Urteil des HessVGH vom 23.06.1992

VGH Kassel: quelle, klagebegehren, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, betrug, auflage, hauptsache, sozialhilfe, pflegebedürftigkeit

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
9. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 TE 705/92
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 131 Abs 2 S 1 VwGO, §
131 Abs 8 VwGO
(Irrtümliche Annahme der Notwendigkeit einer
Berufungszulassung bei einer kraft Gesetzes zulässigen
Berufung)
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil
des Verwaltungsgerichts vom 21. Januar 1992 - VI/3 E 1883/89 - ist zulässig und
begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die
Nichtzulassung der Berufung; denn das Verwaltungsgericht ist zu Unrecht davon
ausgegangen, daß die Berufung gegen das Urteil vom 21. Januar 1992 der
Zulassung bedürfe. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist hier kein Fall
des § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegeben,
da der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.000,00 DM übersteigt. Die Berufung
ist vielmehr ohne Zulassung statthaft.
Daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.000,00 DM übersteigt ergibt sich
aus folgendem: Das Klagebegehren ist dahin zu verstehen, daß der Kläger
Pflegegeld über die gewährten Leistungen in Höhe von monatlich 268,00 DM
hinaus bis an die Grenze des Pflegegeldes für Schwerstpflegebedürftige nach § 69
Abs. 4 Satz 2 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) erstrebt. Das Pflegegeld nach
§ 69 Abs. 4 Satz 2 BSHG betrug in dem hier maßgebenden Zeitraum 836,00 DM
(vgl. Lehr- und Praxiskommentar zum Bundessozialhilfegesetz, 2. Auflage 1989,
Rdnr. 34 zu § 69 BSHG).
Dafür, daß der Kläger eine Erhöhung der Hilfe zur Pflege um mindestens 450,00
DM im Monat erreichen wollte, spricht, daß der Kläger im Widerspruchsverfahren
vorgetragen hatte, die "Pflege- und Haushaltversorgung" betrage 12 Stunden
täglich, und im Widerspruchs- und Klageverfahren vorgebracht hat, der Grad seiner
Pflegebedürftigkeit sei wesentlich höher als von der Beklagten angenommen; mit
dem Pflegegeld solle auch der Lebensunterhalt seines Sohnes abgedeckt werden,
da dieser ihn pflege und wegen dieser Pflege keine Leistungen von der
Arbeitsverwaltung erhalte.
Geht man davon aus, daß der Kläger mit seiner Klage eine Erhöhung der
Leistungen um mindestens 450,00 DM monatlich erstrebt, so ergibt sich für den
von dem Klageantrag erfaßten Zeitraum vom 01. Juli bis 08. September 1989 eine
begehrte Erhöhung von insgesamt 1.020,00 DM. Auf dieser Grundlage beträgt der
Wert des Beschwerdegegenstandes 1.020,00 DM, da die Klage in vollem Umfang
abgewiesen worden ist.
Da die Berufung bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als
1.000,00 DM kraft Gesetzes zulässig ist, bedarf es im vorliegenden Verfahren
keiner Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Zulassung der Berufung;
vielmehr ist allein die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die
Nichtzulassung der Berufung aufzuheben (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof,
Beschluß vom 23. Dezember 1983 - V TE 52/82 - KStZ 1984, 97).
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Scheidet aber eine Zulassung der Berufung durch das Beschwerdegericht aus, so
tritt auch nicht die Rechtsfolge des § 131 Abs. 8 Satz 1 VwGO ein. Das
Beschwerdeverfahren wird nicht kraft Gesetzes als Berufungsverfahren fortgesetzt;
vielmehr bedarf es der Einlegung der Berufung.
Die Verteilung der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens richtet
sich nach der Kostenentscheidung in der Hauptsache. Nach § 188 Satz 2 VwGO
werden in Verfahren aus dem Gebiet der Sozialhilfe keine Gerichtskosten erhoben.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.