Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 11.09.2008

OVG Berlin-Brandenburg: eisenbahn, angemessene entschädigung, zivilrechtliche ansprüche, bundesamt, anfang, einwendung, gebäude, informationstechnik, quelle, schallschutzwand

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 12 B 39.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 75 Abs 2 S 2 VwVfG, § 75 Abs
3 S 2 VwVfG
Elektrifizierung einer Schnellbahnstrecke; Antrag auf Anordnung
nachträglicher Schutzvorkehrungen; Relevanz vorheriger
Problembeseitigung durch den Planbetroffenen selbst
Leitsatz
Hat ein Planbetroffener, der das Auftreten nicht voraussehbarer nachteiliger Wirkungen des
planfestgestellten Vorhabens geltend macht, die nachteiligen Wirkungen und damit das von
ihm beklagte Problem bereits durch eigene Anstrengungen beseitigt, bevor er sich mit einem
Antrag auf Anordnung nachträglicher Schutzvorkehrungen an die Planfeststellungsbehörde
gewendet hat, so kommt für die Planfeststellungsbehörde nicht in Betracht, die vom
Planbetroffenen selbst vorgenommene Problembewältigung oder den Ersatz der Kosten dafür
dem Vorhabenträger als nachträgliche Schutzvorkehrung aufzuerlegen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. März
2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte oder die Beigeladene zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Nach der Wiedervereinigung wurden die Planfeststellungsverfahren für den Ausbau und
die Elektrifizierung der Schnellbahnverbindung Hannover-Berlin in den Jahren 1993 bis
1996 durchgeführt. Die Verbindung führt in Berlin von der westlichen Landesgrenze zum
Bahnhof Berlin-Spandau und von dort über die Berliner Stadtbahn zum Ostbahnhof. Das
Rathaus des Bezirks Spandau von Berlin liegt nördlich der dort in Dammlage
verlaufenden Trasse im Bereich des Planfeststellungsabschnitts (PFA) 1 B. Der Abstand
zwischen der Oberleitung des nördlichsten Fernbahngleises und der Südfassade des
Rathauses beträgt ca. 30 m. Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens für den
Planfeststellungsabschnitt 1 B war u.a. die Elektrifizierung der Strecke. Die
Planfeststellungsunterlagen lagen im Herbst 1994 im Rathaus des Bezirksamts Spandau
zur allgemeinen Einsichtnahme aus. Im Erläuterungsbericht war dabei die Aussage
enthalten, dass vor Baubeginn Untersuchungen über die zu erwartenden
elektromagnetischen Feldstärken durchzuführen seien, um eventuell notwendige
Schutzmaßnahmen zu definieren und zu verwirklichen. In der
Umweltverträglichkeitsstudie als Teil der Planfeststellungsunterlagen wurde darauf
hingewiesen, dass sich durch die Elektrifizierung der Strecke mit Wechselstrom der
Frequenz 16,67 Hz und einer Fahrleitungsspannung von 15 kV die Verhältnisse im
Umfeld der Trasse insoweit ändern würden, dass elektrische und magnetische
Wechselfelder aufträten. Diese Wechselfelder könnten u.a. auf elektrische Geräte wirken.
Das Bezirksamt Spandau gab zu dem Vorhaben Stellungnahmen ab, die keine Hinweise
zu der Computerausstattung des Rathauses Spandau und zu Befürchtungen in Bezug
auf Auswirkungen der Elektrifizierung enthielten. Daraufhin wurde der
Planfeststellungsbeschluss durch das Eisenbahnbundesamt am 29. Februar 1996 unter
Übernahme der zitierten Aussage aus dem Erläuterungsbericht erlassen.
Zwischen Mai 1997 und Ende 1998 realisierte die Beigeladene den von ihr
beabsichtigten elektrifizierten Fern- und Regionalverkehr nach und nach. Entsprechend
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beabsichtigten elektrifizierten Fern- und Regionalverkehr nach und nach. Entsprechend
der Ankündigung im Erläuterungsbericht wurde die Magnetfeldsituation bezogen auf den
Bereich Bahnhof Spandau - Telekom-Gebäude - im Zuge der Baumaßnahmen im
September 1996 begutachtet. Dabei empfahl der Gutachter in Bezug auf ein 15 m
südlich der Trasse gelegenes Fernmeldedienstgebäude der Telekom, die
Schallschutzwand auf der Südseite der Trasse rückleitend auszubilden und an den
Masten auf der Trassensüdseite drei Rückleitungsseile anzuordnen.
Seit Anfang 1998 wiesen Mitarbeiter des Bezirksamts Spandau von Berlin auf Störungen
der Monitore ihrer EDV-Arbeitsplätze durch Flimmern und Wackeln des Bildes hin. Die
regelmäßig in Intervallen auftretenden Störungen führten bei den Mitarbeitern zu
körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Augenflimmern. Der Kläger gab
daraufhin eine Begutachtung durch den TÜV Berlin-Brandenburg in Auftrag. Das
Gutachten des TÜV vom 17. Juni 1999 kam zu dem Ergebnis, dass vor allem die der
Bahn zugewandten Büroräume in Intervallen durch magnetische Störfelder betroffen
würden. Dabei wurden zu einem ganz überwiegenden Anteil durch den TÜV Störquellen
ermittelt, die nach dem Gutachten nur von den Bahnanlagen ausgesendet werden
konnten. Das Gutachten des TÜV schließt mit der Feststellung, dass Maßnahmen gegen
das Bildschirmflimmern für erforderlich gehalten würden. Dazu seien folgende
Möglichkeiten alternativ gegeben: In Betracht komme die Abschirmung der Bildschirme
durch Gehäuse aus Materialien mit speziellen magnetischen Eigenschaften, der
Austausch der Bildschirme gegen störunanfällige Typen, der Austausch der
Bildschirmgeräte gegen LCD-Flachbildschirme, die durch Magnetfelder nicht
beeinflussbar seien.
Der Kläger, der im Jahre 1996 für die Computerarbeitsplätze im Rathaus Spandau
herkömmliche Röhrenmonitore mit einer Störfestigkeit von 0,3 Mikrotesla (uT)
angeschafft hatte, erwarb daraufhin zwischen dem 19. Juli und 20. Dezember 1999 276
Flachbildschirme für umgerechnet 364.199,30 €.
Den Ersatz dieser Aufwendungen verlangte der Kläger von der Beigeladenen, was diese
unter Bezugnahme auf ein von ihr eingeholtes Gegengutachten der Deutsche
Eisenbahn-Consulting GmbH vom 7. Juli 2000 ablehnte. Das Gutachten kommt im Kern
zu der Aussage, dass die Störungen der Monitore im Rathaus Spandau in erster Linie auf
eine unzureichende EDV-technische Ausstattung und lediglich ergänzend auf die
Elektrifizierung der Bahnstrecke zurückzuführen seien. Daraufhin erhob der Kläger Klage
beim Landgericht Berlin auf Zahlung von Aufwendungsersatz in der zuvor angegebenen
Höhe. Das Landgericht wies die Klage durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 15.
Februar 2002 (13 O 104.01) ab und verwies zur Begründung auf den bestandskräftigen
Planfeststellungsbeschluss, der zivilrechtliche Ansprüche des Klägers ausschließe.
Zugleich erhielt der Kläger den Hinweis auf die Möglichkeit, beim Eisenbahn-Bundesamt
einen Antrag auf Planergänzung zu stellen.
Dieser Empfehlung kam der Kläger unter dem 15. März 2002 nach und beantragte beim
Beklagten, der Beigeladenen aufzuerlegen, ihm 300.000 € für die Anschaffung der
Flachbildschirme zu zahlen. Durch Beschluss vom 17. Juni 2004 lehnte der Beklagte den
Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Anspruch auf Aufwendungsersatz
scheide aus, weil der Kläger sich durch Anschaffung der Flachbildschirme selbst geholfen
habe. Der Planfeststellungsbeschluss entfalte eine Duldungswirkung, die es ausschließe,
für die vor Antragstellung vorgenommenen eigenen Aufwendungen vom Vorhabenträger
Ersatz zu verlangen. Im Übrigen hätte das Eisenbahnbundesamt, wenn es rechtzeitig
befasst worden wäre, nicht den Austausch der Monitore, sondern den Einbau von
Kompensationsrückleitern auf der Nordseite der Trasse angeordnet. Diese Maßnahme
hätte zum Schutz gegen elektromagnetische Felder ausgereicht.
Daraufhin hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Berlin und - vorsorglich -
Widerspruch erhoben. Der Widerspruch ist als unzulässig zurückgewiesen worden. Zur
Begründung seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beeinträchtigungen der
Mitarbeiter im Rathaus Spandau seien unzumutbar gewesen und hätten den Austausch
der Monitore aus Gründen des Arbeitsschutzes erforderlich gemacht. Es sei nach dem
Vorliegen des TÜV-Gutachtens vom 17. Juni 1999 eine Zuspitzung der Situation
eingetreten, in der der Personalrat mit Arbeitsniederlegungen gedroht habe. Zur
Aufrechterhaltung der Tätigkeit des Bezirksamtes sei deshalb ein sofortiges Handeln
ohne vorherigen Antrag beim Eisenbahn-Bundesamt erforderlich gewesen. Als einzige
geeignete Maßnahme sei dabei der Austausch der Monitore gegen Flachbildschirme in
Betracht gekommen. Insoweit hätte sich auch für das Eisenbahn-Bundesamt im Falle
einer vorherigen Antragstellung eine Ermessensreduzierung auf Null ergeben. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts komme die Festsetzung von
Aufwendungsersatz auch dann in Betracht, wenn der Betroffene die Schutzvorkehrungen
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Aufwendungsersatz auch dann in Betracht, wenn der Betroffene die Schutzvorkehrungen
bereits selbst getroffen habe.
Mit Urteil vom 6. März 2007 hat das Verwaltungsgericht Berlin die Klage abgewiesen. Es
hat ausgeführt, als Anspruchsgrundlage für den Kläger komme allein § 75 Abs. 2 Satz 2
VwVfG in Betracht. Dabei könne offen bleiben, ob der Kläger die Antragsfrist von drei
Jahren nach § 75 Abs. 3 Satz 2 VwVfG gewahrt habe und ob in der Störung der Monitore
eine „nicht voraussehbare Wirkung“ des Vorhabens im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2
VwVfG liege. Die Kosten von Maßnahmen, die schon vor Beantragung der Planergänzung
durch den Betroffenen getätigt worden seien, könnten nämlich nicht nachträglich dem
Vorhabenträger auferlegt werden. Im Übrigen und unabhängig davon stehe der
Planfeststellungsbehörde bei der Frage, in welcher Weise ein nachträglich gebotener
Schutz für unvorhersehbare Wirkungen technisch am besten zu bewerkstelligen sei, ein
planerischer Gestaltungsspielraum zu. Eine Verdichtung dieses Spielraums dahin, dass
nur ein Austausch der Röhrenmonitore gegen Flachbildschirme geeignet gewesen sei,
könne hier nicht festgestellt werden.
Gegen diese erstinstanzliche Entscheidung richtet sich die vom Verwaltungsgericht
zugelassene und vom Kläger fristgerecht eingelegte Berufung.
Der Kläger beruft sich weiterhin darauf, dass die seit Anfang 1998 aufgetretenen
Bildschirmstörungen durch die Elektrifizierung der Bahnstrecke verursacht worden und
für ihn unvorhersehbar gewesen seien. Insbesondere habe für ihn keine Verpflichtung
bestanden, im Planfeststellungsverfahren entsprechende Befürchtungen einzuwenden.
Auch der Vorhabenträger und das Eisenbahn-Bundesamt hätten das Problem nicht oder
nur unzureichend erkannt und deshalb lediglich in Bezug auf das Telekom-Gebäude
südlich der Bahntrasse Regelungen in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommen.
Folglich lägen unvorhersehbare nachteilige Wirkungen vor, die von dem
Planfeststellungsvorhaben ausgingen. Die Dreijahresfrist des § 75 Abs. 3 Satz 2 VwVfG
sei eingehalten, weil positive Kenntnis von den nachteiligen Wirkungen erst nach
Einholung des TÜV-Gutachtens vom Juni 1999 entstanden sei. Die Antragstellung
gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt am 15. März 2002 sei mithin fristgerecht. Soweit
das Planfeststellungsrecht einen vorherigen Antrag gegenüber der
Planfeststellungsbehörde vorsehe, sei ein solcher angesichts der Besonderheiten der
Situation im Sommer und Herbst 1999 nicht erforderlich gewesen. Infolge der
Zuspitzung der Lage und der massiven Beeinträchtigung der Mitarbeiter im Rathaus
habe ihm - so meint der Kläger - das Recht zugestanden, vor einer Antragstellung
gegenüber der Planfeststellungsbehörde selbst Abhilfe zu schaffen. Dies gelte vor allem
deshalb, weil auch das Eisenbahn-Bundesamt bei vorheriger Antragstellung nur eine
einzige rechtmäßige Entscheidung habe treffen können. Dies sei der Austausch der
alten Monitore gegen Flachbildschirme gewesen. Auch das Bundesverwaltungsgericht
habe mit Urteil vom 1. September 1999 entschieden, dass Aufwendungsersatz auch
dann gewährt werden könne, wenn der Betroffene die Schutzvorkehrungen vorher
bereits selbst getroffen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. März 2007 zu ändern und die
Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Eisenbahn-Bundesamtes vom 17. Juni
2004 zu verpflichten, der Beigeladenen aufzugeben, Aufwendungsersatz in Höhe von
300.000 € an den Kläger zu leisten.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen den ablehnenden Bescheid und das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Streitakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Die Akten
haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der
Beratung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des
Eisenbahnbundesamtes vom 17. Juni 2004 ist rechtmäßig und bewirkt keine Verletzung
der Rechte des Klägers. Der Kläger kann nicht verlangen, dass der Beklagten
aufgegeben wird, gegenüber der Beigeladenen nachträglich die Anordnung zu erlassen,
Aufwendungsersatz an den Kläger zu leisten.
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Als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren kommt allein der in § 75 Abs. 2
Satz 2 VwVfG normierte Anspruch auf eine nachträgliche Anordnung von
Schutzvorkehrungen in Betracht. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf
hingewiesen, dass derartige Vorkehrungen in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts als „physisch-reale“ Maßnahmen zur Vermeidung der
nachteiligen Wirkungen eines Vorhabens definiert werden. Dabei kommt es nicht darauf
an, ob die Schutzvorkehrungen selbst oder ein Aufwendungsersatz angeordnet werden.
Der Aufwendungsersatz bezeichnet danach die - gesetzlich nicht geregelte - Modalität,
in der der Anspruch auf reale Schutzvorkehrungen erfüllt wird (so ausdrücklich BVerwG,
Urteil vom 1. September 1999 - BVerwG 11 A 2.98 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 52 S.
4 oben). Erst wenn solche Vorkehrungen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar
sind, besteht ein Anspruch auf Entschädigung. Entschädigung in diesem Sinne ist also
der finanzielle Ausgleich für unzumutbare Beeinträchtigungen. Darum geht es dem
Kläger hier nicht. Er will vielmehr reale Schutzvorkehrungen in der Form eines finanziellen
Aufwendungsersatzes.
Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine entsprechende Anordnung sind
jedoch nicht gegeben. Dass für den Ausbau der Schnellbahnverbindung Berlin-Hannover
Planfeststellungsverfahren gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 VwVfG erforderlich waren, ergibt
sich zunächst aus § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG. Für das Planfeststellungsverfahren in Bezug
auf den Planfeststellungsabschnitt 1 B galten danach die §§ 73 bis 78 VwVfG.
1. Die in § 75 Abs. 3 Satz 2 VwVfG bestimmte Frist hat der Kläger eingehalten. Danach
sind Anträge, mit denen Ansprüche auf Herstellung von Einrichtungen oder auf
angemessene Entschädigung nach Abs. 2 und 4 geltend gemacht werden, innerhalb von
drei Jahren nach dem Zeitpunkt zulässig, zu dem der Betroffene von den nachteiligen
Wirkungen des dem unanfechtbar festgestellten Plan entsprechenden Vorhabens oder
der Anlage Kenntnis erhalten hat. Erforderlich ist dabei die positive Kenntnis von den
nachteiligen Wirkungen. Kennenmüssen reicht nicht aus (Bonk/Neumann in
Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar 7. Aufl., § 75 VwVfG Rn.
89). Hier muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger erst nach Einholung des
TÜV-Gutachtens vom 14. Juni 1999 positive Kenntnis darüber erworben hat, dass die von
ihm festgestellten Störungen Auswirkungen der Elektrifizierung der Bahnstrecke waren
oder jedenfalls sein konnten.
2. Demgegenüber kann nicht festgestellt werden, dass die vom Kläger beklagten
nicht voraussehbare
des planfestgestellten Vorhabens darstellten. Dafür sind folgende Gründe maßgeblich:
Rechtlich kennzeichnend für eine Planfeststellung im Sinne der §§ 72 ff. VwVfG sind - u.a.
- die in § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG niedergelegte Gestaltungswirkung und die in § 75 Abs.
2 Satz 1 VwVfG normierte Ausschlusswirkung. Beide Rechtswirkungen stehen in engem
Zusammenhang zueinander. Die Ausschlusswirkung begründet für die planbetroffenen
Nachbarn der Anlage eine Duldungspflicht gegenüber betriebsbedingten Immissionen,
die über die gesetzliche Pflicht nach § 906 BGB hinausgeht. Die Ausschlusswirkung
erfasst aber ebenso etwaige öffentlich-rechtliche Ansprüche auf Schutzvorkehrungen
oder Geldausgleich, die Planbetroffene gegen die Planfeststellungsbehörde richten
könnten. Sinn des Ausschlusses sämtlicher Ansprüche ist der Investitionsschutz für den
Träger des Vorhabens (vgl. Vallendar in Beck’scher AEG-Kommentar, 2006, § 18 Rn. 37 -
40). Die Voraussetzungen für den Eintritt der Ausschlusswirkung sind hier erfüllt, weil der
Planfeststellungsbeschluss für den Planfeststellungsabschnitt 1 B vom 29. Februar 1996
bestandskräftig und damit unanfechtbar geworden ist. Ebenso besteht kein Zweifel
daran, dass das Vorhaben entsprechend den Festlegungen des
Planfeststellungsbeschlusses errichtet worden ist.
Infolge der eingetretenen Ausschlusswirkung des Planfeststellungsbeschlusses besteht
für den Kläger als Planbetroffenen in Bezug auf alle von dem Vorhaben ausgelösten und
aufgeworfenen Probleme eine Duldungspflicht, es sei denn, dass es sich um
unvorhergesehene Auswirkungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG handelt. Dass
elektromagnetische Wellen, wie diejenigen, die von einer elektrischen Oberleitung
ausgehen, ein Problem darstellen können, ist seit langem anerkannt. Das
Bundesverwaltungsgericht zitiert dazu in der bereits angegebenen Entscheidung vom 1.
September 1999 das Urteil des Reichsgerichts in RGZ 133, 342, 349. Bereits daraus
ergibt sich, dass die durch die Oberleitung notwendigerweise verursachte Veränderung
der elektromagnetischen Situation im Planfeststellungsabschnitt notwendigerweise
einen Gesichtspunkt darstellte, der zum Abwägungsmaterial in der Planfeststellung
gehörte und an den deshalb zu denken war. Nach den unbestrittenen Angaben der
Beklagten zum Inhalt der Planfeststellungsunterlagen und des
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Beklagten zum Inhalt der Planfeststellungsunterlagen und des
Planfeststellungsbeschlusses enthielten diese lediglich in Bezug auf ein Gebäude der
Telekom 15 m südlich der Trasse Anordnungen. Weitere Ausführungen zur Problematik
elektromagnetischer Felder wurden weder in den Planfeststellungsbeschluss noch in die
beigezogenen Unterlagen und Anlagen aufgenommen.
Soweit dies das Rathaus Spandau mit seinen zahlreichen Computerarbeitsplätzen
betrifft, kann daraus nicht auf einen materiellen Fehler des Planfeststellungsbeschlusses
geschlossen werden. Nachdem der Kläger keine Einwendung mit der Besorgnis einer
negativen Veränderung der elektromagnetischen Situation im Rathaus Spandau
erhoben hatte, hängt das Vorliegen eines Fehlers im Planfeststellungsbeschluss davon
ab, ob sich der Planfeststellungsbehörde aufdrängen musste, die elektrotechnische
von Amts wegen
Nur wenn dies bejaht werden könnte, müsste die Zusammenstellung des
Abwägungsmaterials durch die Planfeststellungsbehörde nachträglich als lückenhaft und
fehlerhaft bezeichnet werden. Davon ist jedoch nicht auszugehen. Zwar wird
angenommen werden müssen, dass sich der Planfeststellungsbehörde in den Jahren
1994 bis Anfang 1996 der Gedanke aufdrängen musste, dass in der Verwaltungszentrale
eines Bezirks von Berlin mittlerweile moderne Informationstechnik Einzug gehalten
hatte; doch ergibt sich daraus nicht, dass die Planfeststellungsbehörde von vornherein
ohne einen entsprechenden Hinweis oder eine entsprechende Einwendung des Klägers
einzukalkulieren hatte, die verwendete Informationstechnik weise möglicherweise nicht
die erforderlichen Schutzvorkehrungen gegen Störanfälligkeit auf (vgl. BVerwG,
Beschluss vom 11. Januar 2001 - BVerwG 4 B 37/00 - NVwZ 2001, S. 1398/1399 a.E.).
Würde der Planfeststellungsbehörde die Aufgabe auferlegt, in einem großstädtischen
Planfeststellungsabschnitt wie hier allen möglichen denkbaren Problemsituationen von
Amts wegen ohne Einwendung des Betroffenen nachzugehen, so würde dies die
Zusammenstellung des Abwägungsmaterials in nicht mehr sachgerechter Weise
erschweren oder gar unmöglich machen.
Auf der anderen Seite kann der Kläger sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er keine
Veranlassung gehabt habe, eine denkbare Gefährdung seiner technischen Ausstattung
im Wege der Einwendung nach § 20 Abs. 2 AEG geltend zu machen. Dass im Rathaus
dabei 1994 und auch noch nach der Neubeschaffung im Jahre 1996 Röhrenmonitore
verwendet wurden, die technisch zulässig waren, ist nicht entscheidend. Dem Kläger war
bekannt oder es musste ihm jedenfalls bekannt sein, dass die bei ihm verwendeten
Monitore eine hohe Störanfälligkeit aufwiesen. Gerade dieser Umstand hätte zur Folge
haben müssen, dass für den Kläger die Obliegenheit entstand, im
Planfeststellungsverfahren den genannten Umstand anzugeben und so eine vertiefte
Prüfung durch die Planfeststellungsbehörde zu erreichen.
War die Planfeststellungsbehörde nicht gehalten, dem Problem der elektromagnetischen
Felder im Rathaus Spandau von Amts wegen nachzugehen und hatte der Kläger es
versäumt, innerhalb der Einwendungsfrist entsprechende Hinweise zu geben, so muss -
bezogen auf das Rathaus Spandau - die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials
zum Thema „elektromagnetische Felder“ durch die Planfeststellungsbehörde als
ausreichend und lückenlos angesehen werden. Dann aber spricht unabhängig davon,
dass der Planfeststellungsbeschluss ohnehin unanfechtbar geworden ist, nichts dafür,
dass er insoweit einen materiellen Abwägungsfehler enthält (vgl. Bonk in
Stelkens/Bonk/Sachs a.a.O. § 75 Rn. 50). War damit die Problematik der
elektromagnetischen Auswirkungen im Planfeststellungsverfahren ein vorhersehbares
Gefährdungspotenzial, dem sich die Planfeststellungsbehörde im
Planfeststellungsbeschluss in der beschriebenen Weise gewidmet hatte, so handelte es
nicht
nicht voraussehbare Wirkungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Folglich kann die
Klage bereits aus diesem Gesichtspunkt keinen Erfolg haben.
3. Unabhängig davon und selbstständig tragend ergibt sich die Unbegründetheit der
Klage zusätzlich aus einem anderen Grund. Würde mit dem Verwaltungsgericht
zugunsten des Klägers davon ausgegangen, dass es sich bei den beklagten Störungen
der Röhrenmonitore um nicht voraussehbare Wirkungen der Elektrifizierung der
Bahnstrecke gehandelt hat, so kommt eine nachträgliche Schutzvorkehrung in der Form
von Aufwendungsersatz gleichwohl nicht in Betracht. Aufgabe der Planfeststellung ist in
materieller Hinsicht das Problem der Planbewältigung. Die Planfeststellungsbehörde hat
die zentrale Aufgabe, die sich aus dem Vorhaben des Vorhabenträgers ergebenden
Problemlagen zu erfassen und sachgerecht zu lösen. Wird im Laufe des
Planfeststellungsverfahrens ein bestehendes Problem durch einen Planbetroffenen
selbst gelöst (indem etwa der Anlieger einer Bahnstrecke aus eigenen Mitteln einen
Lärmschutzwall errichtet), so liegt im Anschluss daran kein Problem mehr vor, dass die
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Lärmschutzwall errichtet), so liegt im Anschluss daran kein Problem mehr vor, dass die
Planfeststellungsbehörde bearbeiten und lösen müsste oder auch nur könnte. Ebenso
verhält es sich - wie das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt hat - bei nachträglichen
Schutzauflagen. Aus Gründen des Investitionsschutzes für den Vorhabenträger besteht
für die Planfeststellungsbehörde keine rechtliche Möglichkeit und auch keine
Berechtigung, dem Vorhabenträger nachträgliche Schutzauflagen aufzugeben, wenn das
zu bearbeitende Problem bereits beseitigt ist. Dies gilt in jedem Fall dann, wenn die
Problembeseitigung bereits vor Antragstellung gegenüber der Planfeststellungsbehörde
im Sinne des § 75 Abs. 3 Satz 1 VwVfG erfolgt ist. Ob etwas anderes angenommen
werden könnte, wenn die Problembewältigung durch den Planbetroffenen nach
Antragstellung bei der Planfeststellungsbehörde, aber vor deren Entscheidung erfolgt,
wie es das Bundesverwaltungsgericht in einer sehr speziellen Sachverhaltskonstellation
in seinem Urteil vom 1. September 1999 (a.a.O. S. 4 oben) möglicherweise
angenommen hat, bedarf keiner Entscheidung durch den Senat.
4. Sollten auch hier die rechtlichen Weichen anders gestellt und ein Aufwendungsersatz
nach vorheriger Problembeseitigung durch den Planbetroffenen für möglich erachtet
werden, so würde - wiederum selbstständig tragend - das Begehren des Klägers auch
dann scheitern. Soweit der Kläger im gesamten Verfahren fortlaufend vorgetragen hat,
der Austausch der Röhrenmonitore gegen Flachbildschirme sei die einzig geeignete
Abwendungsmaßnahme gewesen, erscheint dies nicht haltbar. Nach den vorliegenden
technischen Unterlagen und Gutachten spricht nichts dafür, dass es technisch nicht
möglich gewesen wäre, die schädliche Veränderung der elektromagnetischen Felder in
Bezug auf das Rathaus Spandau durch Maßnahmen an der zum Rathaus gelegenen
Schallschutzwand oder durch ergänzende Maßnahmen an der Oberleitung selbst zu
vermeiden. Dass der Kläger demgegenüber im Sommer 1999 von vornherein und ohne
weitere technische Abklärung und Begutachtung die teuerste und für seine
Beschäftigten komfortabelste Lösung wählte, ohne die Planfeststellungsbehörde oder
auch den Vorhabenträger zuvor einzuschalten, war ein jedenfalls
planfeststellungsrechtlich in keiner Weise gerechtfertigtes Vorgehen.
Soweit dazu von Seiten des Klägers auf Zeitnot und einen drohenden Zusammenbruch
der Arbeitsfähigkeit des Bezirksamtes verwiesen wird, kann auch dem nicht gefolgt
werden. Zum einen hätte bereits nach Auftreten der Störungen im Jahre 1998
Veranlassung bestanden, die Planfeststellungsbehörde und/oder den Vorhabenträger in
Kenntnis zu setzen, zum anderen wäre noch im Juni 1999 nach Einholung des TÜV-
Gutachtens anstelle einer mit dem Abstand von ungefähr einem Monat beginnenden
„Flachbildschirmbeschaffungsmaßnahme“ ein dringlicher Antrag an das Eisenbahn-
Bundesamt zur Vornahme unverzüglicher nachträglicher Schutzvorkehrungen möglich
und aussichtsreich gewesen. War die Maßnahme zur Beschaffung der Flachbildschirme
im Rathaus Spandau bis Ende 1999 abgeschlossen, so kann mit Sicherheit erwartet
werden, dass die Planfeststellungsbehörde entsprechend ihrer gesetzlichen
Verantwortung zum Schutz der Mitarbeiter im Rathaus Spandau innerhalb dieses
Zeitraums eine sachgerechte Entscheidung über nachträgliche Schutzvorkehrungen
getroffen hätte. Dabei kann nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen keine Rede
davon sein, dass die Beklagte dabei wegen einer Reduzierung ihres Spielraums auf Null
nur die Möglichkeit gehabt hätte, dem Vorhabenträger die Finanzierung von
Flachbildschirmen für die Beschäftigten im Rathaus Spandau aufzuerlegen.
Schließlich hätte dem Kläger bei rechtzeitiger Antragstellung gegenüber der
Planfeststellungsbehörde und zögerlicher Behandlung des Verfahrens durch diese
jederzeit die Möglichkeit offen gestanden, einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §
708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil ein Zulassungsgrund im Sinne des §
132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben ist.
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