Urteil des HessVGH vom 13.02.2003

VGH Kassel: satzung, durchgangsverkehr, grundstück, aufwand, ermessen, anfang, beitragspflicht, erlass, stadt, entstehung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 UZ 35/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 KAG HE, § 11 KAG HE
(Wirksame Satzung im Beitragsentstehungszeitpunkt;
Eckgrundstücksermäßigung - Mehrfacherschließung durch
gleichartige Verkehrsanlagen)
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Kassel vom 19. November 2002 ist zulässig, aber nur in Höhe
des im Tenor ausgewiesenen Anteils begründet. Nur in dieser Höhe wecken die
Ausführungen des Bevollmächtigten des Klägers zum Zulassungsgrund der
ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) auch beim Senat ernstliche Zweifel.
Der Bevollmächtigte des Klägers trägt vor, aus den Ausführungen des
Verwaltungsgerichts, der Beklagten und den Verwaltungsvorgängen der Beklagten
ergebe sich, dass der erste Bauabschnitt des Bauprogramms der Beklagten für
den Um- und Ausbau der Gesamtanlage bereits vor Erlass der ersten
Straßenbeitragssatzung der Beklagten vom 27. Juni 1996 fertig gestellt worden sei.
Die Anlieger dieses ersten Abschnitts seien nicht zur Zahlung eines Beitrags
herangezogen worden und hätten auch nicht herangezogen werden können.
Dieser Bauabschnitt liege aber zwischen dem zweiten und dritten Bauabschnitt
und unterbreche somit den gesamten Straßenzug. Nunmehr habe die Beklagte
versucht, in ihre Berechnung den umlagefähigen Aufwand des zweiten und dritten
Bauabschnitts in Höhe von 620.000,-- DM zuzüglich 925.000,-- DM
zusammenzufassen und abzurechnen. Dies lasse jedoch das hessische
Landesrecht nicht zu, wie sich aus der Rechtsprechung des Senats ergebe.
Diese Ausführungen wecken keine ernstlichen Zweifel beim Senat an der
Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Nach der Rechtsprechung des
Senats zu den §§ 2 und 11 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes - KAG - ist
es im kommunalen Beitragsrecht - anders als nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht - erforderlich, dass eine
die Beitragspflicht begründende Satzung im Zeitpunkt der Entstehung der
Beitragspflicht durch Fertigstellung der Einrichtung wirksam ist (vgl. Urteil vom 31.
Mai 1979 - V OE 18/78 -, HSGZ 1980, 61; allgemein: Driehaus, Erschließungs- und
Ausbaubeiträge, 6. Aufl., § 30 Rdnrn. 3 ff. mit Nachweisen aus den verschiedenen
Landesrechtsprechungen). Ob eine Um- oder Ausbaumaßnahme bereits
fertiggestellt worden ist, bemisst sich nach dem dieser Maßnahme zugrunde
liegenden Ausbauprogramm der Kommune (vgl. Urteil vom 12. September 1990 -
5 UE 479/86 -, HSGZ 1991, 263). Nach den Feststellungen des
Verwaltungsgerichts sowie den Unterlagen der Beklagten war das
Ausbauprogramm der Beklagten aber von Anfang an auf den Ausbau der
gesamten Anlage ausgerichtet. Allerdings sollte der Ausbau aus finanziellen
Gründen in verschiedenen Abschnitten nacheinander vorgenommen werden.
Damit ist eine Fertigstellung der Um- und Ausbaumaßnahme erst mit dem
Gesamtabschluss des Ausbauprogramms gegeben. Insofern kommt es nicht
darauf an, dass die Beklagte zuerst als ersten Bauabschnitt den Mittelteil der
Gesamtanlage ausgebaut hat und erst danach die äußeren Abschnitte.
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Gesamtanlage ausgebaut hat und erst danach die äußeren Abschnitte.
Maßgeblich ist für das Erfordernis des Vorliegens einer Beitragssatzung allein der
Zeitpunkt des Entstehens des Beitragsanspruchs, d.h. der Zeitpunkt des
Abschlusses der nach dem Bauprogramm vorgesehenen Ausbaumaßnahme.
Diese ist jedoch hier bisher noch nicht abgeschlossen.
Insofern ist auch - entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten - nicht von
Bedeutung, dass die Beklagte mit dem dritten Bauabschnitt des Bauprogramms
zum Zeitpunkt der Erhebung der hier streitigen Vorausleistung auf den
zukünftigen Straßenbeitrag noch nicht begonnen hat. Nach § 13a der
Straßenbeitragssatzung (StrBS) der Beklagten kann diese - im Einklang mit § 11
Abs. 9 KAG - ab Beginn des Jahres, in dem mit der Baumaßnahme begonnen wird,
Vorausleistungen bis zur Höhe des voraussichtlichen Beitrages verlangen. Da mit
der Gesamtbaumaßnahme längst begonnen worden ist, kann die Stadt auch
Vorausleistungen für die Vornahme dieser Gesamtbaumaßnahme erheben.
Auch die Darlegungen des Klägerbevollmächtigten zur Einstufung der
Gesamtverkehrsanlage als überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr
dienend wecken beim Senat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
angefochtenen Urteils. So hat er keine substantiierten Anhaltspunkte dafür
genannt, dass überwiegend überörtlicher Durchgangsverkehr die Straße benutzt.
In den Unterlagen der Beklagten zum Ausbau der einzelnen Bauabschnitte und zur
Gesamtbaumaßnahme ist die Verkehrsanlage von Anfang an als örtliche
Durchgangsstraße charakterisiert worden. Zwar mag es sein, dass diese Straße
auch von Teilen des überörtlichen Verkehrs zur Abkürzung genutzt wird - wie es
der Klägerbevollmächtigte vorträgt -, dass die Anlage dadurch allerdings
überwiegend überörtlichem Durchgangsverkehr dient, ist nicht ersichtlich.
Ernstliche Zweifel weckt der Vortrag des Klägerbevollmächtigten am Ergebnis des
verwaltungsgerichtlichen Urteils allerdings insofern, als das Verwaltungsgericht die
Entscheidung der Beklagten bestätigt hat, dem Kläger keine
Eckgrundstücksvergünstigung nach § 12 StrBS zu gewähren. Nach dieser
Vorschrift werden bei durch mehrere gleichartige Verkehrsanlagen erschlossenen
Grundstücken die ermittelten Berechnungsflächen bei der Verteilung des
Aufwands für jede Verkehrsanlage voll und bei der Festsetzung des Beitrags für
das einzelne Grundstück nur mit 60 % zu Grunde gelegt. Die Beklagte hat - vom
Verwaltungsgericht unbeanstandet - den unbestimmten Rechtsbegriff "gleichartige
Verkehrsanlagen" so ausgelegt, dass es sich dabei jeweils um Verkehrsanlagen
handeln muss, die von ihrer Verkehrsbedeutung im Sinne des § 3 StrBS
überwiegend dem gleichen Verkehr, d.h. dem Anliegerverkehr, innerörtlichem oder
überörtlichem Durchgangsverkehr, dienen. An dieser Auslegung des Begriffs
"gleichartig" in diesem Zusammenhang hegt der Senat jedoch ernstliche Zweifel.
Die Entscheidung, ob eine Kommune in ihrer Straßenbeitragssatzung eine
sogenannte Eckgrundstücksvergünstigung vorsieht, steht in ihrem Ermessen. Hier
hat die Beklagte von diesem Ermessen Gebrauch gemacht und eine derartige
Ermäßigung in § 12 StrBS vorgesehen. "Gleichartig" in Bezug auf erschließende
Verkehrsanlagen kann dabei jedoch sinnvoller Weise nach Ansicht des Senats nur
eine Differenzierung danach bedeuten, ob es sich bei den jeweiligen
Erschließungsanlagen um Straßen oder Wege - wie etwa Wohnwege oder
ähnliches - handelt, d.h. jeweils um Anlagen, die den gleichen Erschließungsvorteil
vermitteln. Nur wenn es sich in diesem Sinne um beitragsfähige
Erschließungsanlagen der gleichen Art handelt, liegt eine Mehrfacherschließung in
dem Sinne vor, die eine Billigkeitsermäßigung nach der Satzungsregelung
rechtfertigt (vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht: Driehaus, a.a.O., § 18 Rdnr. 72).
Für eine Differenzierung danach, ob die unterschiedlichen Erschließungsanlagen,
die das Grundstück mehrfach erschließen, die gleiche Verkehrsbedeutung haben,
fehlt es jedoch in dem Fall, in dem eine Kommune eine
Eckgrundstücksvergünstigung in ihrer Satzung vorsieht, an einer Rechtfertigung.
Vielmehr geht die Eckgrundstücksvergünstigung auf den Gedanken zurück, dass
der Erschließungsvorteil der Mehrfacherschließung sich nicht um die Zahl der das
jeweilige Grundstück erschließenden verschiedenen Erschließungsanlagen
vervielfältigt, sondern dass der durch die Mehrfacherschließung erworbene Vorteil
geringer ausfällt. Dieser Grund dafür, eine derartige Satzungsregelung zu
schaffen, ist jedoch von der reinen Verkehrsbedeutung der unterschiedlichen
Erschließungsanlagen unabhängig.
Da demzufolge ernstliche Zweifel des Senats nur im Hinblick auf die dem Kläger
nicht zugute gekommenen Eckgrundstücksermäßigung bestehen, lässt der Senat
nur in dieser Höhe die Berufung zu. Dabei führt auch die Erwägung, dass die
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nur in dieser Höhe die Berufung zu. Dabei führt auch die Erwägung, dass die
Beklagte bei Ausschöpfung auch des Aufwandes für den ersten Bauabschnitt eine
höhere Vorausleistung hätte erheben können, nicht dazu, die Bedenken gegen die
Rechtmäßigkeit des Vorausleistungsbescheides zu überwinden. Die Beklagte hat
vielmehr von ihrem Ermessen bei Erhebung einer Vorausleistung insofern
Gebrauch gemacht, als sie nur den Aufwand für den zweiten und dritten
Bauabschnitt insoweit einbeziehen und von dem so errechneten Beitrag nur 90 %
vom Beitragspflichtigen als Vorausleistung erheben wollte. Daran ist sie
festzuhalten. Legt man somit beim Kläger nur 60 % seiner Berechnungsfläche von
497,7 qm zu Grunde, so ergibt sich bei einem umzulegenden Aufwand pro
Quadratmeter von 2,62 DM für ihn ein Beitrag von 782,38 DM. Die davon im Wege
der Vorausleistung von der Beklagten geltend gemachten 90 % hat sie bei allen
Beitragspflichtigen auf die nächste glatte Zehnersumme aufgerundet. Dies ergibt
im Fall des Klägers einen Betrag von 710,-- DM. Bei einem mit dem streitigen
Vorausleistungsbescheid geltend gemachten Vorausleistungsbeitrag von 1.180,--
DM ist also die Berufung in Höhe eines Anteils von 470,-- DM (entspricht 240,31 €)
zuzulassen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich hinsichtlich des abgelehnten Anteils des
Zulassungsantrags aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kosten des übrigen Teiles des
Zulassungsverfahrens folgen der Kostenentscheidung im Berufungsverfahren.
Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf den §§ 13
Abs. 2, 14 Gerichtskostengesetz - GKG -.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2
GKG).
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb eines Monats nach
Zustellung dieses Beschlusses zu begründen ist. Die Begründung ist beim
Hessischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf
einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die
Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen
anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem
dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.