Urteil des HessVGH vom 16.05.1990

VGH Kassel: geschäftsführung ohne auftrag, unterhaltung, schutz der gewässer, ufer, zustand, wasser, unterhaltspflicht, brücke, vegetation, verfügung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
7. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 UE 2263/86
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 28 WHG, § 31 Abs 1 WHG,
§ 1 Abs 1 WasG HE, § 46
WasG HE, § 47 Abs 2 WasG
HE vom 31.10.1985
(Gewässerunterhaltungspflicht - Folgewirkungen vom
Wassereinstau in Hochwasserrückhaltebecken)
Tatbestand
Der Kläger ist ein Wasser- und Bodenverband, dessen Mitglieder der V, der S-Kreis
und 16 weitere Gemeinden sind. Das Land H wurde mit Zustimmung des
Verbandes durch Verfügung des Regierungspräsidenten in K vom 26. Juni 1986 aus
dem Verband entlassen.
Der Kläger erbrachte in der Vergangenheit Entschädigungsleistungen an Landwirte
für Schäden, die durch den Einstau der S in den Hochwasserrückhaltebecken H
und T verursacht worden waren. Seit Inbetriebnahme der Rückhaltebecken (1968
bzw. 1972) wurden an die durch die Einstaumaßnahmen betroffenen
Grundeigentümer Entschädigungsleistungen in Höhe von insgesamt 3,2 Mio. DM
bezahlt. An der Finanzierung dieser Kosten beteiligte sich der Beklagte mit
Zuschüssen. So bewilligte er für die Sommereinstauschäden des Jahres 1984 mit
einem Gesamtvolumen von ca. 1,5 Mio. DM einen Zuschuß von 200.000,-- DM.
Der Beklagte ging, wie bei allen bisherigen Zahlungen deutlich gemacht wurde,
davon aus, daß es sich um freiwillige Zuschüsse handelte. Im
Zuwendungsbescheid vom 2. Oktober 1984 wies der H Minister für
Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten zuletzt darauf hin, daß die
Finanzierungshilfe zu den Entschädigungszahlungen 1984 mit dem ausdrücklichen
Hinweis erfolge, daß der Verband für zukünftige vergleichbare Fälle Rücklagen zu
bilden habe und das Land mit der nunmehr vorgesehenen Zuwendung letztmalig
eine Übergangshilfe gewähre.
Mit seiner am 3. Oktober 1985 erhobenen Klage begehrt der Kläger die
Verpflichtung des Beklagten, sich auch künftig an Entschädigungsleistungen für
Schäden zu beteiligen, die durch Einstaumaßnahmen in den genannten
Hochwasserrückhaltebecken entstehen werden. Die S sei im Streckenabschnitt
von der Brücke H Straße in A bis zur Mündung in die E ein Gewässer, welches in
Anlage 3 zu § 47 Abs. 2 des Hessischen Wassergesetzes i.d.F. vom 12. Mai 1981
(GVBl. I, S. 154), geändert durch Art. 3 des 4. Änderungsgesetzes vom 31.
Oktober 1985 (GVBl. I, S. 181; im folgenden "HWG a.F.") aufgeführt sei. Gemäß §
47 Abs. 2 HWG habe es dem Beklagten oblegen, die erforderlichen
Unterhaltungsarbeiten auszuführen und nach § 53 Abs. 1 und 2 HWG a.F. 70 % der
Aufwendungen zu übernehmen. Die an die betroffenen Grundstückseigentümer zu
zahlenden Entschädigungen seien Aufwendungen für erforderliche
Unterhaltungsarbeiten im Bereich der S Gemäß § 46 Abs. 1 HWG a.F. gehöre zur
Gewässerunterhaltung auch die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für
die Wasserrückhaltung. Ein solcher Zustand sei erreicht, wenn ein dem
wasserwirtschaftlichen Bedürfnis entsprechender Einstau der S ermöglicht werde.
Dieser setze nicht nur voraus, daß die entsprechenden technischen Mittel und
Anlagen vorhanden und betriebsbereit seien, sondern auch, daß die Benutzung
der in den Rückhaltebecken gelegenen Grundstücke gesichert sei. Diese
Nutzungsmöglichkeit habe er, der Kläger, durch vertragliche Regelungen mit den
Betroffenen geschaffen, auf denen nunmehr seine Verpflichtung zur Zahlung von
Entschädigungsleistungen beruhe. Diese Zahlungen stellten eine Gegenleistung
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Entschädigungsleistungen beruhe. Diese Zahlungen stellten eine Gegenleistung
für die von den Grundstückseigentümern eingeräumte Nutzungsmöglichkeit dar.
Sie seien somit Aufwendungen zur Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes
für die Wasserrückhaltung.
Die Aufstaumaßnahmen stellten auch selbst eine Maßnahme der
Gewässerunterhaltung dar, wie sich aus § 28 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
ergebe, da zur Sicherung des dort genannten Wasserabflusses auch die
Einflußnahme auf die Auswirkungen des Wasserabflusses zu dem Zweck gehöre,
diese Auswirkungen den wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechend zu
kontrollieren und zu steuern. Maßnahmen zur Minderung der
Überschwemmungsgefahr gehörten daher zum Gewässerunterhalt im Sinne des §
28 WHG. Da eine Minderung der Überschwemmungsgefahr auch entsprechende
Einstaumaßnahmen voraussetze, gehöre nicht nur die Errichtung von
Rückhaltebecken, sondern die Wasserrückhaltung selbst, sofern sie aus
wasserwirtschaftlichen Gründen geboten sei, zu den erforderlichen
Unterhaltungsmaßnahmen.
Weiter gehöre zur Unterhaltung eines Gewässers nach § 46 Abs. 1 HWG a.F. der
Schutz und die Unterhaltung der Ufer sowie die Erhaltung vorhandener Vegetation.
Infolge eines Hochwassers entstünden im Unterlauf der S erhebliche Schäden für
Uferanlagen und Vegetation. Um diese zu vermeiden, seien Aufstaumaßnahmen
in den Rückhaltebecken unbedingt erforderlich. Somit dienten diese
Aufstaumaßnahmen auch dem Schutz und der Unterhaltung der Ufer am
Unterlauf der S Somit seien die dadurch notwendigerweise bedingten
Entschädigungsleistungen Aufwendungen auch für den Schutz und die
Unterhaltung der Ufer sowie die Erhaltung der vorhandenen Vegetation.
An der Feststellung, daß sich der Beklagte an zukünftigen
Entschädigungsleistungen zu beteiligen habe, bestehe auch ein berechtigtes
Interesse, da mit Sicherheit auch zukünftig Situationen eintreten würden, die
Einstaumaßnahmen erforderlich machten. Er, der Kläger, müsse daher mit
erneuten erheblichen Entschädigungsverpflichtungen rechnen, die seine
Leistungsfähigkeit überstiegen.
Der Kläger beantragte,
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, 70 % der Beträge zu zahlen, die
der Kläger künftig als Entschädigungsleistungen für Schäden zu erbringen hat, die
durch Einstaumaßnahmen in den Hochwasserrückhaltebecken H und T
hervorgerufen werden.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Er vertrat die Auffassung, er sei zu der streitbefangenen Zahlung nicht aufgrund
der Vorschriften des §§ 47 Abs. 2 und 53 HWG a.F. verpflichtet. Zwar würden nach
§ 47 Abs. 2 HWG a.F. erforderliche Unterhaltungsarbeiten bei den in der Anlage 3
genannten Gewässern zweiter Ordnung vom Land ausgeführt. Soweit zum Zwecke
der Unterhaltung ein Wasser- und Bodenverband bestehe, habe dieser gemäß §
53 Abs. 2 und 4 HWG a.F. zu den Aufwendungen des Landes für die Unterhaltung
30 % zu tragen. Zwar gehöre die S ab Brücke H Straße in A zu diesen in Anlage 3
genannten Gewässern. Die Entschädigungszahlungen des Klägers seien jedoch
keine Aufwendungen für die Gewässerunterhaltung. Der Umfang der
Unterhaltungspflicht ergebe sich aus §§ 28 WHG und 46 HWG a.F.. Danach gehöre
zur Gewässerunterhaltung auch die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes
für die Wasserrückhaltung: Das könne nur bedeuten, daß der Teil des Gewässers,
der dies bewirken könne, in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten sei. Die
Wasserrückhaltung selbst sei jedoch keine Gewässerunterhaltung. Zwar seien
Entschädigungszahlungen Gegenleistungen für die von den
Grundstückseigentümern eingeräumte Benutzungsmöglichkeit der Grundstücke
im Staubereich, also für die bei der Inanspruchnahme dieser Grundstücke
entstandenen Nutzungs- und Ertragsschäden. Sie seien jedoch keine
Aufwendungen für die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes des
Gewässers. Die Rückhaltung sei auch nicht die Erhaltung eines ordnungsgemäßen
Zustandes für den Wasserabfluß, sondern die Steuerung des Hochwasserabflusses
selbst.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 17. Juli 1986 als unbegründet
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Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 17. Juli 1986 als unbegründet
ab. Zur Begründung war ausgeführt, die streitbefangene Zahlungspflicht ergebe
sich nicht aus der gemeinsamen Gewässerunterhaltungspflicht. Gemäß § 47 Abs.
2 HWG a.F. i.V.m. Anlage 3 des Gesetzes obliege die Unterhaltung der S ab Brücke
H Straße in A bis zur Mündung in die E dem beklagten Land. Zu den
Aufwendungen für die Unterhaltung des Gewässers habe der Kläger jedoch
entsprechend § 52 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 53 Abs. 1, 2 und 4 HWG a.F. in Höhe von
30 % beizutragen. Der jeweilige Unterhaltspflichtige sei für einen
ordnungsgemäßen Zustand des Wasserabflusses verantwortlich, dergestalt, daß
nach den gegebenen örtlichen Verhältnissen alle zur Erhaltung dieses Zustandes
notwendigen Arbeiten am Gewässerbett einschließlich der Ufer durchgeführt
würden, damit das in ihm gewöhnlich befindliche Wasser ungehindert und gefahrlos
abfließen könne. Dazu gehöre, wie § 46 Abs. 1 HWG a.F. ausdrücklich festlege,
gerade auch die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für die
Wasserrückhaltung. Diese werde dadurch verwirklicht, daß, wie im fraglichen Gebiet
geschehen, sofern es erforderlich und notwendig sei, Anlagen zur
Hochwasserrückhaltung, sogenannte Rückhaltebecken, geschaffen würden. Aus §
46 Abs. 2 Satz 1 HWG a.F. i.V.m. § 28 Abs. 2 WHG folge, daß sich die
Unterhaltspflicht auf das gesamten künstlich hergestellte oder veränderte
Gewässer und die Ufer, insbesondere aber auf das künstliche Bett mit allen seinen
Gewässerfunktion gehörenden Bestandteilen, z.B. Rückhalteräumen, die im Zuge
des Ausbaus angelegt worden seien, erstrecke. Nicht mit umfaßt von der
Unterhaltspflicht seien jedoch Folgewirkungen, die sich daraus ergäben, daß von
den sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befindlichen Anlagen zur
Hochwasserrückhaltung ihrer Bestimmung entsprechend Gebrauch gemacht
werde. Der Wassereinstau sei eine Maßnahme zum Schutz der dem klagenden
Wasserverband angehörenden Landkreise und Anliegergemeinden, die bei
Nichtvorhandensein ordnungsgemäßer Hochwasserrückhalteanlagen von einem
Hochwasser unverhältnismäßig schwerer betroffen würden. Insoweit nehme der
Kläger eine satzungsgemäße Verbandsaufgabe im Interesse seiner Mitglieder
wahr. Daher sei es auch folgerichtig, daß die nunmehr geschützten Mitglieder über
den Umweg ihrer Beitragspflicht finanzielle Lasten trügen, soweit
Grundstückseigentümer in den Hochwasserrückhaltebecken durch den Einstau
Schäden erlitten.
Gegen dieses ihm am 31. Juli 1986 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. August
1986 Berufung eingelegt. Zur Begründung ist ausgeführt, wenn der Ausbau eines
Gewässers im Rahmen der Unterhaltungspflicht -- Erhaltung eines
ordnungsgemäßen Zustandes für die Wasserrückhaltung -- erfolge, sei folgerichtig
auch der Einstau selbst Teil der Unterhaltung. Nicht gefolgt werden könne der
Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Einstau sei ausschließlich Pflicht des
Wasserverbandes und diene lediglich dem Interesse der Verbandsmitglieder.
Hochwasserschutz sei eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge und auch
eine Aufgabe des Landes Hessen und nicht nur der betroffenen Städte,
Gemeinden und Gemeindeverbände. Dies werde deutlich, wenn man die
Grundlagen der Förderung des Ausbaus der fraglichen Gewässerabschnitte näher
betrachte. Die Ausbaumaßnahmen seien seinerzeit zu 95 % durch den Beklagten
finanziert worden. Die Finanzierung sei aufgrund des Gesetzes über die
Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes"
vom 3. September 1969 (BGBl. I S. 1573) erfolgt. Dieses Gesetz sei wiederum die
konkrete Ausformung des Art. 91 a GG. Aus dessen Wortlaut werde deutlich, daß
die in § 91 a GG beschriebenen Gemeinschaftsaufgaben, zu denen auch der hier
erfolgte Gewässerausbau gehöre, zunächst Aufgabe der Länder seien und wegen
der Bedeutung der Aufgaben sogar die Mitwirkung des Bundes erforderlich sei.
Entgegen der in dem angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung diene nicht nur
der Ausbau der Erfüllung der Unterhaltungspflicht, sondern auch die Benutzung
der Anlagen -- hier durch Einstau in Zeiten erhöhter Niederschläge --. Die
Rückhaltebecken und die Einstaumaßnahmen, welche die
Schadensersatzansprüche auslösten, dienten insbesondere dem Schutz der
Gewässer im Bereich des Unterlaufs. Schutz und Unterhaltung der Ufer seien
Bestandteil der Unterhaltspflicht, wie sich aus § 46 Abs. 1 Satz 2 HWG a.F. ergebe.
Nicht gefolgt werden könne auch der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die den
Entschädigungszahlungen zugrundeliegenden Schäden seien Folgen
unbeeinflußbarer Naturereignisse. Die Frage, ob eingestaut werde oder nicht,
beruhe auf einer willentlichen Entscheidung der Mitarbeiter des Wasserverbandes.
Weiterhin führe das Verwaltungsgericht zutreffend aus, der Bau von
Rückhaltebecken sei vorliegend eine notwendige und erforderliche
Ausbaumaßnahme zur Verwirklichung des Gebots der Erhaltung eines
ordnungsgemäßen Zustands für die Wasserrückhaltung. Dies bedeute, daß der
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ordnungsgemäßen Zustands für die Wasserrückhaltung. Dies bedeute, daß der
Beklagte zum Ausbau verpflichtet gewesen sei. Diese Verpflichtung ergebe sich
aus § 62 HWG a.F.. Wenn der Beklagte sowohl gemäß § 46 als auch nach § 62 HWG
a.F. zum Bau der Rückhaltebecken verpflichtet gewesen sei, müsse er auch die
Kosten für die Einstauschäden übernehmen. Zu einem ordnungsgemäßen Ausbau
gehöre nicht nur die Errichtung der technischen Bauten, sondern auch der Erwerb
der für den Einstau erforderlichen Grundstücksflächen. Jedenfalls sei der Beklagte
verpflichtet gewesen, einen entsprechenden Nutzungsvertrag mit den
Grundstückseigentümern abzuschließen. Dies sei nicht erfolgt. Seinerzeit habe
man bei Errichtung der Rückhaltebecken aus Kostengründen davon abgesehen,
neben den technischen Bauten für die Rückhaltebecken auch die für den Einstau
notwendigen Grundstücke zu erwerben. Wenn der Erwerb der Einstauflächen
grundsätzlich zur Errichtung eines Rückhaltebeckens gehöre, seien auch die
Kosten hierfür gemäß § 62 HWG a.F. bzw. § 46 HWG a.F. seitens des Beklagten zu
tragen gewesen. Die Beklagte könne sich nun nicht infolge unterbliebenen Erwerbs
von Einstauflächen aus der Verantwortung stehlen und dem Kläger die
Entschädigungszahlungen überlassen. Ein solches Verfahren sei treuwidrig und
führe zu einer mit der Gesetzeslage nicht zu vereinbarenden ungerechtfertigten
Lastenverschiebung. Hinzu komme, daß es dem Wasserverband keineswegs
überlassen bleibe, ob er Einstaumaßnahmen durchführen wolle oder nicht. Die
Pflicht zum Rückstau ergebe sich zwingend aus den Planfeststellungsbeschlüssen
vom 4. Dezember 1964 und 15. November 1967, die von dem Beklagten erlassen
worden seien. Schließlich sei das Klagebegehren auch aus dem Rechtsinstitut der
Geschäftsführung ohne Auftrag begründet. Der Kläger erfülle durch Zahlung der
Entschädigungen jedenfalls in Höhe von 70 % ein objektiv fremdes Geschäft,
nämlich das des Beklagten. Auch sei zu berücksichtigen, daß möglicherweise ohne
die bestehenden Nutzungsverträge den Grundstückseigentümern unmittelbar
Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten aus § 30 Abs. 3 und § 10
Abs. 2 WHG i.V.m. dem HWG zustehen könnten, denn gemäß § 47 Abs. 2 HWG a.F.
i.V.m. Anlage 3 dieses Gesetzes oblägen dem Land H für den betroffenen Bereich
der S die erforderlichen Unterhaltungsarbeiten und hiermit verbunden auch die
Unterhaltungs- und Ausbaupflichten.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 111.031,93 DM zu zahlen,
2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, sich ab 1. Januar 1990 nach
Maßgabe von § 60 Abs. 4 HWG in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.
Januar 1990 (GVBl. I, S. 114) an den von dem Kläger zu erbringenden
Entschädigungsleistungen für Schäden zu beteiligen, die durch
Einstaumaßnahmen in den Hochwasserrückhaltebecken H und T hervorgerufen
würden.
Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und führt aus, Einstau des ausgebauten
Rückhaltebeckens sei Gewässerbenutzung, nicht Unterhaltung. Finanzielle Folgen
der Gewässerbenutzung und der Inanspruchnahme von Grundstücken seien
deshalb auch keine Unterhaltungskosten. Schon aus diesem Grunde scheide eine
gesetzliche Verpflichtung des Landes gemäß § 47 HWG a.F. aus. Auch aus § 62
HWG a.F. könne kein Anspruch gegen das Land hergeleitet werden, denn diese
Vorschrift regle in Abs. 1 und 2 nur, wem der Ausbau obliege und unter welchen
Voraussetzungen der Unterhalts- und Ausbaupflichtige zum Ausbau angehalten
werden könne. Abs. 3 habe nur für den Pflichtausbau und nicht etwa allgemeine
Bedeutung. Schließlich führe der Verband kein objektiv fremdes Geschäft aus,
sondern betreibe die Anlagen, die den Abfluß der Verbandsgewässer regelten,
gemäß § 3 seiner Satzung als eigene Aufgabe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens VG Kassel --
IV/2 E 4940/82 -- sowie des Wasserbuchs und der Akten des Regierungspräsidiums
in K zum "Ausbau" der fraglichen Rückhaltebecken Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Hinsichtlich des Antrags zu 1. kann offen bleiben, ob in der Umstellung von einer
Feststellungsklage auf eine allgemeine Leistungsklage eine Klageänderung im
Sinne des § 91 VwGO zu sehen ist (vgl. dazu Kopp, VwGO, 8. Aufl. § 91 Rdnr. 9).
Denn jedenfalls hat der Beklagte eingewilligt und im übrigen wäre die Änderung
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Denn jedenfalls hat der Beklagte eingewilligt und im übrigen wäre die Änderung
auch sachdienlich.
Der Leistungsantrag kann jedoch keinen Erfolg haben. Das Verwaltungsgericht hat
zu Recht eine Zahlungspflicht des Beklagten verneint.
Hinsichtlich des Antrags zu 1., mit dem der Kläger den Ersatz von in den Jahren
1985 bis 1988 in Form von Entschädigungsleistungen erbrachten Aufwendungen
begehrt, ist das Hessische Wassergesetz in der Fassung vom 12. Mai 1981 (GVBl.
I, S. 154), geändert durch Art. 3 des 4. Änderungsgesetzes vom 31. Oktober 1985
(GVBl. I, S. 181) maßgeblich, weil es sich um einen abgeschlossenen Tatbestand
im Zeitraum der Geltung dieser Vorschriften handelt. Da die S ab Brücke H Straße
in A bis zur Mündung in die E ein Gewässer zweiter Ordnung darstellt, hatte das
beklagte Land im fraglichen Zeitraum die Unterhaltungsarbeiten auszuführen (§
47 Abs. 2 HWG a.F. i.V.m. Anlage 3 dieses Gesetzes) und die Aufwendungen für
den Unterhalt zu übernehmen, wobei der Kläger einen Anteil von 30 % zu tragen
hatte (§ 53 Abs. 1, 2 und 4 HWG a.F.).
Was zur Unterhaltung eines Gewässers gehört, bestimmt sich nach § 46 HWG a.F.
i.V.m. § 28 WHG. Offen bleiben kann zunächst, ob es sich bei den fraglichen
Hochwasserrückhaltebecken um "Gewässer" im Sinne des § 1 Abs. 1 HWG handelt,
also um nach dem hier allein in Betracht kommenden Nr. 1 dieser Vorschrift
ständig oder zeitweilig in Betten fließendes Wasser oder stehendes oder aus
Quellen wild abfließendes Wasser (oberirdische Gewässer). Dies erscheint
insbesondere im Hinblick auf § 70 Abs. 1 Satz 3 HWG a.F. nicht zweifelsfrei. Nach
dieser Vorschrift gelten das Gelände zwischen Ufer und Deichen oder Dämmen
sowie die Hochwasser- und Niederschlagsrückhaltebecken als
Überschwemmungsgebiete, ohne daß es einer Feststellung bedarf. Das
Überschwemmungsgebiet ist, obwohl es zeitweise von Wasser durchflossen wird,
nicht selbst Gewässer (vgl. Bickel, Hessisches Wassergesetz, Rdnr. 7 vor § 69). Im
vorliegenden Verfahren bedarf es keiner Entscheidung der umstrittenen Frage, ob
bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Hochwasserrückhaltebecken ein
Gewässer darstellt (bejahend für Rückhaltebecken in einem Gewässer und solche,
die seitwärts vom Bett des hochwassergefährdeten Gewässers angelegt würden
Czychowski, ZfW 1973, 151; vgl. auch Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, 5.
Aufl. § 1 Rdnr. 3; a.M. für Rückhaltebecken im Seitenschluß Bickel, Hessisches
Wassergesetz, § 1 Rdnr. 5).
Auch wenn man für die folgende Prüfung unterstellt, daß die beiden
Rückhaltebecken "Gewässer" darstellen, besteht der geltend gemachte Anspruch
nicht. Die Unterhaltung eines Gewässers umfaßt nach § 46 HWG a.F. i.V.m. § 28
WHG insbesondere die Reinigung, Räumung und Festlegung des Gewässerbetts,
die Freihaltung, den Schutz und die Erhaltung der Ufer, die Erhaltung und
Förderung der biologischen Funktion des Gewässers, ferner entsprechend
wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen die Erhaltung eines ordnungsgemäßen
Zustandes für die Feststoff- und Eisabfuhr sowie für die Wasser-, Feststoff- und
Eisrückhaltung. Daraus folgt, wie § 28 Abs. 1 WHG ausdrücklich bestimmt, daß der
jeweilige Unterhaltungspflichtige für einen ordnungsgemäßen Zustand des
Wasserabflusses verantwortlich ist. Es müssen alle nach den gegebenen örtlichen
Verhältnissen zur Erhaltung dieses Zustandes notwendigen Arbeiten am
Gewässerbett einschließlich der Ufer durchgeführt werden, damit das in ihm
gewöhnlich befindliche Wasser ungehindert und gefahrlos abfließen kann. Dazu
gehört, wie § 46 Abs. 1 HWG a.F. ausdrücklich festlegt, auch die Erhaltung eines
ordnungsgemäßen Zustandes für die Wasserrückhaltung.
Über eine "Erhaltung" in diesem Sinne hinaus geht jedoch die Schaffung von
Rückhaltebecken, die folglich entgegen der Auffassung des Klägers nicht von der
Unterhaltspflicht umfaßt wird (vgl. Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 28
Rdnr. 14 ff.; Czychowski, ZfW 1973, 151, 152). Insoweit gilt vielmehr § 31 Abs. 1
WHG, wobei offen bleiben kann, ob es sich um einen "Ausbau" in Form der
wesentlichen Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer (Satz 1 dieser
Vorschrift) oder um die Schaffung von Deich- und Dammbauten, die den
Hochwasserabfluß beeinflussen, handelt (Satz 2; vgl. auch § 63 HWG). Unterfällt
somit die Schaffung der Becken nicht der Unterhaltspflicht, so hat der vom Kläger
gezogene Rückschluß auf die rechtliche Qualität des Einstaus keine Grundlage im
Gesetz.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, folgt aus § 46 Abs. 2 Satz 1
i.V.m. § 28 Abs. 2 WHG, die nach den obigen Ausführungen zu § 31 Abs. 1 WHG
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i.V.m. § 28 Abs. 2 WHG, die nach den obigen Ausführungen zu § 31 Abs. 1 WHG
unmittelbar oder jedenfalls sinngemäß (vgl. § 63 HWG a.F.) anzuwenden sind, daß
die Unterhaltungspflicht des § 46 Abs. 1 HWG a.F., die sich zunächst auf das
Gewässerbett und die Ufer beschränkte, sich nach der Schaffung der
Rückhalteräume auch auf deren ordnungsgemäßen Zustand erstreckt. Unter
ordnungsgemäßem Zustand ist zu verstehen, daß sich die zur
Hochwasserrückhaltung erforderlichen Anlagen in einem gebrauchsfähigen, ihrer
Zweckbestimmung entsprechenden Zustand befinden.
Von der Unterhaltungspflicht werden jedoch Folgewirkungen nicht umfaßt, die sich
daraus ergeben, daß von den sich in einem ordnungsgemäßen Zustand
befindlichen Anlagen zur Wasserrückhaltung ihrer Bestimmung entsprechend
Gebrauch gemacht wird. Der Wassereinstau ist eine Maßnahme zum Schutz der
dem klagenden Wasserverband angehörenden Landkreise und Anliegergemeinden
und ihrer Bewohner, die bei Nichtvorhandensein ordnungsgemäßer
Rückhalteanlagen Hochwasserschäden erleiden würden. Insoweit nimmt der Kläger
eine ihm nach § 3 seiner Satzung obliegende Aufgabe im Interesse seiner
Mitglieder wahr. Wenn nach dieser Vorschrift der Verband die Aufgabe übernimmt,
"den Abfluß der Verbandsgewässer zu regeln und dazu die notwendigen Anlagen
zu bauen, zu unterhalten und zu betreiben", so spricht auch die Fassung dieser
Vorschrift dagegen, den Einstau als Teil der Unterhaltung anzusehen. Zugleich
scheidet ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag aus, da der Kläger mit
dem Einstau kein Geschäft des Beklagten besorgt (vgl. § 677 BGB). Es erscheint
folgerichtig, daß die so geschützten Mitglieder über ihre Beitragspflicht finanzielle
Lasten tragen, soweit Grundstückseigentümer in den Hochwasserrückhaltebecken
durch den Einstau Schäden erleiden.
Soweit der Beklagte meint, Hochwasserschutz sei auch eine Aufgabe des Landes
H und nicht nur der betroffenen Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände, so
kann dies nichts daran ändern, daß der hier geltend gemachte konkrete Anspruch
keine Grundlage in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen findet. Im
Hinblick hierauf kann schließlich offen bleiben, welche Bedeutung Ziff. III B 3 des
Bescheids vom 15. November 1967 zukommt (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom
11. Mai 1987, Bl. 62 der Akte).
Der Antrag zu 2. ist als Feststellungsantrag nach § 43 VwGO zulässig.
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 2 des Hessischen Wassergesetzes in der hier insoweit
maßgeblichen Neufassung vom 22. Januar 1990 (HWG n.F.) ist der Kläger für den
fraglichen Abschnitt der S unterhaltspflichtig. Gemäß § 60 Abs. 4 HWG n.F. beteiligt
sich das Land bei den in Anlage 3 des Gesetzes genannten Gewässern an den
Kosten, die aus den Verpflichtungen nach § 59 Abs. 1 HWG n.F. entstehen, soweit
diese die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltungspflichtigen übersteigen,
mit einem den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln entsprechenden Anteil,
höchstens jedoch zu 70 vom 100. Der Gegenstand der Gewässerunterhaltung ist
nunmehr in § 59 HWG n.F. geregelt. Auch diese Vorschrift umfaßt jedoch nicht den
Einstau in die fraglichen Rückhaltebecken und die sich hieraus ergebenden
Folgewirkungen. Zwar bestimmt § 59 Abs. 1 Satz 2 HWG n.F. ausdrücklich, daß den
Belangen des Hochwasserschutzes Rechnung zu tragen ist. Dies war freilich auch
nach § 46 Abs. 1 HWG a.F. geboten, wie etwa der Hinweis auf die Verpflichtung zur
Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustands für die Wasserrückhaltung
verdeutlicht. Eine Erstreckung der Unterhaltungspflicht auf Einstaumaßnahmen ist
somit durch § 59 HWG n.F. nicht erfolgt, so daß ein Anspruch nach § 60 Abs. 4
HWG n.F. nicht besteht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.