Urteil des HessVGH vom 18.08.1988

VGH Kassel: gemeinde, gegen die guten sitten, genehmigung, erwerb von grundstücken, öffentlich, treu und glauben, aufsichtsbehörde, eingliederung, option, darlehen

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 UE 2254/84
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 134 BGB, § 138 BGB, §
123 Abs 3 BBauG, § 124
Abs 1 BauGB, § 107 GemO
HE vom 01.07.1960
(Ergänzungsvertrag zu einem Erschließungs- und
Bebauungsvertrag)
Tatbestand
Mit der noch anhängigen Klage machen die Kläger gegen die Beklagte wegen
ihnen angeblich zustehenden Forderungen aus einem Vertrag einen Betrag von
insgesamt 62.000,-- DM geltend.
Den Forderungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die vormals selbständige Gemeinde O.-E. schloß mit der Beklagten am 21.
06.1972 einen Grenzänderungsvertrag. Der Vertrag lautete unter anderem:
" § 1
(1) Die Stadt Bad H. und die Gemeinde O.- E. schließen sich aus Gründen des
öffentlichen Wohls im Wege der Eingliederung zu einer Gemeinde zusammen. (2)
Der Name der bisherigen Gemeinde O.-E. wird als Stadtteilsbezeichnung weiter
geführt.... (3) Die Eingliederung wird am 1. Juli 1972 rechtswirksam.
§ 2 Rechtsnachfolge
(1) Die Stadt Bad H. ist die Rechtsnachfolgerin der bisherigen Gemeinde O.-E. (2)
Sie tritt mit dem Tage der Rechtswirksamkeit in alle Rechte und Pflichten der
bisherigen Gemeinde ein.
§ 26
(1) Dieser Vertrag tritt nach Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde in Kraft. (2)
Der Vertrag bleibt wirksam, auch wenn die beabsichtigte Grenzänderung im
Rahmen der Gebietsreform durch gesetzliche Regelung zustande kommt."
Der Vertrag wurde auf Seiten der Stadt Bad H. von deren Bürgermeister Dr. K. und
dem Stadtkämmerer M. und auf Seiten der Gemeinde O.-E. von Bürgermeister G.
und dem Ersten Beigeordneten K. unterschrieben. Den jeweiligen Unterschriften
wurden die Dienstsiegel beider Gebietskörperschaften beigefügt.
Der Vertrag wurde am 17.07.1972 vom Regierungspräsidenten in Darmstadt
genehmigt. Die genehmigte Urschrift des Vertrages wurde laut einer Auskunft des
Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 11.07.1988 am gleichen Tage formlos
nur an die Stadt Bad H. übersandt.
Mit "Gesetz zur Neugliederung des Obertaunuskreises und des Landkreises
Usingen" vom 11.07.1972 (GVBl. I S. 227) wurde die Gemeinde O.-E. mit dem
größten Teil ihres Gemeindegebietes, - dazu gehörten auch die hier maßgeblichen
Fluren, - mit Wirkung vom 01.08.1972 in die Stadt Bad H. eingegliedert.
Die Gemeinde O.-E. besaß seit März 1969 einen Flächennutzungsplan. Dieser Plan
stellte ein ungefähr 30,5 ha großes Gebiet nördlich der S. Straße als
Wohnbaufläche dar.
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Am 12.02.1970 beschloß die Gemeindevertretung von O.-E. den vom
Ingenieurbüro H. gefertigten Entwurf des Bebauungsplanes Nr. 10 "Am W", der
einen Teilbereich von ungefähr 15,2 ha des oben bezeichneten Gebiets betraf,
offenzulegen.
In der Begründung zu diesem Entwurf hieß es u. a.:
"Das ca. 30,5 ha große Gebiet schließt sich an die vorhandene alte Ortslage an. ...
Das Baugebiet wird bei einer durchschnittlichen Dichte von ca. 85 E/ha ca. 2.500
Einwohner aufnehmen können.
Der vorliegende Plan soll in 3 Bauabschnitten realisiert werden, so daß der
Geltungsbereich des Bebauungsplanes auf den 1. Abschnitt begrenzt ist. Somit
wird die Ordnung des Bodens, die durch eine Baulandumlegung erfolgt, auch nur
für den I. Teil vorgenommen. Erst wenn die Bauabschnitte II und III rechtskräftig
geworden sind, werden diese analog umgelegt.
Erschließung
Die Kosten der Erschließung werden für das gesamte Gelände angegeben. Die
Entwürfe für die Erschließungsanlagen werden aus technischen Gründen
insgesamt aufgestellt.
Gemäß ihrer Ortssatzung wird die Gemeinde O.-E. 90 % der umlagefähigen
Herstellungskosten auf die Anlieger umlegen, so daß ca. 500.000,-- DM auf die
Gemeinde entfallen."
Der Bebauungsplan lag nach damals ortsüblicher Bekanntmachung, die durch
Aushang an der Gemeindetafel bewirkt wurde, in der Zeit vom 28.04.1970 bis
29.05.1970 im Rathaus der Gemeinde O.-E. öffentlich aus. In einem Schreiben
vom 15.06.1970 nahm der Landkreis F. zu dem Entwurf u.a. wie folgt Stellung:
"Dem Bebauungsplan "Am W", aufgestellt vom Ingenieurbüro H. im Dezember
1969, kann in der vorliegenden Form nicht zugestimmt werden, da er für eine
Gemeinde mit Eigenentwicklung zu umfangreich ist. Gemäß der
Besprechungsniederschrift vom 13.05.1970 zwischen der RPU und den Vertretern
der Gemeinde O.-E. wurde vereinbart einen Bebauungsplan zu entwickeln, der ein
Bauvolumen von ca. 400-500 Personen umfaßt."
Am 15.07.1970 beschloß die Gemeindevertretung zu den Bedenken und
Anregungen der Träger öffentlicher Belange und der Bürger u.a. folgendes:
"2) Die Regionale Planungsgemeinschaft hat in ihrer Ergebnisniederschrift dem
Bebauungsplan zugestimmt, wenn er sich im Rahmen einer gewissen Kapazität
hält. Angegeben wurden ca. 400 bis 500 Personen oder ca. 150 Wohneinheiten.
Die RPU schlägt deshalb vor, den Geltungsbereich des Bebauungsplanes auf den I.
Bauabschnitt zu begrenzen und den II. und III. Bauabschnitt lediglich als Vorschlag
mit einzureichen.
Diesem Vorschlag wird stattgegeben."
Die Regionale Planungsgemeinschaft Untermain (RPU) nahm mit einem Schreiben
vom 16.07.1970 zu diesem Problem nochmals Stellung. In diesem Schreiben hieß
es u.a.:
"Gegen den dort dargestellten Geltungsbereich werden keine Bedenken erhoben,
wenn dies die einzige Neugebietszuweisung der nächsten 5 Jahre sein soll.
Es muß ... allerdings darauf hingewiesen werden, daß die Abgrenzung nicht einen
"I. Bauabschnitt" darstellen kann, sondern einen Teilbebauungsplan, der
planungsrechtlich völlig selbständig behandelt werden muß. Eine Ausweisung der
übrigen Flächen für einen Bebauungsplan kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt
nicht hingenommen werden."
Auch diesen Bedenken und Anregungen gab die Gemeindevertretung von O.-E.
statt. Sie beschloß am 09.09.1970 diesen Bebauungsplan als Satzung, die der
Regierungspräsident in Darmstadt mit Bescheid vom 22.03.1971 genehmigte. Die
Genehmigung dieses Bebauungsplanes wurde sodann amtlich bekannt gemacht.
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Bereits Ende 1970 hatte die Gemeinde O.-E. im vorbezeichneten Gebiet mit der
Umlegung der Baugrundstücke begonnen. Am 17.12.1970 beschloß die
Umlegungsbehörde dieser Gemeinde, den Gemeindevorstand zu beauftragen, mit
den Klägern zu einem baldigen Zeitpunkt einen Vertragsentwurf auszuarbeiten,
der die Erschließung und Bebauung des "W-geländes" zum Gegenstand hatte.
Am 27.07.1971 schlossen die Kläger, die mit dem Gemeindevorstand von O.-E.
einige Zeit zuvor Verhandlungen aufgenommen hatten, mit der Gemeinde O.-E.,
vertreten durch den damaligen Bürgermeister B. und den damaligen
Beigeordneten S., vor dem Notar E. W. - zu der Nr. 78 der Urkundenrolle für 1971 -
einen Erschließungs- und Bebauungsvertrag - im folgenden Vertrag I genannt -.
In dieser Vereinbarung hieß es u.a.:
" § 1
Die Gemeinde hat in ihrer Gemarkung in der Flur "W" ein Bebauungsgebiet
ausgewiesen, dessen Teil I erschlossen werden soll.
Das zu erschließende Gebiet umfaßt ca. 150.000. qm.
§ 2
Die Verpflichteten "(gemeint sind die Kläger)" übernehmen die Erschließung des
vorgenannten Gebiets und alle damit im Zusammenhang stehenden Arbeiten,
also die Anlegung von Straßen, Bürgersteigen, die Verlegung der
Abwasserleitungen, die Verlegung von Wasserleitungen und Elektroleitungen und
die Verlegung von Telefonleitungen, sowie die Erstellung der
Straßenbeleuchtungsanlagen gemäß Erschließungsplan, gemäß der
Ausschreibung und gemäß dem Kostenvoranschlag des Planungsbüros H. mit
einer Aufwandsumme von ca. 3.300.000,-- DM, die Grundlage dieses Vertrages
sind.
§ 3
Die Verpflichteten bedienen sich bei der Planung und Ausführung ihrer
Verpflichtungen der Dienste des Planungsbüros L. H. in H.. Sie haben dessen
Honorar zu tragen. Die Kosten der Erschließungsarbeiten zahlt die Gemeinde an
die Verpflichteten bis zum 31.12.1972 zurück, plus banküblicher Zinsen....
§ 4
Die Verpflichteten sind zu der vorbezeichneten Erschließung nur dann verpflichtet,
wenn es ihnen gelingt, in dem Erschließungsgebiet möglichst zusammenhängende
Grundstücke von ca. 50.000 qm zu Bauzwecken zu erwerben, und zwar das
Hochhausgebiet laut Bebauungsplan (vier- bis sechsgeschossig) mit einer
Ausnutzungsziffer von 1,0 bis 1,2.
Die Gemeinde garantiert den Verpflichteten den Erwerb der vorbezeichneten
Bebauungsfläche bis zum 31.12.1971.
Die Gemeinde garantiert, daß der Flächenabzug und -beitrag zusammen nicht
mehr als 25 % betragen werden.
§ 5
Die Verpflichteten sind verpflichtet, nach Genehmigung des Erschließungsplanes
und des Bebauungsplanes, sowie nach Vorlage der Bestimmungen des
Wasserwirtschaftsamtes unverzüglich mit der Erschließung zu beginnen, sobald sie
das vorbezeichnete Bauland käuflich erworben haben und der Baugenehmigung
für dieses Gebiet nichts im Wege steht.
§ 6
Die Verpflichteten sind berechtigt, zugleich mit der Erschließung mit der Bebauung
des Geländes zu beginnen. ....
§ 10
Die Verpflichteten werden ca. 150.000 qm Bauland erschließen, jedoch nur ca.
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Die Verpflichteten werden ca. 150.000 qm Bauland erschließen, jedoch nur ca.
50.000 qm Rohland erwerben und bebauen können. Die Erschließungskosten
werden pro Quadratmeter Erschließungsland berechnet und mit derjenigen Anzahl
von Quadratmetern der Gemeinde belastet, die von den Verpflichteten nicht
erworben werden konnten. Diese anteiligen Erschließungskosten hat die Gemeinde
bis zum 31.12.1972 den Verpflichteten zu erstatten. Sie hat außerdem diesen
Erstattungsbetrag in der Höhe zu verzinsen, in der die Verpflichteten Bankzinsen
für die Aufnahme eines Erschließungskostendarlehns zahlen müssen, und zwar
zuzüglich 5 % Agio aus den Kosten, die von den Verpflichteten auf das von ihnen
nicht erworbene Erschließungsgebiet aufgewendet werden mußten.
Erschließungskosten sind alle Ausgaben, die die Verpflichteten zur Ausführung des
Vertragszwecks aufwenden.
Mit Abnahme der Erschließungsarbeiten gelten alle Erschließungs- und
Anliegerkosten für das von den Verpflichteten erworbene Gelände als abgegolten.
§ 11
Die Gemeinde beabsichtigt, an das vorbezeichnete Erschließungsgebiet später
weitere Erschließungsgebiete auszuweisen und bebauen zu lassen.
Diese späteren Baugebiete sollen an die Abwasser- und Versorgungsleitungen
angeschlossen werden können, die die Verpflichteten für ihr eigenes
Erschließungsgebiet zu verlegen haben.
Die Verpflichteten werden daher die vorbezeichneten Anlagen in größeren
Dimensionen verlegen müssen, als sie dies tun müßten, wenn die Anlagen nur für
eigenes Erschließungsgebiet ausreichen sollten. Durch die Installation von
Abwasser- und Versorgungsanlagen in größeren Abmessungen, als für den
Eigenbedarf der Verpflichteten nötig ist, entstehen Mehrkosten, die von der
Gemeinde zu tragen sind. Diese Kosten ermittelt das Planungsbüro H. in
Zusammenarbeit mit den zuständigen Ämtern, wobei jeweils auf Wunsch der
Verpflichteten ein für jedes Sachgebiet von der zuständigen Industrie- und
Handelskammer zu benennender Sachverständiger zugezogen werden muß.
Diese Mehrkosten sind von der Gemeinde an die Verpflichteten bis zum
31.12.1972 zu zahlen, und zwar zuzüglich der darauf entfallenden Bankzinsen für
das insoweit von den Verpflichteten aufzunehmende Erschließungsdarlehen, sowie
zuzüglich weiterer 5 % von den Differenzkosten als Agio für die von den
Verpflichteten für die Gemeinde geleistete Arbeit. Diese Erstattungspflicht der
Gemeinde entfällt, wenn die Verpflichteten bis zum 31.12.1975 in dem
anschließenden Baugelände von ca. 160.000 qm einen analogen Bodenanteil
erwerben und bebauen können, wozu ihnen die Gemeinde hiermit eine
unwiderrufliche Option einräumt. Diese Mehrkosten sind im Kostenvoranschlag
enthalten....
§ 15
Die Gemeinde sichert zu, daß das von den Verpflichteten zu erwerbende Rohland
den Preis von 30,00 DM pro Quadratmeter nicht überschreiten wird.
Die Verpflichteten haben pro Quadratmeter Nettobauland 5,-- DM als
Nachfolgelasten an die Gemeinde zu zahlen....
§ 23
Die Kosten dieses Vertrages, die Teil der Erschließungskosten sind, tragen die
Verpflichteten als Gesamtschuldner."
In der Folgezeit erwarben die Kläger zu Bauzwecken Bruttobauland in einer
Größenordnung von 50.000 qm zu einem Preis von 37,50 DM je qm, mithin zu
einem Gesamtbetrag von 1.875.000,-- DM. Eine der Bruttobaufläche
entsprechende Fläche von 37.660 qm Nettobauland veräußerten die Klägerin im
Jahre 1977 an eine Bauträgergesellschaft zu einem Gesamtpreis von 6.496.350,00
DM.
Mit Schreiben vom 23.08.1971 teilte die Gemeinde O.-E. dem Kläger zu 1) mit, daß
sie auf der Grundlage einer noch zu erlassenden Satzung in der zweiten
Jahreshälfte 1972 die Erschließungskosten zu 90 % von den Anliegern anfordern
werde und fristgerecht diesen Betrag nebst 10 % Eigenleistung an die Kläger
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werde und fristgerecht diesen Betrag nebst 10 % Eigenleistung an die Kläger
entrichten werde.
Die Kläger beauftragten sodann am 04.10.1971 ein Unternehmen, die
Erschließungsarbeiten durchzuführen. Gegenstand dieses Vertrages waren die
Erd-, Maurer -, Beton-, Abwasserkanal-, Rohrverlegungs- und Straßenbauarbeiten
für die tiefbauliche Erschließung des Baugebiets zu einem Bruttopreis von
2.366.549,75 DM. Nach Beginn dieser Arbeiten wurde festgestellt, daß wegen zu
großer Geländedifferenzen die Trassen der Erschließungsstraßen, insbesondere
der Straße "An der J.", nicht wie vorgesehen ausgeführt werden konnten.
Am 27.12.1971 fand zwischen den Klägern und Vertretern der Gemeinde O.-E.
eine Unterredung statt, in der anstehende Probleme bei der Abwicklung des am
27.07.1971 geschlossenen Vertrages I besprochen und einer gütlichen Lösung
zugeführt wurden.
Am 10.02.1972 beschloß die Gemeindevertretung von O.-E., den Bebauungsplan
"W" zu ändern, zu ergänzen und den Änderungsentwurf offenzulegen. In der
Begründung zu diesem Entwurf hieß es u.a.:
"Die Änderung des Bebauungsplanes wurde parallel zu den darauf folgenden
Maßnahmen vorgenommen. Erschließungsplanung und Baulandumlegung sind
bereits nach dem neuen Konzept, das sich im wesentlichen an die Erstaufstellung
des Bebauungsplanes anlehnt, ausgeführt bzw. begonnen worden.
e. Kostenermittlung: Die Erschließung des 1. Bauabschnitts bringt zusätzliche
Kosten für die folgenden Bauabschnitte mit sich:
Nach dem Ausschreibungsergebnis für den I. Bauabschnitt belaufen sich die
Herstellungskosten auf insgesamt ca. 3.000.000,-- DM, wovon die Gemeinde O.-E.
gemäß ihrer Satzung 90 % auf die Anlieger umlegen wird.
Etwa so um die 300.000,-- DM, zuzüglich ca. 500.000,-- DM für Vorausleistungen,
muß die Gemeinde an Eigenmitteln für dieses Baugebiet aufbringen."
Der Planentwurf lag sodann in der zeit vom 31.01.1972 bis 06.03.1972 öffentlich
aus, wurde von der Gemeindevertretung am 05.04.1972 als Satzung beschlossen
und am 22.06.1972 vom Regierungspräsidenten in Darmstadt genehmigt. Die
Genehmigung wurde sodann amtlich bekanntgemacht.
In der Folgezeit verhandelten die Gemeinde O.-E., nunmehr vertreten durch ihren
damaligen Bürgermeister G. und die Kläger über die Ergänzung des 1971
geschlossenen Vertrages.
Mit Schreiben vom 10.07.1972 forderte der Notar E. W. den Bürgermeister von O.-
E. G. auf, "mit Rücksicht auf die immer knapper werdende Zeitspanne, die zur
Ausführung" eines Ergänzungsvertrages "noch zur Verfügung steht"" den von ihm
vorgelegten Entwurf zu ergänzen und Textvorschläge zu unterbreiten.
In der Niederschrift einer gemeinsamen Sitzung vom Haupt-, Finanz- und
Bauausschuß der Gemeinde O.-E. vom 12.07.1972 hieß es dazu u.a.:
Punkt 4:
"Bürgermeister G. erläutert die Notwendigkeit der Ergänzung des
Erschließungsvertrages W . Da der Vertragsentwurf des Notars W. keine
Begünstigung der Gemeinde enthält, unterbreitet er einige Gegenvorschläge, wie
z.B. die Option auf das zukünftige Hochbaugebiet des II. Bauabschnitts zu
verkehrsüblichen Preisen und die Zuwendung des Erschließungsträgers für
notwendige soziale Einrichtungen in Höhe von 80.000-- DM.
Die Ausschußmitglieder sprechen sich für den vom Bürgermeister vorgelegten
Vertragsentwurf aus."
Am 13.07.1972 richtete der Notar an den Bürgermeister G. ein weiteres
Schreiben, in dem es hieß:
" In der Erschließungssache K. und K. danke ich für Ihr Schreiben vom 12.07.1972
und den beigelegten Gegenentwurf des Ergänzungsvertrages.
Ich habe mir erlaubt, die von Ihnen gewünschten Ergänzungen in meinen Entwurf
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Ich habe mir erlaubt, die von Ihnen gewünschten Ergänzungen in meinen Entwurf
einzuarbeiten, aber auch diejenigen Partien, die Sie wegließen, wieder einzufügen.
Bitte teilen Sie mir mit, ob der in dieser Weise entstandene, hier beiliegende zweite
Entwurf nunmehr Ihre und Ihrer Gremien Zustimmung findet, damit auch die
Herren K. und K. anschließend Stellung nehmen können.
Die Zeit ist knapp geworden."
In der Niederschrift über die Gemeindevorstandssitzung vom 18.07.1972 heißt es
zu Punkt 11:
"Nachdem der Gemeindevorstand von dem Nachtragsvertrag zum Vertrag
zwischen den Herren K. und K. und der Gemeinde O.-E. Kenntnis genommen hat,
bestimmt er, den Nachtragsvertrag an den Umlegungsausschuß weiterzuleiten."
In der Niederschrift über die Sitzung der Umlegungsbehörde vom gleichen Tage
heißt es unter Punkt 3:
"Bürgermeister G. erläutert den Ergänzungsentwurf zum bestehenden
Erschließungsvertrag, der nunmehr auch eine Besserstellung der Gemeinde
enthält, u.a. hinsichtlich einer Zuwendung seitens der Erschließungsträger in Höhe
von 80.000,00 DM an die Gemeinde. Die im Vertrag erneut bestätigte Option
wurde bereits als unwiderruflich im ersten Vertrag zugesichert.
Außerdem ist die Fristverlängerung zur Zurückzahlung der Erschließungskosten
um ein halbes Jahr enthalten.
Die Umlegungsbehörde stimmt dem von Bürgermeister G. vorgetragenen Entwurf
einer Ergänzung des Erschließungsvertrages zu."
In einem Protokoll der Sitzung der Gemeindevertretung vom 19.07.1972 heißt es
unter Punkt 9:
"Der vorliegende Vertragsentwurf zur Ergänzung des Erschließungsvertrages
zwischen der Gemeinde O.-E. und der Firma K.-K. wird von der
Gemeindevertretung einstimmig angenommen."
Am 25.07.1972 schlossen die Kläger als Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die
Gemeinde O.-E., vertreten durch ihren Bürgermeister G. und den Ersten
Beigeordneten K., vor dem Notar E. W. - Nr. 42 der Urkundenrolle für 1972 -, einen
notariellen Vertrag. In dem Vertrag - im folgenden kurz Vertrag II genannt - heißt
es unter anderem:
"II. ...
1. Wir haben am 27.07.1971 zu UR.-Nr. 78/71 des amtierenden Notars einen
Erschließungs- und Bebauungsvertrag miteinander geschlossen.
Im folgenden werden die Parteibezeichnungen "Gemeinde" und "Gesellschaft"
verwendet.
2. Nach § 11 des Vertrages vom 27.07.1971 sind a) die Gesellschafter verpflichtet,
innerhalb des im vorbezeichneten Vertrag bezeichneten Erschließungsgebietes
Versorgungsanlagen und Abwasseranlagen in solchen Abmessungen zu verlegen,
die auch den Anschluß eines weiteren Erschließungsgebietes an diese Anlagen
ermöglichen,
b) die Gemeinde verpflichtet, der Gesellschaft das künftige Erschließungsgebiet,
das an das derzeitige Erschließungsgebiet anschließt, zum Ankauf zu verschaffen.
3. a) Unter ausdrücklicher Bekräftigung der in § 11 des genannten Vertrages
vereinbarten Option steht die Gemeinde dafür ein, daß die im künftigen
Erschließungsgebiet gemäß dem derzeitigen bekannten Bebauungsplanentwurf
des Ingenieurs H. als Hochbaugebiet ausgewiesene Fläche in der für den ersten
Abschnitt des Erschließungsgebietes möglichen Ausnutzung in einer Größe von ca.
170.000 qm ausschließlich an die Gesellschaft verkauft wird, und zwar zu
denjenigen Preisen, die zum Zeitpunkt des Verkaufs verkehrsüblich sind. Bei der
Preisbemessung darf jedoch nicht preissteigernd die bisherige Erschließungsarbeit
der Gesellschaft, die bis an das künftige Erschließungsgebiet heranreicht,
berücksichtigt werden. Der derzeitige Bodenpreis beträgt 30,00 DM pro qm
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berücksichtigt werden. Der derzeitige Bodenpreis beträgt 30,00 DM pro qm
zuzüglich Erschließungskosten und Nachfolgelasten.
b) In Anbetracht dieses der Gesellschaft eingeräumten Rechts billigt diese der
Gemeinde anstelle des in § 3 des Vertrages vom 27.07.1971 genannten
Rückzahlungstermins für die Kosten der inneren und äußeren Erschließung eine
Fristverlängerung von sechs Monaten zu.
Die Kosten der Erschließungsarbeiten zahlt danach die Gemeinde an die
Gesellschaft spätestens bis zum 30.06.1973 zurück. Die dadurch entstehenden
Mehrzinsen werden von der Gemeinde getragen und sind zum gleichen Zeitpunkt
fällig.
c) Neben dieser Vereinbarung über die Fälligkeit der aufgewendeten
Erschließungskosten ist die Gesellschaft bereit, der Gemeinde für notwendige
soziale Einrichtungen einen Betrag in Höhe von 80.000,-- DM zuzuwenden.
In der Art der Verwendung dieser Mittel bleibt die Gemeinde frei.
d) Die Gemeinde verpflichtet sich zur Rückzahlung der oben genannten einmaligen
Sonderaufwendung plus bankmäßiger Zinsen an die Gesellschaft, falls der von ihr
garantierte Kaufanspruch und Bebauungsanspruch nicht bis zum 31.12.1977
erfüllt wird. Die Option bleibt auch nach Ablauf dieser Frist in Kraft.
4. Die Gemeinde ist verpflichtet, ihre Pflichten aus diesem Vertrag auf ihre
etwaigen Rechtsnachfolger oder auf Gemeindezusammenschlüsse, in denen sie
aufgeht, oder auf eine andere Gemeinde, in die sie eingemeindet werden wird, zu
übertragen.
Für den Fall, daß die Gemeinde, ihre Rechtsnachfolger, ein
Gemeindezusammenschluß, dem sie angehört, oder eine andere Gemeinde, in
der sie durch Eingemeindung aufgeht, die Pflichten der Gemeinde aus diesem
Vertrag nicht erfüllen will oder nicht erfüllen kann, hat sie oder ihre
Rechtsnachfolgerin oder ein Gemeindezusammenschluß, dem sie angehört, oder
einer anderen Gemeinde, in der sie durch Eingemeindung aufgeht, der
Gesellschaft zu dem künftigen dann geltenden Tageswert denjenigen Schaden
durch Barzahlung zu ersetzen, der ihr durch die Unmöglichkeit der Bebauung des
künftigen Erschließungsgebiets bei Zugrundelegung einer vier- bis
fünfgeschossigen Bebauung und einer Ausnutzungsziffer von 1,2 und der
nachfolgenden Veräußerung oder Vermietung der Bauwerke entsteht. ...
9. Die Kosten dieses Vertrages tragen die Gesellschaft und ihre Gesellschafter als
Gesamtschuldner."
Am gleichen Tag stellte der Notar W. den Klägern eine Kostenrechnung über
19.252,65 DM zu. Dieser Betrag wurde einvernehmlich auf eine Summe von
12.000,-- DM herabgesetzt. Diesen Betrag überwiesen die Kläger am 21.08.1972.
Seit dem 01.08.1972 ist die Gemeinde O.-E. ein Stadtteil der Beklagten. Mit
Schreiben vom 04.,08.1972 forderte die Verwaltungsaußenstelle O.-E. die Kläger
auf, die vereinbarten 80.000,-- DM auf "unser Konto 436 bei der O.-E.er Bank" zu
überweisen. Dem kamen die Kläger am 07.08.1972 nach. Der Betrag wurde dem
vorbezeichneten Konto der O.-E.er Bank am 14.08.1972 gutgeschrieben. Das Geld
wurde durch Annahmeanordnung vom 16.08.1972 von der "Gemeinde O.-E."
vereinnahmt. Es wurde auf dem Einnahmekonto der Gemeinde O.-E., und zwar im
außerordentlichen Haushalt unter der Haushaltsstelle 4.700.250 "Kindergarten,
sonstige Einnahmen/Zuwendungen für soziale Zwecke", verbucht. Am 31.08.1972
überprüfte die Gemeindekasse O.-E. die Bücher. Den Betrag von 80.000,00 DM
übernahm die Beklagte und schrieb ihn ihrem Verwaltungskonto Nr. 41 bei der
Stadtkasse Bad H. gut. Im dritten Nachtragshaushalt 1972 der Beklagten wurde
diese Summe unter der Haushaltsstelle 4624.230 "Kindergarten O.-E."
veranschlagt. Für diesen Kindergarten wurden im Jahre 1972 insgesamt 366.000,--
DM ausgegeben.
Für den Bereich W. II wurde in den folgenden Jahren kein Bebauungsplan
aufgestellt.
Am 23.07.1973 und am 11.03.1974 zahlte die Beklagte die von den Klägern für
das Baugebiet W. I übernommenen Kosten der Erschließung von insgesamt
2.380.744,23 DM zurück. In diesen Beträgen waren Zinsen und Zinseszinsen
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2.380.744,23 DM zurück. In diesen Beträgen waren Zinsen und Zinseszinsen
enthalten. Außerdem zahlte die Beklagte an die Kläger ein Agio von 115.107,23
DM. Die Kläger ihrerseits entrichteten an die Beklagte für die erworbenen
Grundstücke einen einmaligen Betrag von 220.000,00 DM sowie eine
Vorauszahlung auf Erschließungsbeiträge von 300.000,-- DM . Sämtliche aus dem
Vertrag I bestehenden gegenseitigen Verpflichtungen wurden in der Folgezeit
durch die Vertragsbeteiligten erfüllt.
Am 08.12.1977 teilte der Stadtrat G. der Beklagten dem früheren Bürgermeister
G. der mittlerweile Kreisbeigeordneter geworden war, folgendes mit:
"Vor einigen Tagen erhielten wir eine Ablichtung des Vertrages vom 25.07.1972
zwischen der früheren Gemeinde O.-E. und den Herren K. und K. Die Tatsache, daß
dieser Vertrag abgeschlossen wurde, ist für die Stadt neu. In den uns nach
Eingliederung der Gemeinde O.-E. in die Stadt Bad H. übergebenen Akten war
lediglich ein nicht unterzeichneter Vertragsentwurf enthalten mit einem Vermerk,
daß der Vertrag nicht zustandegekommen sei.
Wir haben Informationen darüber, daß die Herren K. und K. ihre Rechte aus dem
Vertrag geltend machen wollen. Aus diesem Grunde bitte ich Sie dringend um
einen Gesprächstermin."
Am 13.12.1977 fand dieses Gespräch statt.
Mit Schreiben vom 06.10.1978 forderte der Bevollmächtigte der Kläger die
Beklagte auf, die von den Klägern gezahlte Sonderzuwendung von 80.000,00 DM
nebst 73.484,74 DM an Zinsen bis zum 31.10.1978 zurückzuzahlen. Die Beklagte
sei als Rechtsnachfolgerin der Gemeinde O.-E. verpflichtet, diese im Vertrag vom
25.07.1972 übernommenen Verpflichtungen fristgerecht, d.h. bis zum 31.12.1977
zu erfüllen.
Am 14.11.1978 faßte der Finanzausschuß der Beklagten auf eine Empfehlung des
Rechtsamtes der Beklagten vom 16.10.1978 den Beschluß, den Betrag von
80.000,-- DM an die Kläger zurückzuzahlen. Den Zinsanspruch lehnte dieser
Ausschuß ab. Dieses Ergebnis teilte die Beklagte mit Schreiben vom gleichen Tage
dem Bevollmächtigten der Kläger mit. Der Beschluß des Finanzausschusses vom
14.11.1978 wurde von der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten mit
Beschluß vom 23.11.1978 bestätigt. Der Betrag - ohne Zinsen - wurde sodann im
Dezember 1578 zurückgezahlt.
Am 30.06.1981 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
Klage erhoben. Mit der Klage haben sie unter anderem geltend gemacht: einen
Schadensersatzanspruch in Höhe eines Teilbetrages von 50.000,00 DM auf der
Grundlage des Abschnitts II Nr. 4 des Vertrages II und die von ihnen an den Notar
für die Beurkundung dieses Vertrages geleisteten 12.000,-- DM.
Dazu haben sie im einzelnen vorgetragen:
Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei der Rechtsweg zu den
Verwaltungsgerichten eröffnet, weil es sich um "Folgelastabreden" handele, die
ihre Grundlage in dem dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Vertrag I, einem
Erschließungsvertrag, hätten. Die Klage sei auch begründet. Der Anspruch auf
Erstattung der Notarkosten sei aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes bzw.
der ungerechtfertigten Bereicherung berechtigt. Der Schadensersatzanspruch von
50.000,-- DM beruhe auf Abschnitt II Nr. 4 lit. d des Vertrages vom 25.07.1972.
Hätte die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Gemeinde O.-E. die von ihr
vertraglich eingegangenen Verpflichtungen erfüllt, so hätten sie, die Kläger,
Rohbauland in einer Größenordnung von 35.000 qm erwerben können. Bei einer im
Bebauungsplan ausgewiesenen GFZ von 1,2 hätten sie eine Geschoßfläche von
42.000 qm bauen können. Bei einer Veräußerung der für die Bebauung mit
Eigentumswohnungen geeigneten Objekte hätten sie je Quadratmeter
Nettogeschoßfläche einen Gewinn von 2.000,-- DM erwirtschaften können. Bei
einer Nettogeschoßfläche von insgesamt 28.000 qm hätten sie somit einen
Gewinn von insgesamt 56 Millionen DM - irrtümlich mit 5,6 Millionen DM errechnet -
erzielen können. Von dieser Summe machten sie in diesem Prozeß zunächst
einen Teilbetrag von 50.000,00 DM geltend.
Der Vertrag sei auch wirksam, weil die von der Beklagten übernommene Garantie
weder sittenwidrig sei noch gegen ein gesetzliches Verbot verstoße. Sie, die
Kläger, hätten in dem Vertrag II nicht einen Anspruch auf Aufstellung eines
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Kläger, hätten in dem Vertrag II nicht einen Anspruch auf Aufstellung eines
Bebauungsplanes festschreiben lassen. Sie hätten vielmehr von der
Rechtsvorgängerin der Beklagten eine als öffentlich-rechtliche Z usage
einzuordnende Garantieerklärung erhalten. Dabei sei ihnen die Möglichkeit eröffnet
worden, Grund und Boden zu erwerben. Dieser Erwerb habe die Voraussetzung
dafür bilden sollen, ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag I zu erfüllen. Die
Aufstellung eines Bebauungsplanes habe dabei im Hintergrund gestanden. Selbst
wenn diese Vereinbarung rechtswidrig oder gar nichtig sein sollte, so könnten sie in
diesem Verwaltungsstreitverfahren nicht nur Ersatz ihres Vertrauensschadens
verlangen. Ihnen stünde als Schadensersatz das positive Interesse zu, weil es der
Beklagten von Anfang an unmöglich gewesen sei, ihre vertraglichen
Verpflichtungen zu erfüllen. Ein Schadensersatzanspruch sei auch für den Fall
gerechtfertigt, daß die Beklagte erst 1978 von dem Bestand des Vertrages II
erfahren habe. Sie müsse sich dabei das Fehlverhalten des ehemaligen
Bürgermeisters G. der vormals selbständigen Gemeinde O.-E. zurechnen lassen.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 137.307,03 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem
01.01.1978 aus 62.000,-- DM und seit dem 28.12.1978 aus 75.307,03 DM zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat entgegnet, die Verträge I und II seien unwirksam. Zum einen
fehle es an den notwendigen Genehmigungen. Nach § 107 HGO a.F. hätte die
Gemeinde O.-E. bei der Aufnahme eines Darlehens, bei der Übernahme von
Bürgschaften und von Verpflichtungen aus Gewährverträgen sowie bei der
Bestellung von Sicherheiten jeweils der Genehmigung der Aufsichtsbehörde
bedurft. Da die Verträge I und II von derartigen kreditähnlichen Abreden beherrscht
gewesen seien, seien sie nichtig. Außerdem habe die Rechtsvorgängerin der
Beklagten in Abschnitt II Nr. 3 lit. d des Vertrages II eine verschuldensunabhängige
Haltung dafür übernommen, daß in einem Gebiet von ungefähr 170.000 qm Grund
und Boden an die Kläger verkauft würde. Auch dieses Garantieversprechen hätte
der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedurft. Eine solche Genehmigung
wäre auch deshalb notwendig gewesen, weil die Gemeinde O.-E. Grundstücke in
einem Gesamtwert von mehr als 10.000,00 DM habe veräußern wollen. Der
Vertrag II sei weiter deshalb unwirksam, weil er an einem versteckten
Einigungsmangel leide. Im Vertrag II habe sich die Rechtsvorgängerin der
Beklagten unter Abschnitt II Nr. 3 lit. a verpflichtet, Erschließungsgelände in einer
Größe von 170.000 qm an die Klägerin zu verkaufen, obwohl dieses Gebiet
ausweislich eines dem Vertrag I beigefügten Lageplanes nur 130.000 qm umfasse.
Der Vertrag II sei auch deshalb nichtig, weil er inhaltlich nicht mit den von der
Rechtsprechung als zulässig anerkannten Folgekostenverträgen übereinstimme.
Ein zu mißbilligender "Verkauf von Hoheitsakten" im Rahmen eines
Folgelastenvertrages liege nur dann nicht vor, wenn sich der Vertragswille aller
Beteiligten auf bestimmte Zusammenhänge zwischen dem Bauvorhaben und den
dadurch veranlaßten Folgeeinrichtungen und Kosten beziehe, also wenn den in
dem Vertrag in bestimmter Höhe vereinbarten Beträgen bestimmte
Folgemaßnahmen zugeordnet werden könnten. Der Vertrag sei schließlich deshalb
unwirksam, weil die Rechtsvorgängerin der Beklagten gegenüber den Klägern
unzulässigerweise über ihre Planungshoheit, wenn auch vielleicht nur mittelbar,
verfügt habe. Denn den in den Verträgen übernommenen Garantieverpflichtungen
hätte sie, die Beklagte, nur nachkommen können, wenn sie innerhalb bestimmter
Fristen den Bebauungsplan "W. II" aufgestellt hätte. Die Notarkosten könnten ihr
nicht auferlegt werden, weil sie insoweit nicht bereichert sei. Ein
Schadensersatzanspruch in Höhe von 50.000,00 DM komme auch nicht wegen
Verschuldens bei Vertragsschluß in Frage, weil die Kläger allenfalls so zu stellen
seien, als hätten sie nicht auf die Gültigkeit des Vertrages II vertraut. Zudem
könne weder ihr, der Beklagten, noch den damaligen Vertretern der Gemeinde O.-
E. ein Verschulden bei den Vertragsverhandlungen zum Vorwurf gemacht werden.
Die Kläger haben erwidert, die Vereinbarung vom 25.07.1972 sei wirksam
zustandegekommen. Der Vertrag II leide an keinem versteckten Einigungsmangel,
weil aus dem Vertragstext sich zwanglos ergebe, daß ihnen ein Ankaufsrecht nur
hinsichtlich des Geländeteils im Gesamtbaugebiet W. eingeräumt worden sei, das
für eine spätere Hochhausbebauung vorgesehen gewesen sei. Der Vertrag II habe
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für eine spätere Hochhausbebauung vorgesehen gewesen sei. Der Vertrag II habe
auch nicht der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedurft. So habe die
Beklagte mit diesem Vertrag kein Darlehen aufgenommen. Vielmehr hätten sie,
die Kläger, sich Kredite beschafft, um die Erschließungsarbeiten bezahlen zu
können. Sie hätten insoweit das alleinige wirtschaftliche Risiko getragen. Eine
entsprechende Verpflichtung der Gemeinde O.-E. sei weder dinglich noch in
anderer Weise abgesichert gewesen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten sei
weder gemäß § 107 Abs. 1 Satz 2 HGO a.F. bzw. § 107 Abs. 1 Satz 3 HGO a.F. eine
Bürgschaft oder eine Verpflichtung aus Gewährverträgen eingegangen noch habe
sie andere Sicherheiten bestellt. Wirtschaftlich gleichgewichtige Verpflichtungen im
Sinne der letzten Bestimmung lägen nicht vor. Selbst wenn man aber § 107 Abs. 1
Satz 3 HGO a. F. im vorliegenden Fall anwenden sollte, so bewirke das Fehlen der
aufsichtsbehördlichen Genehmigung nur die schwebende Unwirksamkeit und nicht
die Nichtigkeit des Vertrages. Weder die Stundungsabrede noch das
Garantieversprechen, die beide Bestandteile des Vertrages II seien, fielen unter die
Bestimmung des § 107 HGO a.F..
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat gemäß Beschluß vom 09.05.1983
durch den Berichterstatter als beauftragten Richter Beweis erhoben durch
Vernehmung der beiden Kläger als Partei sowie der Zeugen G., M., K., H., O. und
Hartmann. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im einzelnen wird auf die
Niederschrift vom 13.06.1983 (Bl. 198 bis 224 d. GA.) Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 28.05.1984 der
Klage teilweise stattgegeben, im übrigen hat es sie abgewiesen. Es hat die Klage
als zulässig angesehen. Insbesondere sei der Rechtsweg zu den
Verwaltungsgerichten eröffnet, weil sowohl der Vertrag I als auch der Vertrag II in
ihren wesentlichen Bestandteilen dem Erschließungsrecht und damit dem
öffentlichen Recht zuzuordnen seien. Der hier maßgebliche Vertrag II leite im
wesentlichen die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragspartner aus dem
öffentlich-rechtlichen Erschließungsvertrag, dem Vertrag I, ab. Der Umstand, daß
er eine Stundungsabrede, eine Sonderzuwendung und ein Garantieversprechen
enthalte, ändere an dessen Rechtsnatur nichts. Der Vertrag II sei schwebend
unwirksam, weil es an der notwendigen Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde
fehle. Dies gelte auch dann, wenn man von einer Vereinbarung ausgehe sollte, die
einem Gewährvertrag wirtschaftlich gleichzustellen sei. Die Gemeinde. O.-E. und
die Beklagte hätten es schuldhaft unterlassen, rechtzeitig nach Maßgabe der
gesetzlichen Bestimmungen eine solche Genehmigung einzuholen. Dieses
Versäumnis rechtfertige es, für den Zeitraum ab Juli 1972 von einer von der
Beklagten zu vertretenden schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen und den
Klägern einen Schadenersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsabschluß
zuzubilligen. Dieser Schadenersatzanspruch werde dem Grunde nach auch nicht
dadurch ausgeschlossen, daß der Vertrag II wegen Verstoßes gegen materiell-
rechtliche Vorschriften möglicherweise unwirksam sein könnte. So liege kein
versteckter Einigungsmangel vor, weil bei verständiger Auslegung des
Vertragstextes unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 157 BGB und
unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen G. davon auszugehen sei, daß
die tatsächliche Gesamtgröße des Bebauungsgebietes W. II von 130.000 qm
maßgebliche Bewertungsgrundlage für die Ansprüche der Kläger sein sollte. Es sei
an sich nicht notwendig gewesen, die genaue Größe dieses Gebietes in
Quadratmetern anzugeben. Von einem versteckten Einigungsmangel könne auch
nicht deshalb gesprochen werden, weil die Vertragschließenden die zu schaffende
Bodenfläche nicht näher bestimmt hätten. Der Vertrag verletze auch nicht die
Planungshoheit der Gemeinde O.-E. bzw. der Beklagten. Die maßgebliche
Bestimmung des Vertrages II sei hierauf nicht unmittelbar ausgerichtet. Vielmehr
habe die Gemeinde O.-E. bzw. die Beklagte nur garantiert, den Klägern eine
bestimmte Fläche im Baugebiet II als Bauland mit einer bestimmten
Ausnutzungsziffer zu verschaffen. Damit habe sie den Klägern das Risiko
abgenommen, Verkaufsverhandlungen mit verschiedenen Eigentümern über
bestimmte Grundstücke und deren Bebaubarkeit zu führen. Diese
Garantieverpflichtung sei auch nicht deshalb anders zu beurteilen, weil sie in einen
öffentlich-rechtlichen Vertrag eingebunden sei. Der Vertrag sei schließlich auch
nicht deshalb nichtig, weil er eine dem Abwägungsgebot des BBauG
widersprechende Folgenlastenvereinbarung enthalte. Aus dem Fehlverhalten der
Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin folge vielmehr, daß die Kläger
ausnahmsweise einen Schadensersatzanspruch auf das Ganze hätten. Dies
bedeute, daß der Schadensersatzanspruch in Höhe von 50.000,-- DM begründet
sei. Die Notarkosten vom 12.000,-- DM seien nicht erstattungsfähig. Diese Kosten
hätten nach dem eindeutigen Wortlaut des Vertrages die Kläger auch dann
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hätten nach dem eindeutigen Wortlaut des Vertrages die Kläger auch dann
übernehmen müssen, wenn der Vertrag ordnungsgemäß abgewickelt worden
wäre.
Gegen das der Beklagten am 20.07.1984 und dem Klägerbevollmächtigten am
01.08.1984 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.08.1984 Berufung und haben
die Kläger am 03.09.1984, einem Montag, Anschlußberufung eingelegt.
Mit Bezugsbericht vom 24.10.1984 hat die Beklagte beim Regierungspräsidenten
in Darmstadt als Rechtsnachfolgerin der Gemeinde O.-E. beantragt, den Vertrag II
zu genehmigen. Der Regierungspräsident hat diesen Antrag mit Bescheid vom
07.11.1984 mit der Begründung abgelehnt, die Voraussetzungen für eine
Genehmigung des genehmigungspflichtigen Vertrags II lägen nicht vor. Der
Gemeinde O.-E. habe die Legitimation gefehlt, derartige Risiken zu übernehmen.
Weder aus dem Grundsatz der Selbstverwaltungsautonomie noch aus den
besonderen Vorschriften über die kommunale Haushaltsführung habe der
Gemeinde O.-E. ein derartiges Recht zugestanden. Die Übernahme
privatrechtlicher Risiken gehöre auch nicht zu den allgemeinen Aufgaben einer
Gemeinde. Sie habe es vielmehr versäumt, das Gemeindevermögen pfleglich und
wirtschaftlich zu verwalten. Es komme hinzu, daß die Folgelastenvereinbarung auf
Rückzahlung der Erschließungskosten als Darlehen für den Fall der Nichterfüllung
der Kauf- und der Bebauungsgarantie und damit auch als wirtschaftliche
Kreditverpflichtung einzustufen sei.
Die Beklagte hat das von ihr eingelegte Rechtsmittel im wesentlichen wie folgt
begründet: Ein Schadensersatzanspruch der Kläger scheide schon deshalb aus,
weil die Genehmigung auch nicht hätte erteilt werden dürfen, wenn die Gemeinde
O.-E. sich sofort um eine derartige Genehmigung bemüht hätte. Sei der Vertrag II
aber von Anfang an wegen seines Inhaltes nicht genehmigungsfähig gewesen,
dann schieden jegliche Schadensersatzansprüche aus. Wenn eine Gemeinde in
einem solchen Fall haften müßte, so würde dies bedeuten, daß das
Mitwirkungsrecht der Aufsichtsbehörde mißachtet würde. Es würde weiter dazu
führen, daß eine Gemeinde für etwas einzustehen hätte, was sie unter
Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht hätte vertreten
müssen. Ein solcher Anspruch sei bei der Verletzung öffentlich-rechtlicher
Zuständigkeits- oder Organisationsnormen ausgeschlossen. Ein Ersatz des
Vertrauensschadens komme aus den gleichen Gründen nicht in Betracht. Letztlich
fehle es also an der Kausalität zwischen einer angeblich objektiven
Pflichtverletzung, die der Gemeinde O.-E. bzw. der Beklagten vorgeworfen werde,
und den den Klägern möglicherweise erwachsenen Schäden.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und die
Anschlußberufung der Kläger zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern, soweit zum Nachteil der
Kläger erkannt worden ist, und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kläger tragen vor, der Vertrag sei wirksam, weil er keine Gewährs- bzw.
Garantieabsprache enthalte. Die Gemeinde habe sowohl bei dem Vertrag I als
auch dem Vertrag II nur sicherstellen wollen, daß den Klägern Grund und Boden in
dem Bereich W. II von privaten Eigentümern unmittelbar zukommen sollte. Sie
habe damit keinerlei Risiko übernommen. Damit unterliege dieser Vertrag als
öffentlich-rechtliche Vereinbarung keiner generellen Genehmigungspflicht. Bei dem
Umfang des Schadensersatzanspruches sei nicht darauf abzustellen, ob die
Genehmigung fiktiv erteilt worden wäre oder nicht. Bei der Annahme, die
Genehmigung wäre nicht erteilt worden, handele es sich um eine reine
Unterstellung. Aus der "bestellten" Versagung der Genehmigung vom 07.11.1984
durch die Aufsichtsbehörde könne dies auf keinen Fall hergeleitet werden. Gegen
diesen Bescheid habe die Beklagte auch keine Rechtsmittel ergriffen, was
ebenfalls als pflichtwidrig einzustufen sei. Die Schadensersatzverpflichtung in Höhe
des Erfüllungsinteresses sei auch deshalb begründet, weil sie, die Kläger, ihrerseits
alle Vorleistungen erbracht hätten. Wären sie über die Notwendigkeit einer
Genehmigung informiert gewesen, so hätten sie im Fall ihrer Nichterteilung
rechtzeitig noch auf anderweitige Geschäftsmöglichkeiten zurückgreifen können.
Ihr Anspruch sei aus § 826 BGB ebenfalls gerechtfertigt. Der damalige
Bürgermeister G. habe den Klägern bewußt verschwiegen, daß eine Ausweisung
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Bürgermeister G. habe den Klägern bewußt verschwiegen, daß eine Ausweisung
des Baugebietes W. II keinerlei Erfolg zeitigen werde, und er habe auch nicht darauf
hingewiesen, daß die Eingemeindung von Ober- Erlenbach unmittelbar bevorstehe.
Die Beklagte hat noch weiter ausgeführt, aus Abschnitt II Nr. 3 des Vertrages II
folge, wenn man sich die vorangegangenen Vertragsentwürfe vor Augen führe, daß
die Rechtsvorgängerin der Beklagten keine Gewährleistung für die Aufstellung
eines bestimmten Bebauungsplanes übernommen habe. Sie habe vielmehr für
den Erwerb von Grundstücken unter der Bedingung einstehen wollen, daß es zur
Aufstellung eines solchen Planes komme. Diese Bedingung sei nicht eingetreten,
so daß jegliche vertragliche Verpflichtungen auf Schadensersatz entfallen seien.
Die Behördenakten (5 Stehordner und 6 Hefter) sind beigezogen und zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichts- und der Behördenakten Bezug genommen.
Der Senat hat mit Beschluß vom 11.08.1988 (Blatt 544 d. GA.) bezüglich eines
Teils der Klageforderung in Höhe von 75.307,03 DM nebst Nebenforderungen das
Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 4 UE 3226/88 fortgeführt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers sind zulässig
(§§ 124, 125 VwGO).
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, soweit das Verfahren nicht durch
Beschluß des Senats vom 11.08.1988 abgetrennt worden ist. Die weitergehende
Anschlußberufung der Kläger ist insoweit unbegründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben,
allerdings mit einer Einschränkung, die am Schluß behandelt wird. Es handelt sich
um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art, die nicht
durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist (§ 40
Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Senat hat über Ansprüche der Kläger zu entscheiden,
die aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, dem Vertrag II hergeleitet werden,
der zwischen den Klägern und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der
Gemeinde O.-E., am 25.07.1972 abgeschlossen wurde. Die öffentlich-rechtliche
Natur dieses Vertrages ergibt sich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend
festgestellt hat, aus der engen Beziehung zwischen dem Vertrag II, auf den die
Ansprüche gestützt werden, und dem Vertrag I, der als Erschließungsvertrag für
das Erschließungsgebiet W. I zumindest überwiegend öffentlich-rechtlicher Natur
ist. Die Erschließung eines Baugebiets gehört regelmäßig zu den hoheitlichen
Aufgaben einer Gemeinde; sie kann durch Vertrag auf einen Dritten übertragen
werden (§§ 123 Abs. 3 BBauG, 124 Abs. 1 BauGB). An der öffentlich-rechtlichen
Natur des Vertrages II ändert sich auch nicht deshalb etwas, weil in ihm
privatrechtliche Elemente, so eine bedingte Schenkung bzw. ein mittelbares
Darlehen, enthalten sind. Geprägt ist dieser Vertrag II von einer Absprache der
Beteiligten zwecks einer möglichen Erschließung und Bebauung eines weiteren
Gebietes, des Bereichs W. II. Die daraus erwachsenden Rechte und Pflichten der
Beteiligten sind dem öffentlichen Recht zuzuordnen.
Die Klage ist unbegründet, soweit sie noch Gegenstand dieses
Verwaltungsstreitverfahrens ist.
Dabei ist vorab festzuhalten, daß die Beklagte passiv legitimiert ist, weil sie gemäß
§ 14 des Neugliederungsgesetzes als Rechtsnachfolgerin der Gemeinde O.-E. in
sämtliche Rechte und Pflichten ihrer Rechtsvorgängerin eingetreten ist, die
Gegenstand des am 25.07.1972 geschlossenen Vertrages II sind. Diese Gemeinde
wurde - mit dem größten Teil ihres Gemeindegebiets - erst am 01.08.1972 in die
Beklagte eingegliedert (§§ 26, 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Neugliederung des
Obertaunuskreises und des Landkreises Usingen vom 11.07.1972 - GVBl I S. 27).
Es kann offen bleiben, ob durch den zwischen der Gemeinde O.-E. und der
Beklagten am 21.06.1972 geschlossenen Grenzänderungsvertrag der Zeitpunkt
der Eingliederung zwischen diesen Vertragsparteien einvernehmlich vorverlegt
werden konnte. Denn dieser Vertrag konnte erst nach Genehmigung durch die
Aufsichtsbehörde in Kraft treten (§ 26 Abs. 1 des Vertrages). Diese Genehmigung,
die einen Verwaltungsakt darstellt, der zuzustellen ist, wurde zwar am 17.07.1972
durch den Regierungspräsidenten in Darmstadt vor dem 25.07.1972, dem Tag, an
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durch den Regierungspräsidenten in Darmstadt vor dem 25.07.1972, dem Tag, an
dem der Vertrag II geschlossen wurde, genehmigt. Die Genehmigung wurde aber
ausweislich einer Auskunft dieser Behörde nur einer der beiden Vertragsparteien,
nämlich der Stadt Bad H. formlos bekannt gemacht und konnte deshalb
zumindest gegenüber der Gemeinde O.-E. vor dem 01.08.1972 keine rechtliche
Wirkung entfalten. Dies wiederum bedeutete, daß die Vertreter der Gemeinde O.-
E. G. und K. zu diesem Zeitpunkt noch in ihrer Eigenschaft als Bürgermeister und
Erster Beigeordneter befugt waren, vor dem Notar W. den Vertrag II abzuschließen.
Ansprüche auf Erfüllung des Vertrages II einschließlich eines Anspruchs auf
Schadensersatz oder Schadloshaltung dafür, daß die Erschließungsmaßnahme W.
II nicht verwirklicht worden ist und daß dort von den Klägern kein Baugelände
erworben und verwertet werden konnte, sind nicht begründet.
Der Vertrag II ist aus mehreren Gründen nichtig.
Die Unwirksamkeit dieses Vertrages folgt zunächst daraus, daß die
Aufsichtsbehörde, der Regierungspräsident in Darmstadt, mit bestandskräftigem
Bescheid vom 07.11.1984 die Genehmigung für den Vertrag II versagte. Verträge,
die einer solchen Genehmigung bedürfen, sind zunächst schwebend unwirksam
und werden entweder bei erteilter Genehmigung wirksam, oder, wenn die
Genehmigung versagt wird, endgültig unwirksam, d. h. nichtig
Der Vertrag II ist genehmigungsbedürftig (§ 107 HGO i.d.F. vom 01.07.1960 - GVBl
I Seite 103 - HGO a.F. -). So bedürfen u.a. die Aufnahme eines Darlehens (§ 107
Abs. 1 Satz 1 HGO a.F.) und die Übernahme von Verpflichtungen aus
Gewährverträgen (§ 107 Abs. 1 Satz 2 HGO a.F.) der Genehmigung der
Aufsichtsbehörde.
Derartige genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte liegen vor. So ist die in
Abschnitt II Nr. 3 lit. c des Vertrages II vereinbarte Sonderzuwendung der Kläger,
die sie an die Gemeinde O.-E. in Höhe von 80.000,00 DM für eine soziale
Einrichtung zu zahlen hatten, unter den unter lit. d dieser Vertragsbestimmung
genannten Voraussetzung keine Schenkung, sondern ein Darlehen. Denn die
Zahlung wurde unter dem Vorbehalt der Rückzahlung für den Fall geleistet, daß
das Erschließungs- und Bauplanungsvorhaben W. II bis Ende 1977 nicht verwirklicht
werden würde. Für diesen Fall waren zudem, was bei einem Darlehen denkbar ist,
bankübliche Zinsen bedungen, die bei der Rückerstattung zusätzlich zu entrichten
waren (vgl. § 608 BGB).
Auch die Verschiebung des Zeitpunkts der Fälligkeit der gemeindlichen
Verpflichtung zur Bezahlung der von den Klägern vorfinanzierten
Erschließungskosten um 6 Monate gegen Übernahme der durch die weitere
Vorfinanzierung entstehenden Kreditkosten (vgl. Abschnitt II Nr. 3 lit. b des
Vertrages II) steht in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einer Kreditaufnahme für
den entsprechenden Zeitraum gleich, die der Genehmigung bedurfte.
Offen kann bleiben, ob die Gemeinde O.-E. eine Verpflichtung aus einem
Gewährvertrag dadurch eingegangen ist, daß sie "unter ausdrücklicher
Bekräftigung der in § 11 des Vertrages I vereinbarten Option" für die Kläger weiter
dafür einstand, daß sie für die Kläger Baugelände im Gebiet W. II erwerben sollte.
Ein Gewähr- oder Garantievertrag zeichnet sich dadurch aus, daß der Garant eine
Verpflichtung zur Schadloshaltung übernimmt, falls der garantierte Erfolg nicht
eintritt. Dabei übernimmt der Garant die von der Schuld eines Hauptschuldners
unabhängige Verpflichtung, dem Gläubiger in einem bestimmten Fall für das
Eintreten eines bestimmten wirtschaftlichen Erfolges einzustehen (BGH, Urteil vom
11.07.1985 -IX ZR 11/85 - NJW 85, 2941 <2942>; Palandt, BGB, 47. Auflage,
Anmerkung 3 c vor § 765; Soergel-Siebert-Schmidt, BGB, 10. Auflage, Rdnr. 29
vor, § 765). Für eine solche von der Gemeinde O.-E. eingegangene Verpflichtung
könnte sprechen, daß unter Abschnitt II Nr. 3 lit. a des Vertrages II diese Gemeinde
dafür einstand, die im künftigen Erschließungsgebiet W. II ausgewiesene Fläche von
annähernd 130.000 qm Gelände im Hochbaugebiet in der gleichen Weise den
Klägern zur Verfügung zu stellen, wie dies durch den damaligen Bürgermeister B.
bei Abwicklung des Vertrages I geschehen war. B. hatte sich von den
Grundstückseigentümern bevollmächtigen lassen, den jeweiligen Grund und Boden
an die Kläger zu veräußern. Sollte eine solche Verpflichtung auch für den Vertrag II
übernommen worden sein, nämlich zu gewährleisten, daß die Gemeinde oder ihre
Rechtsnachfolgerin in der vorbezeichneten Art und Weise dafür einstand und
einsteht, daß Grundstücke auf die Kläger übergehen, dann könnte es sich um eine
Gewährübernahme handeln, die an sich genehmigungsbedürftig wäre. Dies kann
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Gewährübernahme handeln, die an sich genehmigungsbedürftig wäre. Dies kann
letztlich aber dahingestellt bleiben, weil der Vertrag bereits aus den beiden
vorbezeichneten Gründen genehmigungsbedürftig ist.
Dieser Vertrag II ist insoweit auch nicht genehmigungsfähig. Denn die verdeckte
Aufnahme von Krediten derartigen Umfanges durch eine kleinere Gemeinde, die
kurz vor ihrer Eingliederung in eine größere Gemeinde steht, ist, wie der
Regierungspräsident in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde zu Recht
festgestellt hat, mit dem Gemeindehaushaltsrecht unvereinbar. Grundlage für eine
ordnungsgemäße Haushaltsführung ist die Haushaltssatzung für die Verwaltung
aller Einnehmen und Ausgaben in einem Rechnungsjahr (§§ 111, 112 HGO a.F.). In
der Haushaltssatzung, die rechtzeitig vor Beginn des Haushaltsjahres durch die
Gemeinde beschlossen werden soll, ist auch der Höchstbetrag der Kassenkredite
und der Gesamtbetrag der Darlehen, die zur Bestreitung von Ausgaben des
außerordentlichen Haushaltsplanes bestimmt sind, festzulegen (§§ 112, 113 HGO
a.F.). Diese Haushaltssatzung, die nur durch eine Nachtragssatzung geändert
werden kann, ist von der Gemeindevertretung bis zum Ablauf des
Rechnungsjahres zu beschließen (§ 119 Abs. 1 HGO a.F.) Im vorliegenden Fall
wurden von der Gemeinde O.-E. die vorbezeichneten verdeckten Darlehen nicht
nach den in der HGO für die Haushaltsführung verbindlich niederlegten
Grundsätzen aufgenommen. Weder fand sich in der Haushaltssatzung von 1972
der Gemeinde O.-E. ein entsprechender Ansatz, noch wurde für diesen Vorgang
ein Nachtragshaushalt durch eine Nachtragssatzung geschaffen. Unter diesen
Umständen kommt es auf die Frage der inhaltlichen Vereinbarkeit der
Kreditgeschäfte mit den Regeln der §§ 105 ff. HGO a.F. nicht weiter an.
Den Vertretungsberechtigten der Gemeinde O.-E. war bei Abschluß des Vertrages
II auch sehr wohl bekannt, daß sechs Tage vor ihrer Eingliederung in die Beklagte
eine Nachtragssatzung zur ordnungsgemäßen Haushaltsführung, die dieses
Darlehen hätte abdecken können, nicht mehr beschlossen werden konnte. Die
Vertreter der Gemeinde O.-E. überließen es vielmehr der Beklagten, mit diesen
finanziellen Problemen fertig zu werden, und verletzten damit die Grundsätze des
allgemeinen Haushaltsrechts in eklatanter Art und Weise.
Der Vertrag II ist ferner wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot von
Anfang an nach dem Rechtsgedanken des § 134 BGB dann als nichtig anzusehen,
wenn er so zu verstehen ist, daß er unter anderem eine indirekte Verpflichtung der
Gemeinde enthält, einen Bebauungsplan für das Gebiet W. II aufzustellen. Für eine
solche Auslegung spricht, daß der Abschluß des Vertrages II nur dann sinnvoll war,
wenn er mit "Leben" erfüllt wurde. Dies konnte aber nur durch eine Bauleitplanung
geschehen. Daß, wie die Kläger meinen, nur eine gemeindliche Verpflichtung
bestand, Grundstücke zum Kauf zu verschaffen, ist dagegen nicht einleuchtend.
Diese Auffassung ist nicht nur mit dem Umstand unvereinbar, daß die Gemeinde
sich unter Abschnitt II Nr. 3 lit. d des Vertrages II zur Rückzahlung der
Sonderzuwendung nebst Zinsen für den Fall verpflichtete, daß der von ihr
"garantierte Kaufanspruch und Bebauungsanspruch" nicht fristgerecht erfüllt
werde. Die Realisierung der Bebauung setzte auch einen Bebauungsplan, der
zudem die Grundlage für die ordnungsgemäße Erschließung des Gebietes bildete,
voraus. Es wäre verständlich gewesen, daß sich der Kläger zu einem derartigen
Vertragsabschluß bereit gefunden hätte, wenn ihnen Gelände von der Gemeinde
oder ihrer Rechtsnachfolgerin hätte verschafft werden sollen, das unter
Umständen für eine Bebauung nicht geeignet war. Ein Anspruch auf Erlaß eines
Bauleitplanes mit einem bestimmten Inhalt kann aber durch Vertrag nicht
begründet werden. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung,
daß eine Gemeinde nicht zu einem bauplanungsrechtlichen Tun verpflichtet
werden kann. Die einschlägigen Bestimmungen des BBauG, nunmehr des BauGB,
schließen vertragliche Ansprüche auf Schaffung eines Bebauungsplanes aus; §§ 2
Abs. 7 BBauG, 2 Abs. 3 BauGB (vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom
05.07.1974 - BVerwG IV C 50.72 - BVerwGE 45, 309 ff.; und vom 11.03.1977 - IV C
45.75 - BauR 1977,241 f.; BGH, Urteil vom 22.11.1969 - III ZR 186/77 - BGHZ 76,
16 ff.).
War Voraussetzung für den Eintritt der Gewährleistung der Gemeinde dagegen die
aufschiebende Bedingung, daß es zur Ausweisung des Gebiets W. II im früher
geplanten Umfang als Baugebiet kommen würde, dann ist diese Bedingung nicht
eingetreten, weil weder die Gemeinde O.-E. noch die Beklagte einen
Bebauungsplan W. II als Satzung beschlossen hat; und auch wurde ihr Eintritt nicht
arglistig vereitelt. Dann scheidet unabhängig von den übrigen Überlegungen zur
Gültigkeit des Vertrages ein Schadensersatz mangels Verletzung einer
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Gültigkeit des Vertrages ein Schadensersatz mangels Verletzung einer
Vertragspflicht aus.
Der Vertrag II ist auch wegen Sittenwidrigkeit nichtig (§ 138 BGB dem
Rechtsgedanken nach). Denn diese von den Vertragsparteien abgeschlossene
Vereinbarung verstößt gegen die guten Sitten. Der Sittenverstoß ergibt sich hier
für beide Vertragsparteien ohne weiteres aus dem schließlich vereinbarten Inhalt
des Vertrages, ohne daß es, wie die Kläger meinen, auf die Entwicklung der
Vertragsentwürfe bis zur Endfassung ankäme. Es standen Leistung und
Gegenleistung objektiv nicht in einem vernünftigen, d. h. ausgewogenen Verhältnis
zueinander. So waren die Kläger für den Fall, daß das Gebiet W. II bis Ende 1977 als
Baugebiet ausgewiesen werden würde und sie dann mit der Gemeinde O.-E. bzw.
der Rechtsnachfolgerin wieder ins Geschäft kämen, nur bereit, zum einen nach
dem Vertrag I die Mehrkosten für die vorsorglich größere Dimensionierung der
Leitungen im Gebiet W. I anstelle der zunächst verpflichteten Gemeinde zu tragen,
und zum anderen damit einverstanden, daß die von ihnen geleistete
Sonderzuwendung von 80.000,--DM für soziale Zwecke - gedacht war eine
Zuwendung für den Kindergarten in O.-E. - der Gemeinde endgültig verbleiben
sollte.
Beiden Leistungen hätte dann jedoch auch der Vorteil der Erschließung und
verbesserten Infrastruktur des neuen Baugebiets, das die Kläger zum Großteil
erwerben und bebauen wollten, gegenübergestanden. Falls - aber je nach
Auslegung - das Baugebiet nicht oder nicht fristgerecht bis Ende 1977 entstand
oder zwar entstand, aber die Gemeinde oder ihre Rechtsnachfolgerin die dann
übernommenen Pflichten zur umfangreichen Landbeschaffung gegenüber den
Klägern nicht erfüllen konnte, was durchaus als erhebliches Risiko anzusehen war,
weil der notwendige Grunderwerb von dem Verkaufswillen der
Grundstückseigentümer, im Regelfall von privaten Dritten, abhängig war -, sollte
die Gemeinde nicht nur zu einer außerordentlichen hohen Schadloshaltung der
Kläger in Höhe vieler Millionen verpflichtet sein. Sie sollte dann den Klägern auch
die Mehrkosten für die größere Dimensionierung der Leitungen und die
Kreditkosten für das Hinausschieben der Fälligkeit der Erschließungskosten
erstatten. Weiterhin hatte die Gemeinde dann die Sonderzuwendung von
80.000,00 DM nebst banküblicher Zinsen zurückzuzahlen. Außerdem hätten die
Kläger die Option auf den Baugrund im sogenannten Hochbaugebiet im Bereich W.
II behalten. Man kann also sagen, wenn man sich diese Gegenüberstellung noch
einmal vor Augen führt, daß die wesentlichen Vorteile aus dieser Vereinbarung auf
Seiten der Kläger lagen, während die wesentlichen Risiken und Nachteile die
Gemeinde O.-E. bzw. die Beklagte als Rechtsnachfolgerin zu tragen hatte.
Auch in subjektiver Hinsicht verstößt dieser Vertrag gegen die guten Sitten. Diese
Vereinbarung wurde einzig und allein im Interesse der am Vertragsabschluß
unmittelbar beteiligten Personen getroffen. Sie diente den wirtschaftlichen
Interessen der Kläger ebenso wie den persönlichen bzw. politischen Interessen des
Gemeindevorstandes von O.-E., damals vertreten durch Bürgermeister G. und den
Ersten Beigeordneten K. Nicht aber wurde dieser Vertrag im wohlverstandenen
Interesse der Gemeinde selbst und ihrer schon bekannten Rechtsnachfolgerin
abgeschlossen. Denn im Fall eines Scheiterns des Vertrages - wobei nicht
unerwähnt bleiben darf, daß das Baugebiet W. II durch die Gemeinde O.-E. wenige
Tage vor deren Ende nicht mehr verwirklicht werden konnte, sondern einer Dritten,
der heutigen Beklagten, aufgebürdet werden sollte, die an den
Vertragsverhandlungen nicht beteiligt war, aber als Rechtsnachfolgerin der
"Zweiten", der Gemeinde O.-E., wie man annahm, das Ergebnis des Vertrages
hinnehmen mußte -, lagen alle Lasten bei der Gemeinde.
Die Umstände, die den Vertrag II sittenwidrig machten, waren den handelnden
Personen auf beiden Seiten auch bewußt. Dem Gemeindevorstand von O.-E., der
zuvor am 21.06.1972 einen Grenzänderungsvertrag mit der Beklagten
abgeschlossen hatte, war am 25.07.1972 sehr wohl bekannt, daß dieser Vertrag II
nicht mehr durch die Gemeinde O.-E. zu verwirklichen war, nachdem durch Gesetz
am 01.08.1972 O.-E. in die Beklagte eingegliedert werden sollte. Auch den übrigen
Gremien der Gemeinde, die zuvor diesen Vertrag im Juli 1972 "abgesegnet
hatten", war diese Tatsache, wie sich aus den einschlägigen Niederschriften, die
dem Senat vorliegen, ergibt, bekannt. Der Senat gelangt auch zu der
Überzeugung, daß auch den Klägern die unmittelbar bevorstehende Eingliederung
der Gemeinde O.-E. in die beklagte Stadt bei Vertragsschluß bewußt gewesen ist.
Ein solches außergewöhnliches Ereignis, das in erheblichem Maße in die Rechte
und Pflichten einer bisher bestehenden Gebietskörperschaft eingreift, ist in der
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und Pflichten einer bisher bestehenden Gebietskörperschaft eingreift, ist in der
Bevölkerung der betroffenen Gemeinde zum Zeitpunkt der Eingliederung
Gesprächsthema und wird auch von den Medien behandelt. Die Kläger haben
verständlicherweise deshalb bei ihrer Vernehmung in der ersten Instanz als Partei
eingeräumt, daß ihnen wohl bekannt gewesen sein dürfte, daß eine Eingliederung
bevorstand. Der Senat würde aber auch ohne dieses Eingeständnis ihnen keinen
Glauben insoweit schenken, wenn behauptet würde, - was im Vortrag im
Berufungsverfahren mindestens anklingt, - daß sie von der Eingemeindung nichts
gewußt hätten und insoweit von ihrem Vertragspartner "überfahren" worden seien.
Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, daß wirtschaftlich so erfahrene Kaufleute,
wie dies die Kläger sind, den Stand der kommunalen Neugliederung in ihrem
Tätigkeitsbereich nicht gekannt haben sollten, wo doch mit Auswirkungen auch auf
die Bauleitplanung und Siedlungstätigkeit zu rechnen war. Die Kläger erbrachten
zwar gewisse finanzielle Vorleistungen, konnten jedoch bei Erreichung des
Vertragszwecks mit vielfachem Gewinn rechnen und bei Nichterreichung des
Vertragsziels darauf vertrauen, daß die der Gemeinde O.-E. dann aus diesem
Vertrag entstehenden Schadensersatzpflichten von einer zahlungskräftigeren
Gemeinde, der Beklagten, erfüllt werden würden.
In diesem Zusammenhang soll auch nicht unerwähnt bleiben, daß der Notar W. im
Vorfeld des Vertragsschlusses am 25.07.1972 in zwei Schreiben den damaligen
Bürgermeister der Gemeinde O.-E. G. drängte, zu den von ihm jeweils vorgelegten
Entwurf Stellung zu nehmen und Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Diese
Entwürfe müssen mit den Klägern abgesprochen worden sein, denn das
eingeschlagene Verfahren diente dazu, die Vorstellungen beider Vertragsparteien
in Einklang zu bringen. Auch sprechen die in diesen Entwürfen enthaltenen Vorteile
für die Kläger, über die Bürgermeister G. mit dem Notar verhandelte, eindeutig
dafür, daß die Kläger sehr wohl auch in diesem Stadium des Verfahrens
eingeschaltet und daran interessiert waren, daß alsbald diese Vereinbarung, d. h.
noch vor Eingliederung der Gemeinde O.-E. in die Beklagte, abgeschlossen wurde.
Denn daß die Beklagte ihrerseits zu dem Vertrag bereit gewesen wäre, war
unwahrscheinlich.
Ebensowenig wie ein Erfüllungsanspruch aus Vertrag ist auch ein Anspruch auf
Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluß gegeben. Ein solcher
Anspruch ist ausgeschlossen, weil der Vertrag wegen seines Verstoßes gegen die
guten Sitten und nach einer Auslegungsmöglichkeit zusätzlich wegen Verstoßes
gegen ein gesetzliches Verbot von Anfang an nichtig war. Folgt man jedoch
insoweit der anderen Auslegungsmöglichkeit, daß die Gewährleistungspflicht für
die Option auf das Erschließungsgebiet W. II unter einer Bedingung stand, die nicht
eingetreten ist, so ist unabhängig von der Sittenwidrigkeit des Vertrages II ein
Schadensersatzanspruch auch deshalb nicht begründet, weil ein etwaiger
Vertrauensschaden, der im übrigen von den Klägern nicht näher dargetan wurde,
durch die Höhe des Erfüllungsinteresses begrenzt und Schadensersatz dann nicht
zu leisten ist, wenn schon keine Erfüllung verlangt werden konnte. Es geht hier nur
noch um die Erfüllung einer Garantiepflicht oder um einen Schadenersatz für
Vertrauen auf diese. Denn die nach dem Vertrag I zu zahlenden
Erschließungskosten sind bezahlt und auch die Sonderzuwendung von 80.000,00
DM wurde von der Beklagten zurückgezahlt. Auf die Zinsfrage braucht nicht mehr
eingegangen zu werden, nachdem dieser Teil des Verfahrens abgetrennt wurde
und durch einen Vergleich seine Erledigung gefunden hat.
Unter diesen Umständen können auch die Notarkosten von den Klägern aus
keinem rechtlichen Gesichtspunkt von der Beklagten beansprucht werden. Sie sind
weder als Schaden zu ersetzen, noch ist die Beklagte insoweit ungerechtfertigt
bereichert. Denn die Kläger hatten diese Kosten vertraglich übernommen (vgl.
Abschnitt II Nr. 9 des Vertrages II).
Letztlich kann die Klage auch nicht auf einen Schadensersatzanspruch aus
sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung der Kläger durch den damaligen
Bürgermeister G. gestützt werden, wie es die Kläger nunmehr versuchen. Der
Anspruch aus § 826 BGB ist ein Unterfall der Schadensersatzpflicht aus
unerlaubter Handlung. Gleichgültig, ob eine solche Schädigung von den beim
Abschluß des Vertrages II tätigen Vertretern der Gemeinde O.-E. begangen wurde
oder nicht und ob eine Amtsperson oder ein Privatmann gehandelt hat, ist nicht
der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Zivilrechtsweg gegeben; §§ 40 VwGO, 13
GVG.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154, 159 VwGO, 100 ZPO in
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154, 159 VwGO, 100 ZPO in
entsprechender Anwendung.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO in entsprechender Anwendung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2
VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.