Urteil des HessVGH vom 03.09.1997

VGH Kassel: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, rechtsschutzinteresse, hauptsache, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, reitplatz, quelle, billigkeit, dokumentation, zivilprozessordnung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 TZ 2462/97
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80 VwGO, § 80a VwGO, §
124 Abs 2 VwGO, § 146 Abs
4 VwGO, § 146 Abs 5 VwGO
(Fehlendes Rechtsschutzinteresse an der Fortführung des
Zulassungsverfahrens; Erledigung der Hauptsache im
Zulassungsverfahren - Zuständigkeit des
Rechtsmittelgerichts für die Kostenentscheidung)
Tatbestand
Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war der Antrag des Antragstellers
auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die
den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 16.01.1997 zur Errichtung eines
überdachten Bewegungs- und Reitplatzes für den Pferdezuchtbetrieb.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag durch Beschluss vom
10.06.1997 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass die
Sofortvollzugsanordnung formell und materiell der gerichtlichen Überprüfung
standhalte und der Antragsteller sich insbesondere gegenüber dem geplanten
Bauvorhaben nicht auf eine schutzwürdige Abwehrposition berufen könne. Der
Beschluss ist dem Antragsteller am 18.06.1997 zugestellt worden.
Gegen den vorgenannten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom
02.07.1997, bei dem Verwaltungsgericht eingegangen am darauf folgenden Tag,
Antrag auf Zulassung der Beschwerde gestellt. Er stützt den Antrag darauf, dass
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses beständen
(§§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der erstinstanzliche Beschluss von
einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs sowie des
Bundesverwaltungsgerichts abweiche und auf dieser Abweichung beruhe (§§ 146
Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Antragsgegner und Beigeladene sind dem Antrag
entgegengetreten und haben u. a. geltend gemacht, dass der überdachte
Bewegungs- und Reitplatz zwischenzeitlich fertiggestellt sei und
bestimmungsgemäß genutzt werde.
Entscheidungsgründe
Der Antrag des Antragstellers auf Zulassung der Beschwerde gegen die im Tenor
dieses Beschlusses näher bezeichnete Entscheidung des Verwaltungsgerichts
Frankfurt am Main ist gemäß §§ 146 Abs. 4 und 5, 124 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - an sich statthaft, aber unzulässig, da dem
Antragsteller ein Rechtsschutzinteresse für die Fortführung des
Zulassungsverfahrens fehlt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist Voraussetzung für den Erfolg
eines Antrags auf gerichtlichen Rechtsschutz nach § 80 a Abs. 3 VwGO neben der
Möglichkeit, unter Umständen auch Gewissheit der Rechtsbeeinträchtigung, dass
die erstrebte Maßnahme auch noch notwendig ist, um mögliche Rechte des
Dritten zu sichern, wozu auch der Schutz vor fortdauernden
Rechtsbeeinträchtigungen gehören kann (§ 80 a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Ein
Sicherungsbedürfnis besteht regelmäßig dann, wenn die Fortführung und
Vollendung der Arbeiten an einem Bauvorhaben die spätere Durchsetzung eines
etwa bestehenden Abwehrrechts gegen den jeweiligen Beigeladenen wegen dieser
baulichen Maßnahmen und wegen der ihnen zugrunde liegenden Genehmigung
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baulichen Maßnahmen und wegen der ihnen zugrunde liegenden Genehmigung
erschweren würde. Ein erstrebtes vorläufiges Nutzungsverbot ist nur dann
gerechtfertigt, wenn es zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus anderen
Gründen nötig ist und die zeitweilige Fortsetzung der Nutzung für den Dritten bis
zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar ist (vgl. Hess. VGH, Beschlüsse
vom 20.06.1991 - 4 TH 1094/91 -, ESVGH 42, 152, und vom 16.07.1997 - 4 TG
324/97 -). Mit der Fertigstellung des überdachen Bewegungs- und Reitplatzes, die
der Antragsgegner mit einem Lichtbild belegt hat, ist ein Sicherungsbedürfnis des
Antragstellers im vorgenannten Sinne entfallen. Die von ihm geäußerte
Befürchtung, der Anliegerverkehr werde sich um mehr als 200 bis 300 % erhöhen,
ist unter den gegebenen Umständen des Falles, wie sie sich nach Aktenlage
darstellen, nicht geeignet, um davon ausgehen zu können, die zeitweilige
Fortsetzung der als "Bewegungs- und Reithalle für den Pferdezuchtbetrieb"
genehmigten Nutzung wäre für ihn bis zur Entscheidung in der Hauptsache
unzumutbar.
Daraus folgt, dass sich eine Rechtsklärung der formellen und materiellen
Rechtmäßigkeit der Sofortvollzugsanordnung, insbesondere einer schutzwürdigen
nachbarrechtlichen Abwehrposition, im Eilrechtsschutzverfahren nach § 80 a Abs.
3 VwGO nicht mehr herbeiführen lässt, weil sich dieses Verfahren erledigt hat. Der
unmittelbare Gegenstand des Zulassungsverfahrens, also die Entscheidung
darüber, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses
bestehen oder ob dieser von einer obergerichtlichen Entscheidung abweicht und
auf dieser Abweichung beruht, erledigt sich zwar nicht selbst schon deshalb, weil
das zugrunde liegende Eilrechtsschutzverfahren gegenstandslos geworden ist.
Eine im vorliegenden Zulassungsverfahren zu treffende Entscheidung darüber, ob
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses bestehen
oder ob dieser von einer obergerichtlichen Entscheidung abweicht und auf dieser
Abweichung beruht, könnte jedoch den Zweck, bejahendenfalls ein
Beschwerdeverfahren zur Klärung der Richtigkeit der erstinstanzlichen
Entscheidung zu ermöglichen, nicht mehr erreichen, weil inzwischen feststeht,
dass die Beschwerde bereits wegen Wegfalls des Sicherungsbedürfnisses des
Antragstellers zurückgewiesen werden müsste. Die Erledigung des
Eilrechtsschutzverfahrens bewirkt demnach, dass es für die Fortführung des
Zulassungsverfahrens am Rechtsschutzinteresse fehlt (vgl. dazu: BVerwG,
Beschlüsse vom 28.08.1985 - 8 B 128.84 -, BVerwGE 72, 93, vom 17.12.1993 - 3 B
134/92 -, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 103, und vom 28.06.1996 - 6 PB 24/95 -,
Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 13 in Bezug auf die Beschwerde gegen die
Nichtzulassung der Revision). Ein Rechtsschutzinteresse für die Fortführung des
Zulassungsverfahrens lässt sich auch nicht mit der Erwägung begründen, dass der
Antragsteller trotz Wegfalls des Sicherungsbedürfnisses ein Interesse an der
Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses haben könnte. Denn diesem
Interesse hätte der Antragsteller dadurch Rechnung tragen können, dass er im
Zulassungsverfahren die Hauptsache für erledigt erklärte mit der Folge, dass der
Senat das Verfahren nach übereinstimmender Erledigungserklärung eingestellt,
den erstinstanzlichen Beschluss für wirkungslos erklärt und über die Kosten des
Verfahrens zu entscheiden gehabt hätte (vgl. §§ 161 Abs. 2, 173 VwGO i. V. m. §
269 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Der Senat wäre im Falle
übereinstimmender Erledigungserklärungen als das allein mit der Sache befasste
Gericht auch zuständig, über die Kosten des gesamten Rechtsstreits nach § 161
Abs. 2 VwGO zu entscheiden (vgl. dazu: BVerwG, Beschlüsse vom 08.07.1965 - III
B 6/64 -, NJW 1965, 1732, und vom 17.12.1993 - 3 B 134/92 -, a. a. O. in Bezug auf
die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision).
Der Antragsteller hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da er mit
seinem Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der
Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die im
Zulassungsverfahren einen Antrag gestellt haben, für erstattungsfähig zu erklären
(§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das
Zulassungsverfahren beruht auf §§ 14 Abs. 1 - analog -, 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 des
Gerichtskostengesetzes - GKG - und folgt der erstinstanzlichen Wertfestsetzung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.