Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 02.04.2017

OVG Berlin-Brandenburg: entlassung aus der haft, gefährdung, unbestimmter rechtsbegriff, vorzeitige entlassung, berufliche tätigkeit, besondere härte, aufenthaltserlaubnis, ausreise, ermessen

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 11.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 11 N 48.08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 37 Abs 1 Nr 2 AufenthG 2004,
§ 37 Abs 2 AufenthG 2004, § 5
Abs 1 Nr 3 AufenthG 2004, Art
7 Abs 1 EWGAssRBes 1/80, § 7
Abs 2 Nr 3 AuslG 1990
Recht aus Wiederkehr/Einreise aufgrund von Rechten aus
EWGAssRBes 1/80 Art 7 Abs 1; Inhalt und Umfang der
Gefährdung öffentlicher Interessen iSd AufenthG 2004 § 5 Abs 1
Nr 3
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. Juni 2008 wird abgelehnt.
Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der
Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger, türkischer Staatsangehöriger, begehrt die Erteilung des Visums im Rahmen
des Rechts auf Wiederkehr gemäß § 37 AufenthG. Er wurde 1984 in München geboren,
verbrachte die anschließende Zeit zunächst abwechselnd bei den Großeltern in der
Türkei und bei seinen Eltern in München, wo er sich seiner Zeit zunächst erlaubnisfrei
aufhalten durfte. Er war in der Türkei eingeschult worden, kehrte aber zum Besuch der 2.
Klasse nach München zurück, wo er mit der 5. Klasse, die er viermal wiederholen
musste, die schulische Bildung beendete. Am 16. Mai 1997 erhielt er eine bis zum 11.
Juni 2000 befristete Aufenthaltserlaubnis. Den Antrag auf Verlängerung der
Aufenthaltserlaubnis lehnte die Beigeladene mit (nach Klagerücknahme)
bestandskräftigem Bescheid vom 16. Januar 2001 unter Hinweis darauf ab, dass der
Kläger wiederholt schon als strafunmündiges Kind sowie auch nach Strafmündigkeit
strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Seit August 2000 befand er sich in einem
Jugendheim im Rahmen einer Jugendhilfemaßnahme. Nach Widerruf der Aussetzung
einer Jugendstrafe zur Bewährung und Inhaftierung am 19. Juli 2001 wurde ihm am 17.
August 2001 die Ausreise gestattet. Ein Visumsantrag auf Wiederkehr vom 15. April
2004 blieb erfolglos. Vom 22. November 2004 bis zum 1. März 2006 absolvierte er in der
Türkei seinen Wehrdienst. Den erneuten am 18. Mai 2006 bei der Beigeladenen und am
19. Juli 2006 bei der Beklagten gestellten Visumsantrag auf Wiederkehr stimmte die
Beigeladene nicht zu und führte hierzu u. a. an, zur Vermeidung einer besonderen Härte
könne zwar mit Blick auf den Wehrdienst vom Erfordernis des Wiederkehrantrags vor
Vollendung des 21. Lebensjahres abgesehen werden. Das hiernach gemäß § 37 Abs. 2
AufenthG eröffnete Ermessen werde jedoch in Beachtung der allgemeinen
Erteilungsvoraussetzung von § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG negativ ausgeübt, da der Kläger
sich in die Verhältnisse in Deutschland nicht habe integrieren können und er auch über
eine wirtschaftliche Integration in der Türkei keine Nachweise erbracht habe. Mangels
beruflicher Perspektiven bestehe weiterhin die Gefahr der Begehung von Straftaten.
Unter Hinweis hierauf lehnte die Beklagte den Visumsantrag mit Bescheid vom 5. Januar
2007 ab.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der
Begründung ab, die Ablehnung der Visumserteilung sei unter Berücksichtigung der
Erteilungsvoraussetzung von § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG ermessensfehlerfrei, weil nach
dem bisherigen Lebensweg des Klägers von einer Gefährdung der öffentlichen
Interessen der Bundesrepublik bei Rückkehr des Klägers auszugehen sei.
II.
Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
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1. Die Darlegungen zum zunächst geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen
Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) rechtfertigen die Zulassung nicht. Der
Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass ein tragender
Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen
Gegenargumenten angegriffen wird und im Ergebnis eine gegenteilige als die
angegriffene Entscheidung ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.
Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164). Dabei ist die Überprüfung auf die
von dem Zulassungsantragsteller geltend gemachten tatsächlichen und rechtlichen
Gesichtspunkte zu beschränken. Das entspricht dem fristgebundenen
Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO. Die sich daraus
ergebende Beschränkung betrifft nicht nur die gemäß § 124 Abs. 2 VwGO geltend
gemachten, dort im Einzelnen bezeichneten Gründe, sondern beschränkt die Prüfung im
Zulassungsverfahren grundsätzlich auf die vom Zulassungsantragsteller fristgerecht
vorgetragene inhaltliche Begründung.
Der Kläger erfüllt für einen gesetzlichen Anspruch auf Wiederkehr nicht die
Voraussetzung der Antragstellung vor Vollendung des 21. Lebensjahres gemäß § 37
Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Nach § 37 Abs. 2 S. 1 AufenthG kann von dieser Voraussetzung
allerdings zur Vermeidung einer besonderen Härte abgewichen werden. Mit Blick auf die
Ableistung des Wehrdienstes seitens des Klägers seit November 2004 und der
Antragstellung - wenn auch zunächst nur bei der Beigeladenen in Form eines Begehrens
auf Vorabzustimmung am 18. Mai 2006 und erst am 19. Juli 2006 bei der Beklagten -
innerhalb von drei Monaten nach Entlassung zum 1. März 2006 hat die Beklagte
entsprechend ihrer Verwaltungspraxis (vgl. jetzt auch Allgemeine Verwaltungsvorschrift
zum Aufenthaltsgesetz der Bundesregierung - AV-Bund - vom 26. Oktober 2009, GMBl.
2009, 877 ff., Nr. 37.2.1.5) einen besonderen Härtefall bezüglich der Fristüberschreitung
angenommen. Unter Heranziehung der Erwägungen der Beigeladenen, wie in der
Klageerwiderung bestätigt, hat sie jedoch in Ausübung von an § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG
ausgerichteten Ermessenserwägungen den Visumsantrag abgelehnt. Ob im Einzelfall
eine besondere Härte gegeben ist, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff zwar der
vollen gerichtlichen Nachprüfung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 19. März 2002 - 1 C 19/01
-, BVerwGE 116, 128,134). Der Senat kann das Vorliegen dieser Voraussetzung jedoch
ebenso wie das Verwaltungsgericht dahin stehen lassen, da er jedenfalls keine
ernsthaften Zweifel an der ermessensfehlerfreien Versagung des Visums hat. Hierzu sei
nur eingangs erwähnt, dass auch bei Vorliegen einer besonderen Härte im Sinne von §
37 Abs. 2 S. 1 AufenthG nach der gesetzlichen Konzeption gerade nicht ein materieller
Wiederkehranspruch besteht, weshalb in einem solchen Fall auch nicht ohne weiteres
von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil
vom 19. März 2002 - 1 C 19/01 -, BVerwGE 116, 128,143). Das Ermessen der Behörde
hat sich vielmehr unter Einbeziehung aller hierfür erheblichen Umstände des Einzelfalls
an dem Gesetzeszweck zu orientieren. Die gerichtliche Prüfung ist hierbei auf die
Feststellung von Ermessensfehlern beschränkt. Solche erschließen sich dem Senat auch
nicht auf der Grundlage der Zulassungsbegründung.
Die Beklagte ist im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung zutreffend davon ausgegangen,
dass auch die Wertung der Erteilungsvoraussetzung von § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zu
berücksichtigen ist. Entgegen der Begründung des Zulassungsantrags ist der
Anwendungsbereich dieser Regelung auch nicht eng in einer Weise zu verstehen, die die
Annahme einer Gefährdung der Interessen der Bundesrepublik durch den Kläger
fehlerhaft erscheinen lassen würde.
§ 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG hat den zuvor geltenden Versagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr.
3 AuslG übernommen. Der schon in dieser Regelung enthaltene Begriff der „Interessen
der Bundesrepublik Deutschland“ war inhaltlich identisch mit dem in § 2 Abs. 1 Satz 2
AuslG 1965 normierten Begriff „Belange der Bundesrepublik Deutschland“, auf welche
Generalklausel als Grundsatz weiterhin nicht verzichtet werden sollte (Amtliche
Begründung zum Ausländergesetz, BT-Drs. 11/6321, S. 56). Der in § 2 Abs. 1 Satz 2
AuslG 1965 enthaltene Begriff "Belange" wurde weit ausgelegt (BVerwG, Urteil vom 27.
September 1978 - 1 C 79.76 -, BVerwGE 56 S. 246, 248; Urteil vom 30. Januar 1979 - 1 C
56.77 -, BVerwGE 57 S. 252, 254). § 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG enthielt sogar - wie nunmehr
auch § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG - insoweit eine strengere Regelung als § 2 Abs. 1 Satz 2
AuslG 1965, als schon eine Gefährdung der Interessen (bzw. Belange) der
Bundesrepublik Deutschland ausreichte; es war nicht mehr erforderlich, dass die
Anwesenheit des Ausländers Belange des Staates beeinträchtigte. Allerdings gehören
nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Amtliche Begründung zum Aufenthaltgesetz,
BT- Drs. 15/420, zu § 5 S. 70) nunmehr zu den öffentlichen Interessen im Gegensatz
zum Ausländergesetz nicht mehr eine übergeordnete ausländerpolitische einseitige
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zum Ausländergesetz nicht mehr eine übergeordnete ausländerpolitische einseitige
Grundentscheidung der Zuwanderungsbegrenzung oder der Anwerbestopp. Stattdessen
ist Ziel der Anwendung der ausländerrechtlichen Instrumentarien eine flexible und
bedarfsorientierte Zuwanderungssteuerung. Dabei können je nach bestehender
Zuwanderungs- und Integrationssituation Interessen der Zuwanderungsbegrenzung wie
auch der gezielten Zuwanderung im Vordergrund stehen. Um die notwendige Flexibilität
zu erhalten, erfolgt mit der Regelung abgesehen von dem Interesse an
Zuwanderungssteuerung keine übergeordnete Festlegung. Der Begriff der Interessen
der Bundesrepublik Deutschland umfasst hiernach unter Berücksichtigung dieser
Neuorientierung der Ausländerpolitik in einem weiten Sinne sämtliche öffentlichen
Interessen (vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2008, RdNr. 35, 40 zu § 5
AufenthG; Bäuerle in GK-AufenthG, Stand Nov. 2006, Rn. 114 zu § 5; Nr. 5.1.3.1 AV-
Bund). Dabei zählen zu den öffentlichen Interessen im Sinn dieser Vorschrift alle
finanziellen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und sonstigen politischen Interessen
von Bund und Ländern. Die Norm erfüllt eine Auffangfunktion, weshalb eine Eingrenzung
ihres Anwendungsbereichs, sofern etwa Ausweisungsgründe aktuell nicht bereits
vorliegen, fernliegt (wohl weitergehend Bäuerle in GK-AufenthG, Stand Nov. 2006, Rn.
116 zu § 5).
Der Regelversagungsgrund fordert auch im Gegensatz zu § 55 Abs. 1 AufenthG für das
Ausweisungsermessen sogar nicht die Beeinträchtigung oder Gefährdung eines
"erheblichen" öffentlichen Interesses. Eine Gefährdung öffentlicher Interessen ist
anzunehmen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Aufenthalt des betreffenden
Ausländers im Bundesgebiet öffentliche Interessen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
beeinträchtigen wird. Die Ausländerbehörde hat unter Berücksichtigung des bisherigen
Werdegangs des Ausländers auf dieser Grundlage im Rahmen der Ermessensbetätigung
eine Prognoseentscheidung zu treffen (vgl. auch Nr. 5.1.3.1 AV-Bund).
Hiernach waren zweifellos im vorliegenden Zusammenhang für die Bewertung der
Gefährdung öffentlicher Interessen die Erwartungen zur wirtschaftlichen und sozialen
Integration von besonderer Bedeutung. Der Umstand, dass § 37 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG
bezüglich der Lebensunterhaltssicherung auch eine - hier vom Vater des Klägers
abgegebene - Unterhaltsverpflichtung eines Dritten ausreichen lässt, bietet für die Frage
der prognostisch zu beurteilenden Gefährdung der öffentlichen Interessen noch keine
hinreichende Absicherung. Insofern konnte die Beklagte berücksichtigen, dass der Kläger
in Deutschland keine abgeschlossene Schulbildung erlangt, sogar auf dem Niveau der
fünften Klasse stehen geblieben war und eine weitere Berufsausbildung hier in der Folge
nicht erlangt hat. Dass er in der Türkei nunmehr eine weitere persönliche Entwicklung mit
einer gewissen beruflichen Perspektive auch für die Bundesrepublik genommen hätte, ist
ebenfalls nicht erkennbar. Allein die nachgewiesene Straffreiheit in der Türkei genügt
hierfür nicht, zumal der Kläger sich über einen längeren Zeitraum seines Aufenthalts in
der Türkei dem Wehrdienst unterziehen musste. Seine berufliche Tätigkeit hat er mit der
Wahrnehmung der Aufgaben als Hauswart für die Wohnung seines Vaters und vier
Stunden Arbeit pro Tag bei einem Friseur beschrieben. Ob diese Tätigkeit legal ausgeübt
worden war, wie der Kläger entgegen der Darstellung der Beklagten weiterhin vorträgt,
ist im vorliegenden Zusammenhang letztlich unerheblich. Denn diese Tätigkeiten bieten
nicht ansatzweise erkennbar eine verlässliche Grundlage für eine dauerhafte Integration
in die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland. Hiernach und unter
Berücksichtigung seines massiven strafrechtlich relevanten Verhaltens in der
Bundesrepublik schon als noch strafunmündiges Kind vor seiner Ausreise, der seinerzeit
auch angebotener Hilfe nicht zugänglich war, was zum Widerruf der Bewährungsstrafe
führte, lassen die Einschätzung der Gefahr eines wiederholten Abgleitens in die
Kriminalität bei Rückkehr in keiner Weise sachwidrig erscheinen. Der Hinweis des Klägers,
dass auch Menschen ohne abgeschlossene Schulbildung und ohne Berufsausbildung
den Einstieg in das Erwerbsleben schaffen könnten, ist abstrakt gesehen nicht in Abrede
zu stellen. Jedoch bestehen in seinem Fall so ungünstige Voraussetzungen, dass die
Einschätzung einer Gefährdung der öffentlichen Interessen der Bundesrepublik
Deutschland deutlich näher liegt. Bei dieser Sachlage war die Beklagte auch nicht
verpflichtet, dem näher nachzugehen, ob dem Kläger auf seinen Antrag aus dem Jahre
2004 seinerzeit noch ein gesetzlicher Anspruch auf Wiederkehr zugestanden hätte oder
dieser jedenfalls wegen des Vorliegens von Ausweisungsgründen gemäß § 37 Abs. 3
AufenthG bzw. § 16 Abs. 3 AuslG zur Zeit der Ausreise hätte versagt werden können.
Denn die damalige Ablehnung ist bestandskräftig. Der Antrag von 2006 war mit Blick auf
die Beurteilung der sich stellenden Frage der Gefährdung öffentlicher Interessen aktuell
und nunmehr auf der maßgeblichen Grundlage der gerichtlichen Beurteilung im Rahmen
des Zulassungsverfahrens zu beurteilen.
Die Ermessensbetätigung war auch nicht durch Ansprüche des Klägers aus Art 7 Abs. 1
ARB ausgeschlossen oder zugunsten des Klägers intendiert, wie er wohl meint. Art 7
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ARB ausgeschlossen oder zugunsten des Klägers intendiert, wie er wohl meint. Art 7
Abs. 1 ARB gewährt kein Recht auf Einreise, sondern setzt dieses voraus (vgl. nur EuGH,
Urteil vom 18. Juli 2007 - C-325/05 -, InfAuslR 2007, 320, 327; Urteil vom 30. September
2004 - C-275/02 -, InfAuslR 2004, 416).). Soweit er die Rechtstellung aus Art 7 Abs. 1
ARB vor der Ausreise inne gehabt hat, hat er diese jedoch mit der Ausreise im August
2001 verloren. Ein solcher Verlust tritt allerdings nicht ein, wenn sich der Betroffene z. B
aus berechtigten Gründen für einen angemessenen Zeitraum von seinem Wohnsitz
entfernen durfte, z. B. um Urlaub zu machen oder seine Familie im Heimatland zu
besuchen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 25. September 2008 - C-453/07 -, NVwZ 2008,
1337; Urteil vom 18. Juli 2007 - C-325/05 -, InfAuslR 2007, 326, 329, Urteil vom 16. März
2000 - C-329/97 -, InfAuslR 2000, 217, 220; Urteil vom 17. April 1997 - C-351/95). Der
Kläger ist jedoch für unbestimmte Zeit freiwillig ausgereist, nachdem er die Klage gegen
die Versagung der Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen hatte. Damit hat er die
Rechtmäßigkeit der Versagung eines weiteren Aufenthaltsrechts nicht mehr in Frage
gestellt und hat zugleich die vorzeitige Entlassung aus der Haft erreicht. Erstmals im
April 2004 hat er dann einen Rückkehranspruch geltend gemacht, aber auch dessen
Versagung nicht gerichtlich zur Überprüfung gestellt. Bei dieser Sachlage ist für ein
Fortbestehen der Rechtsposition aus Art 7 Abs. 1 ARB nichts ersichtlich (vgl. auch
BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 1 C 6.08 -, in Juris Rn. 27).
Soweit der Kläger sich in der Zulassungsbegründung weiterhin umfangreich dahin
einlässt, dass Versagungsgründe gemäß § 37 Abs. 3 AufenthG dem erneuten Antrag
nicht entgegengehalten werden könnten, nach welcher Regelung bei Vorliegen eines
gesetzlichen Anspruchs auf Wiederkehr die Aufenthaltserlaubnis versagt werden könnte,
ist dies hiernach irrelevant. Die Regelung in 37 Abs. 3 AufenthG eröffnet unter ihren
Voraussetzungen Ermessen gerade für den Fall eines an sich bestehenden gesetzlichen
Anspruchs. Unabhängig davon enthält § 37 Abs. 2 AufenthG im Falle des Nichtbestehens
eines gesetzlichen Anspruchs eine eigenständige Regelung, in deren Rahmen auch
Erwägungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG ihren Platz haben (vgl. auch Nr.
37.3.0 S. 2 AV-Bund). Dem Kläger steht aber kein gesetzlicher Anspruch auf Wiederkehr
zu. Die Ermessensentscheidung der Beklagten erweist sich, wie dargelegt, bereits nach §
37 Abs. 2 AufenthG als fehlerfrei.
2. Der weiterhin geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder
rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht
begründet dargelegt worden. Hierzu sei nur bemerkt, dass eine Rechtssache u. a.
jedenfalls dann keine besonderen Schwierigkeiten i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO
(mehr) aufweist, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen die rechtliche
Würdigung, die die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis trägt, keinen begründeten
Anlass zu Zweifeln an ihrer Richtigkeit geben (vgl. nur Beschluss des Senats vom 24.
Februar 2009 - 11 N 39/08 -; ebenso OVG Münster, Beschluss vom 31. Juli 1998 - 10 A
1329/98 -, NVwZ 1999, 202 ff.). Insbesondere ergeben sich aus dem Umstand, dass die
Frage des Vorliegens eines besonderen Härtefalls gemäß § 37 Abs. 2 AufenthG offen
gelassen worden ist, keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten
der Rechtssache, da es darauf gerade nicht ankommt.
3.Die zuletzt geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß §
124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine
entscheidungserhebliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht
beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung auf, die sich in
dem erstrebten Rechtsmittelverfahren stellen würde und die im Interesse der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer
obergerichtlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfte (vgl. zum
Revisionsrecht: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261/97 -, NJW 1997,
3328).
Soweit der Kläger abstrakt die Frage für klärungsbedürftig hält, inwiefern Erwägungen
zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung neben den §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 53 ff.
AufenthG im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zu prüfen sind, ist dies nicht weiter
grundsätzlich klärungsbedürftig, da sie sich - wie oben dargelegt - auf der Grundlage der
vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter
Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt. Ob im Einzelfall eine hieran
ausgerichtete Ermessensbetätigung auf der Grundlage von § 37 Abs. 2 AufenthG die
Versagung der Wiederkehr rechtfertigt, ist keine Frage, die sich verallgemeinernd
beantworten ließe. Die weitere Frage, ob der Kläger aufgrund der seiner Meinung nach
rechtswidrigen Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom
16. Januar 2001 seine Rechtsstellung aus Art 7 ARB 1/80 inne behalten hat, ist so
formuliert schon keine Frage von allgemeinem Interesse. Im Übrigen ist die
Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 16. Januar 2001 gerade nicht festgestellt worden,
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Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 16. Januar 2001 gerade nicht festgestellt worden,
nachdem der Kläger seine hiergegen gerichtete Klage zurückgenommen hat, womit er
diese bestandskräftige Entscheidung gegen sich gelten lassen muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Kosten der Beigeladenen waren
hier für das Zulassungsverfahren nicht für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3
VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 des
Gerichtskostengesetzes - GKG -.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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