Urteil des HessVGH vom 08.07.1993
VGH Kassel: grundstück, teilung, haus, miteigentümer, genehmigung, zugang, abrechnung, verkehr, gerichtsakte, erfüllung
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 UE 209/89
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 133 Abs 1 BauGB
(Erschließungsbeitragspflicht für Hinterliegergrundstück -
Erschlossensein bei Eigentümeridentität)
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen für ein
Hinterliegergrundstück.
Er ist gemeinsam mit seiner Ehefrau Miteigentümer je zur ideellen Hälfte der
Grundstücke Flur, Flurstücke und. Dabei grenzt das Flurstück direkt an die
öffentliche Straße Eichbergweg an, während das Flurstück in genau derselben
Breite hinter dem Flurstück liegt.
Bis zum Jahr 1976 bildeten beide Flurstücke gemeinsam das Flurstück. Mit Antrag
vom 5. Juli 1976 - eingegangen beim Stadtbauamt der Beklagten am 9. Juli 1976 -
beantragte der Kläger beim Kreisbauamt des kreises die Teilungsgenehmigung für
dieses Flurstück. Mit Schreiben vom 5. August 1976 an das Katasteramt in L teilte
das Kreisbauamt unter Betreff "Bodenverkehrsgenehmigung nach § 19 BBauG"
mit, daß die Teilung möglich sei und die Vermessung erfolgen könne. Der Kläger
erhielt eine Durchschrift dieses Schreibens. Daraufhin wurde aufgrund eines
entsprechenden Antrags des Klägers und seiner Ehefrau vom 21. April 1977 die
Teilung am 23. Mai 1977 im Grundbuch eingetragen. Dabei lag dem
Grundbuchamt zwar der Veränderungsnachweis des Katasteramts, aber keine
Teilungsgenehmigung vor. Ein am 8. August 1986 vom Rechtspfleger des
Amtsgerichts L mit der Begründung, bei der Eintragung sei der
Genehmigungsbescheid nicht vorgelegt und deshalb das Grundbuch unrichtig
geworden, eingetragener Amtswiderspruch wurde auf Anweisung des Landgerichts
Fulda auf die Beschwerde des Klägers und seiner Ehefrau hin gelöscht. Dabei ging
das Landgericht in seiner Entscheidung davon aus, daß die Teilungsgenehmigung
dem Grundbuchamt zwar nicht vorgelegen habe, das Grundbuch aber richtig sei,
da die Teilung materiell wirksam sei. Das Schreiben des Kreisbauamts vom 5.
August 1976 sei als Teilungsgenehmigung anzusehen.
In seiner Sitzung vom 28. März 1984 hatte der Magistrat der Beklagten in einem
Beschluß über die endgültige Herstellung von Erschließungsanlagen im Baugebiet
"E" unter anderem beschlossen, daß der E weg von Haus Nr. 1 (Flur I Nr.) bis Haus
S straße Nr. 15 (Flur Nr.) und von Haus Nr. 4 (Flur Nr.) bis Haus Nr. 26 (Flur Nr.)
endgültig hergestellt sei und die fertiggestellten Verkehrsanlagen mit sofortiger
Wirkung dem öffentlichen Verkehr gewidmet würden. Auf Vorschlag des Magistrats
beschloß sodann die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten in ihrer Sitzung
am 14. Juni 1984 die Abrechnung von Erschließungsbeiträgen im Baugebiet "E"
nach einzelnen Straßen, wobei die einzelnen Straßen als Abschnitte bezeichnet
wurden. In diesem Beschluß war auch der E weg von Haus Nr. 1 bis Haus S straße
Nr. 15 und von Haus Nr. 4 bis Haus Nr. 26 genannt.
Mit gesonderten Bescheiden vom 11. Juli 1984 zog die Beklagte daraufhin den
Kläger für die Grundstücke Flur, Flurstücke und zu Erschließungsbeiträgen für die
Herstellung des genannten Abschnitts des E wegs heran. Auf die dagegen
gerichteten Widersprüche des Klägers reduzierte sie die Beiträge geringfügig, wies
die Widersprüche aber ansonsten mit Widerspruchsbescheiden vom 8. Oktober
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die Widersprüche aber ansonsten mit Widerspruchsbescheiden vom 8. Oktober
1985 zurück, da die Inanspruchnahme gerechtfertigt sei. Der Erschließungsbeitrag
für das in diesem Verfahren streitige Grundstück betrug nunmehr 6.649,43 DM.
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 11. Oktober 1985 zugestellt.
Am 16. Juli 1986 veröffentlichte die Beklagte unter der Überschrift
"Abschnittsbildungs- und Widmungsbeschluß nach der Fertigstellung der
Erschließungsanlagen im Baugebiet E" im Stadtteil M den Beschluß der
Stadtverordnetenversammlung vom 14. Juni 1984 und die Widmung der
Verkehrsanlagen gemäß § 4 Abs. 1 Hessisches Straßengesetz für den öffentlichen
Verkehr in ihren Bekanntmachungsorganen.
Mit Schreiben vom 8. November 1985 - eingegangen beim Verwaltungsgericht
Darmstadt am 11. November 1985 - hatte der Kläger Klage gegen die
Heranziehung für das Grundstück Flur, Flurstück erhoben.
Er hat sich im wesentlichen darauf berufen, daß die Voraussetzungen für die
Inanspruchnahme des Grundstücks als Hinterliegergrundstück nicht gegeben
seien. Zum einen stehe das Grundstück nicht in seinem Alleineigentum, zum
anderen sei es rechtlich und tatsächlich nicht möglich, einen Zugang zum
Grundstück zu schaffen. Die Wirksamkeit der Teilung der ehemaligen Parzelle
werde durch den Beschluß des Landgerichts Fulda belegt.
Der Kläger hat beantragt,
den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 11. Juli 1984 - betreffend
die Grundstücksparzelle - in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8.
Oktober 1985 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, zu dem Abschnittsbildungsbeschluß sei anzumerken, daß sie
ursprünglich beabsichtigt habe, die einzelnen Straßen des Baugebiets "E" im
Rahmen eines Erschließungsbezirks zur gemeinsamen Abrechnung zu bringen.
Wegen der fehlenden Voraussetzungen für die Bildung eines Erschließungsbezirks
habe ihr Bevollmächtigter ihr jedoch davon abgeraten. Dies habe sie dann zum
Anlaß genommen, den besagten "Abschnittsbildungsbeschluß" zu erlassen. Damit
habe sie jedoch nur nach außen hin kundtun wollen, daß eine getrennte
Abrechnung nach einzelnen Straßen erfolgen solle, welche man fälschlicherweise
als "Abschnitte" bezeichnet habe. Für die beiden im gleichem Eigentum stehenden
Grundstücke bestehe eine einheitliche Nutzung und eine Zuwegung. Eine andere
Erschließungsmöglichkeit als über die in Rede stehende Erschließungsanlage
bestehe für das Hinterliegergrundstück nicht. Auch sei die Teilung unwirksam, weil
eine Teilungsgenehmigung nicht erteilt worden sei. Das Schreiben des
Kreisbauamts vom 5. August 1976 sei nach dessen eigenen Angaben keine
derartige Genehmigung.
Ein vom Kläger gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
seiner Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt Erfolg (Beschluß vom
23. Juli 1986 - IV/2 H 675/86 -). Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der
erkennende Senat mit Beschluß vom 23. Februar 1988 zurückgewiesen (- 5 TH
2511/86 -, KStZ 1988, 148 = ZKF 1988, 183 = GemHH 1989, 41 = NVwZ-RR 1989,
44).
Mit Urteil vom 29. November 1988 - IV/2 E 2113/85 - hat das Verwaltungsgericht
Darmstadt der Klage stattgegeben und den Erschließungsbeitragsbescheid der
Beklagten betreffend das hinterliegende Flurstück in der Fassung des
Widerspruchsbescheides aufgehoben. Zur Begründung hat es sich im wesentlichen
auf den Beschluß des Senats im Eilverfahren bezogen. Danach fehle es an einem
auf Dauer ausreichend gesicherten Zugangsrecht zum Hinterliegergrundstück.
Dies sei aber bauordnungsrechtlich Voraussetzung für die Bebaubarkeit des
Hinterliegergrundstücks und damit für sein "Erschlossensein" im Sinne des § 133
Abs. 1 BBauG. Auf die dauerhafte Sicherung des Zugangsrechts für die
Hinterliegerparzelle könne auch nicht deshalb verzichtet werden, weil bezüglich
Anlieger- und Hinterliegergrundstück Eigentümeridentität bestehe. Wesentlich sei
nämlich, daß der j e w e i l i g e Eigentümer oder Miteigentümer des
Hinterliegergrundstücks das vermittelnde Grundstück befahren dürfe. Die Teilung
der früheren Parzelle sei nach Auffassung der Kammer wirksam. So sei die
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der früheren Parzelle sei nach Auffassung der Kammer wirksam. So sei die
Beklagte gemäß § 892 BGB verpflichtet, von der Richtigkeit des Grundbuchs
auszugehen. Auch sehe sich die Kammer gehindert, gegen die rechtskräftige
Feststellung des Landgerichts Fulda von einer unwirksamen Teilung auszugehen.
Eine Teilungsgenehmigung liege in dem Schreiben des Kreisbauamts vom 5.
August 1976.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 11. Januar 1989 zugestellte Urteil hat die
Beklagte mit Schreiben vom 13. Januar 1989 - eingegangen beim
Verwaltungsgericht Darmstadt am 16. Januar 1989 - Berufung eingelegt.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts Fulda und des Verwaltungsgerichts sei
die Teilung des ehemaligen Flurstücks nicht wirksam erfolgt, da keine
Teilungsgenehmigung vorgelegen habe. Dies habe das Kreisbauamt selbst
bestätigt. Aber auch eine Inanspruchnahme nach den für Hinterliegergrundstücke
geltenden Grundsätzen sei rechtmäßig. Dies ergebe sich zumindest aus der
neuen und neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach es
für die Bebaubarkeit ausreiche, wenn die Erfüllung der bauplanungs- und
bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen in der Hand des oder der identischen
Eigentümer von Anlieger- und Hinterliegergrundstücken liege.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 29.
November 1988 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagten könne es nicht erspart bleiben, sich mit zivilrechtlichen Fragen
auseinanderzusetzen. Er, der Kläger, sei Adressat des Verwaltungsakts. Als
Miteigentümer zur ideellen Hälfte beider Grundstücke liege es nicht in seiner Hand,
den anderen Miteigentümer zu Verfügungen zugunsten des einen oder zu Lasten
des anderen Grundstücks zu zwingen.
Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens, der
Gerichtsakte des Eilverfahrens (VG Darmstadt IV/2 H 678/86 = Hess.VGH 5 TH
2511/86), der Gerichtsakte VG Darmstadt IV/2 E 1915/85 sowie der
Verwaltungsvorgänge der Beklagten (fünf Hefter) verwiesen, die insgesamt
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und auch begründet, denn die zulässige Klage des
Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat ihr zu Unrecht stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid vom 11. Juli 1984 über die Heranziehung zu
Erschließungsbeiträgen für das Grundstück Flur, Flurstück in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 1985 ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -).
Grundlage für den Erschließungsbeitragsbescheid sind die §§ 127 ff.
Bundesbaugesetz - BBauG -, das hier noch anzuwenden ist, in Verbindung mit der
Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 1. September 1982 - EBS -.
Nach diesen Vorschriften erhebt die Beklagte zur Deckung ihres anderweitig nicht
gedeckten Aufwandes für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag.
Bedenken gegen die formelle oder materielle Wirksamkeit der
Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten sind nicht ersichtlich und auch nicht
vorgetragen.
Die Beklagte hat den E weg erstmalig hergestellt und mit Beschluß des Magistrats
vom 28. März 1984 die endgültige Herstellung beschlossen sowie den E weg dem
öffentlichen Verkehr gewidmet. Dieser Beschluß ist auch am 16. Juli 1986 in den
Bekanntmachungsorganen der Beklagten veröffentlicht worden. Der Beschluß der
Stadtverordnetenversammlung der Beklagten vom 14. Juni 1984 über
"Abschnittsbildung" war insofern nicht erforderlich, da nicht im eigentlichen Sinne
Abschnitte gebildet worden sind, sondern ganze Straßen abgerechnet wurden. Zu
diesem Beschluß ist es gekommen, weil die Beklagte kundtun wollte, daß sie
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diesem Beschluß ist es gekommen, weil die Beklagte kundtun wollte, daß sie
entgegen ihrer ursprünglichen Absicht das gesamte Baugebiet nicht als
Erschließungseinheit abrechnen wollte. In Bezug auf diese Voraussetzungen für die
Geltendmachung von Erschließungsbeiträgen besteht auch kein Streit zwischen
den Beteiligten.
Streitig ist allein die Rechtsfrage, ob das Grundstück des Klägers Flur, Flurstück
durch den E weg bereits erschlossen im Sinne des § 133 Abs. 1 BBauG, d.h.
gerade durch diese Erschließungsanlage "bebaubar" ist. Dies hat das
Verwaltungsgericht zu Unrecht verneint.
Im Ergebnis zu Recht hat es allerdings angenommen, daß die Beklagte ihre
Auffassung nicht darauf stützen kann, daß die im Jahre 1976 erfolgte Teilung
unwirksam und deshalb das Grundbuch falsch sei und somit der Kläger für das
gesamte - weil einheitliche - Grundstück in Anspruch genommen werden könne.
Dabei kann offen bleiben, ob bereits der Beschluß des Landgerichts Fulda insofern
Rechtskraft entfaltet, als er von einer wirksamen Teilung ausgeht. Auch ergibt sich
die Pflicht der Beklagten, hier von zwei Grundstücken auszugehen, nicht aus dem
öffentlichen Glauben des Grundbuchs gemäß § 892 Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB -, da sie weder ein Rechtsgeschäft vorgenommen hat, noch gar gutgläubig
gewesen wäre. Ebenfalls kann der Senat offen lassen, ob in dem Schreiben des
Kreisausschusses - Kreisbauamt - des V kreises vom 5. August 1976 an das
Katasteramt, das dem Kläger in Durchschrift übersandt worden ist, objektiv bereits
eine Teilungsgenehmigung zu sehen war, wovon das Landgericht Fulda und das
Verwaltungsgericht ausgegangen sind, oder ob darin nur eine Zustimmung zur
Vermessung durch das Katasteramt lag und die eigentliche Genehmigung erst
später hätte erfolgen sollen, wie es das Kreisbauamt später erklärt hat. Jedenfalls
ist die Eintragung der Teilung am 23. Mai 1977 im Grundbuch deshalb inhaltlich
richtig erfolgt, weil gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 BBauG (hier anzuwenden i.d.F. des
Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960, BGBl. I S. 341, zuletzt geändert durch
Gesetz vom 29. Januar 1976, BGBl. I S. 241) die Teilungsgenehmigung als erteilt
galt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Antragseingang versagt worden
war. Der Antrag des Klägers und seiner Ehefrau auf Erteilung der
Teilungsgenehmigung war am 9. Juli 1976 eingegangen. Da die Genehmigung nicht
versagt worden war, galt sie demnach zum Zeitpunkt der Eintragung ins
Grundbuch am 23. Mai 1977 als erteilt, so daß die Eintragung insofern zu Recht
erfolgt ist.
Das Verwaltungsgericht hat jedoch im Anschluß an die Entscheidung des Senats
im Eilverfahren die Möglichkeit verneint, das Grundstück nach den für die
Inanspruchnahme von Hinterliegergrundstücken geltenden Grundsätzen zu
berücksichtigen.
Der Senat hat allerdings in seinem damaligen Beschluß den
Heranziehungsbescheid unter Berufung auf die damalige Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts für rechtswidrig gehalten, da ein "Erschlossensein" im
Sinne des § 133 Abs. 1 BBauG erfordere, daß die Bebaubarkeit bauplanungs- und
bauordnungsrechtlich gegeben sei. Daran fehle es, da ein auf Dauer ausreichend
gesichertes Zugangsrecht zum Hinterliegergrundstück nicht bestehe. Auf diesen
dauerhaften Zugang könne auch nicht wegen der Eigentümeridentität des
Hinterlieger- und des Anliegergrundstücks verzichtet werden, da nicht ein
bestimmter, sondern der jeweilige Eigentümer oder Miteigentümer des
Hinterliegergrundstücks das den Zugang vermittelnde Grundstück befahren dürfen
können müsse (vgl. Beschluß vom 23. Februar 1988, a.a.O.).
An dieser - damals aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
entwickelten - Auffassung, die die Interessen der Gemeinden nicht in
ausreichendem Maß berücksichtigt, hält der Senat nicht mehr fest, sondern folgt
der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hat in seinem
Urteil vom 26. Februar 1993 - 8 C 35.92 - (DVBl. 1993, 667) ausgeführt, daß ein
Hinterliegergrundstück bereits dann "bebaubar" im Sinne des § 133 Abs. 1 BBauG
ist, wenn es allein in der Verfügungsmacht des Eigentümers steht, die für eine
"aktuelle" Bebaubarkeit aufgestellten bundes- und landesrechtlichen
Anforderungen zu erfüllen. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht an seine
Rechtsprechung angeschlossen, nach der das Erschlossensein im Sinne des § 133
Abs. 1 BBauG/BauGB nicht davon abhängt, ob ein der erforderlichen regelmäßigen
Erreichbarkeit entgegenstehendes (ausräumbares) Hindernis bereits beseitigt ist,
wenn die Beseitigung allein in der Verfügungsmacht des Eigentümers liegt oder
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wenn die Beseitigung allein in der Verfügungsmacht des Eigentümers liegt oder
nur an seiner fehlenden Mitwirkung scheitert (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 1991 - 8
C 67.89 -, E 88, 248, 252 f.). Entsprechendes soll deshalb auch dann gelten, wenn
die Erfüllung der Voraussetzungen, unter denen das (bundesrechtliche)
Bebauungsrecht und das (landesrechtliche) Bauordnungsrecht die Bebauung
eines im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG erschlossenen Hinterliegergrundstücks
erlauben, in der Hand des Eigentümers bzw. des Erbbauberechtigten liegen.
Maßgebendes Motiv ist bei beiden Fällen, daß die Gemeinden nach dem Willen des
Gesetzgebers die ihnen durch Herstellung der Erschließungsanlage entstandenen
Kosten möglichst uneingeschränkt durch Beiträge auf die Eigentümer bzw.
Erbbauberechtigten der im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BBauG erschlossenen
Grundstücke sollen umlegen können (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1993, a.a.O.,
S. 668 m.w.N.).
In Fällen der Eigentümeridentität, d.h. in Fällen, in denen - wie hier - Anlieger- und
Hinterliegergrundstücke im Eigentum derselben Person oder Personen stehen,
haben es die Eigentümer in der Hand, durch geeignete Maßnahmen selbst die
Voraussetzungen einer Bebaubarkeit nach dem einschlägigen Bauordnungsrecht
herbeizuführen. Dies können sie etwa durch Bestellung einer Baulast (vgl. §§ 4
Abs. 1 Nr. 2, 9 Abs. 1 Satz 3, 109 Hessische Bauordnung - HBO -) oder auch durch
die Vereinigung der Grundstücke erreichen. Ob gegen derartige Maßnahmen
wirtschaftliche Belange des Eigentümers sprechen, ist nicht von Bedeutung, denn
das Erschließungsbeitragsrecht verlangt solche Maßnahmen nicht. Die einzig von
den Interessen des Grundstückseigentümers bestimmte Entscheidung hat keinen
Einfluß auf die Erfüllung des Merkmals des "Erschlossenseins" im Sinne des § 133
Abs.1 BBauG. Dafür genügt, daß die Straße als Erschließungsanlage dem
Grundeigentümer die Möglichkeit eröffnet, durch eine in seiner Hand liegende
Maßnahme die Voraussetzungen für die Bebaubarkeit zu schaffen.
Legt man diese Grundsätze im vorliegenden Fall zugrunde, ist das streitige
Grundstück als "erschlossen" im Sinne des § 133 Abs. 1 BBauG anzusehen, denn
die identischen Eigentümer des streitigen Hinterlieger- und des
Anliegergrundstücks, der Kläger und seine Ehefrau, haben es in der Hand, die
Bebaubarkeit des Hinterliegergrundstücks durch geeignete Maßnahmen selbst
herbeizuführen. Auch der Hinweis des Klägers, er sei nur Miteigentümer des
Grundstücks und könne deshalb die Maßnahme schon rechtlich nicht allein treffen,
geht ins Leere. Eigentümer beider Grundstücke sind jeweils der Kläger und seine
Ehefrau. Auf sie gemeinsam ist deshalb bei der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit
hinsichtlich der Bebaubarkeitsvoraussetzungen auch abzustellen, so daß beide
gemeinsam, wie auch ein Alleineigentümer, es in der Hand haben, das
Hinterliegergrundstück bebaubar im Sinne des § 133 Abs. 1 BBauG zu machen.
Davon zu trennen ist die Regelung im angefochtenen Bescheid, daß der Kläger als
einer der beiden Gesamtschuldner allein in Anspruch genommen worden ist, was
im Ermessen der Beklagten steht. Dies betrifft allerdings nicht die Frage der
rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit durch die identischen Miteigentümer von
Anlieger- und Hinterliegergrundstücken nicht.
Das hinterliegende Grundstück Flur, Flurstück ist auch als "erschlossen" im Sinne
des § 131 Abs. 1 BBauG anzusehen und ist deshalb nicht bereits grundsätzlich von
der Verteilung des Aufwands ausgeschlossen. Stehen Anlieger- und
Hinterliegergrundstück nämlich im Eigentum derselben Person oder Personen, ist
das Hinterliegergrundstück unabhängig davon, ob das Anliegergrundstück
selbständig bebaubar ist, sogar ohne Vorhandensein einer Zufahrt zur
Anbaustraße durch diese erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1
BBauG/BauGB, wenn beide Grundstücke einheitlich genutzt werden (Driehaus,
Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 3. Auflage, Rdnr. 585 m.w.N.). Dies ist bei den
beiden unbebauten Grundstücken zumindest zum Zeitpunkt der Entstehung der
Beitragspflicht - ursprünglich waren sie Weideland für Schafe - gegeben. Die
Parzelle ist über die 22 m breite Parzelle auch ohne weiteres zugänglich, ohne daß
dies die Bebaubarkeit der beiden Grundstücke hindert, und beide Grundstücke
stehen im Eigentum derselben Personen.
Fehler bezüglich der Verteilung des Aufwands auf die einzelnen Grundstücke und
das streitige Grundstück sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Da auch ansonsten Mängel des Heranziehungsbescheids in der Fassung des
Widerspruchsbescheids nicht zu erkennen sind, ist das Urteil des
Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage des Klägers abzuweisen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.