Urteil des HessVGH vom 27.05.1993

VGH Kassel: treu und glauben, erlöschen des anspruchs, befreiung, ablauf der frist, verjährungsfrist, anmeldepflicht, unterlassen, zukunft, behörde, verordnung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 UE 2259/91
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 5 Abs 3 RdFunkGebVtr
1974, RdFunkGebVtr1974G
HE, § 3 S 1 Nr 1
RdFunkGebBefrV HE 1979,
§ 198 BGB, § 201 BGB
(Verjährung von Rundfunkgebührenansprüchen -
unzulässige Rechtsausübung durch Erhebung der
Verjährungseinrede)
Tatbestand
Die Klägerin ist Rechtsträgerin des städtischen Krankenhauses in Frankfurt am
Main-Hoechst. Sie wendet sich gegen die Nacherhebung von Rundfunkgebühren
für 320 in der Zeit vom 1. Januar 1976 bis 31. Juli 1986 zur Verwendung durch die
Patienten des Krankenhauses bereitgehaltene Hörkissenlautsprecher.
Die Anmeldung der vorgenannten Hörkissenlautsprecher bei dem Beklagten
erfolgte mit Formular vom 11. Dezember 1986. Die Klägerin hatte zuvor - erstmals
mit formlosem Schreiben vom 18. Juli 1986, welches sich auf das Steuergerät der
Rundfunkverteilungsanlage bezog, später nochmals mit förmlichem Antrag vom
24. November 1986 - Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gemäß § 3 der
einschlägigen Befreiungsverordnung beantragt. Der Beklagte gewährte ihr hierauf
mit Bescheid vom 20. Januar 1987 Befreiung ab 1. August 1986. Für die Zeit vom
1. Januar 1976 bis 31. Juli 1986 setzte er dagegen durch "Gebührenbescheid mit
Zahlungsaufforderung" gleichen Datums Rundfunkgebühren in Höhe von
160.000,16 DM für 320 Hörfunkgeräte fest. Er wies dabei darauf hin, daß nach § 5
Abs. 4 der Befreiungsverordnung die Befreiung nur für die Zukunft, nicht auch für
den zurückliegenden Zeitraum habe ausgesprochen werden können.
Die Klägerin erhob gegen den Gebührenbescheid am 9. Februar 1987 Widerspruch.
Sie machte geltend, daß sie aufgrund der jahrelangen Gebührenbefreiung für
Krankenhäuser davon habe ausgehen können, auch nach Inkrafttreten des
Staatsvertrages über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens vom 5.
Dezember 1974 (im folgenden: Rundfunkgebührenstaatsvertrag) von der
Rundfunkgebührenpflicht befreit zu sein. Für den Zeitraum vor dem 1. August
1982 sei überdies gemäß Art. 5 Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages der
Anspruch auf Rundfunkgebühren verjährt.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1987
zurück. Zur Begründung bezog er sich auf eine schriftliche Stellungnahme vom 4.
März 1987, mit der er zum Widerspruch der Klägerin Stellung genommen und
ausgeführt hatte, daß Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nicht von Amts
wegen, sondern nur auf entsprechenden Antrag hin gewährt werde. Die im
Rundfunkgebührenstaatsvertrag vorgesehene Verjährungsfrist von 4 Jahren
beginne erst dann zu laufen, wenn dem Rundfunk der zur Gebührenerhebung
berechtigende Sachverhalt zur Kenntnis gebracht sei. Aus der Verletzung der
Anmeldepflicht dürfe dem Rundfunkteilnehmer kein Vorteil durch Ablauf der
Verjährungsfrist erwachsen. In der Rechtsprechung werde fast einhellig die
Auffassung vertreten, daß die Einrede der Verjährung nicht erhoben werden könne,
wenn das Rundfunkgerät nicht rechtzeitig angemeldet worden sei.
Die Klägerin erhob am 27. Mai 1987 gegen die Veranlagung zu Rundfunkgebühren,
soweit diese in den Zeitraum vom 1. Januar 1976 bis 31. Juli 1982 betrifft, Klage.
Sie berief sich im Klageverfahren erneut auf Verjährung. Dem Einwand des
Beklagten, die Erhebung der Verjährungseinrede stelle sich wegen Verletzung der
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Beklagten, die Erhebung der Verjährungseinrede stelle sich wegen Verletzung der
Anmeldepflicht als unzulässige Rechtsausübung dar, hielt sie entgegen, daß dann,
wenn die Befreiungsvoraussetzungen - wie in ihrem Fall - unzweifelhaft vorlägen,
von einer rechtsmißbräuchlichen Ausübung des durch Verjährungseintritt
begründeten Leistungsverweigerungsrechts nicht ausgegangen werden könne.
Die Klägerin beantragte,
den Gebührenbescheid vom 20. Januar 1987 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1987 insoweit aufzuheben, als er den Betrag
von DM 73.168,-- übersteigt.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Sie hielt an ihrer Auffassung fest, daß sich auf Verjährung nicht berufen könne, wer
seiner Anmeldepflicht nicht pflichtgemäß nachgekommen sei und dadurch die
rechtzeitige Geltendmachung des Gebührenanspruchs verhindert habe.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hob mit Urteil vom 27. August 1991
antragsgemäß die angefochtenen Bescheide auf, soweit die Gebührenfestsetzung
einen Betrag in Höhe von 73.168,-- DM übersteigt. In den Entscheidungsgründen
heißt es: Die Gebührenerhebung sei jedenfalls in der Höhe, in der sie von der
Klägerin angegriffen werde, rechtswidrig, weil insoweit gemäß Art. 5 Abs. 3 des
Rundfunkgebührenstaatsvertrages Verjährung eingetreten sei. Nach dieser
Bestimmung verjähre der Anspruch auf Rundfunkgebühren in 4 Jahren. Der
Verjährungsbeginn richte sich dabei mangels anderweitiger Regelung im
Rundfunkgebührenstaatsvertrag nach den allgemeinen Verjährungsregelungen im
Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Gemäß §§ 197, 198, 201 BGB beginne somit die
Verjährung mit Ablauf des Jahres, in dem der Gebührenanspruch entstanden sei.
Die Kammer folge insoweit der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz in
dessen Urteil vom 10. Februar 1987 (6 A 23/86). Die von anderen
Verwaltungsgerichten vertretene Auffassung, daß der Verjährungsbeginn Kenntnis
der Behörde von der Entstehung des Gebührenanspruchs voraussetze, sei
abzulehnen. Für eine analoge Anwendung von Sonderregelungen, die auf den
Eingang einer vorgeschriebenen Steuererklärung oder Steueranmeldung (§ 170
Abs. 2 Satz 1 AO) oder auf Kenntniserlangung durch die zuständige Behörde (§ 13
Abs. 7 der Fernmeldeordnung) abstellten, sei mangels dahingehender
Regelungslücke im Rundfunkgebührenstaatsvertrag kein Raum. Für den
vorliegenden Fall folge daraus, daß der Gebührenanspruch für die Zeit vom 1.
Januar 1976 bis 31. Dezember 1982 im Zeitpunkt der Heranziehung der Klägerin
bereits verjährt gewesen sei. Hierauf könne sich die Klägerin auch berufen. Die
Erhebung der Verjährungseinrede stelle in ihrem Fall keine unzulässige
Rechtsausübung dar. Sie habe zwar gegen ihre Verpflichtung zur rechtzeitigen
Anmeldung der Rundfunkempfangsgeräte verstoßen; dies sei jedoch, weil die
Befreiungsvoraussetzungen nach § 3 Satz 1 Ziffer 1 der Befreiungsverordnung
vorgelegen hätten, nicht in der Absicht geschehen, sich durch die Nichtanmeldung
einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Daß bei fristgerechter
Anmeldung auch - zeitgleich - ein Befreiungsantrag gestellt worden wäre, könne
unterstellt werden. Der Berufung der Klägerin auf Verjährung könne auch nicht
entgegengehalten werden, daß hierdurch die Regelung des § 5 Abs. 4 der
Befreiungsverordnung - Beginn der Befreiung mit dem ersten des Monats, der
dem Antragsmonat folgt - unterlaufen werde.
Der Beklagte hat gegen dieses Urteil, welches ihm am 13. September 1991
zugestellt worden ist, am 26. September 1991 Berufung eingelegt. Er hält an
seiner Auffassung fest, daß sich die Klägerin gegenüber der streitigen
Gebührenforderung nicht auf Verjährung berufen könne. Zur Begründung nimmt
er auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug. Ergänzend trägt er vor: Die
Ausübung von Rechten könne auch im öffentlichen Recht nach Treu und Glauben
unzulässig sein. Die Berufung der Klägerin auf Verjährung stelle sich als
unzulässige Rechtsausübung dar. Hierfür reiche aus, daß der Klägerin ein
objektives Fehlverhalten anzulasten sei, indem sie die Empfangsgeräte nicht
rechtzeitig angemeldet habe. Daß sie dabei nicht verwerflich oder arglistig
gehandelt habe, sei unerheblich. Es könne entgegen der Annahme des
Verwaltungsgerichts nicht als selbstverständlich unterstellt werden, daß die
Klägerin bei rechtzeitiger Anmeldung auch - gleichzeitig - einen Befreiungsantrag
gestellt haben würde. Nach Einführung der Gebührenpflicht für Lautsprecher durch
die Neufassung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages zum 1. Januar 1976 habe
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die Neufassung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages zum 1. Januar 1976 habe
es eine ganze Reihe von Fällen gegeben, in denen Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht erst zu einem erheblich späteren Zeitpunkt oder
überhaupt nicht beantragt worden sei. Die Entscheidung des Verordnungsgebers,
Befreiung beim Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen lediglich für die Zukunft
zu gewähren, müsse respektiert werden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 27. August 1991 - VI/3
E 1584/87 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend: Sie teile die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß der
Rundfunkgebührenstaatsvertrag vom 5. Dezember 1974 eine vollständige und
abschließende Verjährungsregelung enthalte. Die Regelung in Art. 5 Abs. 3 des
Vertrages sei so zu verstehen, daß es für die Entstehung des
Leistungsverweigerungsrechts allein auf den Ablauf einer bestimmten Zeitdauer
nach Anspruchsentstehung ankomme. Voraussetzung für den Beginn der
Verjährung sei nicht die Kenntnis der Behörde vom Bestehen des Anspruchs. Der
Sinn der Verjährungsregelung bestehe gerade darin, der durch Zeitablauf
eintretenden Unsicherheit bei der Sachverhaltsaufklärung Rechnung zu tragen.
Sollte die Verjährungsfrist im Rundfunkgebührenstaatsvertrag mit Rücksicht auf
die Schwierigkeiten der rechtzeitigen Erfassung solcher Teilnehmer, die ihrer
Verpflichtung zur Anmeldung des Rundfunkgeräts nicht nachkämen, zu kurz
bemessen sein, so müsse gegebenenfalls die Verjährungsregelung geändert
werden. Eine unzulässige Rechtsausübung könne in der Berufung auf den
Verjährungseintritt bei einem auf verspätete Anmeldung zurückgehenden
Zeitablauf nur dann gesehen werden, wenn sich der Schuldner auf diese Weise
Vorteile verschaffe, die er bei rechtzeitiger Anmeldung nicht gehabt hätte.
Letzteres scheide hier aus. Soweit sie, die Klägerin, die Lautsprecher nicht schon
1976 angemeldet habe, bringe ihr das deswegen keinen Vorteil, weil wegen
Vorliegens der Befreiungsvoraussetzungen Gebühren ohnehin nicht erhoben
worden wären. Sie habe es aus Unkenntnis unterlassen, den Befreiungsantrag
rechtzeitig zu stellen. Durch ihr Verhalten sei aber dem Beklagten kein finanzieller
Nachteil entstanden, und es sei auch nicht etwa die Feststellung der
Befreiungsvoraussetzungen erschwert worden. Die Annahme unzulässiger
Rechtsausübung bei Geltendmachung der Verjährungseinrede müsse auf ganz
extreme Fälle beschränkt bleiben.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge
Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, kann jedoch in der Sache keinen Erfolg
haben. Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen die Heranziehung zu
Rundfunkgebühren, soweit der angeforderte Betrag 73.168,-- DM übersteigt, zu
Recht stattgegeben. Die Gebührenforderung ist in dem angefochtenen Umfang
verjährt, und die Berufung der Klägerin auf den Eintritt der Verjährung ist zulässig.
Nach Art. 5 Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages verjährt der Anspruch
auf Rundfunkgebühren in 4 Jahren. Daß die Bereithaltung der
Hörkissenlautsprecher für die Patienten des städtischen Krankenhauses in
Frankfurt am Main-Hoechst zumindest ab 1. Januar 1976 gem. Art. 2, 3 Abs. 2, 5
Abs. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages die Rundfunkgebührenpflicht der
Klägerin ausgelöst hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Von der
Entstehung des Anspruchs im Jahre 1976 ausgehend stellt sich die Frage, ob allein
dies den Lauf der Verjährung in Gang setzte oder ob es für den Beginn der
Verjährung zusätzlich darauf ankam, daß der Beklagte als Anspruchsinhaber auch
Kenntnis davon erlangt hatte, daß ihm der Anspruch zustand.
Das Verwaltungsgericht hat unter Anlehnung an das Urteil des OVG Koblenz vom
10. Dezember 1987 (6 A 23/86) die Auffassung vertreten, daß die Verjährung von
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10. Dezember 1987 (6 A 23/86) die Auffassung vertreten, daß die Verjährung von
Rundfunkgebührenansprüchen in entsprechender Anwendung der §§ 198, 201 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) unabhängig von der Kenntniserlangung der
Rundfunkanstalt mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden
ist. Dem schließt sich auch der erkennende Senat an. Die Verjährungsvorschriften
des BGB (§§ 195 ff.) finden auf öffentlich-rechtliche Forderungen grundsätzlich
entsprechende Anwendung, soweit es an besonderen Regelungen hierfür fehlt (vgl.
OVG Koblenz, aaO, mit Nachweisen zur Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts). Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag beschränkt sich
in Art. 5 Abs. 3 auf die Aussage, daß der Anspruch auf Rundfunkgebühren in 4
Jahren verjährt. Die Einzelheiten zu Beginn und Ablauf der Verjährungsfrist sind
nicht geregelt. Damit ist bezüglich dieser Fragen auf die einschlägigen
Verjährungsregelungen im BGB zurückzugreifen. Anhaltspunkte dafür, daß den
Vorstellungen der staatsvertragsschließenden Parteien die entsprechende
Anwendung des BGB bei Bestimmung des Ablaufs der Verjährungsfrist nicht
entsprochen haben sollte, liegen nicht vor. Der vom Verwaltungsgericht zitierte
Hinweis in der amtlichen Begründung (LT-Drs. vom 05.03.1975, Band 2, 8/313, S.
12), daß die Verjährungsfrist nach Art. 5 Abs. 3 der Regelung des § 197 BGB für
regelmäßig wiederkehrende Leistungen entspricht, deutet im Gegenteil auf eine
bewußte Anlehnung an die bürgerlich-rechtlichen Verjährungsvorschriften hin.
Das BGB läßt in seinem § 201 die Verjährung regelmäßig wiederkehrender
Leistungen in 4 Jahren mit Ablauf des Jahres beginnen, in welchem der Anspruch
entstanden ist, und stellt nicht zusätzlich auf die Kenntnis des Gläubigers vom
Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen und die damit verbundene
Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs ab (vgl. Heinrichs in Palandt,
Bürgerliches Gesetzbuch, 50. Auflage 1991, § 198 Rn. 2). Unbillige Ergebnisse für
den Fall, daß der Schuldner einer ihm obliegenden Aufklärungs- und
Informationspflicht nicht nachkommt und dem Gläubiger dadurch die rechtzeitige
Geltendmachung des Anspruchs unmöglich macht, sind mit dieser Regelung
deshalb nicht verbunden, weil der Gläubiger der Berufung des Schuldners auf den
Verjährungseintritt gegebenenfalls den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung
entgegensetzen kann. Die Verjährung ist im BGB, wie sich aus § 222 ergibt, als
Leistungsverweigerungsrecht konzipiert, welches der Schuldner im Wege der
Einrede geltend machen muß. Die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts
kann sich nach Treu und Glauben als rechtsmißbräuchlich erweisen; in diesem Fall
ist die Verjährungseinrede des Schuldners unbeachtlich (vgl. Heinrichs, aaO, vor §
194 Rn. 10). Das Bundesverwaltungsgericht hat so zum Beispiel für einen
beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch angenommen, daß sich der Dienstherr
dann nicht auf Verjährung nach § 197 BGB berufen könne, wenn er durch objektiv
fehlerhaftes Verhalten bewirkt hat, daß der Anspruch dem Gläubiger unbekannt
blieb (Urteil vom 26. Januar 1966 - BVerwG VI C 112.63 - BVerwGE 23,S. 166).
Die Anwendung der Vorschriften des BGB über Beginn und Ablauf der Verjährung
führt auch für den hier streitigen Rundfunkgebührenanspruch zu einer
Gesamtregelung, die in sich geschlossen und vollständig erscheint und keine
"Lücke" hinterläßt, die durch den Rückgriff auf eine andernorts getroffene
spezialgesetzliche Verjährungsregelung gefüllt werden müßte. Der von nicht
wenigen Verwaltungsgerichten vertretenen Auffassung, in Anlehnung an die
"Anlaufhemmung" der Verjährung zum Beispiel in § 170 Abs. 2 Satz 1 AO
(Verjährungsbeginn bei "Veranlagungssteuern" mit Ablauf des Jahres der
Steuererklärung, Steueranmeldung oder Anzeige) oder in § 13 Abs. 7 der
Fernmeldeordnung in der Fassung der 1. Änderungsverordnung vom 7. März 1972,
BGBl. I S. 306 (Verjährungsbeginn mit Ablauf des Jahres der - der
Anspruchsentstehung zeitlich nachfolgenden - Kenntniserlangung durch den
Gebührengläubiger) sei auch Art. 5 Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages
"ergänzend" dahin "auszulegen", daß bei fehlender oder verspäteter Anzeige die
Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die
Rundfunkanstalt von dem Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts Kenntnis
erhalten hat (so: VGH Mannheim, Urteil vom 19.05.1983 - 2 S 1490/82, VG
Karlsruhe, Urteil vom 12. - 12 K 44/85, VG Stuttgart, Urteile vom 11.11.1987 - 16
1607/86 - und vom 20.06.1990 - 16 K 706/90, OVG Münster, Urteil vom
01.12.1988 A 484/88), kann nicht zugestimmt werden. Wenn der
Rundfunkgebührengläubiger die Möglichkeit hat, der Erhebung der
Verjährungseinrede durch einen Gebührenschuldner, der seiner Anmeldepflicht
nicht nachgekommen ist, mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung zu
begegnen, so bietet dies hinreichenden Schutz vor Gebührenausfällen infolge
verspäteter Anmeldung von Rundfunkempfangsgeräten (so zu Recht auch OVG
Koblenz, aaO).
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Der "Anlaufhemmung", wie sie in den oben genannten Bestimmungen der
Abgabenordnung und der Fernmeldeordnung vorgesehen ist, bedürfte es aus
Gründen des Gläubigerschutzes nur dann, wenn die Verjährung als E r l ö s c h e n
s t a t b e s t a n d und nicht - wie nach den allgemeinen Verjährungsregelungen
des BGB - als L e i s t u n g s v e r w e i g e r u n g s r e c h t konzipiert wäre. Führt
nämlich die Verjährung nach der gesetzlichen Regelung zum Erlöschen des
Anspruchs, so entfällt die Notwendigkeit für den Schuldner, dies im Wege der
Einrede besonders geltend zu machen, und damit wiederum scheidet die
Möglichkeit aus, in seiner Berufung auf den Verjährungseintritt die unzulässige -
rechtsmißbräuchliche - Ausübung eines Leistungsverweigerungsrechts zu sehen.
In diesem Fall kann in der Tat nur eine Anlaufhemmung durch Anknüpfung des
Verjährungsbeginns an die Kenntniserlangung durch den Gläubiger oder an
Tatbestände, die zur Kenntniserlangung führen und eine Geltendmachung
ermöglichen, den Gläubiger vor nachteiligen Folgen bewahren, die damit
verbunden sind, daß ihn der Schuldner nicht rechtzeitig vom Vorliegen des den
Anspruch begründenden Sachverhalts in Kenntnis setzt. Diese Konzeption liegt
jedoch der Regelung der Verjährung im Rundfunkgebührenstaatsvertrag nicht
zugrunde. Ein Erlöschen des Anspruchs als Folge des Verjährungseintritts
entsprechend etwa der in § 13 Abs. 7 Satz 3 der Fernmeldeordnung getroffenen
Regelung ("Mit Ablauf der Frist erlischt der Anspruch") ist hier nicht vorgesehen;
und folglich ist in Anlehnung an die Verjährungsvorschriften im BGB davon
auszugehen, daß die Verjährung des Rundfunkgebührenanspruchs lediglich ein
Leistungsverweigerungsrecht begründet, welches einredeweise geltend zu machen
ist und gegebenenfalls mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung
bekämpft werden kann.
Bei Zugrundelegung der Regelung in § 201 BGB über den Beginn der "kurzen
Verjährung" setzte die Verjährung des streitigen Rundfunkgebührenanspruchs für
die Zeit ab 1. Januar 1976 mit Ablauf des Jahres 1976 ein. Im Zeitpunkt der
Heranziehung des Klägers durch den Gebührenbescheid vom 20. Januar 1987 war
danach - ausgehend von der vierjährigen Verjährungsfrist - der Anspruch bereits
verjährt, soweit er sich auf die Jahre 1976 bis einschließlich 1982 bezog. Die von
dem Gebührenbescheid ausgehende Verjährungsunterbrechung (dazu: Heinrichs,
a.a.O., § 209 Rdnr. 24) konnte nur noch den Gebührenanspruch für die Zeit ab 1.
Januar 1983 erfassen, denn insoweit war die vierjährige Verjährungsfrist, die mit
Ablauf des Jahres 1983 begann, noch nicht abgelaufen.
Das Verwaltungsgericht ist nach allem zu Recht davon ausgegangen, daß die
Gebührenforderung in dem Umfang, in dem die Klägerin dies mit ihrer Klage
geltend macht, verjährt war. Die sich daran anschließende Frage, ob die Klägerin
zur Erhebung der Verjährungseinrede auch tatsächlich befugt war, hat das
Verwaltungsgericht ebenfalls ohne Rechtsfehler bejaht. Die Geltendmachung der
Verjährungseinrede stellt nach den Umständen des hier zu beurteilenden
Einzelfalls keine unzulässige Rechtsausübung dar. Der Einwand der unzulässigen
Rechtsausübung bietet zwar, wie im Vorstehenden ausgeführt worden ist, eine
notwendige Handhabe dagegen, daß sich ein Schuldner, der den Gläubiger durch
Unterlassen einer gebotenen Information von der rechtzeitigen Geltendmachung
des Anspruchs abgehalten hat, auf die ihm günstige Verjährungsfolge berufen und
die Leistung verweigern kann. Deshalb scheidet grundsätzlich auch bei der
Erhebung von Rundfunkgebühren eine Berufung des Rundfunkteilnehmers auf
Verjährung aus, wenn er sein Rundfunkempfangsgerät nicht rechtzeitig
angemeldet und dadurch - weil der Rundfunkanstalt der Gebührenanspruch
unbekannt blieb - die Erhebung der angefallenen Gebühren innerhalb der
Verjährungsfrist vereitelt hat. Liegen die Dinge jedoch so, daß wegen
offensichtlichen Vorliegens eines Befreiungstatbestandes nach der jeweils
einschlägigen Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht
(Befreiungsverordnung) eine Rundfunkgebühr auch bei pflichtgemäßer
rechtzeitiger Anmeldung nicht erhoben worden wäre, so kann die Berufung auf den
Verjährungseintritt und die darin liegende Geltendmachung eines
Leistungsverweigerungsrechts ausnahmsweise - ungeachtet des
Pflichtenverstoßes, der im Unterlassen der vorgeschriebenen Anmeldung
jedenfalls zu sehen ist - zulässig sein. Denn dann hat die Verletzung der
Anmeldepflicht durch den Gebührenschuldner im Ergebnis nicht bewirkt, daß sich
die Rundfunkanstalt hierdurch - wie es für die Annahme einer
rechtsmißbräuchlichen Berufung auf den Verjährungseintritt wesentlich ist - von
der rechtzeitigen Geltendmachung eines Gebührenanspruchs hat abhalten lassen
(in diesem Sinne auch OVG Koblenz, a.a.O.). Rechtsmißbräuchlich erscheint die
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(in diesem Sinne auch OVG Koblenz, a.a.O.). Rechtsmißbräuchlich erscheint die
Erhebung der Verjährungseinrede durch den Rundfunkteilnehmer, der seine
Anmeldepflicht verletzt hat, letztlich deshalb, weil er sich auf diese Weise
finanzielle Vorteile erhalten will, die er bei pflichtgemäßem Verhalten - also bei
rechtzeitiger Anmeldung des Rundfunkempfangsgeräts - von vornherein nicht
gehabt hätte. Diese Konstellation liegt dann nicht vor, wenn ein
Rundfunkteilnehmer seine Anmeldepflicht verletzt hat, der wegen offensichtlichen
Vorliegens der Befreiungsvoraussetzungen ohnehin von der
Rundfunkgebührenpflicht befreit und demzufolge auch nicht veranlagt worden
wäre. Bei den hier streitigen Hörkissenlautsprechern waren die Voraussetzungen
für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 3 der
Befreiungsverordnung vom 25. September 1975, GVBl. I S. 219, und - später -
nach § 3 der Befreiungsverordnung vom 18. Dezember 1979, GVBl. I S. 263,
unstreitig erfüllt, ohne daß ihre Feststellung weitere Aufklärung erforderlich
gemacht hätte. Deshalb hat der Beklagte im Rahmen der - verspäteten -
Anmeldung der Hörkissenlautsprecher im Jahre 1986 auch sogleich - mit Wirkung
ab 1. August 1986 - die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gewährt. Es ist
nichts dafür ersichtlich, daß bei pflichtgemäßer Anmeldung schon im Jahre 1976
etwa anders verfahren worden wäre. Unter diesen Umständen läßt sich in der
Geltendmachung der Verjährungseinrede durch die Klägerin kein
rechtsmißbräuchliches Verhalten sehen. Die Erhebung der Verjährungseinrede ist
folglich beachtlich.
Der Einwand der Beklagten, die Zulassung der Verjährungseinrede in Fällen der
vorliegenden Art führe dazu, daß die Regelung des § 5 Abs. 4 der
Befreiungsverordnung vom 18. Dezember 1979 (§ 4 Abs. 4 der
Befreiungsverordnung vom 25. September 1975) "unterlaufen" werde, überzeugt
nicht, wie schon das Verwaltungsgericht dargelegt hat. Nach der genannten
Vorschrift wird der Beginn der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht in der
Entscheidung über den Antrag "auf den 1. des Monats festgesetzt, der dem Monat
folgt, in dem der Antrag gestellt wird". Damit stellt die Verordnung klar, daß -
ausgehend vom Zeitpunkt des Befreiungsantrags - Befreiung nur für die Zukunft
gewährt werden kann; eine rückwirkende Gewährung scheidet aus. Hierzu setzt
sich jedoch nicht in Widerspruch, daß sich nach der hier vertretenen Auffassung ein
Rundfunkteilnehmer trotz Verstoßes gegen die Anmeldepflicht auf den Eintritt der
Verjährung des Gebührenanspruchs ausnahmsweise dann berufen kann, wenn er
in seiner Person die Voraussetzungen für eine Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Die Zulassung der Verjährungseinrede in diesem
Fall bedeutet nicht, daß dem Rundfunkteilnehmer im Ergebnis eine rückwirkende
Befreiung gewährt würde. Die Gebührenpflicht bleibt vielmehr bestehen und kann
wenigstens insoweit auch noch durchgesetzt werden, als wegen der vom
Heranziehungsbescheid ausgehenden Unterbrechungswirkung Verjährung n i c h
t eingetreten ist. Auch die Klägerin ist sich, wie ihr eingeschränkter Klageantrag
zeigt, dieser Tatsache bewußt; denn sie verweigert die Zahlung der angeforderten
Gebühren nicht etwa in vollem Umfang, sondern nur in Höhe eines Teilbetrages,
für den Verjährung tatsächlich eingetreten ist.
Die Berufung des Beklagten ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO
zurückzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §
167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da es
sich bei der Anwendung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages und der
Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht i.V.m. dem
Gesetz zum Rundfunkgebührenstaatsvertrag um hessisches Landesrecht handelt
(vgl. §§ 132 Abs. 2, 137 Abs. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.