Urteil des HessVGH vom 19.05.2009

VGH Kassel: begriff, eltern, wohnung, empfang, verordnung, arbeitslosenversicherung, krankenversicherung, sozialhilfe, vollstreckung, verfügung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
10. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 A 2476/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 S 2
RdFunkGebStVtr HE, § 82
SGB 12, § 3
SGB12RegSatzV HE 2005
(Einkommensbegriff im Rundfunkgebührenrecht)
Leitsatz
1. § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV liegt kein eigener rundfunkrechtlicher Einkommensbegriff
zu Grunde. Auch der abgabenrechtliche Begriff des Einkommens gilt insofern nicht.
Vielmehr geht der Rundfunkgebührenstaatsvertrag vom sozialhilferechtlich geprägten
Begriff des Einkommens (heute § 82 SGB XII) aus.
2. Naturalunterhaltsleistungen (Gewährung von Wohnung, Ernährung und Kleidung)
durch die Eltern an ihr Kind sind regelmäßig nicht als Einkommen im Sinne von § 82
SGB XII anzusehen.
3. Zur Ermittlung des Einkommens im obigen Sinn sind auch die Werbungskosten
abzusetzen. Für die Ermittlung der Abzugsbeträge ist § 3 DVO zu § 82 SGB XII
einschlägig.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom
16. Oktober 2007 - 9 E 103/07 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren nur noch darüber, ob der Beklagte
gegen die Klägerin zu Recht für die Monate Januar 2005 bis einschließlich Juli 2005
Rundfunk- und Fernsehgebühren festgesetzt hat.
Die im Juli 1986 geborene Klägerin wohnt im Haus ihrer Eltern. Im Rahmen ihrer
Ausbildung bei einem Frisiersalon erhielt sie von Januar bis Juli 2005 monatlich eine
Ausbildungsvergütung von 365,00 € und einen Arbeitgeber-Anteil zu
Vermögenswirksamen Leistungen von 20,00 €, zusammen brutto 385,00 €. Die
gesetzlichen Abzüge für Krankenversicherung, Rentenversicherung,
Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung beliefen sich für Januar bis Juni
2005 auf monatlich 80,08 € und für Juli 2005 auf 81,82 €, so dass sich für Januar
bis Juni 2005 ein monatlicher Nettoverdienst von 304,92 € und für den Monat Juli
2005 ein Nettoverdienst von 303,18 € ergab.
Mit Bescheid vom 2. Oktober 2006 setzte der Beklagte für den Zeitraum August
2004 bis April 2006 die rückständigen Rundfunkgebühren der Klägerin auf 350,59 €
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2004 bis April 2006 die rückständigen Rundfunkgebühren der Klägerin auf 350,59 €
fest. Davon entfielen auf die Monate Januar bis März 2005 monatlich 16,15 € und
auf die Monate April bis Juli 2005 monatlich 17,03 €, was insgesamt 116,57 €
ergab. Nur darüber wird im Berufungsverfahren noch gestritten.
Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
27. Dezember 2006 zurück mit der sinngemäßen Begründung, die Klägerin als
Haushaltsangehörige liege mit ihrem eigenen Einkommen über dem einfachen
Sozialhilfesatz, so dass gemäß § 5 Abs. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages -
RGebStV - Gebührenpflicht bestehe.
Am 16. Januar 2007 hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt,
den Gebührenbescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2006 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2006 aufzuheben, soweit
Rundfunkgebühren für die Zeit ab 1. Januar 2005 festgesetzt sind.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16. Oktober 2007 den
Gebührenbescheid vom 2. Oktober 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 27.
Dezember 2006 in der Fassung des Teilaufhebungsbescheides vom 8. Oktober
2007 aufgehoben, soweit gegen die Klägerin Rundfunkgebühren für die Monate
Januar 2005 bis einschließlich Juli 2005 festgesetzt sind, und im Übrigen die Klage
abgewiesen. Die Voraussetzungen für ein Freistellung der Klägerin von der
Rundfunkgebührenpflicht nach § 5 Abs. 1 RGebStV seien für den Zeitraum Januar
bis Juli 2005 erfüllt. Die Klägerin habe mit ihren Eltern, die als Rundfunkteilnehmer
Rundfunkgebühren zahlten, in deren Haus in häuslicher Gemeinschaft gelebt. Ihr
Einkommen im Sinne des § 5 Abs. 1 RGebStV habe in dem genannten Zeitraum
den für die Klägerin geltenden einfachen Sozialhilferegelsatz von monatlich 276,00
€ für sonstige Haushaltsangehörige ab Vollendung des 14. Lebensjahres nicht
überstiegen. Die Bestimmung des Einkommens im Sinne des § 5 Abs. 1 RGebStV
habe sich an dem abgabenrechtlichen Begriff des Einkommens auszurichten,
mithin an dem Begriff des Einkommens in § 2 des Einkommensteuergesetzes.
Gegen die von dem Beklagten vertretene Auffassung eines eigenen
rundfunkrechtlichen Begriffs des Einkommens spreche, dass ein solcher Begriff
auch Fälle erfassen müsste, in denen es keine Verdienstbescheinigungen zu
Bruttoeinkommen abzüglich der Sozialabgaben gebe. Zudem fehlten, anders als
für den Begriff des Einkommens im Sinne des Einkommensteuergesetzes, im
Sinne der Sozialhilfe oder zum Beispiel im Sinne des Wohngeldgesetzes,
gesetzliche Bestimmungen zur Ausfüllung des jeweiligen Einkommensbegriffs. Für
Werbungskosten sei nach § 9 a EStG (in der Fassung des Art. 1 Nr. 6 des
Alterseinkünftegesetzes vom 5. Juli 2004, BGBl. I S. 1427 f.) bei der Ermittlung der
Einkünfte, wenn nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen würden, ein
Arbeitsnehmer-Pauschbetrag von 920,00 € jährlich abzuziehen, was auf den Monat
umgerechnet einen Betrag von 76,67 € ergebe. Als Sonderausgaben seien gemäß
§ 10 Abs. 2 und 3 EStG die in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen ausgewiesenen
gesetzlichen Abzüge für Krankenversicherung, Rentenversicherung,
Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung abzuziehen, bis Juni 2005
monatlich 80,08 € und in den folgenden Monaten etwas mehr. Das sich ergebende
Einkommen gemäß § 2 Abs. 4 EStG von monatlich höchstens 228,25 € übersteige
den einfachen Sozialhilferegelsatz von 276,00 € nicht.
Gegen das am 29. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28.
November 2007 Berufungszulassung beantragt. Auf die am 28. Dezember 2007
eingegangene Antragsbegründung hat der Senat mit Beschluss vom 18.
November 2008, zugestellt am 24. November 2008, die Berufung zugelassen.
Am 18. Dezember 2008 hat der Beklagte den Berufungsantrag gestellt und die
Berufung begründet.
Der Beklagte trägt vor, gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 RGebStV seien bei der Ermittlung
des Einkommens von Personen, welche mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher
Gemeinschaft leben, Werbungskosten nicht zu berücksichtigen. Zur Begründung
nimmt der Beklagte auf die Begründung des Berufungszulassungsantrags im
Schriftsatz vom 27. Dezember 2007 Bezug.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
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das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 16. Oktober
2007 - 9 E 103/07 - zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, wie von dem Verwaltungsgericht richtig entschieden worden sei,
seien bei der Ermittlung des Einkommens von haushaltsangehörigen Personen
nach § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV die Werbungskosten als Pauschalbetrag zu
berücksichtigen. Der in dieser Vorschrift verwandte Begriff des "Einkommens"
stehe in einem konkreten sozialhilferechtlich geprägten Zusammenhang. Nach
dem Sinn und Zweck der Vorschrift solle ein Rundfunknutzer nur dann
Rundfunkgebühren zahlen müssen, wenn ihm ein über dem einfachen
Sozialhilferegelsatz verbleibendes Einkommen zur Verfügung stehe.
Die Klägerin und der Beklagte haben sich mit einer Entscheidung ohne
Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Heft) haben vorgelegen und sind
Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Sachverhalts wird auf das angegriffene Urteil, die gewechselten Schriftsätze und
den darüber hinausgehenden Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung,
nachdem die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 14. April 2009
und der Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Mai 2009 auf mündliche Verhandlung
verzichtet haben.
Die vom Senat zugelassene Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Gießen vom 16. Oktober 2007 - 9 E 103/07 - ist auch im Übrigen zulässig,
insbesondere form- und fristgemäß begründet worden; auch der Berufungsantrag
ist rechtzeitig gestellt worden.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn das Verwaltungsgericht
hat der Klage in Bezug auf die Monate Januar 2005 bis einschließlich Juli 2005 zu
Recht stattgegeben.
In § 5 Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV) vom 13.
Dezember 1991 (GVBl. I S. 367), der bis zum 31. März 2005 gültig war, und in der
ab 1. April 2005 gültigen Fassung derselben Vorschrift war und ist geregelt, dass
und unter welchen Voraussetzungen eine Rundfunkgebühr nicht zu leisten ist für
weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von einer natürlichen Person
oder ihrem Ehegatten zum Empfang bereitgehalten werden. Nach § 5 Abs. 1 Satz
2 RGebStV sowohl in der bis zum 31. März 2005 als auch in der ab 1. April 2005
gültigen Fassung besteht eine Rundfunkgebührenpflicht im Rahmen des Satzes 1
auch nicht für weitere Rundfunkempfangsgeräte, die von Personen zum Empfang
bereitgehalten werden, welche mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher
Gemeinschaft leben und deren Einkommen den einfachen Sozialhilferegelsatz
nicht übersteigt.
Entgegen der Auffassung des Beklagten und in Übereinstimmung mit der
angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist davon auszugehen, dass
diese Voraussetzungen für Januar bis Juli 2005 - nur die Rundfunkgebühr für diesen
Zeitraum ist Gegenstand des Berufungsverfahrens - vorliegen.
Die Klägerin lebte in der fraglichen Zeit mit ihren Eltern, die Rundfunkteilnehmer
sind, in häuslicher Gemeinschaft. Die Klägerin hat in der fraglichen Zeit in ihrem
eigenen Zimmer auch ein Hörfunkgerät und einen Fernseher, also weitere
Rundfunkempfangsgeräte im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV zum Empfang
bereitgehalten. Ihr Einkommen hat jedoch den einfachen Sozialhilferegelsatz nicht
überstiegen. Maßgeblich für die Höhe der Regelsätze war bis Ende Juni 2005 § 1 Nr.
2 Buchst. b der Verordnung zur Festsetzung der Höhe der Regelsätze nach dem
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 20. Dezember 2004 (GVBl. I S. 502) und für
die Zeit ab 1. Juli 2005 § 1 Nr. 2 Buchst. b der Verordnung zur Festsetzung der
Höhe der Regelsätze nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 24. Juni
2005 (GVBl. I S. 512). Nach beiden Vorschriften betrug die Höhe des monatlichen
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2005 (GVBl. I S. 512). Nach beiden Vorschriften betrug die Höhe des monatlichen
Regelsatzes in der Sozialhilfe für sonstige Haushaltsangehörige ab Vollendung des
14. Lebensjahres - und damit für die Klägerin des vorliegenden Falles - 276,00 €.
In der Zeit von Januar bis Juli 2005 überstieg das Einkommen der Klägerin den
einfachen Sozialhilferegelsatz von 276,00 € nicht. Denn die monatlichen
Werbungskosten der Klägerin sind vor der Prüfung, ob der einfache
Sozialhilferegelsatz nicht überstiegen wird, abzuziehen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV kein
eigener rundfunkrechtlicher Einkommensbegriff zugrunde, denn für eine derartige
Annahme fehlen jegliche Anhaltspunkte. Aber auch die Auffassung des
Verwaltungsgerichts, die Bestimmung des Einkommens im Sinne von § 5 Abs. 1
RGebStV habe sich an dem abgabenrechtlichen Begriff des Einkommens
auszurichten, mithin an dem Begriff des Einkommens in § 2 des
Einkommenssteuergesetzes, teilt der Senat nicht. Denn es fehlt im
Rundfunkgebührenstaatsvertrag auch jeglicher Hinweis darauf, dass der
abgabenrechtliche Begriff des Einkommens zugrunde zu legen sei.
Vielmehr folgt der Senat der Auffassung der Klägerin, wonach der in § 5 Abs. 1
Satz 2 RGebStV verwandte Begriff des Einkommens dort ohne weitere Zusätze
aufgeführt wird, aber in einem konkreten sozialhilferechtlich geprägten
Zusammenhang steht. Es trifft zu, dass nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift
ein Rundfunknutzer nur dann Rundfunkgebühren zahlen soll, wenn ihm ein über
dem einfachen Sozialhilferegelsatz liegendes Einkommen wirklich zur Verfügung
steht. Sinn der Regelung ist erkennbar, dass grundsätzlich für weitere
Rundfunkempfangsgeräte, die von Personen zum Empfang bereitgehalten werden,
welche mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben, keine
Rundfunkgebührenpflicht bestehen soll, was erkennbar dem Gedanken Rechnung
trägt, dass ja für die im Haushalt vorhandenen Rundfunkempfangsgeräte bereits
Rundfunkgebühren bezahlt werden. Nur dann, wenn die mit dem
Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebende Person eigenes
Einkommen hat, das den einfachen Sozialhilferegelsatz übersteigt, soll für dieses
weitere Rundfunkempfangsgerät eine Rundfunkgebühr gezahlt werden. Die
Regelung knüpft somit erkennbar an das tatsächlich vorhandene Einkommen der
mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebenden Person an.
Dies hat zur Folge, dass Einkünfte, die in Folge zwingender Abzüge nicht bei der
betreffenden Person verbleiben, nicht als Einkommen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz
2 RGebStV zu werten sind. Soll nach allem sichergestellt werden, dass der
betreffenden Person das Einkommen in Höhe des einfachen Sozialhilferegelsatzes
verbleibt, ohne dass dieses Einkommen durch Rundfunkgebühren vermindert
würde, so zeigen diese Überlegungen und die Anknüpfung an die Grenze des
einfachen Sozialhilferegelsatzes, dass der Rundfunkgebührenstaatsvertrag vom
sozialhilferechtlich geprägten Begriff des Einkommens ausgeht. Dies bedeutet,
dass der heute in § 82 des Zwölften Buches des SGB (früher § 76 BSHG) geregelte
Begriff des Einkommens auch in den Fällen des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV
heranzuziehen ist. Dies bedeutet entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts in seinem früheren Urteil vom 12. Juni 2007 - 9 E 2445/06 - (S.
9) aber nicht, dass bei der Klägerin auch die freie Unterkunft und Verpflegung als
Einkunft in Geldeswert zu berücksichtigen ist. Naturalunterhaltsleistungen in
Gestalt der Gewährung von Wohnung, Ernährung und Kleidung durch die Eltern an
ihr Kind sind regelmäßig nicht als Sachbezüge und damit nicht als Mittel des
Kindes anzusehen (vgl. Schellhorn, BSGH, 16. Aufl., 2002, Rdnr. 10 zu § 76;
Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, 2. Auflage, 2003, Rdnr. 3 zu § 76; Wolf, in:
Fichtner/Wenzel, SGB XII-Sozialhilfe mit AsylbLG, 4. Auflage, 2009, Rdnr. 12 zu § 82
SGB XII). Vielmehr sind diese Leistungen der Eltern an ihre Kinder geprägt durch
die unterhaltsrechtlichen und damit familienrechtlichen Verpflichtungen der Eltern
gegenüber ihren Kindern.
Der Senat hat bereits in einem Fall, in dem es um die Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht ging, die Auffassung vertreten, dass der dortige Kläger
von seinem Einkommen die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
absetzen kann. Der selben Entscheidung kann entnommen werden, dass im
Rahmen der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bei der Ermittlung des
Einkommens vorrangig auf § 76 BSHG bzw. jetzt § 82 SGB XII abzustellen ist und
dass diese Vorschriften in Verbindung mit der Verordnung zur Durchführung einen
anderen Blickwinkel als den rein steuerrechtlichen ergeben (vgl. Hess. VGH,
Beschluss vom 13 März 2006 - 10 TP 3257/05 - S. 2 des amtlichen Umdrucks).
Diese Auffassung überträgt der Senat aus den oben genannten Gründen auch auf
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Diese Auffassung überträgt der Senat aus den oben genannten Gründen auch auf
den Fall des § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV.
Der Senat vermag nach allem auch nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts
München (Urteil vom 23. September 2005 - M 6a K 04.3180 - juris) und des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 17. Oktober 2006 - 7 BV 05.2898
-) zu folgen, der Einkommensbegriff im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 RGebStV sei
von § 76 ff. BSHG unabhängig, es sei vielmehr dem allgemeinen Sprachgebrauch
folgend von dem Nettoeinkommen auszugehen, also von dem nach Abzug von
Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen ausbezahlten Betrag, von dem
keine weiteren Abzüge vorzunehmen seien. Abgesehen davon, dass das Abstellen
auf den allgemeinen Sprachgebrauch schon deshalb ungenau ist, weil allgemein
bekannt und anerkannt ist, dass Fahrtkosten als Werbungskosten abgesetzt
werden können, lässt sich der Vorschrift auch nicht entnehmen, dass und warum
gerade auf einen allgemeinen Sprachgebrauch abgestellt worden sein soll. Im
Gegenteil deutet der Hinweis auf die Grenze des einfachen Sozialhilferegelsatzes
auf die Zugrundelegung eines sozialrechtlichen bzw. sozialhilferechtlichen
Einkommensbegriffs hin.
Nach allem sind jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 82 Abs. 2 Nrn. 1
bis 4 SGB XII vom Einkommen abzusetzen die auf das Einkommen entrichteten
Steuern, die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur
Arbeitsförderung, die Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder
ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder
nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge
nach § 82 des Einkommenssteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag
nach § 86 des Einkommenssteuergesetzes nicht überschreiten, und - die hier
allein streitigen - mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen
Ausgaben, mithin die allgemein als Werbungskosten bezeichneten
Kostenbelastungen.
Allerdings kann der von den Bevollmächtigten der Klägerin im Schriftsatz vom 28.
Mai 2007 durchgeführten Berechnung des Abzugsbetrages nicht gefolgt werden.
Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, für die tägliche Fahrt zum Ausbildungsbetrieb
von A-Stadt-Wieseck nach Biebertal, bei der die einfache Strecke 11 km beträgt,
für jeden gefahrenen Kilometer eine Pauschale von 0,30 € zu berücksichtigen, was
einen Abzugsbetrag von 22 (gefahrene Kilometer) x 0,30 € x 20 Arbeitstage =
132,00 € monatlich ergäbe. Entsprechendes gilt, soweit der Bevollmächtigte der
Klägerin Aufwendungen für den Erwerb von Scheren und Materialien für die Schule
(Bücher etc.) im Umfang von monatlich ca. 50,00 € angibt, denn eine
Rechtsgrundlage für einen derart "gegriffenen" Abzugsbetrag gibt es ebenfalls
nicht. Vielmehr ist die Ermittlung der Abzugsbeträge nach § 3 der Verordnung zur
Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in der vom 1.
Januar 2005 bis 29. März 2005 sowie in der insoweit gleichlautenden, ab 1. April
2005 gültigen Fassung (veröffentlicht als juris-Datei) einschlägig.
Da in Bezug auf Aufwendungen für Arbeitsmittel von der Klägerin keine höheren
Aufwendungen nachgewiesen worden sind, kann nach § 3 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5
der genannten Durchführungsverordnung insoweit nur ein monatlicher
Pauschbetrag von 5,20 € berücksichtigt werden.
Nach § 3 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. Abs. 6 Nrn. 1 und 2a der Durchführungsverordnung ist
für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als notwendige Aufwendung
für die Benutzung eines Kraftwagens ein Betrag von 5,20 € für jeden vollen
Kilometer anzusetzen, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt,
jedoch für nicht mehr als 40 km. Dies führt zu einem zu berücksichtigenden
Absetzungsbetrag von 11 km x 5,20 € = 57,20 € monatlich. Dabei geht der Senat
davon aus, dass die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels der Klägerin
nicht zumutbar und deshalb die Benutzung eines Kraftfahrzeuges notwendig ist
(vgl. zu dieser Voraussetzung § 3 Abs. 6 Nr. 2 der Durchführungsverordnung). Die
Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 14. April 2009
nachvollziehbar und überzeugend vorgetragen, dass ihre Arbeitszeit häufig,
insbesondere donnerstags und freitags, erst um 20.00 Uhr geendet habe und sie
darüber hinaus noch nach Ladenschluss Modelle habe fertigen müssen. Die in
Betracht kommende Buslinie habe von ihr aufgrund ihrer Arbeitszeiten nicht in
Anspruch genommen werden können. Der Bus sei von montags bis freitags jeweils
um 18.48 Uhr, 20.00 Uhr und 22.34 Uhr, samstags um 16.48 Uhr, 18.32 Uhr und
20.32 Uhr abgefahren. Weitere Aufklärungen dazu erübrigen sich, weil nach Abzug
der Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und
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der Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und
Pflegeversicherung und nach Abzug der Arbeitsmittel-Pauschale die für die
Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels erforderliche tariflich günstigste
Zeitkarte (vgl. § 3 Abs. 6 Nr. 1 der Durchführungsverordnung) schon bei
monatlichen Kosten von mehr als 23,72 € zu einer Unterschreitung des
Sozialhilferegelsatzes von 276,00 € führen würden und davon auszugehen ist,
dass die monatlichen Kosten für eine derartige Zeitkarte höher sind. Denn die
Klägerin hat im Schriftsatz vom 14. April 2009 glaubhaft vortragen lassen, dass die
tariflich günstigste Zeitkarte eines öffentlichen Verkehrsmittels für die Strecke A-
Stadt-Wieseck nach Biebertal von Januar bis Juli 2005 36,60 € pro Monat kostete.
Nach allem sind von dem monatlichen Verdienst von 385,00€ brutto die Beträge
für Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und
Pflegeversicherung in Höhe von 80,08 € monatlich für Januar bis Juni 2005
abzuziehen und für Juli 81,82 €. Weiterhin sind 5,20 € für Arbeitsmittel und 57,20 €
für Fahrten zur Ausbildungsstelle in Abzug zu bringen, was für Januar bis Juni 2005
monatlich 242,52 € und für Juli 2005 240,78 € ergibt, ein Einkommen, das unter
276,- € liegt.
Die Berufung des Beklagten ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO
zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen. Insbesondere ist der Revisionszulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht
gegeben, weil Fragen um die Anwendung und Auslegung des
Rundfunkgebührenstaatsvertrages nicht in einem Revisionsverfahren geklärt
werden können. Dieser Vertrag ist dem Landesrecht zuzurechnen und deshalb
nicht revisibel (BVerwG, Beschluss vom 25. März 1999 - 6 B 16/99 - juris).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.