
daß Fälle, in denen Tamilen nach ihrer Rückkehr nach Sri Lanka wegen vor ihrer
Ausreise begangener Straftaten verfolgt worden sind, nicht bekannt geworden
sind. Ohne solche konkreten Anhaltspunkte für eine LTTE-Unterstützung gibt es
keinen zureichenden Anhaltspunkt dafür, daß dem Beigeladenen bei einer
Rückkehr in sein Heimatland anders als anderen tamilischen Rückkehrern, von
denen nicht bekannt geworden ist, daß sie wegen Verstoßes insbesondere gegen
das PTA verhaftet worden wären (29.04.1988, AA an VG Minden; 63.), tatsächlich
die Gefahr politischer Verfolgungsmaßnahmen drohte.
Dies gilt auch im Hinblick auf die Aussage des Beigeladenen in der
Beweisaufnahme am 17. Juni 1993, seine beiden Brüder seien wieder nach Sri
Lanka zurückgekehrt und hätten sich dort einem Selbstmordkommando der Tiger-
Bewegung angeschlossen. Daraus ist nicht zu entnehmen, und es gibt auch sonst
keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Tätigkeit seiner Brüder den srilankischen
Sicherheitsbehörden, nachdem diese aus den USA über Indien wieder nach Sri
Lanka zurückgekehrt sind, bekannt wäre und aufgrund dieser Kenntnis die
realistische Möglichkeit bestände, daß der Beigeladene aus diesem Grunde
inhaftiert würde, um etwa seinen Kontakt und eventuell vorhandenes Wissen über
die Aktivitäten seiner Brüder zu erkunden. Da konkrete Anhaltspunkte für eine
Kenntnis der Sicherheitsbehörden von den dargelegten, für eine
verfolgungsrelevante Inhaftierung des Klägers bedeutsamen Umständen nicht
ersichtlich sind, ist zugrunde zu legen, daß die realistische Möglichkeit politischer
Verfolgung des Beigeladenen bei einer Rückkehr nach Sri Lanka und einem
Aufenthalt im Süden oder Westen Colombos nicht besteht und er damit am Ort
der inländischen Fluchtalternative hinreichend sicher ist. Dort drohen dem
Beigeladenen auch keine sonstigen Nachteile und Gefahren, die ihm wegen ihrer
mit einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen
vergleichbaren Intensität und Schwere eine menschenwürdige Existenz dort
unmöglich machten (vgl. BVerwG, 16.02.1993 - 9 C 31.92 -, a.a.O.). Unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten hat der Beigeladene ebenso wie für andere
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105
wirtschaftlichen Gesichtspunkten hat der Beigeladene ebenso wie für andere
Tamilen oben dargestellt grundsätzlich die Möglichkeit, sich ein wenn auch
bescheidenes Existenzminimum dort zu schaffen.
B.
Der Asylantrag des Beigeladenen kann auch insoweit keinen Erfolg haben, als
dieser die Feststellung begehrt, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des
Ausländergesetzes vorliegen (§ 13 Abs. 2 AsylVfG). Die Prüfung der
Voraussetzungen dieser Vorschrift ist in das laufende Asylstreitverfahren
einzubeziehen, denn in § 13 AsylVfG ist der Streitgegenstand auch in einem von
dem Bundesamt vor dem 31. Dezember 1990 entschiedenen Asylverfahren von
Gesetzes wegen auf die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG erweitert worden (Hess. VGH, 25.02.1991 - 12 UE 2106/87 -, EZAR
231 Nr. 1 = NVwZ-RR 1991, 516; BVerwG, 18.02.1992 - 9 C 59.91 -, EZAR 231 Nr.
3). Dies gilt auch bei einer Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten für
Asylangelegenheiten (BVerwG, 19.03.1992 - 9 B 235.91 -, EZAR 231 Nr. 4). Nach §
51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in
dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion,
Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
Der Asylantrag des Beigeladenen kann auch insoweit keinen Erfolg haben, da
dieser - wie oben dargelegt - wegen des Bestehens einer inländischen
Fluchtalternative im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum
Colombo und Umgebung, in diesem Teil seines Heimatlandes leben kann, ohne
daß dort sein Leben oder seine Freiheit insbesondere wegen seiner Rasse oder
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen
Überzeugung bedroht ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Einschätzung
im Rahmen der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ebenso
wie bei der Asylanerkennung aufgrund Art. 16 a Abs. 1 GG allein nach objektiven
Maßstäben zu treffen ist oder ob hier wie in Art. 1 A. Nr. 2 des Abkommens über
die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention - GK (vom 28. Juli
1959 in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. April 1954, BGBl. II, S. 619, und
des Zusatzprotokolls vom 31. Januar 1967 in der Fassung der Bekanntmachung
vom 5. November 1969, BGBl. II, S. 1293) auf das subjektive Element der
"begründeten Furcht vor Verfolgung" abzustellen ist. Dafür, daß es im Rahmen des
§ 51 Abs. 1 AuslG entscheidend auf die subjektive Furcht vor Verfolgung und nicht
auf die nach allein objektiven Maßstäben festzustellende Gefährdung ankommt,
könnte die Regelung des § 51 Abs. 3 AuslG a. F. sprechen, nach der ein Ausländer,
für den das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG unanfechtbar
festgestellt war, zugleich die Voraussetzungen des Art. 1 GK erfüllte. Nach
Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Vorschrift des § 51 Abs. 1 AuslG
deshalb so auszulegen und anzuwenden, daß sie auch mit dem Flüchtlingsbegriff
des Art. 1 A. Nr. 2 GK übereinstimmt (BVerwG, 21.01.1992 - 1 C 21.87 -, BVerwGE
89, 296 = EZAR 232 Nr. 2; ebenso Bay. VGH, 17.05.1991 - 24 B 88.30479 -, EZAR
231 Nr. 2). Zur Begründung wird darauf hingewiesen, daß mit der genannten
Neuregelung einer etwaigen Differenz zwischen der Flüchtlingseigenschaft im
Sinne des Art. 1 A. Nr. 2 GK und der Asylberechtigung nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2
GG a. F. für das Asylverfahren Rechnung getragen worden sei. § 51 Abs. 1 AuslG
knüpfe an die hinsichtlich der Verfolgungsgründe inhaltsgleiche Schutzvorschrift
des Art. 33 Abs. 1 GK an, die im wesentlichen eine verkürzte Wiedergabe des Art. 1
A. Nr. 2 GK darstelle. Für die Identität der Flüchtlingsbegriffe in den beiden
genannten Vorschriften mag ursprünglich auch der Wille des Gesetzgebers
gesprochen haben, mit der Neuregelung des Abschiebungsschutzes den von
Seiten des UNHCR erhobenen Bedenken einer möglichen Lücke zwischen der
Asylberechtigung nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG und der Gewährung des
Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention Rechnung zu tragen (so Hailbronner,
Ausländerrecht, Kommentar, Stand Oktober 1992, § 51 AuslG Rdnr. 8). Dies kann
aber der dann Gesetz gewordenen Fassung des § 51 Abs. 3 AuslG a. F. bzw. der
seit 1. Juli 1992 geltenden inhaltsgleichen Regelung des § 3 AsylVfG nicht
entnommen werden. Nach § 3 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der
Genfer Konvention, wenn unanfechtbar festgestellt ist, daß ihm in dem Staat,
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, die in § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes
bezeichneten Gefahren drohen. Aus den Fassungen beider Vorschriften ist nicht zu
schließen, daß damit eine Übernahme der Voraussetzungen des Art. 1 A. Nr. 2 GK
in § 51 AuslG gewollt war. § 3 AsylVfG stellt ebenso wie § 51 Abs. 3 AuslG a. F. eine
Rechtsfolgenverweisung dar, durch die kraft gesetzlicher Fiktion (so Marx, ZAR
1992, 3) das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Konvention
106
107
1992, 3) das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Konvention
festgestellt wird. Der Eintritt dieser Rechtsfolge setzt aber allein voraus, daß die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Den nur Rechtsfolgen
regelnden Normierungen der §§ 51 Abs. 3 AuslG a. F. und § 3 AsylVfG läßt sich
deshalb gerade nicht entnehmen, daß auch die Voraussetzungen des
Flüchtlingsbegriffs gemäß Art. 1 A. Nr. 2 GK vorliegen müssen.
Gegen eine Einbeziehung des Flüchtlingsbegriffs des Art. 1 A. Nr. 2 GK spricht
auch, daß der Gesetzgeber im Rahmen des Asylverfahrensgesetzes 1992 bewußt
davon abgesehen hat, die "Anerkennung als Flüchtling im Sinne des Art. 1 GK" in
den Regelungsbereich dieses Gesetzes einzubeziehen. Nach der dafür im
federführenden Innenausschuß des Bundestages gegebenen Begründung wurde
ein Änderungsvorschlag mit dem Ziel, die Genfer Flüchtlingskonvention mit dem
Asylverfahrensgesetz in Einklang zu bringen, deshalb abgelehnt, weil der
Anwendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention durch Art. 16 GG a. F.
weitgehend abgedeckt sei und Art. 16 GG a. F. zum Teil sogar über die Genfer
Flüchtlingskonvention hinausgehe (BT-Drs. 12/2718, S. 55). Damit wird deutlich,
daß der Gesetzgeber ein Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im
Sinne des Art. 1 GK, vor allem soweit dieser sich nicht mit dem Begriff des politisch
Verfolgten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG deckt, ausdrücklich nicht zur Verfügung
stellen wollte (vgl. Kanein/Renner, Ausländerrecht, 5. Auflage 1992, Nachtrag 1993,
§ 1 AsylVfG Rdnr. 5 f., § 3 AsylVfG Rdnr. 4 f.).
Ohne eine solche ausdrückliche Einbeziehung in das Asylverfahren kann nicht
zugrunde gelegt werden, daß § 51 Abs. 1 AuslG den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 A.
Nr. 2 GK aufnimmt. Denn Art. 33 Abs. 1 GK, dem § 51 Abs. 1 AuslG wie die frühere
inhaltsgleiche Vorgängervorschrift des § 14 AuslG 1965 nachgebildet ist
(Kanein/Renner, a.a.O., § 51 AuslG Rdnr. 3 f.), unterscheidet sich gerade in dem
Maßstab zur Beurteilung der Verfolgungsgefahr von Art. 1 A. Nr. 2 GK. Der mit
dem Refoulement-Verbot den Kern des asylrechtlichen Schutzrechts regelnde Art.
33 Abs. 1 GK setzt für die Anwendung des Aus- und Zurückweisungsverbotes
voraus, daß ein Flüchtling in einem Gebiet, in das er aus- oder zurückgewiesen
wird, von politischer Verfolgung "bedroht sein würde". Damit kommt es im
Unterschied zu Art. 1 A. Nr. 2 GK maßgeblich auf eine objektive Beurteilung der
Frage an, ob einem Flüchtling politische Verfolgung droht. Unabhängig davon, daß
Art. 33 Abs. 1 GK Art. 1 A. Nr. 2 GK im Hinblick auf die für eine politische
Verfolgung relevanten Merkmale verkürzt wiedergibt (so BVerwG, 21.01.1992 - 1 C
21.87 -, a.a.O. unter Hinweis auf Koisser/Nicolaus, ZAR 1991, 9), besteht doch ein
maßgeblicher Unterschied in dem fehlenden subjektiven Furchtelement in Art. 33
Abs. 1 GK und damit ebenso in § 51 Abs. 1 AuslG. Damit ist es mehr als
zweifelhaft, ob insoweit eine identische Auslegung des § 51 Abs. 1 AuslG und Art. 1
A. Nr. 2 GK möglich ist (so Koisser/Nicolaus, a.a.O.). Dieser objektive
Beurteilungsmaßstab entspricht auch der Auslegung und Anwendung des
Abschiebungsschutzes nach Art. 33 GK in der Praxis der Konventionsstaaten. So
hat der Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika deutlich zwischen
Art. 33 Abs. 1 GK und Art. 1 A. Nr. 2 GK im Hinblick auf den Beurteilungsmaßstab
unterschieden und dazu ausgeführt, das subjektive Furchtelement des Art. 1 A. Nr.
2 GK sei in Art. 33 Abs. 1 GK nicht enthalten; die Formulierung in Art. 33 Abs. 1 GK
enthalte keine subjektive Komponente, sondern verlange, daß der Betreffende in
objektiv überprüfbarer Weise darlege, daß die Gefahr von Verfolgung stärker sein
müsse als deren Nichtrealisierung (U.S. 421 (1987), Cardoza-Fonseca, hier zitiert
nach Koisser/Nicolaus, a.a.O.). Damit wird deutlich, daß die
Wahrscheinlichkeitsprognose einer drohenden Verfolgung im Rahmen des Art. 33
Abs. 1 GK nach objektiven Maßstäben zu treffen ist, während im Unterschied dazu
bei Art. 1 A. Nr. 2 GK die subjektive Komponente im Vordergrund steht, die
allerdings objektiv nachvollziehbar sein muß. Unabhängig davon, ob aus der
Entstehungsgeschichte der Konvention zu entnehmen ist, daß ein
unterschiedlicher Beweismaßstab gewollt war (Marx, a.a.O.), spricht für eine
Differenzierung nach Art. 1 A. Nr. 2 GK und Art. 33 Abs. 1 GK neben der
unterschiedlichen Fassung der Vorschriften im Hinblick auf den Prognosemaßstab
auch die unterschiedliche Funktion dieser Normen. Während die Beschreibung der
Flüchtlingseigenschaft nach Art. 1 A. Nr. 2 GK nicht notwendig zu einer Aufnahme
des Flüchtlings in einem der Vertragsstaaten führt, sondern nur eine
Begriffsbestimmung für die nachfolgenden Vorschriften über die Rechtsstellung
rechtmäßig oder unrechtmäßig sich im Vertragsstaat aufhaltender Ausländer gibt,
stellt Art. 33 Abs. 1 GK eine Verpflichtung für den Vertragsstaat dar, auch ohne
förmliche Anerkennung eines Flüchtlingsstatus (vgl. dazu Beschluß Nr. 6 (XXVIII)
Non - Refoulement (28. Sitzung, 1977) des Exekutivkomitees für das Programm
des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, zitiert nach: UNHCR,
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des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, zitiert nach: UNHCR,
Internationaler Rechtsschutz für Flüchtlinge, Genf, 1988) das Refoulement-Verbot
zu beachten (Hailbronner, ZAR 1993, 3). Auch soweit Art. 33 Abs. 1 GK den
Flüchtlingsbegriff des Art. 1 A. Nr. 2 GK und damit die darin enthaltene subjektive
Komponente aufnimmt (vgl. dazu Marx, a.a.O.), enthält Art. 33 Abs. 1 GK im
Hinblick auf die zwingende Rechtsfolge des Zurückweisungs- und
Abschiebungsschutzes die zusätzliche Voraussetzung, daß die subjektiv
befürchtete Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung objektiv festzustellen ist. Ob
§ 51 Abs. 1 AuslG - wie schon § 14 Abs. 1 AuslG 1965 - mit der Formulierung
"bedroht ist" im Unterschied zu der Fassung des Art. 33 Abs. 1 GK "would be
threatened" einen noch schärferen Beweismaßstab fordert (so Marx, a.a.O.),
erscheint zweifelhaft, denn auch die Prognose nach § 51 Abs. 1 AuslG ist für den
hypothetisch zu unterstellenden Fall der Abschiebung des Ausländers in einen
anderen Staat zu treffen. Insoweit ist auch hier zu prüfen, ob der Ausländer im
Falle der Abschiebung von politischer Verfolgung bedroht wäre (= "sein würde").
Zusammenfassend ist festzustellen, daß Art. 1 A. Nr. 2 GK und Art. 33 Abs. 1 GK
unterschiedliche Prognosemaßstäbe im Hinblick auf die Feststellung drohender
politischer Verfolgung enthalten. Im Hinblick auf den Prognosemaßstab kann
deshalb nicht angenommen werden, daß der Art. 33 Abs. 1 GK nachgebildete § 51
Abs. 1 AuslG mit Art. 1 A. Nr. 2 GK übereinstimmt. Einer abschließenden
Entscheidung dieser Frage bedarf es aber im vorliegenden Falle nicht, da auch bei
Anwendung des Prognosemaßstabes des Art. 1 A. Nr. 2 GK im Rahmen des § 51
Abs. 1 AuslG das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht
festzustellen ist.
Die in Art. 1 A. Nr. 2 GK vorausgesetzte "begründete Furcht vor Verfolgung" ("well-
founded fear") stellt neben den Begriff der Furcht als Ausdruck seelischer
Verfassung und subjektiven Empfindens als Einschränkung das Wort "begründet".
Dies bedeutet, daß nicht nur die seelische Verfassung der betreffenden Person
über die Flüchtlingseigenschaft entscheidet, sondern dieses subjektive Gefühl
durch objektive Tatsachen begründet sein muß (UNHCR, Handbuch über Verfahren
und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 1979, Nr. 38.). Dies setzt
voraus, daß der Antragsteller in der Regel "gute Gründe" nennen muß, weshalb er
persönlich eine Verfolgung befürchtet. Begründete Furcht vor Verfolgung kann
insbesondere bestehen, wenn eine Person schon einmal Opfer einer Verfolgung
aus den in der Genfer Konvention aufgezählten Gründen war (UNHCR, Handbuch,
Nr. 45.). Ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des
Antragstellers ist das Wissen um die Verhältnisse im Heimatland des
Antragstellers. Befürchtungen eines Antragstellers sind im allgemeinen als
begründet anzusehen, wenn er ausreichend nachweisen kann, daß der weitere
Verbleib in seinem Heimatland für ihn aus den in Art. 1 A. Nr. 2 GK genannten
Gründen unerträglich geworden ist oder aus denselben Gründen unerträglich
würde, wenn er dorthin zurückkehrte (UNHCR, Handbuch, Nr. 42.).
Auf dieser Grundlage ist angesichts der oben dargestellten Umstände, die nach
Überzeugung des Senats eine hinreichende Sicherheit des Beigeladenen vor
politischer Verfolgung bei einer Rückkehr in sein Heimatland begründen,
festzustellen, daß es gute Gründe für eine Furcht des Beigeladenen vor einer
Verfolgung bei einer Rückkehr nach Sri Lanka nicht gibt. Zwar erscheint es
verständlich, daß der Beigeladene die Furcht hegt, nach der Verhaftung vor seiner
Ausreise im Jahre 1983 bei einer Rückkehr Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu
werden. Nach den obigen Ausführungen bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür,
daß den Sicherheitsbehörden im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im
Großraum Colombo, dieser Umstand bekannt wäre und der Beigeladene deshalb
mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müßte. Der Beigeladene hat auch nichts
schlüssig dazu vorgetragen, daß gegen ihn gerichtete Ermittlungsmaßnahmen in
seiner Heimatregion auf der Jaffna-Halbinsel, auch soweit nach seiner Ausreise ein
Haftbefehl gegen ihn ergangen sein sollte, weil er sich nicht mehr bei der Polizei
gemeldet hatte, den srilankischen Sicherheitsbehörden im Süden und Westen des
Landes bekannt sein könnte. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß - wie
oben näher dargelegt - in der Heimatregion des Beigeladenen auch die zivile
Verwaltung, insbesondere das Rechtswesen, von der LTTE beherrscht wird. Trotz
seiner in gewissem Sinne verständlichen Furcht, bei einer Rückkehr nach Sri Lanka
verfolgt zu werden, hat der Beigeladene unter Berücksichtigung der Verhältnisse in
seinem Heimatland schlüssig keine nachvollziehbaren Gründe dafür dargelegt, daß
ihm auch am Ort der inländischen Fluchtalternative Verfolgung droht.
Das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative ist auch im Rahmen des § 51
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Das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative ist auch im Rahmen des § 51
Abs. 1 AuslG zu berücksichtigen (BVerwG, 21.08.1992 - 9 B 140/92 -, 02.12.1992 -
9 B 288/92 -). Auch im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG gilt die Subsidiarität der
Asylgewährung im Ausland gegenüber der Schutzgewährung durch den
Heimatstaat des Asylbewerbers (Hailbronner, a.a.O., § 51 AuslG Rdnr. 16). Dies
entspricht auch den Grundsätzen der Genfer Konvention, nach der sich allerdings
Furcht vor Verfolgung nicht immer auf das gesamte Territorium des Landes
erstrecken muß, dessen Staatsangehörigkeit der Flüchtling besitzt. Soweit die
Verfolgung insbesondere einer bestimmten ethnischen oder nationalen Gruppe
nur auf einen Teil des Landes beschränkt ist, wird einer Person die
Flüchtlingseigenschaft nicht vorenthalten, nur weil sie Zuflucht in einem anderen
Teil des Landes hätte suchen können, wenn - nach allen Umständen zu urteilen -
ein solches Verhalten vernünftigerweise von ihr nicht erwartet werden konnte
(UNHCR, Handbuch, 91.). Nach den obigen Darlegungen ist für nach Sri Lanka
zurückkehrende junge Tamilen auch im Alter von 11 bis 35 Jahren und
insbesondere auch für den Beigeladenen mit hinreichender Sicherheit ein
verfolgungsfreies Leben im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im
Großraum Colombo, möglich. Danach ist dem Beigeladenen vernünftigerweise
eine Rückkehr in diesen verfolgungsfreien Teil seines Heimatstaates auch nach
den Maßstäben der Genfer Konvention - im Hinblick auf Art. 1 A. Nr. 2 GK und Art.
33 Abs. 1 GK - zuzumuten.
C.
Eine Feststellung gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG dazu, ob
Abschiebungshindernisse nach § 53 des Ausländergesetzes vorliegen, wie sie das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge grundsätzlich in
Entscheidungen über beachtliche Asylanträge vorzunehmen hat, ist im
vorliegenden Asylstreitverfahren nicht zu treffen. Die Feststellungen zu § 53 AuslG
erfolgen gesondert im Verhältnis zu einer Abschiebungsandrohung (Kanein/
Renner, Ausländerrecht, 5. Aufl., 1992, Nachtrag 1993, § 31 AsylVfG Rdnr. 4). Die
den asylrechtlichen Streitgegenstand betreffende Klage bezieht sich auf die
Feststellungen über die Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (Kanein/Renner,
a.a.O., § 31 AsylVfG Rdnr. 8). In Übergangsfällen, in denen die
verwaltungsbehördlichen Entscheidungen vor Inkrafttreten des
Asylverfahrensgesetzes vom 26. Juni 1992 am 1. Juli 1992 ergangen sind, sind §§
24 Abs. 2, 31 Abs. 3 AsylVfG nicht anwendbar (Hess. VGH, 29.12.1992 - 12 UZ
2624/92 -, EZAR 631 Nr. 20, vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AsylVfG). Ist eine
Abschiebungsandrohung nach §§ 11, 10 Abs. 2, 28 AsylVfG 1982/1991
Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens, hat eine gerichtliche Überprüfung
der Berücksichtigung der Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (vgl. dazu
grundsätzlich Hess. VGH, 24.02.1993 - 12 UZ 2623/92 -) im Rahmen der
Beurteilung der Rechtmäßigkeit des ausländerrechtlichen Bescheides zu erfolgen.
Ist - wie hier - eine Abschiebungsandrohung nicht (mehr) Streitgegenstand des
gerichtlichen Verfahrens, ist wegen des Zusammenhangs der Feststellung des
Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG mit der
Abschiebungsandrohung eine Feststellung von Abschiebungshindernissen nach §
53 AuslG nicht vorzunehmen (Hess. VGH, 29.03.1993 - 12 UZ 292/93 -, AuAS
1993, 163).
Da die Berufung des Beigeladenen keinen Erfolg hat, hat dieser die Kosten des
Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO), für das gemäß §§ 83 b Abs. 1, 87 a
Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - dieser stellt insofern eine der allgemein für
Regelungsgegenstände des Gerichtskostengesetzes geltenden
Übergangsvorschrift des § 73 Abs. 1 GKG vorgehende Spezialvorschrift dar -
Gerichtskosten nicht erhoben werden (Hess. VGH, 08.07.1993 - 13 UZ 1392/93 -,
14.07.1993, - 12 UE 1789/91 -).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11,
711 Satz 1 ZPO, § 167 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO). Die
Rechtssache hat nicht deshalb grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO), weil der erkennende Senat mit seiner Feststellung, daß auch jüngere
Tamilen im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum Colombo,
hinreichend sicher vor politischer Verfolgung sind, insoweit zu einer anderen
Einschätzung als andere Oberverwaltungsgerichte kommt (vgl. die dazu oben
genannten Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg, 29.11.1991 - A 16 S
1731/89 -, 08.06.1993 - A 16 S 926/93 -; OVG Nordrhein-Westfalen, 08.07.1992 -
1731/89 -, 08.06.1993 - A 16 S 926/93 -; OVG Nordrhein-Westfalen, 08.07.1992 -
21 A 914/91.A -, 27.01.1993 - 21 A 10085/85 -). Dabei handelt es sich um
Feststellungen zu Tatsachenfragen, die einer grundsätzlichen
revisionsgerichtlichen Klärung nicht zugänglich sind. Dies wird auch darin deutlich,
daß das Bundesverwaltungsgericht insoweit unterschiedliche
Tatsachenfeststellungen zu einer möglichen verfolgungsfreien Rückkehr von
Tamilen nach Sri Lanka unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten nicht
beanstandet hat (vgl. BVerwG, 27.01.1993 - 9 B 95.92 -, zu VGH Baden-
Württemberg, 29.11.1991 - A 16 S 1731/89 -, 13.05.1993 - 9 C 58.92 -, zu OVG
Nordrhein- Westfalen, 08.07.1992 - 21 A 914/91.A -, 26.02.1993 - 9 B 334.92 - zu
Hess. VGH, 11.09.1992 - 10 UE 1804/86 -, nach dem eine verfolgungsfreie
Rückkehr auch jüngerer Tamilen in den Jaffna-Distrikt möglich sei). Soweit der
erkennende Senat im Hinblick auf die Frage, ob einem unverfolgt aus seinem
Heimatland ausgereisten Asylsuchenden eine Rückkehr in ein Gebiet seines
Heimatlandes, in dem ihm nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische
Verfolgung droht, nur unter der Voraussetzung hinreichender Sicherheit vor
politischer Verfolgung in diesem Gebiet zumutbar ist, wenn ihm in einem anderen
Gebiet des Heimatstaates politische Verfolgung droht, von der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 16.02.1993 - 9 C 31.92 - abweicht, ist aus diesem
Grunde die Revision nicht zuzulassen, weil das Urteil nicht auf dieser Abweichung
beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Dies gilt ebenso für die von dem Senat
abweichend von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom
21.01.1992 - 1 C 21.87 - (BVerwGE 89, 296 = EZAR 232 Nr. 2) vertretene
Rechtsauffassung, § 51 Abs. 1 AuslG stimme hinsichtlich des Maßstabs für die
Prognose drohenden politischer Verfolgung nicht mit Art. 1 A. Nr. 2 GK überein.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.