Urteil des HessVGH vom 25.09.1991

VGH Kassel: mitbestimmungsrecht, geschäftsführung, anstalt, arbeitszeitverkürzung, einigungsverfahren, bpv, klinik, leiter, beteiligter, verordnung

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Gericht:
Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Fachsenat für
Bundespersonalvertretungssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
BPV TK 585/91
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
BPersVG, § 83
Abs 1 Nr 3
BPersVG
(Zuständigkeit der Personalvertretung bestimmt sich nach
Maßnahme des Dienststellenleiters)
Tatbestand
Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der auf Grund eines
Verselbständigungsbeschlusses (§ 6 Abs. 3 BPersVG) gebildete örtliche
Personalrat der W in Bad S -, die als rechtlich unselbständige Einrichtung von der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin betrieben wird. Beteiligter ist
der Verwaltungsleiter dieser Klinik.
Der Streit geht darum, ob dem Antragsteller bei der Aufstellung von Dienstplänen
durch den Beteiligten für das Klinikpersonal ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 75
Abs. 3 Nr. 1 BPersVG zusteht. Anläßlich der Umsetzung der zum 1.4.1989 in Kraft
getretenen Arbeitszeitverkürzung erstellte der Beteiligte die Dienstpläne für die
einzelnen Beschäftigungsgruppen. Er gewährte jedoch dem Antragsteller gemäß §
3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten
(KrAZO) vom 13.2.1924 (RGBl. I S. 66) nur ein Anhörungsrecht. Der Antragsteller
hat hierauf im November 1989 bei dem Verwaltungsgericht in Kassel das
Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,
festzustellen, daß die Einführung neuer, geänderter Dienstpläne durch den
Beteiligten der Mitbestimmung des Personalrats nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG
unterliege.
Der Beteiligte hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hat vorgetragen: Wäre die Aufstellung der Dienstpläne zur Umsetzung der
Arbeitszeitverkürzung ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand im Sinne des §
75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG, so hätte die Bundesversicherungsanstalt die Aufstellung
der Dienstpläne nicht den Verwaltungsleitern der einzelnen Kliniken überlassen.
Die Dienstpläne wären vielmehr durch die Hauptverwaltung der
Bundesversicherungsanstalt in ausschließlicher Zuständigkeit aufgestellt worden,
so daß die Geschäftsführung der Bundesversicherungsanstalt bzw. das nach der
internen Geschäftsverteilung zuständige Mitglied der Geschäftsführung als
Dienststellenleiter im Sinne des § 7 BPersVG anzusehen wäre mit der Folge, daß
gemäß § 55 BPersVG der Gesamtpersonalrat hätte beteiligt werden müssen.
Das Verwaltungsgericht - Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) - hat
mit Beschluß vom 26.10.1990 - K 141/89 - den Antrag abgelehnt und ausgeführt:
Entgegen der Meinung des Beteiligten werde das Mitbestimmungsrecht gemäß §
75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG nicht durch § 3 Abs. 1 Satz 1 KrAZO ausgeschlossen.
Nach der behördeninternen Zuständigkeit obliege die Dienstplanaufstellung für
diesen Fall jedoch der Hauptverwaltung der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte. Deren Partner im Mitbestimmungsverfahren sei der
Gesamtpersonalrat der Bundesversicherungsanstalt und nicht der örtliche
Personalrat der jeweiligen Klinik. Insoweit schließe sich die Fachkammer dem
Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4.5.1990 - C 9.89 - an.
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Gegen diesen ihnen am 19.2.1991 zugestellten Beschluß haben die
Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 11.3.1991 Beschwerde
erhoben, die am 12.3.1991 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen
ist. Sie haben das Rechtsmittel in demselben Schriftsatz begründet und
ausgeführt:
Für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts komme es nicht darauf an, ob und
welche interne Zuständigkeitsregelung getroffen sei. Er - der antragstellende
örtliche Personalrat - begehre die Feststellung des Mitbestimmungsrechts für
Dienstpläne, die der Beteiligte als Leiter der W tatsächlich erlassen habe und noch
erlassen werde. Insoweit beziehe man sich auf den Beschluß des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofes vom 17.10.1990 - 18 P 90.02673 -. Der genannte
Gerichtshof lege im übrigen dar, daß jeder Anhaltspunkt für die Auffassung fehle,
die Klinik sei für die Aufstellung der Dienstpläne der bei ihr tätigen
Beschäftigtengruppen gar nicht zuständig. Die Dienstpläne beträfen örtliche
Angelegenheiten, die von der Hauptverwaltung überhaupt nicht geregelt werden
könnten. In jedem Falle bereite der Klinikleiter die Dienstpläne vor und bespreche
sie mit dem örtlichen Personalrat.
Der Antragsteller beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nach dem erstinstanzlichen
Antrag zu erkennen.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er erwidert: Auf Grund der vorliegenden gerichtlichen Entscheidungen sei die
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zwar inzwischen zu der Auffassung
gelangt, daß der zuständigen Personalvertretung bei der Aufstellung von
Dienstplänen für die Beschäftigten in den anstaltseigenen Kliniken nicht nur ein
Anhörungsrecht gemäß § 3 KrAZO, sondern ein Mitbestimmungsrecht nach § 75
Abs. 3 Nr. 1 BPersVG zustehe; dennoch sei die Beschwerde unbegründet, weil es
an der Aktivlegitimation des Antragstellers fehle. Hätte die Hauptverwaltung der
Bundesversicherungsanstalt bereits zum damaligen Zeitpunkt ein
Mitbestimmungsrecht bejaht, so wäre - wie schon in erster Instanz vorgetragen -
die Aufstellung der Dienstpläne zur Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung nicht
den Verwaltungsleitern der einzelnen Kliniken überlassen worden. Da die
Hauptverwaltung bzw. die Geschäftsführung der Anstalt in ausschließlicher
Zuständigkeit gehandelt hätte, sei allein der gemäß § 55 BPersVG gebildete
Gesamtpersonalrat berührt. Künftig würden die Dienstpläne zentral in der
Hauptverwaltung aufgestellt. Dienststellenleiter in mitbestimmungspflichtigen
Angelegenheiten könne nur der Vorstand bzw. die Geschäftsführung der Anstalt
sein. Das ergebe sich aus der einstufigen Organisationsform der Anstalt und der
Regelung des § 88 Nr. 3 BPersVG, wonach die Einigungsstelle beim Vorstand der
Bundesversicherungsanstalt zu bilden sei.
Wegen des Sachverhalts und des Streitstands im übrigen wird auf die Schriftsätze
sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Kassel K 5/90 betr. den Erlaß einer
einstweiligen Verfügung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Sie ist statthaft, form- und
fristgerecht erhoben und ordnungsgemäß begründet worden. In materieller
Hinsicht kann ihr der Erfolg nicht versagt bleiben.
Der Antragsteller ist entgegen der Auffassung des Beteiligten und des
erstinstanzlichen Gerichts antragsbefugt. Insoweit folgt der hier erkennende
Fachsenat der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes in dem
Beschluß vom 17.10.1990 - 18 P 90.02673 -, dem ein gleicher Sachverhalt
zugrunde liegt. Dort ist ausgeführt:
"Die Auffassung des Beteiligten ..., der Antragsteller sei zur Antragstellung nicht
befugt, trifft nicht zu. Der Beteiligte meint, nicht der Antragsteller als örtlicher
Personalrat bei der personalvertretungsrechtlich verselbständigten Kurklinik,
sondern der Gesamtpersonalrat bei der Bundesversicherungsanstalt in Berlin sei
legitimiert, weil die Dienstpläne nicht die Kurklinik, sondern die
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legitimiert, weil die Dienstpläne nicht die Kurklinik, sondern die
Bundesversicherungsanstalt in Berlin hätte erlassen müssen. Er leitet dies daraus
her, daß bei der Bundesversicherungsanstalt eine Einigungsstelle nur in Berlin
besteht; er meint, im Falle einer Zuständigkeit des Antragstellers könne ein
Einigungsverfahren deshalb nicht durchgeführt werden. Dazu beruft sich der
Beteiligte auf einen Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Mai 1990 - VG
FK (Bund) - C - 9.89 -. Darin hat das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten,
für die Aufstellung der Dienstpläne bei den einzelnen Kliniken der
Bundesversicherungsanstalt sei die Hauptverwaltung dieser Anstalt zuständig, so
daß für Anträge, die die Mitbestimmung an solchen Dienstplänen betreffen, der
Gesamtpersonalrat bei der Bundesversicherungsanstalt legitimiert sei. Dies führt
indessen schon deshalb nicht zu einer Abweisung des Antrags, weil die
Dienstpläne, auf die sich der Antrag bezieht, tatsächlich vom Leiter der Kurklinik,
dem der Antragsteller als Personalrat gegenübersteht, erlassen worden sind. Der
Personalrat, der dem Dienststellenleiter gegenübersteht, übt
Mitbestimmungsrechte an den Maßnahmen dieses Dienststellenleiters nämlich
auch dann aus, wenn dieser Dienststellenleiter zu diesen Maßnahmen gar nicht
zuständig war. Die Befugnis eines Personalrats zur Ausübung der
Mitbestimmungsrechte ergibt sich stets schon dann, wenn die der Mitbestimmung
unterliegende Maßnahme von dem Dienststellenleiter tatsächlich ausgeht, der ihm
gegenübersteht. ... Aus der Tatsache, daß es eine Einigungsstelle nur bei der
Hauptverwaltung gibt, folgt nichts anderes. ... Wird ... ein Einigungsverfahren vor
einer Einigungsstelle bei der Kurklinik erforderlich, so entfällt ein solches
Einigungsverfahren nicht deshalb, weil eine Einigungsstelle dort nicht schon
eingerichtet ist. Eine Einigungsstelle wird vielmehr nach Bedarf eingerichtet und
muß, wenn bei der Kurklinik ein Bedarf besteht, dort eingerichtet werden (§ 71
BPersVG)."
Die vorstehende Auffassung zur Antragsbefugnis entspricht ständiger
Rechtsprechung: Für die Zuständigkeit der Personalvertretung kommt es allein
darauf an, welcher Dienststellenleiter handelt oder etwas zu tun beabsichtigt.
Gleichgültig ist, ob er hierzu nach der Behördenorganisation und den insoweit
geltenden gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften berechtigt ist oder
nicht. Letzteres ist keine personalvertretungsrechtliche, sondern eine
organisationsrechtliche Frage, die im Beschlußverfahren nach § 83 Abs. 2 BPersVG
i.V.m. §§ 80 ff. ArbGG nicht zu klären ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 23.7.1979 - 6
P 28.78 - und Beschluß vom 14.7.1979 - 7 P 11.75 -, Buchholz 238.32 § 85 Bln
PersVG Nr. 1; Hess.VGH, Beschluß vom 24.8.1983 - BPV TK 33/82 - bestätigt durch
BVerwG, Beschluß vom 7.2.1984 - 6 PB 23.83 -). Aus diesen Gründen besteht auch
ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an der begehrten Feststellung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.