Urteil des HessVGH vom 09.04.1990

VGH Kassel: ablauf der frist, rücknahme der klage, ergänzung, untersuchungsgrundsatz, amtsbetrieb, zustellung, verkündung, quelle, beratung, ausnahme

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 TE 1021/89
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 120 VwGO, § 122 VwGO, §
162 Abs 3 VwGO
(Beschluß über Erstattung der Beigeladenenkosten kann
nicht von Amts wegen ergehen)
Gründe
I.
In dem Verfahren IV/1-E 1217/85 haben die Beschwerdeführer bei dem
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage gegen eine ihren Nachbarn, den
Beigeladenen, erteilte Baugenehmigung erhoben. Das Verwaltungsgericht hat das
Verfahren in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 1988 nach Rücknahme
der Klage eingestellt und den Klägern die Kosten auferlegt.
Ein Ausspruch über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen enthält die dem Bevollmächtigten der Beigeladenen am 28. Oktober
1988 zugestellte Sitzungsniederschrift nicht.
Am 21. Dezember 1988, ergänzt am 4. Januar 1989 hat der Bevollmächtigte der
Beigeladenen angeregt, den Beschluß bezüglich der Entscheidung über die
Erstattungsfähigkeit seiner außergerichtlichen Kosten von Amts wegen zu
ergänzen oder zu berichtigen.
Mit Beschluß vom 20. Februar 1989 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
den Klägern die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
auferlegt. In den Gründen hat es die Auffassung vertreten, die Entscheidung über
die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten sei von Amts wegen zu
treffen; sie sei auf Anregung des Bevollmächtigten der Beigeladenen nachzuholen.
Die Kläger wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluß, ohne einen
förmlichen Antrag zu stellen.
Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen ist der Beschwerde entgegengetreten.
Die Gerichtsakten liegen vor. Sie waren Gegenstand der Beratung.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im
Beschluß des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 20. Februar 1989 ist
fehlerhaft, denn sie durfte nicht von Amts wegen ergehen. Sie hätte vor Ablauf von
2 Wochen nach Verkündung bzw. Zustellung des Einstellungsbeschlusses vom 18.
Oktober 1988 (§§ 122 Abs. 1, 120 Abs. 1 und 2 VwGO) beantragt werden müssen.
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß es sich bei der
Entscheidung, die unterblieben ist und nicht etwa versehentlich nicht in den Tenor
aufgenommen wurde, nicht um die Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit im
Sinne des § 118 VwGO handelt (vgl. Hess. VGH, B. v. 23.03.1979 -- I TH 10/79 --
HessVGRspr. 1979, S. 65; ber. S. 88), sondern daß ein Ergänzungsbeschluß im
HessVGRspr. 1979, S. 65; ber. S. 88), sondern daß ein Ergänzungsbeschluß im
Sinne des § 120 VwGO erforderlich ist. Nach dieser Regelung ist eine Entscheidung
des Gerichts auf Antrag durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen, wenn u. a.
die Kostenfolge bei der Entscheidung ganz oder zum Teil übergangen ist.
Kostenentscheidung im Sinne des § 120 ist auch die Entscheidung gemäß § 162
Abs. 3 VwGO über die Kosten des Beigeladenen. Voraussetzung für eine
Ergänzung der Entscheidung nach dieser Vorschrift ist jedoch nach ihrem
eindeutigen Wortlaut, daß sie binnen 2 Wochen nach Zustellung beantragt wurde
(§ 120 Abs. 2 VwGO). Diese Entscheidung darf -- entgegen der Auffassung des
Bevollmächtigten der Beigeladenen und des Verwaltungsgerichts -- nur auf Antrag
erfolgen, und zwar auch dann, wenn eine Kostenentscheidung durch die von Amts
wegen zu treffende Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der
außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen ergänzt werden soll. Der
Bevollmächtigte der Beigeladenen beruft sich zur Begründung seiner gegenteiligen
Auffassung auf die Kommentarliteratur (Kopp, VwGO, Kommentar, 8. Aufl., § 120
Rz 8). Der Senat teilt die von Kopp vertretene Auffassung, das Gericht habe die
Befugnis, eine Entscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen ohne Antrag von Amts wegen zu treffen, nicht. Sie wird von ihm
weder begründet, noch handelt es sich bei der von ihm in diesem Zusammenhang
zitierten Rechtsprechung nach den zugrundeliegenden Sachverhalten um
Entscheidungen, bei denen eine Ergänzungsentscheidung von Amts wegen und
außerhalb der Frist des § 120 Abs. 2 VwGO ergangen wäre, oder -- mit Ausnahme
einer Entscheidung des OVG Hamburg (B. v. 23.04.1980 -- Bs II 17/80 VwRspr. Bd.
31 Nr. 228) -- auch nur für möglich gehalten wurde. Das OVG Hamburg (a.a.O.)
läßt dahinstehen, ob auch bei Übergehen einer von Amts wegen zu treffenden
Entscheidung, wie der über die Kosten des Beigeladenen, diese nur auf Antrag
ergänzt werden darf. Eine abweichende Auffassung vertritt auch Ule
(Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2. Aufl., § 120 Anm. II), der eine
Ergänzungsentscheidung nach § 120 VwGO auch auf Antrag für zulässig hält. Er
verweist zur Begründung auf seine Anmerkungen zu § 119, in denen er die
Berichtigung des Tatbestandes auch von Amts wegen unter Hinweis auf den
Untersuchungsgrundsatz und den Amtsbetrieb für zulässig hält. Es kann
dahingestellt bleiben, ob diese Auffassung zu § 119 VwGO richtig ist. Bei § 120
geht es weder um den Untersuchungsgrundsatz noch um Amtsbetrieb. § 120
schließt vielmehr nach dem Gesetzeswortlaut auch die Entscheidung über die
Kostenfolge, die von Amts wegen zu treffen ist, in die Regelung bezüglich der
Ergänzung ein. Die Ausrichtung der Auslegung der Vorschrift an ihrem
Gesetzeswortlaut ist geboten und erscheint auch im Hinblick auf den mit Ablauf
der Frist des § 120 Abs. 2 VwGO verbundenen Wegfall der Rechtshängigkeit als
zutreffend. Wenn eine Beschlußergänzung nur auf Antrag erfolgen kann, ist diese
Frist ohnehin zu beachten (vgl. BayVGH, B. v. 26.01.1973 Nr. 313 I 72 -- BayVBl.
1973, 249; OVG Hamburg, B. v. 11.09.1961 -- Bs II 25/61 -- NJW 1962, 72; vgl. auch
Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Aufl., § 120 Rdnr. 3).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.