Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 02.04.2017

OVG Berlin-Brandenburg: plastische chirurgie, ausgabe, irreführende werbung, rechtliche qualifikation, anzeige, facharzt, klinik, gestaltung, irreführung, verwechslungsgefahr

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg
Senat für Heilberufe
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 90 H 5.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4a Abs 1 S 1 KaG BE, § 4a
Abs 4 Nr 9 KaG BE, § 4a Abs 4
Nr 15 KaG BE, § 27 Abs 2
ÄBerufsO BE 2005, § 27 Abs 3
ÄBerufsO BE 2005
Heilberufsrecht; berufswidrige Werbung im
Branchenfernsprechbuch
Leitsatz
1. Dem Branchenfernsprechbuch „Gelbe Seiten“ kommt in der gegenwärtigen Gestaltung
kein Erklärungswert dahingehend zu, dass ein Arzt, der sich unter einer nach einer
Bezeichnung der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer benannten Rubrik eintragen lässt,
über die entsprechende formale weiterbildungs-rechtliche Qualifikation verfügt.
2. Die Verwendung der Formulierung „plastische und kosmetische Operationen“ begründet
keine Verwechslungsgefahr mit der in der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin
geregelten Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“, soweit eindeutig erkennbar ist,
dass es sich nicht um die Angabe einer formalen Qualifikation, sondern um eine bloße
Tätigkeitsbeschreibung handelt.
Tenor
Auf die Berufung des Beschuldigten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin,
Kammer für Heilberufe, vom 4. September 2007 geändert.
Gegen den Beschuldigten wird eine Geldbuße in Höhe von 1.000,00 Euro verhängt.
Der Beschuldigte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
Der im Jahr 1948 geborene Beschuldigte besitzt seit 1974 die Approbation als Zahnarzt
und seit 1976 die Approbation als Arzt. Im Jahr 1982 erwarb er das Recht, die
Facharztbezeichnung „Chirurg“ zu führen. Er leitet die Abteilung für Ästhetische
Plastische Chirurgie der Klinik S. in P. und betreibt in Berlin eine eigene privatärztliche
Praxis.
Im August 2002 wurde die Ärztekammer darauf aufmerksam gemacht, dass unter
anderem der Beschuldigte im Branchenfernsprechbuch „Gelbe Seiten“ für Berlin,
Ausgabe 2002/2003, unter der Rubrik „Plastische Operationen“ aufgeführt ist, ohne über
die erforderliche Zusatzqualifikation zu verfügen. Die Anzeige lautet:
K. DR. MED. …
Facharzt für Chirurgie
Privatpraxis: …
Plastische und Kosmetische Operationen,
Fettabsaugen in örtlicher Betäubung,
Brustkorrekturen auch mit Eigenfett,
Liftings, Nasenkorrekturen,
Laserbehandlung von Falten, Narben,
Feuermalen, Tätowierungen,
CHEFARZT DER ABT. FÜR ÄST. PLASTISCHE
CHIRURGIE DER KLINIK S.
Mitglied u.a. in …
Klinik …
Die Ärztekammer beabsichtigte, eine Untersagungsverfügung zu erlassen und hörte den
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Die Ärztekammer beabsichtigte, eine Untersagungsverfügung zu erlassen und hörte den
Antragsteller hierzu an.
In der Ausgabe 2004/2005 des Branchenfernsprechbuchs „Gelbe Seiten“ für Berlin
erschien unter der Rubrik „Plastische Chirurgie folgende Anzeige:
Dr. med. M. K.
Facharzt für Chirurgie
Plastische und Kosmetische Operationen
Privatpraxis: …
Fettabsaugen in örtlicher Betäubung,
Brustkorrekturen, Bauchstraffung,
Liftings, Nasenkorrekturen,
Laserbehandlung von:
Falten, Narben, Feuermalen, Tätowierungen
Kostenlose Beratung
Mitgliedschaften: …
Chefarzt der Abt. für
Ästhetische Plastische Chirurgie
der Klinik …
Klinik: …
e-mail: …
www. …
In der Internetausgabe der „Gelben Seiten“ war der Beschuldigte im September 2004
unter der Rubrik „Ärzte: Plastische Chirurgie“ aufgeführt. Die Ärztekammer hörte den
Beschuldigten auch zu einer beabsichtigten Untersagungsverfügung im Hinblick auf die
erneuten Veröffentlichungen an.
Mit Bescheid vom 28. April 2005 sprach die Ärztekammer gegenüber dem Beschuldigten
eine berufsordnungsrechtliche Rüge aus, verbunden mit der Auflage, einen Geldbetrag in
Höhe von 1.000,00 Euro zwecks Überweisung an eine gemeinnützige Einrichtung zu
zahlen. Sie warf dem Beschuldigten vor, er habe seine Berufspflichten aus § 27 Abs. 1
Satz 3 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin dadurch verletzt, dass er sich im
Branchenfernsprechbuch „Gelbe Seiten“, Ausgabe 2002/2003, unter der Rubrik
„Plastische Operationen“ sowie in der Ausgabe 2004/2005 sowohl in der gedruckten
Version als auch auf der Internetseite unter der Rubrik „Plastische Chirurgie“ habe
eintragen lassen. Die Eintragungen stellten irreführende Werbung dar, weil hierdurch
Zusätze geführt würden, die im Zusammengang mit den geregelten
Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern führen könnten. Der Beschuldigte
habe weiterhin dadurch gegen § 27 Abs. 1 Satz 3 der Berufsordnung verstoßen, dass er
sich sowohl in der Ausgabe 2002/2003 als auch in der Ausgabe 2004/2005 des
Branchenfernsprechbuchs mit der Bezeichnung „Plastische und Kosmetische
Operationen“ habe ankündigen lassen. Dies könne den unzutreffenden Eindruck
erwecken, er sei zum Führen der weiterbildungsrechtlichen Zusatzqualifikation
„Plastische Operationen“ berechtigt. Dem hiergegen von dem Beschuldigten am 25. Mai
2005 erhobenen Einspruch half die Ärztekammer nicht ab; der Nichtabhilfebescheid vom
22. Juni 2005 wurde dem Beschuldigten am 24. Juni 2005 zugestellt.
Auf den am 2. Juli 2005 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag des
Beschuldigten hat das Verwaltungsgericht Berlin, Kammer für Heilberufe, mit Beschluss
vom 2. Juli 2007 wegen des dem Beschuldigten im Rügebescheid der Ärztekammer
Berlin vom 28. April 2005 zur Last gelegten Verhaltens (Verstoß gegen § 27 Abs. 1 Satz
3 der Berufordnung der Ärztekammer Berlin in der Fassung des 2. Nachtrags vom 24.
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3 der Berufordnung der Ärztekammer Berlin in der Fassung des 2. Nachtrags vom 24.
Januar 2001) das berufsgerichtliche Verfahren eröffnet.
Mit Urteil vom 4. September 2007 hat das Verwaltungsgericht gegen den Beschuldigten
eine Geldbuße in Höhe von 2.000,00 Euro verhängt. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt: Der Beschuldigte habe gegen § 27 Abs. 1 Satz 3 der
Berufsordnung der Ärztekammer Berlin in der Fassung vom 24. Januar 2001 verstoßen.
Die Eintragungen in den Ausgaben 2002/2003 sowie 2004/2005 des
Branchenfernsprechbuches „Gelbe Seiten“ sowie die Veröffentlichung in der Internet-
Ausgabe der „Gelben Seiten“ 2004 begründe eine Verwechslungsgefahr mit
Qualifikationen nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer. Soweit der
Beschuldigte zur näheren Kennzeichnung seiner Tätigkeit die Umschreibung „Plastische
und Kosmetische Operationen“ verwandt habe, habe er wörtlich die in § 2 Abs. 2 Nr. 14
der Weiterbildungsordnung vom 30. November 1994 genannte Zusatzbezeichnung
„Plastische Operationen“ aufgegriffen. Dies begründe eine Verwechselungsgefahr, weil
die Abweichung nur in der Einfügung der Worte „und Kosmetische“ bestehe, die auch als
Erweiterung seines Tätigkeitsfeldes verstanden werden könne. Hinweise darauf, dass es
sich um Tätigkeitsschwerpunkte und nicht um formal erworbene Qualifikationen handele,
enthielten die Ankündigungen nicht. Auch die Eintragung unter der Rubrik „Plastische
Operationen“ in der Ausgabe 2004/2005 (Anm. des Senats: Eintragung tatsächlich unter
„Plastische Chirurgie“) begründe die Gefahr einer Verwechslung. Durch die Eintragung in
eine Rubrik des Branchenfernsprechbuches, die nach weiterbildungsrechtlich normierten
Begriffen benannt sei, werde der Eindruck erweckt, der Arzt sei im Besitz der (formalen)
Qualifikation, die ihn zum Führen dieser Bezeichnung berechtige. Zwar könnten
Patienten kaum noch überblicken, welcher Arzt welche formalen Qualifikationen besitze
und wo die Grenze zwischen nach der Weiterbildungsordnung erworbenen Qualifikationen
und anderen Spezialisierungen verlaufe. Dies begründe aber ein erhöhtes Bedürfnis
dafür, die entsprechende Unterscheidung zu verdeutlichen. Da sich die Rubriken des
Branchenfernsprechbuches jedenfalls seit der Ausgabe 2004/2005 mit den
Bezeichnungen der Weiterbildungsordnung deckten, komme ihnen ein entsprechender
Erklärungsgehalt zu. Dem Beschuldigten werde die Darstellung seiner Tätigkeit nicht
unzumutbar erschwert, weil er neben der Angabe seiner Facharztbezeichnung mit der
Voranstellung der Kennzeichnung „Tätigkeitsschwerpunkt“ deutlich machen könne, auf
welchen Bereich der Chirurgie er sich spezialisiert habe. Dass potentielle Patienten
hierauf ggf. nicht aufmerksam werden könnten, wenn er nicht in der entsprechenden
Rubrik verzeichnet sein dürfe, treffe alle spezialisierten Ärzte, die keine formale
Qualifikation aufwiesen und sei durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt. Für die
Platzierung in der Ausgabe 2002/2003 könne dem Beschuldigten allerdings insoweit kein
Vorwurf gemacht werden, weil die eindeutigen Bezeichnungen der Rubriken erst später
eingeführt worden seien. Der Beschuldigte habe auch schuldhaft gehandelt, weil er
bereits im Vorfeld des Verfahrens auf die Berufsrechtswidrigkeit seines Verhaltens
aufmerksam gemacht worden sei. Einer Ahndung der Berufspflichtverletzung stehe nicht
entgegen, dass die Ärztekammer derartige Verfehlungen schon aus Kapazitätsgründen
nicht flächendeckend verfolge.
Das Urteil ist dem Beschuldigten persönlich am 15. Oktober 2007 zugestellt worden. Am
13. November 2007 hat er Berufung eingelegt und diese am 14. Dezember 2007
begründet.
Der Beschuldigte trägt im Wesentlichen vor: Die Rubrizierung der „Gelben Seiten“ im
Internet folge tatsächlich nicht den nach der Weiterbildungsordnung geregelten
Bezeichnungen; vielmehr erscheine nach der Eingabe der Stichworte „Arzt“ und „Berlin“
eine alphabetische Liste, in der auch zahlreiche nicht in der Weiterbildungsordnung
vorgesehene Bezeichnungen zu finden seien. Das Verwaltungsgericht gehe fälschlich
davon aus, dass bei Verwendung einer Bezeichnung, die einer solchen in der
Weiterbildungsordnung gleiche oder ähnele, bereits eine Irreführung vorliege. Maßgeblich
sei, ob der Verkehr unter Berücksichtigung der konkreten Gestaltung des Werbemittels
die Behauptung einer formalen Qualifikation erblicke. Das sei aber nicht der Fall, denn
die Nutzer des Branchenfernsprechbuches würden nicht erkennen, dass sich die
Rubriken der „Gelben Seiten“ mit den weiterbildungsrechtlichen Bezeichnungen deckten;
dies werde in keiner Weise deutlich gemacht. Im vorliegenden Fall liege die Annahme,
dass die Einordnung des Eintrags unter der Rubrik „Plastische Chirurgie“ auf einen
entsprechenden Facharzttitel verweise, schon deshalb fern, weil der Beschuldigte
angegeben habe, Facharzt für Chirurgie zu sein. Die tatsächliche Übung könne auch
keine Erwartungshaltung dahingehend begründen, dass Ärzte, die für ein bestimmtes
Behandlungsgebiet werben, über eine entsprechende Qualifikation verfügen. So seien
etwa unter der Überschrift „Ästhetische Medizin“ in der Internetausgabe des
Branchenfernsprechbuches Ärzte verschiedenster Fachrichtungen verzeichnet, von
denen keiner die von der Ärztekammer angeführten formalen Qualifikationen trage.
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denen keiner die von der Ärztekammer angeführten formalen Qualifikationen trage.
Durch den Zusatz „Plastische und Kosmetische Operationen“ entstehe ebenfalls keine
Irreführung. Dieser Terminus weiche von der geregelten Bezeichnung ab und sei deshalb
nicht verwechslungsfähig; auch mache sich der Verkehr keine Vorstellungen über eine
eventuell vorhandene formale Zusatzqualifikation.
Der Beschuldigte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, Kammer für Heilberufe, vom 4.
September 2007 aufzuheben und ihn freizusprechen.
Die Einleitungsbehörde beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen des Beschuldigten entgegen und verteidigt das angefochtene
Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird
auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Ärztekammer (3
Bände) verwiesen. Die Beiakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und
Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung führt zu einer Herabsetzung der gegen den Beschuldigten verhängten
Geldbuße.
I. Die Berufung ist gemäß § 33, § 24 des Berliner Kammergesetzes in der Fassung von 4.
September 1978 i.V.m. § 41 des Disziplinargesetzes vom 29. Juni 2004 (GVBl. S. 263)
i.V.m. § 64 Abs. 1 des Bundesdisziplinargesetzes vom 9. Juli 2001 (BGBl. I S. 1510)
zulässig, insbesondere innerhalb der Fristen des § 33 Abs. 2 Satz 1 des Berliner
Kammergesetzes eingelegt und begründet. Auf die Frage, ob die Zustellung des Urteils
an den Beschuldigten persönlich wirksam erfolgen konnte, kommt es demnach hier nicht
an (vgl. zu dieser Frage Urteil des Senats vom 4. November 2008 – OVG 90 H 1.07).
II. Auf die Berufung ist die gegen den Beschuldigten verhängte Geldbuße herabzusetzen.
Der Vorwurf einer Berufspflichtverletzung ist nicht aufrechtzuerhalten, soweit er sich auf
dessen Eintragung unter der Rubrik „Plastische Operationen“ in der Druckversion des
Branchenfernsprechbuches „Gelbe Seiten“, Ausgabe 2002/2003, sowie auf seinen
Eintrag unter der Rubrik „Plastische Chirurgie“ in der Druck- und der Internetversion des
Branchenfernsprechbuches „Gelbe Seiten“, Ausgabe 2004/2005, bezieht (vgl. 1.).
Soweit dem Beschuldigten vorgeworfen worden ist, durch die Verwendung des Begriffs
„Plastische und Kosmetische Operationen“ in den Anzeigen, die in den gedruckten
Ausgaben der Jahrgänge 2002/2002 sowie 2004/2005 des Branchenfernsprechbuches
veröffentlicht sind, seine Berufspflichten verletzt zu haben, ist eine
Berufspflichtverletzung lediglich im Hinblick auf die Anzeige in der Ausgabe des
Jahrgangs 2004/2005 festzustellen (vgl. 2.).
Das Verhalten des Beschuldigten ist an § 27 Abs. 3, Abs. 4 der Berufsordnung der
Ärztekammer Berlin vom 30. Mai 2005 (BO 2005 - ABl. 2005 S. 1883) zuletzt geändert
mit dem 2. Nachtrag vom 27. September 2006 (ABl. 2006 S. 4111) zu messen, weil
diese Vorschrift gegenüber der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeigen
geltenden Vorläuferregelung milder ist. Nach § 27 Abs. 3 BO 2005 ist berufswidrige,
insbesondere irreführende Werbung untersagt, der Arzt kann aber gemäß Absatz 4
dieser Vorschrift nach der Weiterbildungsordnung erworbene Bezeichnungen (Nr. 1),
nach sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erworbene Qualifikationen (Nr. 2), als
solche gekennzeichnete „spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“ (Nr. 3)
und organisatorische Hinweise (Nr. 4) ankündigen; Ankündigungen nach Nr. 1 müssen
dabei bestimmten formalen Anforderungen genügen, Ankündigungen nach Nr. 2 dürfen
nicht mit Angaben nach Nr. 1 verwechslungsfähig sein (§ 27 Abs. 4 Sätze 2 und 3 BO
2005). Die in der zum Zeitpunkt des Erscheinens der Anzeigen geltenden Regelung des
§ 27 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Kapitel D Nr. 4 Abs. 2, Nr. 5 Abs. 2 a) der Berufsordnung der
Ärztekammer Berlin vom 1. Juli 1998 (Abl. 1999 S. 1310) in der Fassung des 2.
Nachtrags vom 24. Januar 2001 (Abl. 2002 S. 17) enthaltene Beschränkung auf die
Angabe von nur drei speziellen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ist entfallen.
Die genannten Vorschriften der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin sind
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in § 4 a Abs.
1 Satz 1 des Berliner Kammergesetzes, wonach die Kammern ermächtigt sind, die
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1 Satz 1 des Berliner Kammergesetzes, wonach die Kammern ermächtigt sind, die
Berufsausübung sowie die Berufspflichten der Kammerangehörigen in Berufsordnungen
zu regeln. Nach § 4 a Abs. 3 des Berliner Kammergesetzes kann die Berufsordnung
insbesondere Vorschriften über die Praxis- und Apothekenankündigung (Nr. 9) und über
das Verbot oder die Beschränkung der Werbung (Nr. 15) enthalten. Weitere inhaltliche
Vorgaben des Gesetzgebers sind nicht erforderlich, denn gerade die herkömmlichen
Beschränkungen der Werbefreiheit sind für eine eigenverantwortliche Ordnung durch die
Berufsverbände geeignet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1996 - 1 BvR 744/88 u.a. -
, BVerfGE 94, 372). Gegen werberechtliche Vorschriften in ärztlichen Berufsordnungen,
die Raum lassen für interessengerechte und sachangemessene Informationen,
bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom
23. Juli 2001 – 1 BvR 873/00 und 1 BvR 874/00 – NJW 2001, 2788, 2789, vom 18. Oktober
2001 – 1 BvR 881/00 – NJW 2002, 1864, und vom 13. Juli 2005 – 1 BvR 191/05 – zitiert
nach Juris, jeweils m.w.N.). Diesen Anforderungen werden die hier maßgeblichen
Regelungen der Berufsordnung gerecht. § 27 Abs. 2 BO 2005 bestimmt ausdrücklich,
dass dem Arzt sachliche Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet sind.
Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer
im Einzelfall fehlenden Schutzwürdigkeit der in der Weiterbildungsordnung der
Ärztekammer Berlin geregelten Bezeichnungen. Es kann dahinstehen, ob die
zunehmende Regelungsdichte in der Weiterbildungsordnung in jedem Fall durch das
Erfordernis einer Qualitätssicherung der Berufsausübung gerechtfertigt ist. Für die im
vorliegenden Verfahren in Rede stehende Facharztbezeichnung „Plastische Chirurgie“
und die Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“ ist ein derartiges Erfordernis
jedenfalls anzunehmen, denn es handelt sich um deutlich von anderen Gebieten
abgrenzbare Bereiche der ärztlichen Tätigkeit, die besondere Kenntnisse, Erfahrungen
und Fertigkeiten erfordern und in denen das Bedürfnis für eine besondere Regelung der
Qualifikation offensichtlich ist.
1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der Eintragung
des Beschuldigten unter der Rubrik „Plastische Operationen“ in der Druckversion des
Branchenfernsprechbuches „Gelbe Seiten“, Ausgabe 2002/2003, sowie unter der Rubrik
„Plastische Chirurgie“ in der Druck- und der Internetversion des
Branchenfernsprechbuches „Gelbe Seiten“, Ausgabe 2004/2005, nicht um irreführende
und damit berufswidrige Werbung im Sinne der oben genannten Vorschriften, da keine
relevante Verwechslungsgefahr mit den Qualifikationen nach der Weiterbildungsordnung
der Ärztekammer besteht.
Nach der zur Zeit der Drucklegung jeweiligen Ausgaben der „Gelben Seiten“ geltenden
Weiterbildungsordnung vom 30. November 1994 (WBO 1994 - ABl. 1995 S. 2573) zählt
die „Plastische Chirurgie“ zu den Gebieten und Schwerpunkten, in denen sich der Arzt
zur Erlangung des Rechts zum Führen einer Facharztbezeichnung oder
Schwerpunktbezeichnung weiterbilden kann (§ 2 Abs. 1 Nr. 35 WBO 1994); § 6 Abs. 1 Nr.
35 WBO 1994 legt insoweit die Facharztbezeichnung „Facharzt für plastische Chirurgie“
fest. § 2 Abs. 2 Nr. 14 WBO 1994 sieht ferner vor, dass sich der Arzt zur Erlangung des
Rechts zum Führen einer Zusatzbezeichnung in dem Bereich „Plastische Operationen“
weiterbilden kann.
Allein durch die Eintragung unter den somit entsprechend den Bezeichnung der
Weiterbildungsordnung betitelten Rubriken wird den angesprochenen, durchschnittlich
informierten und situationsangemessen aufmerksamen Verbrauchern aber nicht der
unzutreffende Eindruck vermittelt, der Beschuldigte sei Facharzt für plastische Chirurgie
oder habe ein zertifiziertes Recht zur Durchführung von Operationen auf diesem Gebiet
erworben. Einen derartigen Erklärungswert misst die Verkehrsanschauung einer solchen
Eintragung nicht bei.
Die Ausgabe 2002/2003 des Branchenfernsprechbuches hat sich bei der Erstellung der
Rubriken, wie auch die Ärztekammer nicht in Abrede stellt, nicht durchgängig an den
Bezeichnungen der Weiterbildungsordnung orientiert, sondern in alphabetischer
Reihenfolge auch andere Bezeichnungen als Überschriften für ihre Rubriken verwandt.
Ein Hinweis darauf, in welchen Fällen Bezeichnungen der Weiterbildungsordnung
verwandt wurden, existiert nicht. Dem Nutzer des Verzeichnisses wird darüber hinaus
nicht vermittelt, dass Ärzte bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssten, um ihre
Eintragung unter der jeweiligen Rubrik zu erreichen. Unter den jeweiligen Rubriken sind
vielmehr in alphabetischer Folge sowohl Ärzte aufgeführt, die auf eine entsprechende
Facharztbezeichnung bzw. Zusatzqualifikation besonders hinweisen als auch solche, die
eine andere oder gar keine förmliche Qualifikation angeben. Bei dieser Sachlage wird ein
Interessent, der das Verzeichnis auf der Suche nach einem Arzt mit einer gewissen
Aufmerksamkeit durchgeht, ohne weiteres annehmen, dass die Rubrik sowohl Fachärzte
bzw. solche mit der entsprechenden, nach der Weiterbildungsordnung erlangten
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bzw. solche mit der entsprechenden, nach der Weiterbildungsordnung erlangten
Zusatzbezeichnung als auch Ärzte umfasst, die lediglich ihren Tätigkeitsschwerpunkt auf
dem betreffenden Gebiet haben, ohne zur Führung des betreffenden Facharzttitels oder
der Zusatzbezeichnung berechtigt zu sein (vgl. OLG Köln, Urteil vom 15. August 2008 - 6
U 20/08 -; KG Berlin, Urteil vom 22. März 2002 - 5 U 8811/00 -).
Der Umstand, dass die Druckversion des Branchenfernsprechbuchs ab der Ausgabe
2003/2004 ihre Systematik geändert hat und nunmehr unter der Überschrift
„Ärzte/Ärztinnen für …“ ausschließlich Bezeichnungen nach der Weiterbildungsordnung
aufführt, während sonstige Rubriken unter der Überschrift „Tätigkeitsschwerpunkte,
spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“ zusammengefasst sind,
rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 15. August
2008,a.a.O.). Nach wie vor fehlt jeder Hinweis darauf, dass in dem Abschnitt „Ärzte und
Ärztinnen für ...“ unter den jeweiligen Rubriken nur die entsprechend der jeweiligen
Bezeichnung der Rubrik ausgebildeten Fachärzte aufgeführt werden, weshalb der
durchschnittliche Verbraucher nicht zu erkennen vermag, dass die Systematik in den
„Gelben Seiten“ den weiterbildungsrechtlichen Qualifikationen der Ärztekammer folgt.
Der von der Ärztekammer Berlin im erstinstanzlichen Verfahren erwähnte
Vorstandsbeschluss vom 8. Oktober 2001, demzufolge eine Änderung der Systematik
der Eintragung von Ärzten im Branchenfernsprechbuch dahingehend befürwortet wurde,
dass künftig eine Untergliederung nach Facharztbezeichnung, Schwerpunktbezeichnung,
Zusatzbezeichnung und Tätigkeitsschwerpunkt erfolgt, und den jeweiligen Rubriken eine
Erläuterung vorangestellt werden sollte, aus denen sich für den Arzt suchenden
Patienten ergibt, welche Qualifikation der jeweiligen Bezeichnung zu Grunde liegt, ist
insoweit nur unvollständig umgesetzt worden. Darüber hinaus sind unter den jeweiligen
Rubriken nach wie vor in alphabetischer Reihenfolge Ärzte ausgeführt, die teils auf eine
der Überschrift der jeweiligen Rubrik entsprechende und teils auf eine hiervon
abweichende förmliche Qualifikation verweisen oder aber hierzu gar keine Angaben
machen. Unabhängig hiervon ist darüber hinaus im vorliegenden Fall eine Irreführung
über das Recht, die Bezeichnung „Facharzt für plastische Chirurgie“ zu führen, schon
deshalb ausgeschlossen, weil der Beschuldigte seinen Facharzttitel (Facharzt für
Chirurgie) in der veröffentlichten Anzeige angegeben hat. Dass ein durchschnittlich
aufmerksamer Interessent bei dieser Sachlage davon ausgeht, dass der Arzt neben der
ausdrücklich aufgenommenen Facharztbezeichnung das Recht zum Führen einer
weiteren Facharztbezeichnung besitzt, die der Bezeichnung der entsprechenden Rubrik
der „Gelben Seiten“ entspricht, erscheint fernliegend. Vielmehr wird der Leser bei der
Suche nach einem Arzt zutreffend annehmen, dass sich die Facharztbezeichnung
lediglich auf das ausdrücklich angegebene Gebiet bezieht.
Eine Irreführung potentieller Patienten durch die Eintragung unter der Rubrik „Plastische
Chirurgie“ in der Internetausgabe des Branchenfernsprechbuches des Jahres 2004/2005
ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Gestaltung des Internetauftritts lässt nicht den
Eindruck aufkommen, dass die einzelnen Rubriken auf förmliche Qualifikationen nach der
Weiterbildungsordnung verweisen. Die Systematik des Verzeichnisses der gedruckten
Ausgabe des Branchenfernsprechbuches wird im Internet nicht abgebildet; vielmehr
öffnet sich für den Nutzer eine Auswahlleiste, in der die jeweiligen Rubriken ohne
Unterscheidung nach „Ärzte für … “ oder Tätigkeitsschwerpunkte bzw.
Behandlungsmethoden in alphabetischer Reihenfolge genannt werden. Unter den
Rubriken finden sich auch solche, die andere als die in der Weiterbildungsordnung
genannten Bezeichnungen tragen. Hinweise darauf, dass die Rubriken zum Teil nach
förmlichen Bezeichnungen der Weiterbildungsordnung benannt sind, fehlen.
2. Der Vorwurf, die Verwendung des Begriffs „Plastische und Kosmetische Operationen“
in den Anzeigen, die in den gedruckten Ausgaben der Jahrgänge 2002/2002 sowie
2004/2005 des Branchenfernsprechbuches „Gelbe Seiten“ veröffentlicht sind, stelle
berufswidrige Werbung dar, lässt sich nur teilweise aufrechterhalten.
Durch die Aufnahme des Begriffes „Plastische und Kosmetische Operationen“ in die
2002 veröffentlichte Anzeige hat der Beschuldigte nicht den falschen Eindruck erweckt,
zur Führung der gemäß § 2 Abs. 2 WBO 1994 durch Weiterbildung zu erwerbenden
Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“ berechtigt zu sein. Der Terminus
„Plastische und Kosmetische Operationen“ ist allerdings der in der
Weiterbildungsordnung verwandten Bezeichnung ähnlich, weil er diese wörtlich aufgreift
und lediglich um eine Ergänzung erweitert. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend
ausgeführt hat, lässt allein dieser Einschub eine Verwechslungsgefahr nicht entfallen,
weil der verständige Leser in der Ergänzung eher eine zusätzliche Spezialisierung als die
Einschränkung einer Qualifikation erblicken wird. Allerdings verdeutlicht die Gestaltung
der Anzeige, dass der Beschuldigte mit dem Zusatz keine formelle Qualifikation
behauptet, sondern lediglich sein Leistungsangebot umschreibt. Die Angabe „Plastische
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behauptet, sondern lediglich sein Leistungsangebot umschreibt. Die Angabe „Plastische
und Kosmetische Operationen“ ist nicht unmittelbar unterhalb der Facharztbezeichnung
aufgeführt, sondern erscheint von dieser durch die Nennung der Praxisadresse getrennt
unmittelbar oberhalb der im Einzelnen benannten Leistungen (Fettabsaugen,
Brustkorrekturen, Liftings etc.). Der Nutzer des Branchenfernsprechbuches wird somit
den Begriff „plastische und kosmetische Operationen“ lediglich als den Oberbegriff einer
Vielzahl angebotener Leistungen, mithin als Bezeichnung eines Tätigkeitsschwerpunkts
verstehen.
Dem gegenüber ist die Verwendung desselben Begriffs in der Anzeige der Ausgabe
2004/2005 des Branchenfernsprechbuches geeignet, bei Nutzern den irrigen Eindruck zu
erwecken, der Beschuldigte sei zum Führen der Zusatzbezeichnung „Plastische
Operationen“ berechtigt. Anders als in der Ausgabe 2002/2003 ist hier nicht durch die
Gestaltung der Anzeige sichergestellt, dass potentielle Patienten diesen Zusatz als
Angabe eines Tätigkeitsschwerpunkts verstehen werden. Der Zusatz ist vielmehr direkt
unterhalb der Facharztbezeichnung aufgeführt und von der Aufzählung der angebotenen
Leistungen durch eine Leerzeile, die in Fettdruck aufgeführte Praxisanschrift sowie eine
weitere Leerzeile deutlich abgesetzt. Bei verständiger Würdigung muss diese Anordnung
der Angaben den Eindruck erwecken, dass zunächst die vorhandenen Qualifikationen
und erst nach der Adressangabe die angebotenen Leistungen aufgeführt werden. Dies
und der Umstand, dass der Zusatz einer weiterbildungsrechtlich geregelten
Bezeichnung ähnlich ist, rechtfertigt die Annahme einer irreführenden und damit
berufswidrigen Werbung.
3. Hinsichtlich der berufsordnungswidrigen Verwendung des Zusatzes „Plastische und
Kosmetische Operationen“ in der Druckversion des Branchenfernsprechbuches,
Ausgabe 2004/2005, hat der Beschuldigte jedenfalls bedingt vorsätzlich gehandelt, denn
angesichts des bereits seit Januar 2003 mit der Ärztekammer geführten Schriftverkehrs
ist davon auszugehen, dass ihm der Inhalt der sich aus § 27 BO ergebenden
Berufspflichten bewusst war.
4. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls stellt sich das Verhalten des
Beschuldigten als eine mittelschwere Berufsrechtsverletzung dar, für die auch der Senat
die Verhängung einer Geldbuße als angemessen erachtet. Der vom Verwaltungsgericht
festgesetzte Betrag der Geldbuße war indes wie geschehen zu verringern, da sich die
Vorwürfe lediglich in einem Fall aufrechterhalten ließen. Soweit der Beschuldigte von
Vorwürfen aus dem Rügebescheid freigestellt worden ist, kommt ein Teilfreispruch wegen
des Grundsatzes der Einheit der Berufspflichtverletzung nicht in Betracht (vgl. zum
Disziplinarrecht OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. April 2007 - 80 D 6.05 -, Juris).
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt gemäß § 24 des Berliner Kammergesetzes
i.V.m. § 41 des Disziplinargesetzes, § 77 Abs. 1 des Bundesdisziplinargesetzes der
Beschuldigte.
Das Urteil ist unanfechtbar.
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